Ernst Ludwig Kirchner zum 80. Todestag in Stuttgart
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Ernst Ludwig Kirchner zum 80. Todestag in Stuttgart Zeichnungen und Druckgrafiken im Kontext der Künstlergemeinschaft „Die Brücke“

Ernst Ludwig Kirchner, Liebespaar (Die Hembusse), Detail, 1932, Farbholzschnitt in Schwarz, Dunkelblau, Grün, Rot, Dunkelocker, Rosa, Hellviolett und Gelb auf elfenbeinfarbenem Transparentpapier (Staatsgalerie Stuttgart, Graphische Sammlung)

Ernst Ludwig Kirchner, Liebespaar (Die Hembusse), Detail, 1932, Farbholzschnitt in Schwarz, Dunkelblau, Grün, Rot, Dunkelocker, Rosa, Hellviolett und Gelb auf elfenbeinfarbenem Transparentpapier (Staatsgalerie Stuttgart, Graphische Sammlung)

Ernst Ludwig Kirchner (1880–1938) wird anlässlich seines 80. Todestages in Stuttgart mit zwei Ausstellungen geehrt. Die Graphische Sammlung der Staatsgalerie Stuttgart beherbergt den großen Schatz von 81 Zeichnungen sowie 84 Druckgrafiken und einigen Illustrierten Büchern von Ernst Ludwig Kirchner, dem Mitbegründer der Künstlergemeinschaft „Die Brücke“. Alle seine Schaffensperioden und wichtigen Themen wie Großstadt und Tanz, Landschaften auf Fehmarn sowie die Alpen und anderes sind in diesem bemerkenswerten Bestand vertreten. Vor allem Kirchners Druckgrafik ist außergewöhnlich, gibt es die einzelnen Blätter doch nur selten in Auflagen, sondern oft nur in jeweils wenigen Handdrucken.

Kirchner und die „Künstlergemeinschaft Brücke“

Deutschland / Stuttgart: Staatsgalerie Stuttgart, Graphik-Kabinett
8.6. - 16.9.2018

Ernst Ludwig Kirchner. Die unbekannte Sammlung

Deutschland / Stuttgart: Staatsgalerie Stuttgart
29.6.–21.10.2018

Die zuletzt 1980 als Gesamtkomplex ausgestellten Werke werden 2018, im 80. Todesjahr des Künstlers (→ Ernst Ludwig Kirchner: Biografie), in einer Ausstellung präsentiert, begleitet von einem Bestandskatalog. Alle vom Museum bereits in den 1920er Jahren erworbenen Druckgrafiken Kirchners wurden 1937 als „entartet“ beschlagnahmt, so dass der Aufbau der Stuttgarter Kirchner-Sammlung erst nach dem Zweiten Weltkrieg beginnen konnte: Neben diversen Ankäufen und Geschenken von 1947 an bis in die 1970er Jahre war es vor allem das Konvolut von 143 Zeichnungen und Druckgrafiken, das 1957 in die Sammlung der Staatsgalerie Stuttgart kam und dessen Herkunft mit „Sammlung Dr. Gervais, Zürich / Lyon“ angegeben wurde. Mit dieser Provenienz gibt es in vielen Museen Kirchner-Blätter, aber der Sammler blieb lange Zeit ein Rätsel. Ein mittlerweile abgeschlossenes Forschungsprojekt der Staatsgalerie Stuttgart konnte zeigen, dass alle Blätter aus dem Nachlass des Künstlers bzw. seiner Witwe Erna Kirchner (1884–1945) stammen und dass die „Sammlung Gervais“ offenbar eine Erfindung des Kirchner-Schülers Christian Laely (1913–1992) war, um die Werke trotz Vermögenssperre nach Deutschland verkaufen zu können.

Kirchner und die Künstlergemeinschaft „Die Brücke“

Begleitend zur großen Ausstellung „Ernst Ludwig Kirchner. Die unbekannte Sammlung“ zeigt Stuttgart Zeichnungen und Druckgrafiken weiterer Mitglieder der Künstlergemeinschaft „Die Brücke“, die Kirchner ab 1905 um sich geschart hatte: Erich Heckel (1883–1970), Karl Schmidt-Rottluff (1884–1976), Emil Nolde (1867–1956), Max Pechstein (1881–1955) und Otto Mueller (1898–1979) sind mit Zeichnungen, Holzschnitten, Radierungen und Lithographien aus unserem reichen Bestand vertreten.

Thematisch erstreckte sich die Palette vor allem auf die Darstellung des Menschen: Diese ist vom Naturvorbild gelöst und erscheint in spontaner, vereinfachter, die Fläche betonender Weise. Der Verzicht auf Proportionen und Perspektive widerspricht der eigentlichen akademischen Tradition. So entstanden emotionale, „expressionistische“ Werke, die den Menschen hauptsächlich in der Großstadt (Straßen- und Varietészenen) aber auch in der Natur (Akt, Badende) zeigen. Insbesondere in der Grafik, geprägt von Vorbildern wie Paul Gauguin oder Edvard Munch, dienten leuchtende Farben wie auch grob geschnittene Holzstöcke in plakativem Schwarz-Weiß den Künstlern dazu, ihren Gefühlen und Leidenschaften unmittelbar Ausdruck zu verleihen. Seit 1911 wird dies mit dem Begriff Expressionismus sowohl in der Kunst aber auch gleichbedeutend in der Literatur umschrieben.

Ernst Ludwig Kirchner und die Grafik der „Brücke“ in Stuttgart: Bilder

  • Ernst Ludwig Kirchner, Selbstbildnis, 1932, Farbholzschnitt in Schwarz, Blau, Rot, Rotbraun und Ocker auf elfenbeinfarbenem Japanpapier (Staatsgalerie Stuttgart, Graphische Sammlung)
  • Ernst Ludwig Kirchner, Brustbild Grohmann, 1924, Farbholzschnitt in Schwarz und Rot auf elfenbeinfarbenem Transparentpapier (Staatsgalerie Stuttgart, Graphische Sammlung)
  • Ernst Ludwig Kirchner, Liebespaar (Die Hembusse), 1932, Farbholzschnitt in Schwarz, Dunkelblau, Grün, Rot, Dunkelocker, Rosa, Hellviolett und Gelb auf elfenbeinfarbenem Transparentpapier (Staatsgalerie Stuttgart, Graphische Sammlung)
  • Ernst Ludwig Kirchner, Drei Akte im Grünen, 1911, Bleistift und Aquarell auf elfenbeinfarbenem Papier (Staatsgalerie Stuttgart, Graphische Sammlung)
  • Otto Mueller, Bildnis Eugen (Knabenkopf), 1919, Lithografie, handkoloriert in Blau und Ocker auf elfenbeinfarbenem Papier (Staatsgalerie Stuttgart, Graphische Sammlung)
  • Erich Heckel, Paar, 1910, Farbholzschnitt auf verbräuntem Papier (Staatsgalerie Stuttgart, Graphische Sammlung)
  • Ausstellungsplakat K.G. Brücke, Dresden, Emil Richter, 1909 (mit Porträts von Heckel, Schmidt-Rottluff, Pechstein und Kirchner), Holzschnitt auf verbräuntem Papier (Staatsgalerie Stuttgart, Graphische Sammlung)

Beiträge zu Ernst Ludwig Kirchner

30. April 2024
Karl Schmidt-Rottluff, Deichdurchbruch, 1910 (Brücke-Museum Berlin, Foto: Nick Ash © Karl Schmidt-Rottluff / Bildupphovsrätt 2023)

Stockholm | Moderna Museet: Die Brücke Deutscher Expressionismus | 2024/25

Das Moderna Museet in Stockholm zeigt in Kooperation mit dem Brücke-Museum in Berlin eine Ausstellung zur "Brücke"; die Schau umfasst rund 200 Kunstwerke in verschiedenen Medien – Malerei, Holzschnitt, Arbeiten auf Papier und Skulptur.
26. April 2024
Amedeo Modigliani, Chaim Soutine

Potsdam | Museum Barberini: Modigliani Moderne Blicke | 2024

Amedeo Modiglianis berühmte Porträts & weibliche Akte werden auf ihr Frauenbild hin wieder neu befragt.
25. Februar 2024
Ernst Ludwig Kirchner, Kämpfe, aus: Peter Schlemihl von Adelbert von Chamisso, Detail, 1915, Farbholzschnitt, 57,1 x 41,8 cm (Städel Museum Frankfurt a.M., Graphische Sammlung © Städel Museum – ARTOTHEK)

Bremen | Kunsthalle Bremen: Kirchner Holzschnitte Mit Benjamin Badock, Gabriela Jolowicz und Thomas Kilpper | 2024/25

Ernst Ludwig Kirchner (1880–1938) sah seine Druckgrafik der Malerei ebenbürtig, weshalb die Kunsthalle Bremen seine einzigartigen Farbholzschnitte zeigt - und mit Werken von Benjamin Badock, Gabriela Jolowicz und Thomas Kilpper aktualisiert.

Aktuelle Beiträge zum Expressionismus

25. April 2024
Gabriele Münter, Bildnis von Marianne von Werefkin, Detail, 1909 (Foto: Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau, München, Gabriele Münter- und Johannes Eichner-Stiftung © VG Bild-Kunst, Bonn 2017)

London | Tate Modern: Kandinsky, Münter und Der Blaue Reiter Freundschaften, Netzwerk und Künstlerinnen | 2024

Im Frühjahr 2024 sind bahnbrechende Kunstwerke eines Freundeskreises zu Gast, die unter dem Namen „Der Blaue Reiter“ 1911/12 erstmals in London ausstellten.
11. Februar 2024
Walter Gramatté, Die große Angst, Detail, Radierung, 1918

Washington | National Gallery of Art: Deutscher Expressionismus und sein Erbe Das ängstliche Auge | 2024

Die Ausstellung bietet Einblicke in die Arbeit der innovativen Künstler:innen des frühen 20. Jahrhunderts und ihre anhaltende Wirkung ein Jahrhundert später. Mit Werken von Heckel, Kirchner, Nolde, Dix, Kollwitz, Schiele, Schmidt-Rottluff und Grammatté; ergänzt um Leonard Baskin, Nicole Eisenman, Orit Hofshi, Rashid Johnson, Matthias Mansen.
29. Januar 2024
Otto Mueller, Selbstbildnis mit Pentagramm, Detail, um 1924 (© Von der Heydt-Museum, Wuppertal, Foto: Antje Zeis-Loi, Medienzentrum Wuppertal)

Münster | LWL-Museum: Otto Mueller Auf der Suche nach dem vermeintlich „Ursprünglichen“ | 2024/25

Das LWL-Museum besitzt vier Gemälde Otto Muellers sowie eine Reihe von Grafiken, darunter eine handkolorierte Lithografie. Diese Werke sind Ausgangspunkt der Ausstellung, die einen kritischen Blick auf das Werk des Expressionisten wirft.
Alexandra Matzner
Gründerin von ARTinWORDS * 1974 in Linz, Studium der Kunstgeschichte, Geschichte und Romanistik in Wien und Rom. Seit 1999 Kunstvermittlerin in Wien, seit 2004 Autorin für verschiedene Kunstzeitschriften. Jüngste Publiktionen entstanden für das Kunsthaus Zürich, Schirn Kunsthalle Frankfurt, Albertina und Belvedere in Wien.