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Robert Delaunay. Werke und Leben Vom Eiffelturm zu „Rhythmus Lebensfreude“ und den „Formes circulaires“

Robert Delaunay, Formes circulaires. Soleil, lune, Detail, 1913–1931, Öl/Lw, 200 x 197 cm (Kunsthaus Zürich)

Robert Delaunay, Formes circulaires. Soleil, lune, Detail, 1913–1931, Öl/Lw, 200 x 197 cm (Kunsthaus Zürich)

Robert Delaunay (1885–1941) gilt als Hauptvertreter und Theoretiker des Orphismus (auch: orphischer Kubismus). Gemeinsam mit seiner Ehefrau, der Künstlerin und Kunsthandwerkerin Sonia Delaunay-Terk, wurde Robert Delaunay einer der einflussreichsten Avantgardisten von Paris. Zuvor hatte der Vertreter der Klassischen Moderne eine Lehre in Bühnen- und Dekorationsmalerei bei der Bühnenbildwerkstatt Ronsin in Belleville absolviert (1902–1904).

Robert Delaunay: neo-impressionistischer Beginn

Robert Delaunay begann sich 1903 der Malerei zuzuwenden und arbeitete Plein-air-Landschaften im Umfeld der Schule von Pont-Aven. Der Autodidakt wurde schon früh im Salon d’Automne ausgestellt (1904, 1906) wie auch im Salon des Indépendants (1904–1911).

Robert Delaunay und Jean Metzinger ersetzten die Punkte Seurats und die Strichs Signacs durch regelmäßige, nahezu mechanisch gesetzte Quadrate, wodurch ihre Bilder wie Mosaike wirken (→ Seurat, Signac, Van Gogh – Wege des Pointillismus). 1905/06 lernten sie einander kennen, vielleicht hatten sie sich auch mit John Ruskins Analysen der byzantinischen Mosaikkunst Venedigs beschäftigt. Auch die 1904 bei Druet präsentierten Ausstellungen von Signac und Cross übten Einfluss auf die Entwicklung ihrer Malerei aus. In den Jahren 1905 und 1906 fanden in den Ausstellungen der Artistes Indépendants Arbeiten von Delaunay, Metzinger, Matisse und den zukünftigen Fauves auch vor dem Hintergrund einer Vincent van Gogh gewidmeten Werkschau (1906 → Matisse und die Künstler des Fauvismus) zueinander. Sowohl für Delaunay wie Metziger war der Neo-Impressionismus nur ein Start in ihre malerischen Experimente.

 

Ehe mit Sonia Delaunay und der „städtische“ Kubismus

Anfang 1909 traf Robert erstmals Delaunay Sonia Terk, da er seine Mutter Comtesse de Rose häufig in Uhdes Galerie begleitete (→ Sonia Delaunay. Malerei, Design und Mode). Die aus Russland stammende Künstlerin war in erster Ehe mit dem homosexuellen Galeristen verheiratet. Im April wurden Robert und Sonia ein Liebespar, und im August die Scheidung ausgesprochen. Ab ihrer Hochzeit am 15. November 1910 bildeten das Ehepaar Sonia und Robert Delaunay einen Fixstern in der Kunstszene der Stadt. Die beiden standen in künstlerischem Austausch, beeinflussten und inspirierten einander im Diskurs. So könnten die leuchtenden, reinen Farben, die Sonia und Robert Delaunay in ihren Werken einsetzten, u.a. auf ihre russische Abstammung zurückzuführen sein.

Nach einem Galeriebesuch bei Daniel-Henri Kahnweiler, wo Robert Delaunay erstmals kubistische Gemälde von Pablo Picasso und Georges Braque sah, wandte er sich dem Kubismus zu. Ab 1910 führten Künstlern wie Robert Delaunay und Fernand Léger den von Picasso, Braque und ihrem Kreis erfundenen Kubismus im städtisch geprägten Montparnasse von mit urbanen Themen und Stadtansichten weiter. Für Robert Delaunay stellt der zwischen 1887 und 1889 erbaute Eiffelturm den Inbegriff der modernen, pulsierenden Großstadt dar. In den ab 1909 entstehenden Fenster-Bildern setzt er der Stahlkonstruktion ein Denkmal, mit dem Fensterausschnitt reflektiert er die Fenster-Theorie der bildenden Kunst. Wenn der Bilderrahmen mit einem Fensterrahmen verglichen wird, ist die Malerei eine „Wiedergabe“ des Gesehenen. Um die Frage, wie man was sieht, sollte sich die Kunst von Robert Delaunay in den folgenden Jahren drehen.

 

Mitglied des Blauen Reiter

Im Januar 1911 wurde der Sohn des Ehepaares, Charles Delaunay, geboren. Sonia nähte für ihren Erstgeborenen eine Decke mit russischen Mustern, welche die Hinwendung zur Abstraktion gefördert haben könnte. Gleichzeitig lernte Robert Delaunay über Elisabeth Epstein den russischstämmigen Münchner Maler Wassily Kandinsky kennen. Noch 1911 schloss sich Robert Delaunay dem Blauen Reiter an.

Für die erste Ausstellung des Blauen Reiter schickte Robert Delauany im Dezember 1911 vier Gemälde nach München. Zudem vermittelte er Gemälde des gerade verstorbenen Henri Rousseau, einige auch aus seinem Besitz. Drei von Delaunays eigenen Gemälden wurden in der Modernen Galerie Heinrich Tannhauser verkauft, womit der Pariser Avantgardist zum wichtigsten Gast avancierte, hatte die Galerie insgesamt nur neun Werke vermitteln können. Bernhard Koehler erwarb ein Bild aus der Eiffelturmserie (heute verschollen). Weitere internationale Ausstellungen fanden in der Sturm-Galerie in Berlin, im Gereonsklub in Köln sowie in der Künstlervereinigung Karo-Bube in Moskau statt.

 

 

Erfindung der Abstraktion 1911/12

Robert Delaunay näherte sich um 1912 – gemeinsam mit seiner Ehefrau Sonia – der Abstraktion an. Beide verstanden Farbe als Ausdrucksmittel und lehnten zunehmend die Wiedergabe gesehener Dinge ab. Nachdem Robert Delaunay jahrelang Michel-Eugène Chevreuls Traktat „Über den Simultankontrast der Farben“ (1839 → Farbe in der Kunst) studiert hatte, leitete er von dessen Beobachtungen über das Verhältnis der drei Grundfarben zu den Mischfarben die Theorie des Simultanismus (Orphismus) ab. Den Begriff Orphismus prägte Guillaume Apollinaire 1912 angesichts von Delaunays „Fenêtres“, den sogenannten Fensterbildern. Eigentlich lehnte Delaunay den Begriff Orphismus aufgrund der bei Apollinaire mitschwingenden lyrischen Komponente ab, er sah seine Malerei vielmehr als „Cubisme écartelé (zerteilter Kubismus)“. In diesem Jahr hatte er sich der abstrakten Kunst geöffnet und reine Farben in geometrischen, kreisrunden Bildern angeordnet. In den 1930ern griff er in der Serie „Rythmes“ dieses Konzept wieder auf.

 

 

Sonia Delaunay stand ihrem Mann bei dieser Arbeit als Diskurspartnerin zu Seite, den theoretischen Text dazu verfasste jedoch nur er. Basis der gemeinsamen Ästhetik war nicht nur der Einsatz von reinen und leuchtenden Farben in Flächen (farbiges Licht), sondern auch die Überzeugung damit Bewegung illusionieren zu können. Für beide stellte Paris die simultanistische Stadt par excellence dar. Das von Sonia Delaunay entworfene „Simultanistische Kleid“ sollte das Publikum mit der neuen Ästhetik vertraut machen. Mit ihren gewagten Mischungen von Farben und Texturen wurde das Ehepaar zu „Reformern des guten Geschmacks“ und verursachten so manche Sensation. Beide förderten die Abstrakte Kunst in Form des Simultanismus (Orphismus). Die Avantgardistin verstand es, ihre ästhetischen Ideale auf Alltagsgegenstände, vor allem Kleidung, zu übertragen, was sie vom Werk ihres Mannes deutlich unterschied.

Da sich sonntags in der Wohnung der Delaunays in der 3 rue des Grands Augustins Künstler und Intellektuelle trafen, wurden ihre vier Wände zu einer ersten Kunstgalerie der Abstraktion. Auch als Kunsttheoretiker etablierte sich Robert Delaunay – und konnte so den Orphismus grenzüberschreitend als Inspirationsquelle erschließen. Am 11. April 1912 besuchte ihn Paul Klee, da dieser dessen Gemälde auf der Ersten Ausstellung des Blauen Reiter stark bewundert hatte. Im Dezember schickte Delaunay seinen Aufsatz „Über das Licht [La Lumière]“ über Franz Marc an Klee, damit er diesen für Herwarth Waldens Kunstzeitschrift „Der Sturm“ in Berlin übersetzt. Damit übte der Pariser enormen Einfluss u.a. auf die Kunst von Franz Marc, August Macke wie Paul Klee aus. Bereits am Berliner Herbstsalon im September 1913 stelle Robert Delaunay (21 Gemälde) neben seiner Frau Sonia Delaunay (25 Werke, hauptsächlich bemalte Bucheinbände), Marc Chagall, Max Ernst, Lyonel Feininger, Franz Marc und Paul Klee aus.

 

 

Robert Delaunay in Madrid

Nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs flohen beide 1917 nach Madrid, wo Sonia Delaunay eine Boutique eröffnete und die avantgardistische Farbtheorie und Kunstästhetik erstmals in Form von verkaufbarer Mode, Möbel und Bühnendesign ein breites Publikum fanden. Dennoch ist in der öffentlichen Wahrnehmung Robert Delaunay präsenter als seine Ehefrau. Dafür ist zum einen die Unterordnung Sonia Delaunays unter das Werk ihres Mannes mitverantwortlich. Die Erziehung des gemeinsamen Kindes lag größtenteils in ihren Händen, zudem sicherte sie mit ihren kunstgewerblichen Arbeiten den Lebensunterhalt der Familie.

 

Zurück in Paris

1921 kehrten Sonia und Robert Delaunay wieder nach Paris zurück. Der Maler schloss Kontakte zu den Künstlern des Dadaismus und des Surrealismus. Wenig später begann er seine zweite Serie des Eiffelturms, 1924 folgten seine Läuferbilder. Fresken für das Palais de l’Ambassade de France zur Exposition internationale des arts décoratifs in Paris (1925) führten seine Überzeugungen auch in das Großformat über.

Mit „Rythmes“ schloss Robert Delaunay erst in den frühen 1930er Jahren wieder an seine frühen abstrakten Gemälde an. Er griff in dieser Serie die Themen der Scheibe von 1913 und der Kreisform erneut auf. Die 1931 gegründete Künstlergruppe Abstraction-Création wurde neue Heimstätte für das Ehepaar Delaunay.

 

Robert Delaunay auf der Weltausstellung 1937

Im Jahr 1937 nahm Sonia gemeinsam mit Robert an der Dekoration von zwei großen Pavillons auf der Weltausstellung in Paris teil: Im Eisenbahn-Pavillon ließ Sonia Delaunay ihre Reise auf die Iberische Halbinsel Revue passieren, wodurch die dieser Phase in ihrem Leben einmal mehr Bedeutung verlieh. Robert Delaunay fertigte Dekorationen für den Palais de l’Aéronautique und den Pavillon des Chemins de Fer; das Gemälde „Luft, Eisen und Wasser“ misst 10 mal 15 Meter und ist im Centre Pompidou.

Nach Robert Delaunays Krebs-Tod 1941 in Montpellier setzte Sonia ihre Arbeit und den Kampf für die Abstrakte Kunst fort.

 

Robert Delaunay und Paris: Bilder

  • Robert Delaunay, Formes circulaires. Soleil, lune, 1913–1931, Öl/Lw, 200 x 197 cm (Kunsthaus Zürich)
  • Robert Delaunay, Le poète Philippe Soupault, 1922, Öl/Lw, 197 x 130 cm (Centre Pompidou, Musée national d‘art moderne – Centre de création industrielle, Paris)

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Alexandra Matzner
Gründerin von ARTinWORDS * 1974 in Linz, Studium der Kunstgeschichte, Geschichte und Romanistik in Wien und Rom. Seit 1999 Kunstvermittlerin in Wien, seit 2004 Autorin für verschiedene Kunstzeitschriften. Jüngste Publiktionen entstanden für das Kunsthaus Zürich, Schirn Kunsthalle Frankfurt, Albertina und Belvedere in Wien.