STERNE, FEDERN, QUASTEN. Die Wiener-Werkstätte-Künstlerin Felice Rix-Ueno (1893–1967), MAK Ausstellungsansicht, 2023, MAK, Zentraler Raum MAK DESIGN LAB © MAK/Georg Mayer
Sie war eine der bemerkenswertesten Künstler:innen der 1903 gegründeten Wiener Werkstätte (WW): Felice Rix-Ueno (1893–1967) entwickelte einen unverwechselbaren, hochpoetischen Stil, der den Look der WW entscheidend mitprägte. Er zeigt sich in Hunderten Entwürfen, vor allem für Stoffmuster, aber auch für Tapeten, Stickereien, Emailarbeiten, Mode- und Wohnaccessoires, Spielzeug und Gebrauchsgrafik. In ihrer zweiten Heimat Japan reüssierte Felice Rix-Ueno darüber hinaus als Universitätsprofessorin und Gründerin eines eigenen Designinstituts.
Österreich | Wien: MAK:
Zentraler Raum MAK Design Lab
22.11.2023 – 21.4.2024
Felice Rix-Ueno entwickelte sehr früh einen einzigartigen, leicht wiedererkennbaren Stil innerhalb der Künstlerinnen der Wiener Werkstätte, den sie beständig weiterentwickelte. Während die anderen Künstlerinnen sehr stark von ihren männlichen Kollegen beeinflusst wurden, so zum Beispiel von Dagobert Peche, war Rix Ueno höchst individuell von im eigenen Ausdruck und Motivschatz. Für Kuratorin Anne-Katrin Rossberg gehört sie sogar zu den „Top 5“ der Designerinnen in Wien seit den 1920er Jahren.1
Was macht den Stil von Felice Rix-Ueno aus? Die Künstlerin, und das wird sofort beim Betreten des Ausstellungsraumes im MAK deutlich, hatte ein phänomenales Farbgespür! Rot, Rotorange, Rosé, Violett dominieren die Entwürfe, kontrastreich und dennoch subtil kombiniert mit ein wenig Blau und Grün. Eine Wand ist gänzlich den Stoffentwürfen von Felice Rix-Ueno gewidmet: Vögel mit prächtigen Schwanzfedern, Blüten, Zweige, Schmetterlinge, Fische, ergänzt durch Sterne, Federn und Quasten sowie auch abstrakte Ornamente. Anne-Katrin Rossberg verweist in diesem Zusammenhang auf den Stoffentwurf „Archibald“, den Marie Rahm und Monica Singer vom Designstudio POLKA, die Gestalterinnen der Ausstellung, als Ausgang für das außerordentlich gut gelungene Design der Schau nutzten.
Felice Rix begann bereits 1914/15 für die Wiener Werkstätte zu arbeiten, als sie für das Mappenwerk „Mode Wien“ sechs expressive Grafiken beisteuerte. Die hauptsächlich in Schwarz gehaltenen Linolschnitte lassen eine gewitzte Künstlerin vermuten, die mit großzügiger Linienführung und massiven, schwarzen Flächen die Wiener Vorkriegsgesellschaft und ihre modischen Vorlieben festhielt. Die aus einer liberalen, jüdischen Familie stammende Designerin2 war zu diesem Zeitpunkt erst 21 Jahre alt und studierte noch an der Kunstgewerbeschule (13.2.1913–30.6.1916). Erst in den 20er Jahren sollten ihre Stoffentwürfe von berühmten Kolleginnen wie Maria Likarz zu Kleidern verarbeitet werden, dazwischen malte Rix-Ueno noch Kriegsgläser, arbeitete ab 1917 in Keramik und 1918 bemalte sie erstmals die Decke eines Verkaufslokals, dem Spitzenraum des WW-Verkaufslokals in der Kärntner Straße 32.
Rix‘ Stoff- und Tapetenentwürfe3, die hauptsächlich in die 1920er zu datieren sind, vermitteln eine Leichtigkeit und damenhafte Eleganz, die vermutlich landläufig kaum mit der Wiener „Zwischenkriegszeit“ in Verbindung gebracht werden. Doch genau dafür erhielt die produktive Entwerferin 1925 auf der berühmten Art-Déco-Ausstellung in Paris eine Bronzemedaille.4 Dass ihre malerischen Entwürfe im Produktionsprozess allerdings auch zu Problemen führten, darauf verweist Anne-Kathrin Rossberg mit einem Schreiben der Direktion:
„Die Entwürfe von Fräulein Rix sind stets so ungenau gearbeitet, dass die eigentliche Werkzeichnung immer durch Herrn Dostal angefertigt werden muss. Die Rapportierung ist fast niemals angegeben. […] Das Gleiche gilt von den Farbvariationen und von der technischen Einrichtung der Farbmodel-Anzahl. […] Gelingt das Muster nicht, schiebt Fräulein Rix die Schuld auf die Zeichnerei.“5
Die Lösung für das Problem war rasch gefunden. Felice Rix erhielt ihre Bezahlung erst, nachdem sie die Reinzeichnung ihrer Entwürfe freigegeben hatte. Doch beim Entwurf von Stoffen und Tapeten ließ es die Designerin nicht bewenden: Sie gestaltete emailierte Kassetten, mit Leder überzogene Zigarettenschachteln, schuf Entwürfe für Gobelinetaschen oder Perlstickerei, machte Plakatentwürfe, gehäkelte Kissen. Zu den unterhaltsamsten Arbeiten in der Ausstellung gehören Rix' Kissenentwürfe - in Form eines Apfels, oder eines Kreissegments, oder in Dreiecksform.
Felice Rix-Ueno heiratete am 21. Oktober 1925 den japanischen Architekten Isaburo Ueno (1892–1972), der seit etwa einem Jahr im Architekturbüro von Josef Hoffmann arbeitete. Das Paar übersiedelte nach Kyoto, wo es ein gemeinsames Architekturbüro eröffnete (März 1926). Felice war für die Innenraumgestaltung verantwortlich, während ihr Mann die Architektur entwarf. Regelmäßig kehrte die Künstlerin nach Wien zurück, wo ihre Entwürfe bis 1932 in der Wiener Werkstätte ausgeführt wurden und sie an bedeutenden Ausstellungen teilnahm. Zu den Highlights ihres japanischen Werks zählte die Gestaltung der Star Bar in Kyoto: Felice bemalte die Decke einmal mehr mit einem duftigen Streublumenmuster. Eine Steigerung der Wirkung gelang ihr in den Wandmalereien für das Restaurant Actress im Nissay-Theater, ebenfalls in Tokyo: Auf silbrig schimmernder Folie prangen stilisierten Blüten, schweben Pflanzen in jenem flächigen Stil, der die Wiener Werkstätte mit der japanischen Kunst verbindet. Hatte die Gründungsgeneration der WW Druckgrafiken und Färberschablonen als Inspirationsquellen aus Fernost genutzt (und teils 1:1 kopiert), so hatte ihre Schülerin diese Formensprache bereits völlig absorbiert. Interessanterweise musste sie sich nicht ihrer neuen Umgebung anpassen, sondern konnte Entwürfe wie beispielsweise Tapetenmuster in der WW und in Japan ausführen lassen. Damit verbindet Felice Rix-Ueno nicht nur Österreich mit Japan, sondern ist Beleg für die globale Resonanz von (Wiener) Jugendstil und Art Déco.
Das MAK widmet dieser einzigartigen Gestalterin, deren Geburtstag sich heuer zum 130. Mal jährte, die erste Personale außerhalb Japans und bietet in der Ausstellung „STERNE, FEDERN, QUASTEN“. Die Wiener-Werkstätte-Künstlerin Felice Rix-Ueno mit rund 200 Objekten einen ersten umfassenden Einblick in das form- und farbenprächtige Œuvre in Österreich. Allein diese Arbeiten ans Licht der Öffentlichkeit zu holen und so die Kreativität dieser Frau erstmals seit Jahrzehnten wieder zu belegen, macht diese Ausstellung wertvoll!
Kuratiert von Anne-Katrin Rossberg, Kustodin MAK Sammlung Metall und Wiener Werkstätte Archiv.
STERNE, FEDERN, QUASTEN. Die Wiener-Werkstätte-Künstlerin Felice Rix-Ueno (1893–1967), MAK Studies 30
herausgegeben von Lilli Hollein und Anne-Katrin Rossberg
mit Beiträgen von Lilli Hollein, Michael Hölters, Yûko Ikeda und Anne-Katrin Rossberg
192 Seiten mit zahlreichen Farbabbildungen, Deutsch/Englisch
Birkhäuser Verlag, Basel 2024