Das Leopold Museum in Wien widmet sein Programm 2019 der österreichischen Moderne. Im Zentrum steht die Neuaufstellung der Sammlung, ergänzt durch nationale und internationale Leihgaben (ab 15.3.). Auf drei Stockwerken analysiert und präsentiert es ein breit gefächertes Panoptikum Wiener Kunstproduktion im frühen 20. Jahrhundert. In einem großangelegten Überblick führt der Rundgang vom Historismus rund um Hans Makart zu Gustav Klimt, der Gründung der Wiener Secession 1897 als Hort der Wiener Moderne zwischen Malerei und Kunstgewerbe, Möbel, Glaskunst und bedeutenden Vordenkerinnen und Forschern. Mit der Generation von Egon Schiele und Oskar Kokoschka wird die Stilkunst der Wiener Moderne überwunden und fand bis in die Zwischenkriegszeit reiche, wie auch heterogene Nachfolge.
Mit vier Sonderausstellungen vertieft das Leopold Museum das Wissen zu prominenten wie wenig bekannten österreichischen Künstlerinnen und Künstlern: Ab 6. April 2019 präsentiert die Ausstellung „Oskar Kokoschka. Expressionist, Migrant, Europäer“ den international erfolgreichen Expressionisten als politischen Maler. Der skandalumwitterte junge Porträtist wandelte sich nach der Beziehung zu Alma Mahler und während des Ersten Weltkriegs zum Pazifisten. Seine humanistische Grundhaltung drückte er in Kunstwerken der folgenden Jahrzehnte kontinuierlich aus. Der in den 1930ern zum „Entarteten Künstler“ Diffamierte setzte sich noch während der Kriegshandlungen für das Wiedererstehen Österreichs nach Kriegsende ein. Als Künstler verteidigte er nach 1945 die figurative Malerei, arbeitete an monumentalen Triptychen und staatstragenden Porträts.
Die zweite große Sonderausstellung ist dem talentierten Maler Richard Gerstl gewidmet, der 1908 freiwillig aus dem Leben schied (ab 27.9.). 25 Jahre nach der letzten großen Präsentation Gerstls in Wien werden auch Werke von „Gerstl-Fans“ in der Schau die Wirkung seiner Gemälde zeigen – von Martha Jungwirth bis Georg Baselitz und Paul McCarthy.
Ende Mai lädt das Leopold Museum zur Eröffnung zweier monografischer Ausstellungen zu Olga Wisinger-Florian und Edmund Kalb (ab 24.5.). Olga Wisinger-Florian (1844–1926) gehörte zur Avantgarde der Wiener Landschaftsmalerei ab den 1880er Jahren. Der Vorarlberger Grafiker Edmund Kalb (1900–1952) schuf über 1.000 Selbstbildnisse, um den Vorgang des Denkens selbst sichtbar zu machen. Schlussendlich brachte er abstrakte „Energie“ auf das Papier.
Den Reigen der Ausstellungen beschließt die Sammlungspräsentation „Deutscher Expressionismus. Die Sammlungen Braglia und Johenning“ (ab 10.11.). Rund 130 Exponate aus der Schweizer Sammlung Braglia und der deutschen Sammlung Johenning sind erstmals in Wien zu sehen. Alle bedeutenden Mitglieder von „Die Brücke“ und „Der Blaue Reiter“ führen in die spannenden Farben- und Formexperimente der deutschen Avantgarde um 1910 ein.
→ Leopold Museum: Wien um 1900. Aufbruch in die Moderne
Die umfassende, sich über drei Ebenen erstreckende Ausstellung präsentiert den Glanz und die Fülle künstlerischer und geistiger Errungenschaften einer Epoche, die geprägt war vom Aufbruch der Secessionisten bis hin zum Untergang der Monarchie und dem Tod herausragender Künstler der Wiener Moderne wie Gustav Klimt, Egon Schiele, Koloman Moser oder Otto Wagner im Jahr 1918.
Die Neuaufstellung zeigt nicht nur Meisterwerke aus der Sammlung des Leopold Museum, sondern ermöglicht – mit nationalen und internationalen Dauerleihgaben – das Fluidum jener pulsierenden Zeit mit all ihren Gegensätzlichkeiten darzustellen.
Kuratiert von Hans-Peter Wipplinger.
→ Oskar Kokoschka: Eine Retrospektive
Die rund 250 Exponate umfassende Retrospektive trägt sämtlichen Schaffensphasen Oskar Kokoschkas mit hochkarätigen Leihgaben aus internationalen Museen und Privatsammlungen Rechnung und präsentiert den vielseitigen Künstler mit Gemälden, Zeichnungen, Aquarellen, Druckgrafiken sowie seiner Arbeit für Kunstzeitschriften wie Der Sturm oder für das Theater. Anhand von politischen Allegorien, agitatorischen Plakaten und historischen Dokumenten wird Kokoschka als großer, durchaus ambivalenter „Homo politicus“ beleuchtet. Vom nationalsozialistischen Regime als „entarteter Künstler“ diffamiert, setzte er sich sein Leben lang für Humanismus und Pazifismus ein.
Kuratiert von Heike Eipeldauer.
→ Wien | Leopold Museum: Edmund Kalb
Edmund Kalb (1900–1952) zählt zu den faszinierendsten Künstlerpersönlichkeiten des 20. Jahrhunderts. Sein intensives Werk von über eintausend Selbstbildnissen blieb der größeren Öffentlichkeit weitgehend unbekannt. Von 1926 bis 1930 zwischen der Freiheit an der Kunstakademie München, der geistigen Enge seiner Heimatstadt Dornbirn und der Einsamkeit des entlegenen Bergdorfs Ebnit über Dornbirn pendelnd, entwickelte er sein zeichnerisches Können bis zur völligen Abstraktion. Schonungslos und ohne Kompromisse arbeitete er als „Konzeptkünstler“ in Serien nach seinem eigenen Gesicht, um alle Mittel der grafischen Darstellung auszuloten. Sein Ziel war es, den Vorgang des Denkens selbst sichtbar zu machen und schlussendlich nur noch abstrakte „Energie“ auf das Papier zu bringen, um dann die bildende Kunst als reines Denken weiterzuführen.
Kuratiert von Rudolf Sagmeister.
→ Leopold Museum: Olga Wisinger-Florian
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts gelang es drei Frauen, sich in Wien als unabhängige Malerinnen Anerkennung und Ruhm zu erwerben. Neben Tina Blau und Marie Egner war es vor allem Olga Wisinger-Florian (1844–1926), deren künstlerisches Œuvre zur Avantgarde der Landschaftsmalerei ab den 1880er Jahren gehörte. Vielseitig begabt, verfolgte die aus gutbürgerlichem Hause stammende Olga Florian zunächst eine Karriere als Pianistin, die sie 1874 wegen eines Handleidens abbrechen musste. Nach ihrer Heirat mit dem Wiener Apotheker Franz Wisinger wandte sie sich der Malerei zu, erhielt wie üblich Privatunterricht und gehörte schließlich ab 1880 zum engeren Kreis um Emil Jakob Schindler (1842–1892).
Kuratiert von Marianne Hussl-Hörmann.
→ Leopold Museum: Richard Gerstl
Richard Gerstl (1883–1908) stand am Beginn einer vielversprechenden Karriere, die aufgrund seines frühen Todes jäh abbrach. Neben der Malerei zeigte Gerstl außerordentliches Interesse an Philosophie, Psychologie, Musik und Literatur. Eine zentrale Rolle in seinem Leben spielte sein enger Kontakt mit dem Musikerkreis um den Komponisten Arnold Schönberg. In den rund 70 Werken, die sich erhalten haben und von denen das Museum Dank Sammler Rudolf Leopold 16 Werke besitzt, drückt sich eine zunehmende Absage gegen jegliche akademische Maltradition aus. Gerstls Arbeitsweise zeigt eine hohe Bereitschaft zu gestalterischen Experimenten, die ausgehend vom Pointillismus über eine ausdrucksstarke gestische Malweise bis hin zur Formauflösung führen. Mögliche Anregungen für Gerstls Malweise lieferten u.a. die Werke von Edvard Munch, Vincent van Gogh, Pierre Bonnard oder etwa Lovis Corinth.
Eine vertiefende Auseinandersetzung wird im Zuge dieser Präsentation jedoch nicht nur möglichen Vorbildern und Zeitgenossen Gerstls gewidmet, sondern auch Gegenwartskünstlerinnen und -künstlern. Der Bogen jener Schaffenden, die Gerstl schätzen und – insbesondere sein expressionistisches Spätwerk – bewundern, reicht von Martha Jungwirth bis Georg Baselitz und Paul McCarthy. Manch einer der hier Genannten rezipierte die von Werner Hofmann auf der Biennale von Venedig 1956 gezeigten zehn Leinwände Richard Gerstls. Auf diese Weise tritt sein Werk in einen spannungsreichen, inhaltlichen wie formalästhetischen Dialog mit wahlverwandten Bildwelten anderer Kunstschaffender.
Die Ausstellung entsteht in Kooperation mit dem Kunsthaus Zug (27.9.2019–20.1.2020).
Kuratiert von Diethard Leopold, Hans-Peter Wipplinger.
→ Leopold Museum: Deutscher Expressionismus
In der Ausstellung werden rund 130 Exponate aus der Schweizer Sammlung Braglia und der deutschen Sammlung Johenning erstmals in Wien präsentiert, darunter Werke von Emil Nolde, Max Pechstein, Ernst Ludwig Kirchner, Erich Heckel, Wassily Kandinsky, Alexej von Jawlensky, Marianne von Werefkin, August Macke, Franz Marc, Paula Modersohn-Becker, Paul Klee und Lyonel Feininger.
Kuratiert von Ivan Ristić.