Giambologna (eigentlich Jean Boulogne, 1529–1608)

Giambologna

Wer war Giambologna?

Giambologna (eigentlich Jean Boulogne, um 1529–14.8.1608 Florenz) war ein italienischer Bildhauer flämischer Herkunft und der Hauptmeister der italienischen Skulptur und Plastik nach Michelangelo (→ Renaissance). Der aus Wallonisch-Flandern stammende Plastiker wurde rasch als Hofbildhauer der Großherzöge von Toskana europaweit bekannt. Giambolognas Werk umfasst sowohl mythologische als auch sakrale Themen, die er in gedrehten Kompositionen (figura serpentinata) umsetzte. Sein Lebenswerk gilt als Neubeginn in der Geschichte der europäischen Plastik in der Spätrenaissance bzw. im Florentiner Manierismus. Giambolognas Schüler – darunter Antonio und Gianfrancesco Susini sowie Pietro und Ferdinando Tacca – zählten nach 1600 zu den führenden Bronzeplastikern Europas und trugen den manieristischen Stil ihres Meisters weiter.

Kindheit

Giambologna (eigentlich Jean Boulogne) wurde um 1529 in Douai (ehemals Niederlande, heute: Frankreich) geboren. Zeitgenössische Quellen überliefern das Geburtsjahr nicht. Filippo Baldinucci ging noch davon aus, dass Giambologna um 1525 geboren wurde.1 Die heute kolportierte Annahme geht auf eine Kohlezeichnung Giambolognas zurück: Das Porträt von Joseph Heintz dem Älteren hat er im Alter von 60 Jahren angefertigt. Ein weiteres Indiz ist die Signatur des Bildhauers auf der Reiterstatue Cosimos I.: „IOHAN . BOLOG . BELGA . ETA . SVE . A. 65 . AN . 1594“, also „Giambologna im Alter von 65 Jahren im Jahr 1594“.

Der Bildhauer soll der Sohn von „ehrbaren Eltern“ gewesen sein, wie Raffaello Borghini in „Il Riposo“ (1584) vermutlich aus erster Hand zu berichten wusste. Der Vater, so Borghini weiter, hätte seinen Sohn lieber als Notar gesehen und ihn deshalb gegen seinen Willen zum Studium der Geisteswissenschaften gedrängt. Giambologna könnte dieses Studium jedoch bald abgebrochen und eine Lehre begonnen haben.

Ausbildung

Giambologna dürfte zwischen 1545 und 1550 bei dem Bildhauer und Ingenieur Jacques Dubroeucq (um 1505–1584) in Mons (Hennegau) gelernt haben. Allerdings ist nur für das Jahr 1549 seine Ausbildung dort belegt. Dubroeucq war der Hofkünstler von Maria von Ungarn und Philipp II.. Für Maria war er vor allem als Architekt tätig und für die Gestaltung von Schloss Binche verantwortlich. Giambologna erhielt Zahlungen für seine Hilfe bei der Konstruktion des „Apparats“ für den Einzug Philipps II. in Mons. Dubroeucq  ist heute für den fragmentarisch erhaltenen Lettner von Sainte-Waudru in Mons bekannt (1538–1549), einem Hauptwerk des flämischen Manierismus. Giambologna erlernte im Rahmen dieses Alabaster-Werks das Bildhauerhandwerk aber auch die Organisation einer arbeitsteiligen Werkstatt. Vermutlich dürfte auch sein Interesse an Architektur in der Werkstatt Dubroeucqs geweckt worden sein.

An italienischer Kunst konnte Giambologna in Flandern einige Hauptwerke studieren. So kannte er die Tapisserieentwürfe von Raffael für die Sixtinische Kapelle, die sich in Brüssel befanden, weiters die „Madonna mit Kind“ von Michelangelo in Brügge. Der italienische Bildhauer Pietro Torrigiani hielt sich in Flandern auf. Maria von Ungarn besaß Gemälde von Tizian, die sie in Schloss Binche installieren ließ. Weiters befanden sich Gipskopien antiker Statuen im Besitz der Königin, darunter die sog. „Kleopatra“, eine Allegorie des „Nils“.2 Beide wurden in einer Grotte aufgestellt. Ebendort hatte der Italiener Luca Lancia eine Gießerei eingerichtet.

Leone Leoni traf in den 1540er Jahren in Flandern ein. Er zählt zu den bedeutendsten Bronzeplastikern des 16. Jahrhunderts. Die älteste Erwähnung Giambolognas geht auf einen Brief zurück, den Leoni aus Florenz an Michelangelo schrieb. Leoni kam an den kaiserlichen Hof, um Karl V. das Projekt einer Reiterstatue in Bronze vorzulegen. Vermutlich haben die beiden Künstler einander bereits zu diesem Zeitpunkt getroffen. Von Leoni konnte Giambologna die Verherrlichung von Herrschdynastien durch Werke aus Bronze erlernen.

Reise nach Rom

Nach seiner fünfjährigen Ausbildung bei Dubroeucq trat Jean Boulogne, alias Giambologna, um 1550 eine Studienreise nach Rom an. Als Bildhauer konnte er kaum damit rechnen während seines Aufenthalts mit Werken beauftragt zu werden. Deshalb ist die Romreise Giambolognas durchaus außergewöhnlich weil kostspielig.3 Zu den von ihn studierten römischen und hellenistischen Skulpturen zählte u.a. der Farnesische Stier (gefunden um 1546, Museo Nazionale, Neapel).

Bald wurde Jean de Boulogne in Italien Giambologna genannt und studierte die Werke der Antike. Im Archiv der Orsini befindet sich ein Eintrag in einem der Libri Mastri (Meisterbuch): Im Mai 1556 schenkte der Künstler Paolo Giordano Orsini drei Büsten. Dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass sich Giambologna seit seiner Ankunft in Italien mit der Gestaltung von Büsten beschäftigt hat. Leider sind die Quellen so spärlich und allgemein gehalten, dass kaum eine abschließende Beurteilung dieser Phase rekonstruierbar ist. Zweifellos hat sich der Flame eingehend mit den römischen Kunstschätzen auseinandergesetzt. Laut Raffael Borghini fertigte der Bildhauer kleine Modelle an, die jedoch Großteils nicht mehr erhalten sind. Giambologna selbst erzählte später über sein Zusammentreffen mit Michelangelo, dass dieser ihm vorgeworfen habe, seine Werke zu sehr auszuarbeiten, ohne den Entwurf wirklich zu beherrschen. Borghini überliefert auch, dass Giambolognas Gönner, der reiche Bankier und Sammler Bernardo Vecchietti, aufgrund dieser in Rom entstandenen Studien auf den jungen Bildhauer aufmerksam geworden sei.

Vecchietti nahm Giambologna in seinem Haushalt auf, die erste dokumentierte Arbeit des Flamen ist das Medici-Wappen für den Palazzo di Parte Guelfa. Der Künstler dürfte 1556 bereits Giorgio Vasari und Bartolomeo Ammannati kennengelernt haben, welche die Bauleitung des Palastes übertragen bekommen hatten. In diesen Jahren knüpfte Giambologna Kontakte zum Vasari-Kreis. Aus diesem Grund befanden sich seine Modelle später in Besitz von Mona Mattea, vasaris Gehilfen und herzoglichen Maurermeister.

Jüngst wurden die Dresdner Tageszeiten Giambologna zugeschrieben (→ Giambologna, Michelangelo und die Medici-Kapelle). Der junge Bildhauer schuf die Alabaster-Skulpturen wahrscheinlich um 1555/58, noch bevor seine Karriere in Florenz ab 1561 so richtig begann.

Vorbilder aus Florenz

Florenz zählt zu den kunsthistorisch bedeutendsten Städten des 15. und 16. Jahrhunderts (→ Florenz und seine Kunst), weshalb der flämische Bildhauer nach seiner Zeit in Rom hier Anschluss suchte. Die Schöpfungen von Michelangelo Buonarroti wurden über die Landesgrenzen hinaus besonders hochgeschätzt; auch wenn sich der Künstler bereits mehr odeer weniger von der Bildhauerei zurückgezogen und sich der Architektur zugewandt hatte.4 Dessen terribilità, das heißt die überzeugende Bewegungssuggestion und die titanische Figurenauffassung, und nicht Grazie und Eleganz prägten für viele Jahrzehnte das Ideal in Skulptur und Plastik. Vor allem Michelangelos Skulpturen für die Medici-Gräber in der Sagrestia Nuova in San Lorenzo in Florenz sowie die unvollendeten Skulpturen für das Julius-Grabmal wurden als vorbildhaft angesehen.

Im Bereich der Kleinbronzen, die sich in der Hochrenaissance zunehmen durchzusetzen begannen, war Baccio Bandinelli (1493–1560) in Florenz die wichtigste Bezugsperson. Für diese handlichen Objekte galt das programmatische Postulat, dass eine Skulptur „von allen Seiten gleich schön“ zu sein hätte. Der Inbegriff dieses Dogmas wurde Benvenuto Cellini|s (1500–1571) bronzener „Perseus“ in der Loggia de‘ Lanzi in Florenz. Die Ideale Skulptur wurde als figura serpentinata konzipiert, das heißt die Allansichtigkeit der freistehenden Plastik betont (→ Benvenuto Cellini: Saliera). In den 1530er Jahren prägten noch Niccolò Tribolo (1500–1550) sowie Bartolomeo Ammanati (1511–1592) die Skulptur aus Florenz; allerdings verließen auch diese Talente ihre Heimatstadt und kehrten nur sporadisch zurück.

Werke

Charakteristisch für Giambolognas Skulpturenauffassung ist eine Vertiefung in die formale und technische Seite des Bronzegusses. Er bereitete seine Plastiken minutiös in Wachs- und Tonmodellen vor. Der Bildhauer strebte die vollendete Pose, perfekte Balance, idealisierte Körper ohne manieristische Verfremdung an. Die technisch makellose Ausführung seiner Werke wurde zum Markenzeichen seiner Werkstatt. Inhaltliche und ikonografische Fragestellungen traten zugunsten der vollendeten Form zurück. Giambologna verstand es ruhig und konzentriert, aber auch fleissig und effizient an seinen Aufträgen zu arbeiten, ohne in Phantasien gigantischer Skulpturengruppen zu verfallen. Einige seiner Kollegen, darunter Ammannati und Bandinelli scheiterten an ihrem Bemühen, Michelangelo zu übertreffen.

Hofbildhauer der Medici

Sein Gönner verschaffte Giambologna auf seiner Rückreise aus Rom Zugang zum Hof der Medici in Florenz, wo er anfangs in der Via dello Studio wohnte. Dass Giambologna ab etwa 1557 in Florenz arbeitete, kann nicht hoch genug gewürdigt werden.5 Anfangs beauftragte Vecchetti ihn mit kleineren Aufträgen, wodurch der Bildhauer seine Zeit für das Studium aufbringen konnte. Sein erstes Werk in Marmor war eine heute verschollene Venus, die ihm den Zutritt zum Hof der Medici, genauer zu Prinz Francesco de' Medici - ab 1564 Mitregent und ab April 1574 dritter Großherzog der Toskana -, eröffnete.

Noch 1560 unterlag Giambologne im Wettbewerb um den Auftrag für den auf der Piazza della Signoria zu errichtenden Neptunbrunnen, der an den eingesessenen Florentiner Ammannati ging. Dennoch konnte sein maßstabsgetreues Modell erste positive Kritiken auf sich ziehen. Dies muss für den zugewanderten Bildhauer bereits ein erster Meilenstein gewesen sein. Francesco beauftragte den Flamen daraufhin mit der Ausführung einer Brunnenskulptur für den Garten des Casinos bei San Marco: Die monumentale Gruppe von „Samson und dem Philister“ (1562–1567, V&A Museum, London) bezeugt, dass Giambologna antrat, um das Erbe Michelangelos antrat - ohne allerdings dessen terribilità erreichen oder gar übertrumpfen zu wollen.

Francesco I. ernannte Giambologna 1561 zum Hofbildhauer und zahlte ihm ein Monatsgehalt. Zu Beginn arbeitete der Flame an ephemeren Kunstwerken in Rahmen von höfischen Ereignissen. So schuf er im Jahr 1565 zu Ehren von Johanna, der Nichte von Kaiser Karl V., einen ähnlichen „Apparat“ wie zu Beginn seiner Lehrzeit.

Neben höfische Auftraggebern waren private Mäzene wichtige Stüzen für Giambolognas Werk. Zu den wichtigsten zählten Sebastian Zäch, der bereits erwähnte Bernardo Vecchietti (in wirtschaftlichem Kontakt mit den Fuggern und Sammler von Kleinplastiken), Lattanzio Cortesi (Auftraggeber des „Bacchus Cortesi“). Vecchietti war es, der Giambolognas Wunsch, ein Marmorbildhauer zu werden, durch das Bereitstellen eines Marmorblocks ermöglichte. Nach einer Venus schuf der junge Flame eine „Fata Morgana“ für die gleichnamige, von Giambologna entworfene Grotte am Landsitz des Kustliebhabers.

Der Ruhm Giambolognas wuchs aufgrund seiner Produktivität und der Transportierbarkeit seiner Kleinbronzen rasch auch über die Grenzen der italienischen Stadtstaaten hinaus. Er betrieb in Florenz eine international tätige Werkstatt, die große Produktivität erreichte. Seine zahlreichen Schüler trugen dazu bei, den verfeinerten Stil Giambolognas und der Florentiner Spätrenaissance (resp. Manierismus) über die Landesgrenzen zu verbreiten. Allein die Zahl der Werke, die seine Werkstatt verließ, ist beeindruckend und erklärt zu einem Teil die bedeutende Wirkung Giambolognas auf die Entwicklung der Plastik in den folgenden Jahrzehnten. Trotz seiner künstlerischen Bedeutung wurde Giambologna nie Bürger der Stadt und lernte nie perfekt Italienisch.

Neptunbrunnen in Bologna

In den Jahren zwischen 1563 und 1566 entstand der monumentale Neptunbrunnen für Bologna. Um den Neptunbrunnen in Bologna zu fertigen, zog der Bildhauder im August 1563 in die Emilia-Romagna. Seine erste Monumentalskulptur geht auf das Brunnenmodell für die Piazza della Signoria von 1560 zurück und verbindet Marmor- und Bronzeskulpturen. Der bekrönende Neptun ist in betontem Kontrapost gegeben und dreht seinen Kopf nach links, während er mit seinem linken Arm nach vorne greift. Putten und weibliche Akte vermitteln zum Brunnenbecken. Es handelt sich um Giambolognas erste Beschäftigung mit dem weiblichen Akt.

Fliegender Merkur

Vielleicht noch während des Aufenthalts in Bologna schuf Giambologna den „Fliegenden Merkur“, der die berühmteste Komposition des Bildhauers wurde. Da die Medici eine Fassung mit den Initialen „IB“ 1565 als diplomatisches Geschenk dem Kaiser des Heiligen Römischen Reiches überließen, ist dies anzunehmen. Die größere Version in Bronze aus dem Bargello entstand später. Als Anregung gilt die Merkur-Statuette am Sockel von Benvenuto Cellinis „Perseus mit dem Haupt der Medusa“ (1554).

Der Merkur erhebt sich auf den Zehen des linken Fußes über dem hauch eines Windgottes. Das rechte Bein nach hinten gestreckt, bewegte sich der Götterbote labil nach vor, seinen rechten Arm erhoben.

Florenz triumphiert über Pisa

Giambologna entwarf die Gruppe 1564 für die Vermählung von Francesco I. de’ Medici (1541–1587). Nachdem Michelangelo verstorben war, wurde seine Gruppe „Sieger“ in der großen Sala dei Cinqucento im Palazzo Vecchio aufgestellt. Im Rahmen dieser Nobilitierung erhielt das Werk seine Deutung, war es doch unter Vasaris „Sieg von Florenz über Siena“ zu sehen. Zwei Monate danach erhielt Giambologna den Auftrag, ein Gegenstück zu konzipieren, das unter Vasaris „Sieg von Florenz über Pisa“ aufgestellt werden sollte. Der Sieg. Im 17. Jahrhundert setzte sich „Triumph der Tugend über das Laster“ als alternativer Titel der Gruppe durch; unter diesem Titel wurde sie unter anderem von Massimiliano Soldani Benzi kopiert.

Giambologna musste auf Michelangelos „Sieger“ reagieren. Indem er die politische Allegorie „Florenz triumphiert über Pisa“ (1565, Bargello, Florenz) aus zwei Figuren zusammenstellt, schuf er einen überzeugenden Akt voller Energie. Er löste die Aufgabe mit Hilfe von vorbereitenden Wachs- und Gipsmodellen. Indem er Spiralkurven und Zickzacklinien miteinander in Verbindung brachte, setzte Giambologna neue Maßstäbe für die repräsentative Freiskulptur und die Darstellung des Aktes. In den folgenden zehn, fünfzehn Jahren arbeitete der Bildhauer nahezu ausschließlich mit dem nackten menschlichen Körper, den er in gedrehten Posen (figura serpentinata) realisierte. Sowohl in der Gestaltung der Proportionen als auch in den vereinfachten, nahezu geschlechtslosen Physiognomien (blanke Augen, ausdruckslose Gesichter) zeigt sich das Antikenstudium des Künstlers.

Herkules

Im Jahr 1576 begann Giambologna mit dem Entwurf und der Ausarbeitung einer Serie von Herkulestaten. Der Bildhauer entschied sich, den Helden in weitem Schritt darzustellen, wobei die zu bekämpfenden Gegner meist zwischen den Beinen zu liegen kommen oder über die Schulter geworfen werden. Das Schwingen seiner Keule löst eine Drehbewegung aus, die von den Opfern wufgenommen wird.

  • Herkules und ein Kentaur (Loggia dei Lanzi, Florenz)
  • Herkules und Antäus, 1578 (Loggia dei Lanzi, Florenz)
  • Herkules und der Eber

Raub der Sabinerin

Giambolognas dritte Marmorgruppe ist der „Raub der Sabinerin“ aus dem Jahr 1583. Giambologna  verband drei Figuren zu einer zusammenhängenden Gruppe, indem er Bewegung, Emotionalität, Blickrichtungen genau aufeinander abstimmte. Die spiralförmige Komposition erfordert das Umschreiten der Gruppe. Das Relief am Sockel konkretisiert erst die Geschichte durch den Kampf der Römer gegen die Sabiner in einem Bronzerelief. Technisch begeistert der Bildhauer Giambologna in diesem Werk durch das Unterschneiden des Marmorblockes. Dies hatte er an den hellenistischen Skulpturen besonders bewundert. Damit unterscheidet sich das Werk Giambolognas deutlich von jenem Michelangelos.

Nach der Vollendung der Sabinerinnengruppe beendete der damals 55-jährige Künstler jegliche Arbeit an Freifiguren oder Skulpturengruppen. Stattdessen konzentrierte er sich auf Gewandfiguren oder Porträts, Büsten, Denkmäler und vor allem das Reisterstandbild von Cosimo I.

Kleinbronzen

Zu Giambolognas Meisterstücken gehören auch Kleinbronzen, die sich u. a. im Kunsthistorischen Museum in hoher Zahl und herausragender Qualität in Bezug auf die technische Umsetzung befinden. Das zeigt, dass diese Kleinplastiken rasch begehrte Sammlerstücke vor allem von Fürstenhöfen nördlich der Alpen wurden. Seine Skulpturen erwiesen sich als höchst begehrte Sammelobjekte für Europas Kunstkammern wie als diplomatische Geschenke par excellence im diplomatischen Verkehr. Zudem waren die Kleinbronzen gefragte Studienobjekte in Künstlerateliers.

Giambologna arbeitete mit seinem wichtigsten Gießer, Antonio Susini, an einer enormen Produktion dieser Kleinbronzen. Die meisten Modelle, die der Bildhauer selbst schuf, sind eigenständige Werke und keine Reduktionen seiner Monumentalskulpturen. Zu den frühen Meisterwerken werden der „Fliegende Merkur“ (1565) und die Allegorie „Astronomie“, beide sind signiert, gezählt. Bei geschlossenen Kompositionen fallen diese Statuetten durch ihre um eine Achse gedrehten Körper (figura serpentinata) auf.

Für das Studiolo Francesco de' Medici schuf Giambologna die etwas größere Bronze-Statuette des „Apollo“.

Neben Aktfiguren umfasst Giambolognas Werk auch Tierskulpturen. Vor allem Pferde, Stiere und Löwen, die Pferde oder Stiere reißen, entzündeten seine Phantasie. Für Gartengrotten erarbeitete er auch lebensgroße Vogelstatuen, darunter einen Truthahn und eine Eule. Die Modelle Giambolognas wurden in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts vor allem von Giovanni Francesco Susini weiterverwendet. Zu den wichtigsten Schülern von Giambologna gehörten die Niederländer Adrian de Vries (um 1545/56–1626) und Hubert Gerhard (1545/50–1620).

Reisterstatue Cosimos I.

In Florenz ist heute noch das monumentale Reiterstandbild für Cosimo I. Giambolognas wichtigstes Werk für den öffentlichen Raum. Damit schuf er auf der Piazza della Signoria in Florenz einen neuen Denkmaltypus, der durch seine Mitarbeiter Tacca und Francavilla in ganz Europa verbreitet wurde.

Francesco de' Medici folgte im Oktober 1587 seinem Bruder Ferdinando I. als dritter Großherzog der Toskana. Bis September 1588 hatte er alls großherzoglichen Hofkünstler und Kunsthandwerker unter die Aufsicht eines Administrators gestellt und die Werkstätten zentralisiert. Neue Arbeitsstätte war die Galleria dei lavori im ersten Stock des Westflügels der Uffizien. Giambologna erhielt vom Großherzog die Erlaubnis, außerhalb dieses zentralisierten Systems weiterzuarbeiten. Um 1590 finanzierte der Mäzen sogar den Bau einer neuen Werkstatt neben dessen Haus im Borgo Pitti. Dort wurden Material, Modelle und Gußformen sowie Statuen in unterschiedlichen Vollendungsgraden gelagert. Durch die Förderung konnte Giambologna eine eigene Gießerei mit großem Schmelzofen einbauen.

Reiterstatue Ferdinandos I.

Im Jahr 1601 erhielt Giambologna den Auftrag für die Reiterstatue Ferdinandos I. für die Piazza SS. Annunziata. Er erarbeitete bis zum Dezember ein neues Pferd; das originalgroße Gipsmodell war am 2. Juli 1602 vollendet und der Guß am 24. Oktober ausgeführt. Die Statue des Großherzogs war im April 1607 fast abgeschlossen. Das Projekt wurde schlussendlich von Pietro Tacca ausgeführt und im Oktober 1608 enthüllt. Anlässlich der Hochzeitsfeierlichkeiten von Prinz Cosimo II. und Maria Magdalena von Österreich war die Reiterstatue Ferdinandos I. erstmals zu sehen.

Eine Zahlungsnotiz im Florentiner Staatsarchiv legt nahe, dass die Liechtenstein-Bronze des reitenden Ferdinando I. im Mai 1600 in der Gießerei Domenico Portigianis in San Marco entstanden sein dürfte.Da der Auftrag für das monumentale Reiterstandbild erst im Folgejahr an den Bildhauer erging, steht die Kleinbronze zwischen den Reiterdenkmälern für Cosimo I. und Ferdinando I. Pferd und Reiter leiten sich vom früheren Denkmal ab, während das Bildnis von Ferdinando eingefügt ist. Damit wäre möglich, dass der Giambologna mit der Kleinbronze einen Modellvorschlag für den Großherzog zur Hand hatte. Dieser entschied sich für eine andere Haltung des Pferdes, die möglicherweise auf Zeichnungen von Cigoli und Modelle Antonio Susini zurückgeht.

Die weitere Geschichte der Kleinbronze liegt im Dunkeln. So wird vermutet, dass der Reiter eine Arbeit Pietro Taccas aus den Jahren 1610 bis 1615 sein könnte. Zudem könnte sich das Objekt bis 1618 in der Galleria befunden haben, denn in diesem Jahr erst wurde sie an den Herzog von Lothringen als Geschenk versandt. Später dürfte sie an Fürst Josef Wenzel von Liechtenstein entweder verkauft oder weitergeschenkt worden sein (vor 1767).

Schon früh hatte sich Giambologna mit der Darstellung schreitender Pferde beschäftigt. In der Fürstlichen Sammlung Liechtenstein befindet sich eine signierte Bronzestatuette des Denkmals, die vielleicht in Zusammenarbeit mit Pietro Tacca geschaffen wurde. Die Bronze besteht aus zwie getrennt gegossenen und dann zusammengefügten Teilen, dem Reiter mit Sattel und dem Pferd. Der Kopf Ferdinandos, der Schwertgriff, das Kreuz des Santo Stefano-Ordens, die Kandare und die Zügel wurden später hinzugefügt.

Neben Ferdinando I. schuf Giambologno noch zwei weitere Reiterstatuetten vermutlich nach den gleichen Gußformen: Kaiser Rudolph II (Stockholm) und Henri IV (Wallace Collection). Die kleinen Unterschiede in der Ausführung könnten leicht in die Wachsschicht vor dem Guss vorgenommen worden sein.

Tod

Giambologna starb am 14. August 1608 in Florenz. Er wurde in sesiner Grabkapelle in Santissima Annunziata bestattet; der Bildhauer hatte sie für alle flämischen Künstler, die in Florenz verstorben sind, gewidmet. Im Testament bestimmte Giambologna Pietro Tacca zum Vormund für seinen 7-jährigen Erben, der Giambolognas Wachsmodelle erbte. Tacca erhielt die Erlaubnis im Borgo Pinti-Haus zu wohnen und das Atelier zu nutzen, bis Giambolognas Erbe volljährig war (1616). Dadurch konnte er unvollendete Aufträge noch abschließen.

Der kinderlose und weltberühmte Künstler träumte davon, eine Künstlerdynastie zu begründen. Er ließ einen Großneffen aus Flandern kommen, um ihn in seine Kunst einzuweisen und zu seinem Erben zu machen. Da dieser starb, wandte sich Giambologna mit der Bitte um einen jüngeren Knaben an seine Familie. Diese schickte Jean de Saint-Waast. Dieser nahm den Namen seinen Großonkels an, fühlte sich jedoch nicht zur Bildhauerei berufen. 1612 entschied er sich, auf sein italienisches Anrecht zu verzichten und nach Flandern zurückzukehren (rechtskräftig ab 1616). Großherzog Cosimo II. erwarb 1612 das Haus und Tacca die Einrichtung. Damit wurde Pietro Tacca endgültig zum Nachfolger Giambolognas. Fünf Jahre später bewog der Bildhauer, den Großherzog zum Ankauf der Modelle Giambolognas. Dadurch arbeitete Tacca in der Folge für die staatliche Kunstproduktion.

Beiträge zu Giambologna

28. Februar 2023
Antico, Büste des Marc Aurel, Detail, um 1500, Bronze, vergoldet, 72,5 x 60,0 cm (LIECHTENSTEIN. The Princely Collections, Vaduz–Vienna, Inv.-Nr. SK 1630)

Wien | Gartenpalais Liechtenstein: Bronzen der Fürsten von Liechtenstein Gegossen für die Ewigkeit | 2023

Die Fürstlichen Sammlungen beherbergen einige der kostbarsten Bronzeplastiken vom 15. bis zum 19. Jahrhundert. Im März 2023 werden sie mit hochkarätigen Leihgaben aus den weltweit bedeutendsten Bronzesammlungen ergänzt.
15. Juni 2018
Giambologna nach Michelangelo, Der Tag, Detail, Florenz, vor 1574, Alabaster (Skulpturensammlung © SKD, Foto: Wolfgang Kreische)

Giambologna, Michelangelo und die Medici-Kapelle Alabaster und Vervollständigung als Kriterien für neue Zuschreibung

Vier Tageszeiten aus Alabaster nach Michelangelos Allegorien in der Medici-Kapelle könnten Frühwerke von Giambologna (1529–1608) sein. Eine Ausstellung im Zwinger in Dresden stellt diese neue Zuschreibung vor.
  1. Filippo Baldinucci, Notizie de'professori del disegno, Bd. 3, 1688.
  2. Die Gipskopien kamen mit Primaticcio aus Rom nach Paris und gleangten über Leone Leoni in den Besitz von Königin Maria von Ungarn.
  3. Zu den wenigen flämischen Bildhauern in Italien zählten Willem van Tetrode (Mitarbeiter von Guglielmo della Porta, Cellini)
  4. Michelangelo arbeitete in diesen Jahren hauptsächlich an den unvollendet gebliebenen Pietà-Gruppen.
  5. Siehe: Dhanens 3, Kriegbaum 4