Gerhart Frankl

Wer war Gerhart Frankl?

Gerhart Frankl (Wien 12.5.1901–25.6.1965 Wien) war ein österreichischer Maler des Expressionismus, der Landschaften, Stillleben und später auch Porträts schuf. Anfangs gehörte Frankl zum Nötscher Kreis, war er doch Privatschüler von Anton Kolig. Mitte der 1920er Jahre fand Gerhart Frankl nach intensiver Reisetätigkeit und Auseinandersetzung mit dem Werk von Paul Cézanne zu seinem Stil.

Kindheit

Gerhart Gerardus Joseph Richard Frankl wurde am 12. Mai 1901 in eine wohlhabende, assimilierte jüdische Familie in Wien geboren. Sein Vater Dr. Emil Frankl war Advokat und Geschäftsführer einer Bank; als Kunstsammler und Mäzen unterstützte er vor allem den Maler Anton Kolig (1886–1950 → Anton Kolig: Werk und Leben). Im Alter von fünf Jahren wurde Gerhart Frankl nach römisch-katholischem Ritus getauft.

Ausbildung

Nach dem ersten Studienjahr Chemie (1919) wandte sich Gerhart Frankl der Malerei zu und wurde kurz, nämlich in den Sommermonaten 1920 bis 1922 – Privatschüler von Anton Kolig in Nötsch. Mit Wolfgang von Schaukal und Bohdan Hermansky gehörte Frankl zur ersten Schülergeneration der Malerschule; sein Vater unterstützte Koligs Unterricht auch finanziell. Als Künstler Autodidakt verbrachte er einige Zeit in Kärnten, wo er mit den Malern des Nötscher Kreises – Kolig, Franz Wiegele (1887–1944), Sebastian Isepp (1884–1954), Anton Mahringer (1902–1974) – aber auch anderen Kärntner Künstlern wie Herbert Boeckl (1894–1966) und Arnold Clementschitsch (1887–1970) in enge Kontakt stand.

Gerhart Frankl war an der „VI. Internationalen Kunstschau des Bundes österreichischer Künstler“ im Wiener Künstlerhaus beteiligt (gemeinsam mit Boeckl, Kolig, Schaukal, April bis Juni).

Umfangreiche Studienreisen führten Gerhard Frankl durch halb Europa (Frankreich, Italien, Niederlande, Deutschland) und bis nach Nordafrika. Kurzzeitig meldete er sich in der Fremdenlegion, die er aber mit Hepatitis wieder verließ. In dieser Phase studierte er die Alten Meister und paraphrasierte Werke von Peter Paul Rubens, Konrad Witz, Abraham van Beyeren, Pieter Bruegel der Ältere und Jan Fyt. 1924 erklärte er nach intensivem Studium im Louvre und Cézannes bei Pellerin seiner Freundin Christine voller Selbstbewusstsein:

„Die zeitgenössische französische Kunst ist Hundemist, wie ichs seit jeher behaupte, meine ‚Götter‘ stehen unverrückt fest, sie sind unvergleichlich leuchtender und deutlicher geworden, der Weg klarer.“1 (Gerhart Frankl an Christine Büringer, Paris, 7.10.1924)

Werk

Wichtig für seine künstlerische Entwicklung war Frankls intensive Beschäftigung mit den Werken von Paul Cézanne, denen er das Farbsystem, die Naturauffassung, die Kompositionsgesetze und den Bildaufbau aus der Modulation der Farbtöne entnahm. Diese Auseinandersetzung führte zur Bekanntschaft mit den Kunsthistoriker Fritz Novotny, der sich als Cézanne-Experte einen Namen gemacht hat. Nach dem Zweiten Weltkrieg publizierte der Maler einen kenntnisreichen Artikel über Cézannes Farbproblematik.2

„Ich will kein ‚berühmter‘ Mann sein. […] Wohl aber will ich ein wahrhaft großer Mensch sein. Ganz und gar verantwortlich. Das ist das Wesentliche. […] Ich will kein Feuerwerk sein, wohl aber jeden Augenblick mit meinem Gewissen ‚à jour‘ sein.“ (Gerhart Frankl in einem Brief an seinen spätere Ehefrau, 1925)

Gerhard Frankls ab Mitte der 1920er Jahre entstandenen Landschaftsbilder und Stillleben belegen, dass sich der Maler mit Fragen der modernen Kunst, darunter koloristischen Problemstellungen, auseinandersetzte. Als begeisterter Motorradfahrer und Bergsteiger verband Frankl sein künstlerisches Tun mit seiner Leidenschaft für die Alpen, vor allem die Dolomiten. Er setzte seine Naturerlebnisse mit expressionistischen und kubistischen Elementen um (→ Kubismus). Es finden sich aber auch abstrakte und naturalistische Studien in seinem Werk.

Etwa zwei Drittel von Frankls Werk sind Arbeiten auf Papier. Er entwickelte eine Mischtechnik auf Pastell, Gouache und teilweise Kohle, mit der er seine persönlichen Erlebnisse in den Bergen künstlerisch einfing. In seinen grafischen Arbeiten reflektierte er auch die politische Situation der Zwischenkriegszeit.

Gerhart Frankl verzeichnete bereits sehr früh große Erfolge: So publizierte der bekannte Wiener Kunsthistoriker Hans Tietze 1930 einen Werkkatalog der grafischen Arbeiten Gerhart Frankls und machte ihn über die Grenzen Österreichs durch einen Aufsatz im Magazin „Die Graphischen Künste“ bekannt. Anlässlich seiner ersten Einzelausstellung 1930 in der Neuen Galerie lobte der Kunstkritiker Max Roden Frankls kompakte, mediterran inspirierte Landschaftsmalerei:

„Wahrlich, hier hat sich, in aller österreichischen Stille, ein Talent gebildet, gesteigert, ins Umfassende getrieben, aber auch ein Charakter hat sich geformt, ein künstlerischer Charakter von einer Reinheit, die zur Bewunderung zwingt. Wenn je einer bewusst, nicht berechnend, einem geheimen Zwang nachgebend, zögernd, sogar zeitweise, den vorgezeichneten Weg aus sich erkennend, den vorbestimmten gegangen ist, dann ist es Frankl.“3 (Max Rhoden, 20.6.1930)

Trotz dieser frühen Anerkennung entschloss sich Gerhart Frankl, ein Jahr lang kein Bild mehr zu malen, um sich ganz der zeichnerischen Technik zuzuwenden. 1930/31 schuf er einen Zyklus von Zeichnungen nach mittelalterlichen Skulpturen.

1936 heiratete Gerhart Frankl Christine Büringer, eine Nichte des Nötscher Malers Sebastian Isepp, die er schon während seiner frühen Aufenthalte in Kärnten kennengelernt und die ihn bereits seit 10 Jahren auf vielen Touren durch die Alpen begleitet hat.

Emigration

Im Juli 1938 musste Gerhard Frankl mit seiner Frau Christine ins Londoner Exil fliehen. In London gehörte er dem Emigrantenkreis um Oskar Kokoschka und Hilde Spiel an. Frankl setzte sich dafür ein, dass die Wiener Kunsthistoriker Fritz Novotny und Otto Demus ebenfalls sicher das Land verlassen konnten. Demus folgte dem Maler 1938 nach, den er als Landeskonservator am Denkmalamt in Kärnten kennengelernt hatte. Novotny entschied sich, in Wien zu bleiben.

Die Jahre der Emigration waren für Gerhart Frankl entbehrungsreich. Da er als Künstler kaum Fuß fassen konnte, war er gezwungen Zeichenunterricht an Mittelschulen zu geben. Weiters übernahm er Aufträge für Bilderrestaurierungen. Christine Frankl arbeitete als Haushaltshilfe in Woolhampton, Berkshire. In den Kriegsjahren in England war Gerhart Frankl nur grafisch tätig und konzentrierte sich auf Landschaftszeichnungen.

Rückkehr nach Wien

1947 kehrte das Paar Frankl – mit Unterstützung durch Fritz Novotny und Karl Garzarolli-Thurnlackh, Direktor der Österreichischen Galerie von 1947 bis 1959 – nach Wien zurück und wohnte im Unteren Belvedere. Gerhart Frankl war in der Restaurierwerkstatt des Hauses tätig, strebte allerdings einen Lehrauftrag an der Akademie der bildenden Künste an. Er wurde Mitglied der Beratungs- bzw. Tauschkommission an der Österreichischen Galerie und fungierte als künstlerischer Leiter der Vierten Internationalen Hochschulwochen 1948 in Alpbach.

Frankls Auseinandersetzung mit dem barocken Areal rund um die beiden Schlösser sowie dem Blick über Wien fand in einer Werkserie, die in den Jahren 1947 bis 1949 mit teils kubistisch oder konstruktivistisch ausgerichteter Formensprache entstand, ihren künstlerischen Niederschlag. Er malt die Gebäude der ihm vertrau­ten und gleichzeitig fremd gewordenen Stadt in fast abstrakt­kubischen Formen. Die konstruktivistische Reduktion und die schwarze Sonne reflektieren die seelische Erschütterung des Künstlers nach den Grauen der Shoa, der seine Eltern zum Opfer gefal­len waren. Die sechs Gemälde und über 40 Studien, Zeichnungen und Aquarelle zeigen, wie stilistisch heterogen sich Frankl dem Thema Stadtbild zu nähern verstand.

Neuerlich in London

Da der Künstler in Wien nicht Fuß fassen konnte, brachen er und seine Frau nach 16 Monaten in Österreich wieder enttäuscht nach London auf (Januar 1949). Diesmal hatte das Paar den Status von Auswanderern und nicht als Flüchtlinge. Der Maler erhielt 1950 die britische Staatsbürgerschaft, lebte allerdings die österreichische nicht zurück. Christine Frankl unterstützte ihren Mann aufopferungsvoll, trotzdem musste er neben seiner künstlerischen Tätigkeit Vorlesungen an Universitäten halten.

1950 war Gerhart Frankl auf der Biennale von Venedig vertreten.

In Memoriam

Erst in den letzten beiden Lebensjahren konnte sich der Künstler mit den tragischen Erlebnissen des Krieges – seine Eltern wurden 1943/44 im KZ Theresienstadt ermordet - auseinandersetzen. Er hatte mit Hilfe des Architekten Julian Sofaer ein Haus im Londoner Stadtteil Dulwich erwerben können. Ab 1961/62 arbeitete Gerhard Frankl dort an Einzelstudien für die Serie. Gleichzeitig setzte er sich mit ottonischen und romanischen Skulpturen auseinander, um die „Einfachheit“ der Formgebung zu finden.

Der Zyklus „In Memoriam“ umfasst 17 meist großformatige Gemälde, die auf erschütternden Fotografien aus Konzentrationslagern basieren. Gerhard Frankl hatte diese Bilder in englischen Zeitschriften gefunden, ausgeschnitten und gesammelt. Mit den drastischen Darstellungen setzte er ein Zeichen für die in deutschen Konzentrationslagern verhungerten und ermordeten Gefangenen. Um die Wirkung zu steigern reduzierte Frankl die Details, schuf monumentale Bilder in monochromer Farbigkeit.

Tod

In seinem Todesjahr wurde Gerhart Frankl noch an die Akademie der bildenden Künste in Wien berufen. Die Ironie des Schicksals wollte es, dass Frankl unerwartet am 25. Juni 1965 während eines Wienaufenthaltes im Gästezimmer des Kunsthistorischen Museums an einem Herzleiden starb.

Gerhart Frankl Memorial Trust im Belvedere

Nach seinem Tod gründete seine Frau Christine den Gerhart Frankl Memorial Trust zwecks Verwaltung seines künstlerischen Nachlasses.

Im Oktober 2015 wurde der bis zu diesem Zeitpunkt von Julian Sofaer geleitete Frankl Memorial Trust gemäß dem Wunsch und dem Testament von Christine Frankl aufgelöst und sämtliche Gemälde an das Belvedere übergeben. Das Belvedere, das für diesen wunderbaren Zugewinn sehr dankbar ist, besitzt nun das größte museale Konvolut von Leinwänden des Künstlers. Gerhart Frankl, dem es zu Lebzeiten nicht vergönnt war, nach dem Krieg seinen Lebensmittelpunkt wieder in seine Wiener Heimat zu verlegen, kehrt nun mit seinem Œuvre in seine Geburtsstadt zurück.

Literatur zu Gerhart Frankl

  • Gerhart Frankl – Rastlos (Ausst.-Kat. Belvedere, Wien, 18.11.2015–3.4.2016), Wien 2015.
  • In Memoriam. Ein Zyklus zum Holocaust von Gerhart Frankl (Ausst.-Kat. Wien Museum Karlsplatz, 24.6.–24.10.2010), Wien 2010.
  • Gerhart Frankl, hg. v. Regine Schmidt (Ausst.-Kat. Galerie Belvedere, Wien, 10.12.1999–5.3.2000) Wien 1999.
  • The Gerhart Frankl Memorial Trust. Frankl Œuvre Katalog der Radierungen, Salzburg 1994.
  • Der Maler Gerhart Frankl. 1901–1965, hg. v. Hans Bisanz (Ausst.-Kat. Historisches Museum Wien, Bd. 104, 19.3.–10.5.1987), Wien 1987.
  • Fritz Novotny, Gerhart Frankl (1901–1965). Ölbilder und Arbeiten auf Papier, Salzburg 1973.
  • Gerhart Frankl 1901–1965 (Ausst.-Kat.), London 1970.
  • Hans Tietze, Gerhart Frankl. Mit einem Œuvrekatalog der Radierungen des Künstlers, Wien 1930.
  • Hans Tietze, Alpenradierungen von Gerhart Frankl, in: Die graphischen Künste, Bd. 53 (1930), S. 43–46.
  1. Zit. n. Christian Huemer, Am Ursprung der Moderne. Kärntner Maler in Paris, in: Moderne Malerei in Kärnten 1900–1955, hg. v. Agnes Husslein-Arco, Matthias Boeckl (Ausst.-Kat. Museum moderner Kunst Kärnten, Stadtgalerie Klagenfurt, Werner-Berg-Galerie, Bleiburg; Museum des Nötscher Kreises, Nötsch, 16.5.–17.10.2004), Wien 2004, 141–153, hier S. 148.
  2. Gerhart Frankl, How Cézanne Saw and Used Color, in: The Listener (25.10.1951), übersetzt und wiederabgedruckt in: Der Maler Gerhart Frankl (1901–1965) (Ausst.-Kat. Historisches Museum der Stadt Wien), Wien 1987, S. 13–17.
  3. Max Rhoden, Gerhart Frankl, in: Volkszeitung (20.6.1930), zit. n. Matthias Boeckl, „Bedingungslose Anerkennung der sichtbaren Natur“ Verlauf und Schicksal der Moderne in Kärnten in der Ersten Republik, in: Moderne Malerei in Kärnten 1900–1955, Wien 2004, S. 103–129, hier S. 125.