„Jean Tinguely. Le mouvement, le geste, le bruit“ ist die erste Retrospektive zum Werk des Künstlers in Paris, seitdem ihn das Centre Pompidou 1988 geehrt hat. Die großangelegte Ausstellung ermöglicht mit filmischem Archivmaterial, den Hauptwerken Tinguelys in der Fertigung, im Betrieb und oft auch in der Zerstörung nahezukommen. Die Grande Halle de Villette mit einer Fläche von 2.000 m² ist der ideale Raum für die Präsentation dieser Werke. Der dem Publikum angebotene Rundgang wird sowohl chronologisch als auch thematisch angelegt und stützt sich dabei stark auf drei große Ideen Tinguelys: Bewegung, Musikalität und die performative Dimension seines Werkes.
Frankreich| Paris: Grande Halle de La Villette
13.4. – 24.8.2022
Klang und Bewegung sind schon in frühen Werken des „Heimwerker“-Künstlers präsent. Neben ihrer plastischen und konzeptionellen Innovationskraft schließen seine Méta-mécaniques (1954/55) und Machines à dessiner [Zeichenmaschinen] (ab 1959) den Experimenten der Musique conrète der 1950er Jahre in Frankreich an. Darauf folgen animierte Kompositionen, die „lächerliche“ und schlagkräftige Geräusche produzieren, die den ganzen Raum füllen.
Ziel der Ausstellung ist, eine außergewöhnliche Anzahl an motorisierten Werken in Bewegung zu zeigen. Die Serien der „Radios“ und „Baluba“, zum Beispiel, versammeln Fundstücke, beschädigt, mit Metallschrott, die ausbrechen, explodieren, lebendige und strahlende Klänge und Geräusche freisetzen. Im Gegensatz dazu entdeckte er mit seinen Skulpturen der Mitte der 1960er Jahre die Zerstörung: Man betrachtet in stillem Licht ihre langsame und gleichmäßige Mechanik.
Mit der Zeit wuchsen Tinguelys multidimensionale Skulpturen ins Monumentale. Einige entwickelte er als echte Bauten, die man von innen durchwandern konnte, wie „Le Crocrodrome“, das 1977 zur Eröffnung des Centre Pompidou installiert wurde, oder das kollektive Werk „Le Cyclop“, dessen Aufbau über ein Jahrzehnt dauerte.
Jean Tinguely zählt auch zu den Erfindern der Performance Kunst, die er auf monumentalem Maßstab (Hommage an New York, MoMA) und sogar in der Größe einer Landschaft (Ende der Welt, in den amerikanischen Wüsten) übertrug. Der Schweizer war zudem einer der ersten männlichen Künstler, der sich offen als Feminist bezeichnete und gerne erklärte, dass seine Gefährtin Niki de Saint Phalle „besser als er“ wäre. Ein Kapitel mit dem Titel „Macho-feministischer Tinguely“ wird diese unbekannte Seite des Künstlers und seiner Schriften erforschen.
Das Werk von Tinguely ist verspielt, lebendig und vielgestaltig und richtet sich an alle. Zusätzlich zu den Skulpturen, Assemblagen und Videos, ermöglichen spezielle interaktive Geräte allen Besucher*innen, die verschiedenen Facetten seiner Arbeit zu erproben oder zu entdecken. Die Ausstellung „Jean Tinguely. Le mouvement, le geste, le bruit“ lädt ein, in sein „Spiel“ einzutreten – ob musikalisch oder auf der Zerstörung von Fundstücken – seine Leistung zu erleben.
Kuratiert von den Kunsthistorikerinnen Camille Morineau und Lucia Pesapane, die 2015 für die Retrospektive Niki de Saint Phalle im Grand Palais gearbeitet haben.
Die Ausstellung wird von der Réunion des musées nationaux – Grand Palais et l’Etablissement public du Parc et de la Grande Halle de La Villette gemeinsam verantwortet und mit außergewöhnlicher Beteiligung vom Museum Tinguely, Basel, unterstützt.
Quelle: RMN, Paris