Heinrich von Zügel

Wer war Heinrich von Zügel?

Heinrich von Zügel (Murrhardt 22.10.1850–30.1.1941 München) war der bedeutendste deutsche Tiermaler des Naturalismus und des Impressionismus. Mit Lovis Corinth, Max Liebermann und Max Slevogt gehört Zügel zu den bedeutenden deutschen Impressionisten. Als Gründungsmitglied der Münchner Sezession und frühes Mitglied des Deutschen Künstlerbundes setzte er sich für eine Erneuerung des Ausstellungsbetriebs ein. Über 25 Jahre lang wirkte er als Professor und zeitweiliger Rektor der Münchner Akademie.

Bekannt wurde Heinrich von Zügel mit Darstellungen von Nutz- und Haustieren in Verbindung mit Menschen, bisweilen in einer dramatisch zugespitzten Situation oder in humoristischer Auffassung. Sein Lebensthema „Schwere Arbeit“ hat er anhand eines Ochsengespanns im Lauf seiner Karriere in über 20 Werken variiert. Nach anfänglicher Offenheit gegenüber modernen Tendenzen entwickelte Zügel seinen Stil nach 1910 kaum weiter. Dass sein Werk 1937 von den Nationalsozialisten auf der Großen Deutschen Kunstausstellung in München als mustergültige deutsche Malerei gewürdigt wurde, förderte seinen Ruf nicht sonderlich.

Kindheit

Heinrich Johann Zügel wurde a 22. Oktober 1850 als Sohn eines Schafhalters im schwäbischen Murrhardt geboren. Das Hüten und damit die genaue Beobachtung der Tiere gehörte bereits als Kind zu seinen Pflichten.

„Ich hatte das große Glück, niemals an einen Beruf denken zu müssen, außer den der Malerei. Mein Vater (Schäfereibesitzer) konnte sich zu wenig um mich kümmern.“1 (Heinrich von Zügel, Geistiges und Künstlerisches, München 1913)

Ausbildung

Sein zeichnerisches Talent fiel bereits früh auf, so dass er ab 1867 an der Stuttgarter Kunstschule seine Ausbildung zum Tier- und Genremaler beginnen konnte.

Zügel ging 1869 nach München, wo er zunächst bei Piloty studierte. Allerdings fühlte er sich in dessen Klasse nicht gut aufgehoben, da er dessen Anregung, dramatischer zu malen, nicht folgen wollte. Heinrich von Zügel bevorzugte ruhige Naturverbundenheit und lehnte Effekte oder verniedlichende Darstellungen konsequent ab. Daraufhin wechselte er in die Klasse des Schwaben Anton Braith, der ebenfalls Tiermaler war. Braith verstand seinen Zögling besser, unter seiner Anleitung konnte Zügel seinen Realismus weiter perfektionieren.

Werke

Neben Kühen waren Schafe, Schweine, Pferde oder Esel Heinrich von Zügels bevorzugte Modelle. Der Maler tauchte die Tiere stets in malerische Licht- und Schattenspiele. Der Mensch indessen steht bei Zügel meist im Hintergrund.

Das Bild „Schafe im Erlenhain“ entstand 1875 in München. Diese stimmungsvolle Komposition zeigt eine Schafsherde, die teils im Schatten und teils auf den warmen Sonnenflecken eines Erlenhains friedlich beisammen liegt und steht. Der Einfluss des schwäbischen Tiermalers Anton Braith ist in diesem intimen Frühwerk noch spürbar: Im starken Interesse am Licht jedoch deutet sich bereits der Weg Zügels vom Realismus zum Impressionismus an. Es war das erste Werk Zügels, das von einer öffentlichen Sammlung erworben wurde.

„Das Tier als solches ‚abzumalen‘, ist mir nie schwergefallen, aber das Tier mit seiner Umgebung, d. h. in Luft und Licht, die farbige Erscheinung wiederzugeben in dem Moment, wo sie am schönsten ist, ist manchmal unbezwinglich, weil einem die Form zu viel zu schaffen macht. Form und Farbe gleichwertig hochzuhalten, hielt ich auch immer für das Erstrebenswerteste.“2

Auf der Wiener Weltausstellung erhielt Zügel 1873 die Goldmedaille für sein Bild „Schafswäsche“. Er besuchte die Ausstellung gemeinsam mit Gotthardt Kuehl und dürfte dort erstmals mit der Malerei des französischen Impressionismus in Kontakt gekommen sein. In den 1880er Jahren wandte sich Zügel der Plein air-Malerei zu und pflegte Kontakte zur Dachauer Schule. Zudem fühlte er sich den Malern der Schule von Barbizon verbunden.

Dachau

Anfang der 1880er Jahre entdeckte Heinrich von Zügel die Hochmoorlandschaft bei Dachau als neues Studiengebiet. Er begann, im Freien zu malen. Dadurch entfernte er sich von der Nahsicht und stellte die Tiere als Teil eines erweiterten Landschaftsraumes dar. Die Sommermonate der Jahre 1880 bis 1889 verbrachte Zügel vielfach in Dachau. Bei der steten Arbeit vor der Natur erkannte er immer deutlicher die Wirkung von indirektem Licht auf das Lokalkolorit, wie sein Sohn überlieferte:

„Kalt erscheint z. B. eine beschattete, aber dem blauen Himmel zugewandte Fläche. Warm erscheint eine beschattete, aber dem sonnenbeschienenen Boden zugewandte Fläche. An den Übergängen von warmen Flächen zu kalten entstehen Mischtöne zwischen Rot und Blau, also dem Violett verwandte Flächen“3

In vielen Bildern Zügels aus dieser Zeit finden sich blauviolette Farbklänge. Für die impressionistische Freilichtmalerei Zügels wurde nun charakteristisch, dass das Motiv hinter der Wiedergabe des Atmosphärischen zurücktritt: Warmes Sonnenlicht fällt fleckig durch die Blätter der Weiden auf das Fell der Tiere, die nur mehr dienende Elemente für diese Farb- und Lichtkomposition sind und mit der Vegetation verschmelzen scheinen. „Das Ausdrucksmittel ist mehr geworden als das Auszudrückende“, schrieb Klaus Scheffler bereits 1912 dazu.4

Holland und Belgien

Die Goldene Medaille erhielt er in München 1883 und 1889. Im folgenden Jahr trat er einen Studienaufenthalt an der holländischen und belgischen Küste an, zu dem ihn der Maler J. H. L. de Haas einlud. Die Eindrücke des Küstenlandschaft und der dortigen Lichtstimmung führten zu einer neuartigen, durchlässigeren Farbbehandlung in seinem Werk. Zügel wurde Anfang der 1890er Jahre endgültig zum Anhänger des Impressionismus, dessen berühmte Vertreter er bei früheren Parisaufenthalten und durch Ausstellungen in München kennengelernt hatte. Die atmosphärische Wiedergabe der Tiere in Luft und Licht, das Erfassen der Reflexionen von Sonne und Wasser, das Spiel von Licht und Schatten wurde nun zum künstlerischen Anliegen. Dabei ordnete der Maler die Details immer stärker dem Gesamteindruck unter.

Heinrich von Zügel wirkte 1892 bei der Gründung der Münchner Secession mit. Kunstkritik und Publikum reagierten jedoch zunächst ablehnend auf seine Stilveränderung, was ihn anfangs belastete. Die öffentliche Anerkennung verlor der Maler hingegen nie. So erhielt Zügel 1893 auf der Großen Berliner Kunstausstellung eine kleine Goldmedaille. 1895 wurde er als Professor an die Kunstakademie München berufen.

Durch einen Auftrag für die Hamburger Kunsthalle ließ sich Heinrich von Zügel 1901 in der Lüneburger Heide nieder. Die typische Landschaft und besonders die Darstellung der Heischnucken sind Höhepunkte seiner eigenen Interpretation des Impressionismus.

Schwere Arbeit

Mehr als vierzig Jahre lang arbeitete Zügel an dem Thema „Schwere Arbeit“, der Darstellung eines pflügenden Ochsengespanns. An den etwa 24 Versionen des Sujets ist die Entwicklung des Malers ablesbar, die von der detaillierten Schilderung zur kubistischen Verknappung und Monumentalisierung führt. Er wählte zuletzt riesige Formate, um seinem Empfinden für die Verbundenheit von Mensch und Natur, für den ewigen Kreislauf alles Lebens, durch dieses Motiv Ausdruck zu geben. In diesem Bestreben scheute Zügel auch nicht vor extremen Kompositionen (wie in dem Ölgemälde Widerspenstig, in welchem der Kopf des Ochsen wie abgetrennt vom Körper und der rechte Hinterlauf wie mit dem Lineal gezeichnet erscheint) – es ging ihm hierbei weniger um eine naturalistisch-romantisierende Wiedergabe der Tiere im Bild, als um die ausdrucksstarke Darstellung der Mühsal dieser Arbeit auf dem Acker.

Späte Werke

Noch in hohem Alter gelangen Zügel impressionistische Werke voller Leichtigkeit und Frische, z. B. der „Blick auf Murrhardt“. Im Alter von 77 Jahren schuf er noch ein eindrucksvolles Selbstporträt von sich. Aus Anlass seines 90. Geburtstags widmete ihm die NS-Kunstzeitschrift „Die Kunst im Deutschen Reich“ einen ausführlichen Artikel.

Lehre

1894 wurde Heinrich von Zügel in der Nachfolge Hermann Baischs Professor in Karlsruhe; ein Jahr später wurde er nach München berufen, wo er bis 1922 lehrte. Heinrich von Zügel war einer der gefragtesten Lehrerpersönlichkeiten und begründete 1895 die so genannte „Zügelschule“. Gemeinsam mit seinen Schülern fand er die Motive für seine Bilder primär in der idyllischen Rheinlandschaft bei Wörth. Damit erlangte die Schule internationale Bekanntheit.

Gemeinsam mit seiner großen Schülerschar brach der Hauptvertreter des Münchner Impressionismus Jahr für Jahr ins Grüne auf, oft nach Wörth am Rhein, wo besonders schöne Rinder gegen Geld gemietet und auf Aberhunderten von Gemälden auch verewigt wurden. Was leicht und luftig aussehen sollte, war indessen hart erkämpft. Zügel galt als strenger Lehrer, der seinen Schülern im Freien wie in seinem imposanten Glaskasten-Atelier an der Münchner Kunstakademie seine Malmethoden nahebrachte, insbesondere den Aufbau aller Formen aus sich selbst heraus. Nie von außen herumfahren, war das Motto seiner Lehre. Zu seinen bekanntesten Studenten zählen Otto Dill sowie sein Sohn Willy Zügel und sein Schwiegersohn Emanuel Hegenbarth, weiter Max Bergmann, Julius Paul Junghanns, Christian Schad, Julius Seyler, Gustav Adolf Thomann, Wilhelm Stumpf und Philipp Erlanger.

1907 wurde Heinrich von Zügel durch die Verleihung des Ritterkreuzes der Bayerischen Krone in den Adelsstand erhoben. 1910 zum Ehrenbürger der Stadt Wärth am Rhein, 1920 der Stadt Murrhardt. Der wegen seiner Pensionierung bevorstehende Verlust seiner Arbeitsräume in der Münchner Akademie traf ihn schwer. 1921 ließ er sich auf seinem Alterssitz in München-Bogenhausen nieder, um sein Werk fortzuführen. Doch war er derart mit seiner Arbeit verwachsen, dass er Depressionen bekam, als er im Alter von 83 Jahren die Malerei aufgeben musste.

Tod

Heinrich von Zügel starb am 30. Januar 1941.

Gedächtnisgalerie

In Wörth am Rhein gibt es eine Gedächtnisgalerie als ständige Ausstellung im Alten Rathaus der Stadt. Zügel hat für Wörth am Rhein eine besondere Bedeutung, da er dort mit seinen Schülern lange Zeit seine Ferien verbrachte und zahlreiche Arbeiten vor Ort entstanden sind. Die kleinen Einnahmen durch das Modellstehen, das Ausleihen der Tiere und die Bewirtungseinnahmen waren für die armen Einwohner, kleine Bauern und Fischer, wichtig.

Sein erstgeborener Sohn, Willy Zügel, wurde ein bekannter Tierbildhauer.

Bilder

  • Heinrich von Zügel, Kühe im Moor, 1908, Öl-Lw, 119 x 191 cm (Bayerische Staatsgemäldesammlungen - Neue Pinakothek München)
  • Heinrich von Zügel, Knabe mit Rind, 1896, Öl-Lw, 70 x 49,5 cm (Alte Nationalgalerie, Berlin)
  • Heinrich von Zügel, Rinder auf sonniger Weide, 1897, 120 x 190 cm (Alte Nationalgalerie, Berlin)
  • Heinrich von Zügel, Schafe im Erlenhain, 1875, Öl-Lw, 45,5 x 72,5 cm (Alte Nationalgalerie, Berlin)
  1. Zit. n. Heinrich von Zügel, Geistiges und Künstlerisches, München 1913, S. 396.
  2. Zit. n. Heinrich von Zügel, Geistiges und Künstlerisches, München 1913.
  3. Zitiert nach: E. Diem, Heinrich von Zügel, Recklinghausen 1975, S. 26.
  4. Klaus Scheffler, Die Nationalgalerie zu Berlin, Berlin 1912, S. 201.