Ernst Ludwig Kirchner (1880–1938) wird anlässlich seines 80. Todestages in Stuttgart mit zwei Ausstellungen geehrt. Die Graphische Sammlung der Staatsgalerie Stuttgart beherbergt den großen Schatz von 81 Zeichnungen sowie 84 Druckgrafiken und einigen Illustrierten Büchern von Ernst Ludwig Kirchner, dem Mitbegründer der Künstlergemeinschaft „Die Brücke“. Alle seine Schaffensperioden und wichtigen Themen wie Großstadt und Tanz, Landschaften auf Fehmarn sowie die Alpen und anderes sind in diesem bemerkenswerten Bestand vertreten. Vor allem Kirchners Druckgrafik ist außergewöhnlich, gibt es die einzelnen Blätter doch nur selten in Auflagen, sondern oft nur in jeweils wenigen Handdrucken.
Deutschland / Stuttgart: Staatsgalerie Stuttgart, Graphik-Kabinett
8.6. - 16.9.2018
Deutschland / Stuttgart: Staatsgalerie Stuttgart
29.6.–21.10.2018
Die zuletzt 1980 als Gesamtkomplex ausgestellten Werke werden 2018, im 80. Todesjahr des Künstlers (→ Ernst Ludwig Kirchner: Biografie), in einer Ausstellung präsentiert, begleitet von einem Bestandskatalog. Alle vom Museum bereits in den 1920er Jahren erworbenen Druckgrafiken Kirchners wurden 1937 als „entartet“ beschlagnahmt, so dass der Aufbau der Stuttgarter Kirchner-Sammlung erst nach dem Zweiten Weltkrieg beginnen konnte: Neben diversen Ankäufen und Geschenken von 1947 an bis in die 1970er Jahre war es vor allem das Konvolut von 143 Zeichnungen und Druckgrafiken, das 1957 in die Sammlung der Staatsgalerie Stuttgart kam und dessen Herkunft mit „Sammlung Dr. Gervais, Zürich / Lyon“ angegeben wurde. Mit dieser Provenienz gibt es in vielen Museen Kirchner-Blätter, aber der Sammler blieb lange Zeit ein Rätsel. Ein mittlerweile abgeschlossenes Forschungsprojekt der Staatsgalerie Stuttgart konnte zeigen, dass alle Blätter aus dem Nachlass des Künstlers bzw. seiner Witwe Erna Kirchner (1884–1945) stammen und dass die „Sammlung Gervais“ offenbar eine Erfindung des Kirchner-Schülers Christian Laely (1913–1992) war, um die Werke trotz Vermögenssperre nach Deutschland verkaufen zu können.
Begleitend zur großen Ausstellung „Ernst Ludwig Kirchner. Die unbekannte Sammlung“ zeigt Stuttgart Zeichnungen und Druckgrafiken weiterer Mitglieder der Künstlergemeinschaft „Die Brücke“, die Kirchner ab 1905 um sich geschart hatte: Erich Heckel (1883–1970), Karl Schmidt-Rottluff (1884–1976), Emil Nolde (1867–1956), Max Pechstein (1881–1955) und Otto Mueller (1898–1979) sind mit Zeichnungen, Holzschnitten, Radierungen und Lithographien aus unserem reichen Bestand vertreten.
Thematisch erstreckte sich die Palette vor allem auf die Darstellung des Menschen: Diese ist vom Naturvorbild gelöst und erscheint in spontaner, vereinfachter, die Fläche betonender Weise. Der Verzicht auf Proportionen und Perspektive widerspricht der eigentlichen akademischen Tradition. So entstanden emotionale, „expressionistische“ Werke, die den Menschen hauptsächlich in der Großstadt (Straßen- und Varietészenen) aber auch in der Natur (Akt, Badende) zeigen. Insbesondere in der Grafik, geprägt von Vorbildern wie Paul Gauguin oder Edvard Munch, dienten leuchtende Farben wie auch grob geschnittene Holzstöcke in plakativem Schwarz-Weiß den Künstlern dazu, ihren Gefühlen und Leidenschaften unmittelbar Ausdruck zu verleihen. Seit 1911 wird dies mit dem Begriff Expressionismus sowohl in der Kunst aber auch gleichbedeutend in der Literatur umschrieben.