Giovanna Garzoni

Wer war Giovanna Garzoni?

Giovanna Garzoni (1600–10. bis 15.2.1670) eine eine italieissche Porträt- und Stilllebenmalerin des Barock. In Venedig ausgebildet, arbeitete Giovanna Garzoni in Neapel, Florenz, Rom, Paris und London. Sie wechselte in den 1620er Jahren von Ölmalerei auf Miniaturmalerei. Sie spezialisierte sich auf Stillleben, die international gefragt waren. In Auseinandersetzung mit den botanischen Studien Jacopo Ligozzis bzw. den Stillleben Willem van Aelsts entwickelte Garzoni qualitativ hochstehende Blumen- und Früchtestillleben.

Kindheit und Ausbildung

Giovanni Garzoni wurde als Tochter von Giacomo Garzoni und Isabetta Gaia wahrscheinlich in Ascoli Piceno in den Marken geboren. Der Zugang zur Kunst dürfte über die mütterliche Linie erfolgt sein.

Die aus Venedig stammende Künstlerin lernte bei ihrem Onkel, dem Maler Pietro Gaia, der ein Schüler von Jacopo Palma dem Jüngeren (um 1548/50–1628) war, und dem Kalligrafen Giacomo Rogni.

Giovanna Garzoni könnte auch eine Schülerin von Jacopo Palma il Giovane gewesen sein. Zumindest war sie mit diesem und anderen männlichen Malerkollegen um 1620 an der Ausstattung der Kirche des Hospitals der unheilbar Kranken (Chiesa dell’Ospedale degli Incurabili, 1831 abgerissen) beteiligt, für die sie das Gemälde Hl. Andreas (Gallerie dell’Accademia, Venedig) schuf. Es weist stilistische Ähnlichkeiten zum Werk Jacopos auf, weshalb eine Tätigkeit bei diesem naheliegt.1

Dass sich Giovanna im Alter von etwa 20 Jahren in Venedig aufgehalten hat, geht ebenso aus Einträgen in ihrem Übungsheft, dem Libro de’ caratteri cancellereschi corsivi, hervor. Hier lassen sich weitere und ganz andere künstlerische Zeugnisse Giovannas fassen, nämlich jene der Kalligrafie. Sie kopierte die Galeone auf See aus Jan van de Veldes d. Ä. (1568–1623) Spieghel der schrijfkonste von 1605. Franceso Maria Gualterotti preist die junge Künstlerin in einem Lobgedicht als „scrittrice, e pittrice“. Warum die bereits in Ölmalerei bekannte Malerin zur Kalligrafie und Miniaturmalerei wechselte, ist nicht bekannt.

Schon vor ihrer Hochzeit suchte Giovanna Garzoni den Kontakt zum Hof. In der Zeit von 1618 bis 1621 reiste sie für einen kurzen Aufenthalt nach Florenz, um Maria Magdalena von Österreich, Großherzogin der Toskana, ihre Talente in Kalligrafie, Musik und Malerei vorzustellen.2 In den 1620er Jahren soll sie sich auch in Rom aufgehalten haben.

Drama einer Ehe

Ende 1622: Die mit dem Porträtmaler Tiberio Tinelli (1586–1638) geschlossene Ehe hielt nur ein Jahr. Tinelli war ein angesehener venezianischer Porträtmaler. Carlo Ridolfi überlieferte in der Biografie des Künstlers von 1648, dass sich dieser „in ein junges Mädchen von bescheidenen Gewohnheiten verliebt hatte, eine Studentin der Malerei, und sie zu bestimmten Zeiten besuchte, er schlug ihr vor, sie zu heiraten, wobei er sich in seinem Kopf Illusionen über das Paradies einer solchen Verbindung machte“.3 So soll in die Ehe eingewilligt haben, um ihrem tyrannischen Vater zu entfliehen. Da eine Wahrsagerin der Garzoni allerdings prophezeit hatte, dass sie bei der Geburt eines Kindes sterben würde, legte sie ein Keuchheitsgelübde ab. Dies wurde von ihrem zukünftigen Ehemann akzaptiert, und die Ehe dennoch geschlossen. Das Paar soll friedlich zusammengelebt haben, bis Tiberios Schwiegervater Ansprüche auf Haus und Besitz des Künstlers erhob.

Nachweisbar ist ein Gerichtsprozess, den Giacomo Garzoni im Frühjahr 1623 gegen seinen Schwiegersohn anstrengte, da dieser angeblich durch Zauberei und Tricks verführt zu habe, damit sie ihn heiratete und ihr Keuschheitsgelübde gegenüber Gott brach. Im skandalumwitterten Gerichtsprozesses wegen Hexerei entlasteten zahlreiche Zeugen jedoch den Maler, und aus Mangel an Beweisen wurde der Prozess schließlich eingestellt. Dennoch wurde die Ehe 1624 aufgehoben.

Neapel und Turin

1630 verließ Garzoni Venedig, um in Neapel in den Dienst von Vizekönig Fernando Alfán de Ribeira, Herzog von Alcalà, zu treten. Man nimmt an, dass sie dort bereits auf Artemisia Gentileschi traf.4

Christina von Lothringen berief die Malerin im November 1632 an den Hof von Herzog Vittorio Amadeo I. von Savoyen in Turin. Dort entstanden neben Porträts des Hofstaates Garzonis erste Stillleben. Nach 1637 dürfte die Malerin in Paris und vielleicht auch London gelebt haben; vermutlich reiste sie gemeinsam mit Artemisia Gentileschi nach England. Es wird vermutet, dass sie sich dort Zutritt zu den berühmtesten Kunst- und Wunderkammern verschaffte, was sie ermächtigte eine der wichtigsten wissenschaftlichen Illustratorinnen des 17. Jahrhunderts zu werden.

Florenz

Ab 1642 lebte und arbeitete Giovanna Garzoni neun Jahre lang in Florenz (bis 1651), wo sie vor allem für die Medici tätig war. Zu ihren wichtigsten Unterstützern zählten Ferdinando II. de‘ Medici, dessen Frau Vittoria della Rovere und Leopoldo de‘ Medici.

In Florenz traf Giovanna Garzoni wohl auf den niederländischen Stilllebenmaler Willem van Aelst (1627–1683), der einige Jahre lang für die Medici tätig war. Vor allem aber konnte sie nun die Pflanzenzeichnungen des Universalkünstlers Jacopo Ligozzi (1547–1627) studieren.5 In jener Zeit malte sie zahlreiche Stillleben in Tempera auf kostbarem Pergament, die sie berühmt machten. Der "Schoßhund mit Keksen und chinesischer Tasse" ist am ungewöhnlichsten – nicht nur weil er eines der seltenen Signaturen von Giovanna trägt. Die Stilllebenmalerin schuf das Blatt für Vittoria della Rovere, Großherzogin der Toskana, die sich gerne mit ihren Hunden darstellen ließ.6 Diese Tiere waren mehr als nur gesellige Begleiter. Victorias Mann Ferdinand II. de’ Medici erwarb ein Hundepaar zu Zuchtzwecken aus England, um die Tiere als diplomatische Geschenke und Gegengaben für Tapisserien und Juwelen an die Höfe in Frankreich, Spanien und England zu senden.7 Sie waren wie die chinesische Tasse besonders wertvoll.

Während der zweiten Florentiner Periode Giovanna Garzonis ist wohl auch das "Stillleben Glasvase mit Blumen" entstanden, von dem die Künstlerin mehrere Versionen schuf. Ihr Interesse an Pflanzenstudien war wahrscheinlich durch die Arbeiten Jacopo Ligozzis geweckt worden, der in zahlreichen Aquarellstudien unterschiedlichste Pflanzen von der Wurzel bis zur Blüte auf Papier festgehalten hatte. Giovanna hingegen verwandelte ihre Studien in gekonnte Arrangements und komponierte einen Frühjahrsblumenstrauß mit Anemonen, Tulpen und Pfingstrosen.

Rom

1651 übersiedelte Giovanna Garzoni nach Rom, wo sie sich in der Nähe der Accademia di San Luca ein Haus kaufte. Obschon nicht klar ist, ob Garzoni offiziell Mitglied der Accademia di San Lucca war, nahm sie doch ab 1654 an den Treffen der Mitglieder teil.

In Rom schuf Giovanna Garzoni eine 20-teilige Serie von Stillleben im Auftrag Großherzog Ferdinands II. de’ Medici. Die Werke hingen in der Stanza dell’Aurora des Poggio Imperiale, der Villa seiner Frau Victoria della Rovere.8 Die Bedeutung der Bilder geht auch aus dem eingesetzten hochqualitativen Material hervor: So malte Giovanna Garzoni die Winden etwa mit Lapilazuli Pigment.

Tod

Giovanna Garzoni starb 1670 in Rom.

Die kinderlose Malerin vermachte ihren Nachlass der Akademie unter der Auflage, dass diese ihr ein Grabmal in der Kirche Santi Luca e Martina errichtete. Mattia de Rossi schuf dieses 1698.

Literatur zu Giovanni Garzoni

  • Silvia Meloni Trkulja: Garzoni, Giovanna, in: Andreas Beyer, Bénédicte Savoy und Wolf Tegethoff (Hg.): Allgemeines Künstlerlexikon – Internationale Künstlerdatenbank – Online, Berlin/New York 2021.
  • „The Immensity of the Universe“ in the Art of Giovanna Garzoni, hg. von Sheila Barker (Ausst.-Kat. Gallerie degli Uffizi,
    Palazzo Pitti), Florenz 2020.
    • Sheila Barker, The Universe of Giovanna Garzoni. Art, Mobility, and the Global Turn in the Geographical Imaginary, in: Florenz 2020, S. 16–29.
    • Aoife Cosgrove, „E scrittrice, e pittrice“. Giovanna Garzoni and the Art of Calligraphy, in: Florenz 2020, S. 30–35.
  • Sheila Barker, „Marvellously gifted“. Giovanna Garzonis’s first visit to the Medici Court, in: The Burlington Magazine 160,1385 (2018), S. 654–659.
  • Francesca Bottacin, Appunti per il soggiorno veneziano di Giovanna Garzoni: documenti inediti, in: Arte veneta 52 (1998), S. 141–147.
Giovanna Garzoni, Stillleben mit chinesischem Teller, Artischocken, Rosen und Erdbeeren, Detail, Pergament (Galleria Palatina ed Appartamenti Reali, Florenz)

Florenz | Palazzo Pitti: Giovanna Garzoni


Italiens berühmteste Stilllebenmalerin des Barock Die Uffizien kündigen an, dass im Frühjahr 2020 die von den Medici gesammelten Werke von Giovanna Garzoni ausgestellt werden. Dabei wird ein Fokus auf die Stillleben der italienischen Malerin gelegt.
  1. Meloni Trkulja 2021.
  2. Barker 2018b, S. 656.
  3. Ridolfi 1648, Bd. 2, S. 289, siehe: Geniale Künstlerinnen (Ausst.-Kat. Hamburg, Basel 2023, 2024), Basel 2023, S. x.
  4. Garrard 1989, S. 136, 518 f.
  5. Barker 2018b, S. 658.
  6. Florenz 2020, S. 162 f., Nr. 24 (Dana Hogan).
  7. Florenz 2020, S. 162 f., Nr. 24 (Dana Hogan).
  8. Siehe: Sheila Barker, in Florenz 2020, S. 197–199, Nr. 41–60.