Caravaggio
Wer war Caravaggio?
Caravaggio (Mailand 29.9.1571–18.7.1610) war ein italienischer Maler des Frühbarock (→ Barock). Michelangelo Merisi da Caravaggio wurde nach dem Heimatort seiner Eltern „Caravaggio“ genannt. Caravaggio arbeitete anfangs für große Werkstätten in Rom wie jener von Cavalier d‘Arpino. Um 1600 revolutionierte er die europäische Malerei durch einen neuartigen Einsatz von Licht und Schatten sowie den Einsatz eines schonungslosen Realismus. Bereits kurz nach 1600 reagierten römische Maler auf die Neuerungen Caravaggios. Zu seinen wichtigsten Mäzenen zählten Giustiniani (1564–1637) und Kardinal Francesco Maria Del Monte (1549–1627), darüber hinaus pflegte Caravaggio auch Kontakte mit Künstlern, Dichtern und Intellektuellen seiner Zeit.
Nicht alle Kollegen waren Caravaggio freundschaftlich gesinnt (→ Caravaggio in Rom. Freunde und Feinde). Diese kulminierten im Duell Caravaggios mit Ranuccio Tomassoni, der dabei ums Leben kam. 1606 wurde Caravaggio dafür zum Tode verurteilt, seine Strafe allerdings auf Fürsprache seiner Gönner in ein Exil umgewandelt. Caravaggios treueste Förderer beauftragten ihn weiterhin mit Gemälden und verfolgten sein Schicksal mit Anteilnahme.
Kindheit
Michelangelo Merisi, genannt Caravaggio, wurde vermutlich am 29. September 1571 in Mailand (?) geboren. Zumindest wurde er am 30. September er dort getauft: Taufname und -datum weisten auf eine Geburt am Vortag hin.
Caravaggio war der Sohn von Fermo Merisi, einem selbstständigen Maurermeister aus Caravaggio, einer Stadt bei Bergamo, und seiner zweiten Frau Lucia Aratori (Aratoris), deren Familie kleinere Ländereien besaß. Fermo Merisi arbeitete als Oberaufseher der Fabriken des Marchese Francesco Sforza di Caravaggio. Caravaggio wurde nach dem Erzengel Michael benannt (Taufe am 30.9.), an dessen Festtag er zur Welt gekommen war. Seine Kindheit verbrachte Caravaggio mit seinen Eltern und seinen beiden Geschwistern in Mailand. Caravaggio hatte drei Geschwister.
1576 floh die Familie vor der Pest aus Mailand und kehrte nach Caravaggio zurück. Aber ein Jahr später starben Vater und Großvater an der Beulenpest (20.10.). Trotz des frühen Verlusts seines Vaters wuchs Caravaggio in einem behüteten, gut vernetzten Familienverband auf. Caravaggios Mutter blieb ledig und zog die Kinder alleine auf.
Ausbildung
Der 14-jährige Caravaggio wurde ab Frühjahr 1584 vier Jahre lang von Simone Peterzano in Mailand ausgebildet; der Ausbildungsvertrag wurde am 6. April 1584 unterzeichnet und Caravaggio blieb bis 1588. Nach eigener Aussage war Peterzano von Tizian ausgebildet worden und arbeitete in Mailand für aristokratische Familien, u.a. war er an der Ausmalung des Mailänder Schlosses der Sforza beteiligt. Der bekannte Maler verlangte ein beträchtliches Lehrgeld, das die Familie bezahlte. Über seinen Lehrer, der gute Kontakte nach Venedig unterhielt, wurde Caravaggio schon früh mit der venezianischen Malerei vertraut.
Was Caravaggio in den drei Jahren von 1588 bis 1592 machte, ist ungewiss. Ein Biograf erwähnt, er habe Venedig besucht, was allerdings als wenig wahrscheinlich gilt. Erstaunlich ist, dass aus dieser Phase kein einziges Werk Caravaggios erhalten ist. 1589 ist der junge Künstler in Caravaggio dokumentiert; dort starb am 29. Oktober 1590 seine Mutter Lucia Aratori. Am 11. Mai 1592 trat Caravaggio und sein Bruder ihr Erbe an.
- Caravaggio, Bacchus, um 1596 (Uffizien, Florenz)
- Anonym, Porträt von Michelangelo Merisi da Caravaggio, um 1600, Öl/Lw, 59 x 46,5 cm (Accademia Nazionale di San Luca, Rom © Courtesy of Accademia Nazionale di San Luca, Roma)
Werke
Es gilt als wahrscheinlich, dass Caravaggio 1592 auf seinem Weg nach Rom über Bologna reiste. Er dürfte im Spätsommer dort angekommen sein. Hier hatten gerade die Brüder Agostino und Annibale Carracci gemeinsam mit ihrem Cousin Ludovico Carracci mit ihrer neuen Malweise den Manierismus überwunden.
Der mittellose und völlig unbekannte Caravaggio übersiedelte nach Rom, wo er bis 1606 lebte und arbeitete. Anfangs wohnte er bei dem Prälaten Pandolfo Pucci, den Caravaggio „Monsignore Insalata“ nannte. Da ihm dieser aber nur bescheidene Mahlzeiten bieten konnte, verließ ihn Caravaggio bald wieder. Caravaggio wurde Mitarbeiter in verschiedenen Malerwerkstätten, darunter dem Atelier von Giuseppe Cesari, genannt Cavalier d'Arpino, der von Papst Clemens VIII. geschätzt wurde. Hier lernte Caravaggio beim Malen von Blumen und Früchten nicht nur die römische Kunstproduktion kennen, sondern auch wie man sich und seine Kunst am Markt platziert und sich aufstiegsorientiert benimmt.
Bei Cavalier d'Arpino
Caravaggio trat 1593 für acht Monate in das Atelier von Cavalier d’Arpino ein, bei dem er sich auf das Malen von Fruchtgirlanden und Stillleben spezialisierte. Zu seinen gesicherten Kollegen gehörte Floris van Dyck, der Caravaggios Namen an den niederländischen Biografen Karel van Mander übermittelte. Vermutlich lernte er in der Werkstatt von Giuseppe Cesari seinen späteren Fürsprecher Prospero Orsi kennen, der sich selbst auf Grotesken spezialisiert hatte (Spitzname: Prosperino delle Grottesche). „Fruchtschälender Knabe“ (1591/92) ist Caravaggios erstes zugeschriebenes Werk. „Kleiner kranker Bacchus“ (Museo Galleria Borghese, Rom) entstand vermutlich während eines längeren Krankenhausaufenthalts nach einem Unfall. Hierbei könnte es sich um ein mythologisch verkleidetes Selbstporträt handeln. Kardinal Federico Borromeo könnte den „Obstkorb“ (Pinacoteca Ambrosiana, Mailand) in Auftrag gegeben haben. Für den reichen Bankier Ottavio Costa malte er die „Ekstase des hl. Franziskus“. Im Oktober nahm er gemeinsam mit Prospero Orsi an einem 40-Stunden-Gebet teil.
1593/94 entstanden Caravaggios früheste bekannte Gemälde: Caravaggio schuf weiterhin Genreszenen, allerdings wandte er sich auch erstmals sakralen Themen zu: Für „Knabe mit Früchtekorb“ (Museo Galleria Borghese, Rom) drüfte Mario Minniti Modell gestanden haben. Caravaggio dürfte den Maler aus Syrakus (Sizilien) bei Cesari kennengelernt haben. „Jüngling von einer Eidechse gebissen“, „Die handlesende Zigeunerin“ (Musée du Louvre, Paris), die „Reuige Magdalena“ (Galleria Doria Pamphilij, Rom), die „Ruhe auf der Flucht nach Ägypten“ (Galleria Doria Pamphilij, Rom) und die „Ekstase des hl. Franziskus“ gehören zu den frühesten bekannten Gemälden Caravaggios.
Schritt in die Selbstständigkeit
1594 oder 1595 machte sich Caravaggio selbständig und trat der Bruderschaft der Maler bei. Behilflich war ihm dabei sehr wahrscheinlich Prospero Orsi. Er verschaffte ihm eine Unterkunft im Palast des Monsignore Fantino Petrignani, den dieser während einer längeren Abwesenheit aus Rom seinem Neffen überlassen hatte. Zudem veranlasste Orsi auch seinen Schwager Gerolamo Vittrici, den stellvertretenden päpstlichen Kämmerer, drei Gemälde von Caravaggio zu kaufen. Bei diesen Gemälden handelte es sich um die „Handlesende Zigeunerin“ (1594, Louvre, Paris), die „Reuige Magdalena“ und „Ruhe auf der Flucht nach Ägypten“ (beide 1594, Galleria Doria Pamphilj, Rom). In dieser Zeit malte Caravaggio auch „Die Falschspieler“ (um 1595, Kimbell Art Museum, Fort Worth).
Caravaggio bei Kardinal Francesco Maria Bourbon del Monte
Nachdem Kardinal Francesco Maria Bourbon del Monte Ende 1595 auf Caravaggio über den Kunsthändler Maestro Valentino aufmerksam geworden war, nahm er ihn vermutlich als Mitglied des Haushalts (famiglia) in seinem Palazzo Madama auf (Ende 1595–November 1600). Caravaggio erhielt Kost, Logis und vor allem hohe Protektion von einem Gastgeber. Dennoch durfte er auch für andere Auftraggeber arbeiten. Von 1596 bis 1599 hielt sich auch Caravaggios Bruder in Rom auf.
Caravaggio malte für Kardinal del Monte „Die Musiker“ (The Metropolitan Museum of Art, New York) und eine zweite Fassung von „Handlesende Zigeunerin“. Das 1627 angelegte Inventar von Del Montes Sammlung werden acht Gemälde von Caravaggio aufgezählt. Über den kunstsinnigen Kardinal dürfte der Maler Kontakte zum einflussreichen Klientel und erhielt seinen ersten öffentlichen Auftrag in San Luigi dei Francesi.
Caravaggio malte für Del Montes Nachbarn, Marchese Vincenzo Giustiniani, den „Lautenspieler“ (Erstfassung, Staatliche Eremitage, Sankt Petersburg, Inv.-Nr. 45). Das Modell dafür könnte eventuell Mario Minniti oder der Kastrat Pedro de Montoya. Kardinal Del Monte schenkte seinem Freund, dem Kardinal Federico Borromeo, den „Früchtekorb“. „Maria Magdalena“ (Rom, Galleria Doria Pamphilj, Inv.-Nr. 380), „Hl. Franziskus in Ekstase” (Hartford, Wadsworth Atheneum, Museum of Art), Jüngling von einer Eidechse gebissen“; „Bacchus“ (um 1596, Galleria degli Uffizi, Florenz); „Früchtekorb“ (1595/96, Pinacoteca Ambrosiana, Mailand); für Del Monte malte Caravaggio eine zweite Fassung des „Lautenspielers“.
In dieser Zeit begann sich Caravaggio mit optischen Phänomenen und Experimenten (im Haushalt Kardinal Del Montes) sowie ein intellektueller Gedankenaustausch. Mit den Gemälden, die caravaggio Mitte der 1590er Jahre schuf, dürfte er sich rasch einen Ruf erarbeitet haben. Es entstand die legendäre „Medusa” (Galleria degli Uffizi, Florenz), und das Gemälde „Die Musiker“ (1597) wurde vom Künstler und Schriftsteller Giovanni Baglione erwähnt. Die zukünftigen Schwierigkeiten mit der Obrigkeit klingen allerdings in dieser Zeit auch schon an: Am 11. Juli 1597 vernahmen die städtischen Behörden Caravaggio wegen eines nächtlichen Tumults.
1597/98 malte Caravaggio „Martha bekehrt Magdalena“, „Knabe, von einer Eidechse gebissen” (Florenz, Fondazione di Studi die Storia dell’Arte Roberto Longhi, Inv.-Nr. 1980 N.78), „Hl. Katharina“ (Museo Thyssen-Bornemisza, Madrid) aus dem Nachlass Del Montes. Dazu noch „Das Opfer Abrahams“.
Wie wichtig der Schutz eines anerkannten Gönners war, wusste Caravaggio spätestens ab dem 3. Mai 1598. Sein erster kurzer Arrest wegen angeblich unerlaubten Tragens von Waffen. Dem Maler gelang es allerdings, den Vorwurf durch den Hinweis auf seine Zugehörigkeit zum Haushalt von Kardinal del Monte auszuräumen.
Im Herbst 1599 wurde ein Vertrag über zwei Gemälde „Die Berufung des hl. Matthäus“ und „Das Martyrium des hl. Matthäus“ (beide 1599/1600) für die Seitenwände der Contarelli-Kapelle in San Luigi dei Francesi um den Betrag von 400 Scudi aufgesetzt (23.7. und 1.8.1599). Am 4. Juli 1600 vollendete Caravaggio die Seitenbilder der Contarelli-Kapelle: „Berufung des hl. Matthäus“ und „Martyrium des hl. Matthäus“ (San Luigi dei Francesi, Rom). Mit ihnen wandte er sich einem radikalen Naturalismus zu und steigerte die Wirkung seiner Gemälde durch eine dramatische Helldunkelmalerei.
„Jupiter, Neptun und Pluto“ aus dieser Zeit und in einem privaten Palazzo ist das einzige bekannte Deckengemälde Caravaggios.
Reife Werke
Caravaggio zog 1600 in den Palazzo Mattei, dem Haushalt des Kardinals Girolamo Mattei und seiner Brüder Ciriaco und Asdrubale. Zwischen 5. April und 20. November (Schlusszahlung) arbeitete Caravaggio an einem unbekannten Werk für den Sienesen Fabio de Nutis Sartis (verschollen).
Im Juli 1600 kam es zu Handgreiflichkeiten auf einem Tennisplatz, bei denen ein „Mann aus Terni“, hinter dem sich vermutlich Ranuccio Tomassoni versteckt, eine Rolle spielte.
Am 24. September 1600 unterschrieb Caravaggio den Vertrag mit Tiberio Cerasi für „Die Bekehrung des hl. Paulus“ und „Die Kreuzigung des hl. Petrus“ (beide um 1604, Santa Maria del Popolo). Allerdings starb sein Auftraggeber im Mai 1601, und Caravaggio wurde mit den Seitenbildern nicht rechtzeitig fertig. Als er sie am 10. November 1601 lieferte, gefielen seine Kompositionen dem Auftraggeber nicht. Anstelle der vereinbarten 400 Scudi erhielt Caravaggio nur 300. Dafür blieben die „Bekehrung Pauli“ und die „Kreuzigung Petri“ in seinem Atelier. Ursprünglich sollte er sie auf Abruf anbringen. Später wurden die Gemälde an Kardinal Sannesi verkauft, und Caravaggio erarbeitete Zweitfassungen.
Der Kunststudent Girolamo Stampa zeigte Caravaggio am 19. November 1600 an, da ihn dieser überfallen habe. Er berichtete, dass er den Schwerthieb Caravaggios mit seinem Mantel abgefangen habe. Im Februar 1601 wurde das Gerichtsverfahren von Girolamo Stampa gegen Caravaggio mit einer Versöhnung („pace“) beendet. Im Winter 1600 verletzte der Maler den Söldner Flavio Canonica bei einem Schwertkampf, wofür er ebenfalls gerichtlich zur Verantwortung gezogen wurde.
In dieser Zeit (1600/1601) entstanden die Gemälde „Geburt Christi mit den hll. Franziskus und Lorenz“ und zwei Variationen des Themas „David und Goliath“ („David mit dem Haupt des Goliath“, Wien, Kunsthistorisches Museum, Inv.-Nr. 125).
Vertrag mit Laerzio Cherubini über das Bild „Marientod“ (14.6.1601). Daher ist bekannt, dass Caravaggio im Palazzo Mattei wohnhaft war. Im Juli 1601 wurde Caravaggio mit dem „Tod Mariens“ für die Kirche Santa Maria della Scala beauftragt (1601-1605/06, abgelehnt und von Vincenzo Gonzaga erworben). „Das Abendmahl in Emmaus“ (The National Gallery, London) entstand für die Familie Mattei. Den „Amor als Sieger [Amor vincit omnia]“ (Gemäldegalerie Berlin) malte Caravaggio für den Kunstsammler Vincenzo Giustinani. In dieser Zeit entstand auch noch das Porträt der Prostituierten „Fillide Melandroni“ (nach 1601).
Am 7. Februar 1602 erhielt Caravaggio den Auftrag für die zweite Fassung des „Matthäus und der Engel“, der am Altar der Contarelli-Kapelle, Rom, aufgestellt wurde. Die erste Fassung wurde von Vincenzo Giustiniani erworben. „Hl. Johannes der Täufer” (um 1602, Rom, Musei Capitolini, Pinacoteca Capitolina, Inv.-Nr. PC 239) und die „Gefangennahme Christi” (National Gallery of Ireland, Dublin) entstanden beide für Mattei. Mit der öffentlichen Präsentation der Caravaggio-Gemälde in den Kapellen Contarelli und Cerasi wurde Caravaggios naturalistischer Stil bekannt. Daraufhin stieg Caravaggio zu einem der berühmtesten Maler Roms auf. Die Schlusszahlung erfolgte am 22. September. Der Anwalt Livio Prata fragte im Auftrag der Bruderschaft der SS Trinita die Pellegrini an, ob Caravaggio bereit wäre, Bilder für sie zu malen.
Am 28. August 1603 strengte Giovanni Baglione einen Prozess gegen Caravaggio und drei seiner Künstlerfreunde - Orazio Gentileschi, Onorio Longhi und Filippo Trisegni - wegen Verbreitung beleidigender Spottverse an. Baglione wurde von Cavaliere d‘Arpino und seinen Anhängern unterstützt. Auf Caravaggios Seite standen die ihm freundschaftlich verbundenen Maler Bartolomeo Manfredi, Carlo Saraceni, Orazio Borgianni und Antiveduto Grammatica. Baglione verfügte über Reputation und Einfluss innerhalb der Accademia und hatte zeitweise sogar deren Vorsitz inne. Er erwies sich für Caravaggios Neuerungen äußerst empfänglich und schuf als Reaktion auf dessen „Amor“ einen „Himmlischen Amor“, wobei er dem Satan angeblich die Züge Caravaggios verlieht. Manche von Balgiones Werken konnten sogar dauerhaft mit jenen Caravaggios verwechselt werden. Daraufhin diffamierte Caravaggio seinen Widersacher und dessen Werk durch ein obszönes, öffentlich ausgehängtes Gedicht, was ihm Bagliones Verleumdungsklage eintrug. Caravaggio und weitere Angeklagte wurden am 11. September festgenommen und am 13. befragt. Aus dem Bericht gehen Ansichten über Kunst und seine Zeitgenossen heraus. Am 25. September wurde der Maler auf Betreiber des französischen Botschafters in Rom unter Auflagen (Hausarrest) freigelassen. Dies lässt auf eine Einflussnahme seitens Kardinal del Montes schließen. Nach der Rückkehr Onorio Longhis forderte dieser Baglione und Salini vergeblich zum Duell heraus.
Caravaggio malte 1603 ein Porträt von Maffeo Barberini, dem späteren Papst. „Die Opferung Isaaks“ (Uffizien, Florenz), „Johannes der Täufer in der Wüste“ (Rom, Gallerie Nazionali d’Arte Antica, Palazzo Corsini, Inv.-Nr. 433), „Rosenkranzmadonna” (um 1601/03, Kunsthistorisches Museum, Wien, Inv.-Nr. 147); „Dornenkrönung Christi” (Wien, Kunsthistorisches Museum, Inv.-Nr. GG 307, „Der ungläubige Thomas”, „Meditierender hl. Franziskus” und die „Kreuzabnahme”. Noch 1603 erhielt Caravaggio den Auftrag, für die Ausstattung der Cavalletti-Kapelle in Sant'Agostino ein Altarbild der „Pilgermadonna” oder „Loreto-Madonna” (1604/05) zu malen.
Anfang des Jahres 1604 kehrte Caravaggio von einer Reise nach Loreto nach Rom zurück. Dort hatte der Vorstudien für das Bild „Pilgermadonna (Loreto-Madonna)“ (1604/05) angefertigt. Am 24. April schleuderte Caravaggio einem Kellner, von dem er sich beleidigt fühlte, eine Platte mit Artischocken ins Gesicht. Der Vorfall hatte ein gerichtliches Nachspiel (25.4. Anzeige und 4.6. Verurteilung). Miete eines Hauses von Prudenzia Bruni (8.5.). Sie erlaubte ihm die Decke zwischen Ober- und Dachgeschoss abzubauen (nach dem Auszug sollte er sie wiederherstellen). Vermutlich diente diese architektonische Veränderung dafür, Lichteffekte im Atelier herzustellen. Am 1. September 1604 war die „Grablegung“ für Santa Maria in Vallicella vollendet. Weitere nächtliche Ausflüge Caravaggios führten zu Festnahmen wegen Beamtenbeleidigungen (17.10.) und unerlaubtem Waffenbesitz (18.11.). Die Zweitfassungen der Altarbilder „Bekehrung Pauli“ und „Kreuzigung Petri“ für die Cerasi-Kapelle wurden ebenfalls 1604 fertiggestellt.
Cesare d’Este, der Herzog von Modena, trat an Caravaggio und Annibale Carracci heran, um beide mit je einem Altargemälde für die Kapelle des Fürsten in Modena malen zu lassen (Brief vom 1.2.1605). Beide schaffen es aus unterschiedlichen Gründen nicht, die gewünschten Gemälde fertigzustellen. Die politische Situation in Rom ist gefährlich: Auf den Tod von Papst Clemens VIII. (3.3.) folgt Papst Leo XI. (27.4.). Die daraufhin ausbrechenden Unruhen in der Bevölkerung von Rom wurden niedergeschlagen (30.4.). Am 29. Juli floh der Maler nach Genua, da er wegen einer gewissen Lena den Notar Mariano Pasqualone nachts mit einem Schwerthieb auf den Kopf verletzt hatte (Anzeige); Rückkehr am 26. August und offizielle Aussöhnung mit Pasqualone. Am selben Tag ließ allerdings Caravaggios Vermieterin wegen Mietrückständen und einem Deckenschaden seine Habe oder einen Teil derselben vom Gerichtsvollzieher inventarisieren (incl. Konvexspiegel und großem, runden Spiegel). Der Maler rächte sich, indem er ihre Jalousien demolierte (1.9. Anzeige). Bis zum 12. Oktober war das Gemälde des Herzogs nicht fertiggestellt. Am 1. Dezember erhielt Caravaggio die erste Zahlung für die „Madonna di Palafrenieri“ für die Erzbruderschaft von Sant’Anna dei Palafrenieri.
Die Priester von Sant’Agostino übergaben 1606 eine „Pietà“ an Scipione Borghese, nachdem sie das Bild mit Caravaggios „Madonna di Loreto“ ersetzt hatten (8.4. Schlusszahlung). Die „Madonna dei Palafrenieri“ wurde im April in St. Peter aufgestellt und am 16. April bereits wieder auf Befehl der Kardinäle entfernt. Die Madonna mit dem nackten Christuskind wurde als obszön empfunden. Caravaggio stellte die „Rosenkranzmadonna“ (1605/06) fertig. Allerdings befand sich das Werk bei Caravaggios erstem Neapel-Aufenthalt in seinem Besitz und wurde zum Kauf angeboten. Für Scipione Borghese malte er den „Hl. Hieronymus“, woraufhin der Kardinal Caravaggio beim Papst Paul V. so sehr gelobt haben soll, dass dieser ihn kennenlernen wollte. Das daraufhin entstandene Porträt des Papstes von Caravaggio ist heute verschollen. Die „Madonna die Palafrenieri“ wurde vollendet, weshalb Caravaggio am 8. April und am 19. Mai Bezahlungen erhielt. Werke: „Das Abendmahl in Emmaus“ (Pinacoteca di Brera, Mailand); „Der Hl. Hieronymus“ (Museo Galleria Borghese, Rom); „Der Tod der Jungfrau Maria [Marientod]“ (1605/06, Musée du Louvre) für Laerzio Cherubini; „Die sieben Werke der Barmherzigkeit“ (Pio Monte della Misericordia, Neapel)
Caravaggismus in Europa
Während der Hochphase des europäischen Caravaggismus, also zwischen 1600 und 1630, lebten etwa 2.700 Künstler in Rom, wovon 572 Ausländer waren. Bereits kurz nach 1600 reagierten die ersten Maler in Rom auf die Neuerungen Caravaggios, darunter auch sein alter Lehrmeister Cavalier d' Arpino. Künstler wie Auftraggeber begeisterten sich für den caravaggesken Naturalismus, das Hell-Dunkel (tenebroso) und die Lichtführung, dazu ein genaues Studium der Figuren, die in ihrem jeweiligen Alter deutlich markiert sind (vor allem der Qualitäten von Haut, die unbarmherzig ausgeleuchtet werden). Die wichtigsten Caravaggisten sind in Rom, Neapel und Utrecht (Niederlande) zu finden.
Die ersten Nachfolger von Caravaggio in Rom waren Bartolomeo Manfredi, Jusepe de Ribera, Francesco del Caravaggio (bekannt als Cecco del Caravaggio), Cecco da Caravaggio und in geringerem Maße Lo Spadarino (Giovanni Antonio Galli) und Saraceni. Ihnen können Orazio Borgianni (1578–1616, ab 1602), Orazio Gentileschi und dessen Tochter Artemisia Gentileschi., Antiveduto Gramatica und Giovanni Baglione hinzugefügt werden. Ihre Gemälde zeugen von einem gemeinsamen Experiment zum Thema der isolierten Figur, der Charakterstudie, einer von Caravaggios Spezialitäten und den Malern, die ihn bewunderten.
In Neapel fiel Caravaggios Naturalismus auf besonders fruchtbaren Boden. Erste Kopien von Kompositionen Caravaggios sind von Luis Finson, genannt Finsonius, bekannt. Zu Caravaggios wichtigsten Nachfolgern in Neapel zählen Giovanni Bettista Caracciolo, genannt il Battistello, Massimo Stanzione. Vielleicht in Neapel lernte Mattia Preti die Werke des berühmten Caravaggio kennen. Als Caravaggist der zweiten Generation studierte er bereits die Nachfolger des frühe Verstorbenen in Rom.
Ein weiteres Zentrum des Caravaggismus war die niederländische Stadt Utrecht. Drei junge Maler hielten sich kurz nach 1610 in Rom auf, wo sie die Werke von Caravaggio intensiv studierten und sich an dessen Vorbild inspirierten: Hendrick ter Brugghen (1588–1629), Gerard van Honthorst (1590–1656) und Dirck van Baburen (1594/95–1624). Die Gemälde der Utrechter Caravaggisten sind typisch niederländisch, denn sie verbanden ihre holländische Herkunft mit den Neuerungen Caravaggios. Baburen und Ter Brugghen malten die hässlichen Seiten der Realität: monströse Nasen, faulende Zähne, schmutzige Fingernägel. Ter Brugghen steht sogar im zweifelhaften Ruf das hässlichste aber dadurch vielleicht auch das realistischste Bilder eines Kleinkindes im 17. Jahrhundert gemalt zu haben.
Dazu kommen noch der Spanier Jusepe de Ribera, die Franzosen Claude Vignon, Nicolas Régnier, Nicolas Tournier, Simon Vouet und Valentin de Boulogne (1591–1632), Georges de La Tour, wie die Flamen Gerard Seghers und Theodoor Rombouts.










