Michelangelo, David, Oberkörper (Florenz, Galleria dell‘Accademia)
Michelangelo Buonarroti (1475–1564) ist einer der berühmtesten Künstler der Welt. Doch welche Werke machten den Renaissance-Künstler so bedeutend? Als Bildhauer ausgebildet, wandte er sich früh der Tafel- und sogar der Freskomalerei zu. Als Bildhauer ausgebildet, wandte er sich schon früh der Tafelmalerei und sogar der Freskomalerei zu. Fast 600 Rötel- und Federzeichnungen geben Einblick in die Entwurfsphasen der komplexen Aufträge.
Aus dem reichen Schaffen Michelangelos ragen neben der „Pietà“ und dem „David“, zwei Marmorskulpturen der Frühzeit, vor allem die beiden großen Freskenausstattungen der Sixtinischen Kapelle an der Decke und der Stirnwand heraus. Hinzu kommen das Grabmal des Julius mit dem berühmten „Moses“, die Ausstattung der Neuen Sakristei in San Lorenzo in Florenz mit den Grabmälern von Giulio und Lorenzo de‘ Medici. Spät triumphierte Michelangelo auch als Architekt über seinen Konkurrenten Bramante, als er die Kuppel des Petersdoms entwarf.
Im Alter von 41 Jahren wurde Michelangelo erstmals von dem italienischen Dichter Ludovico Ariost als „il divino [der Göttliche]“ gepriesen. Als der „göttliche“ Bildhauer 1564 verstarb, war er ein wohlhabender, berühmter Mann im hohen Alter. Schon zu Lebzeiten waren ihm mehrere Biografien gewidmet worden (Condivi, Giorgio Vasari). Einige seiner Skulpturen – wie der „David“ und die „Nacht“ – inspirierten unzählige Künstlergenerationen nach ihm.
Das Leben von Michelangelo Buonarroti ist außergewöhnlich gut dokumentiert. Fast fünfhundert Briefe des Künstlers und hunderte von Briefen an ihn sind erhalten geblieben und geben einen höchst lebendigen Einblick in die Sorgen und Nöte, aber auch in die dichterischen Ambitionen und Freundschaften (→ Michelangelo Buonarroti: Leben). Gedichte waren für den verschlossenen Bildhauer und Maler ebenso Ausdrucksmittel seiner Gefühle wie seine Kunstwerke.
„Nichts kann der beste Künstler denken sich, // Das nicht in einem einz’gen Marmorsteine // Umschrieben wäre, und dies ergreift alleine // Die Hand, die seinem Geist dient williglich. // Das Übel, das ich flieh‘, das Gut, das ich // Ersehn‘, in Dir, Anmut’ge, Hohe, Reine, // Ruht’s eben so; zuwider ist nur meine // Kunst dem erwünschten Zweck, und tötet mich. // So hat nicht Liebe Schuld an meinen Schmerzen, // Nicht Deine Schönheit, Hochmut, große Strenge, // Nicht mein Geschick noch Los darf ich verklagen, // Wenn du trägst Lieb‘ und Tod in Deinem Herzen // Zugleich, und meinem schwachen Geist gelänge // Nur Tod mir glühend d’raus hervorzuschlagen.“1 (Michelangelo, Non ha l’ottimo artista, Sonett 151, Übersetzung von Hugo Friedrich)
Diese Liste der berühmtesten Werke von Michelangelo Buonarroti ist chronologisch gereiht. Die bekanntesten Skulturen und Gemälde sind fett markiert. Unten folgen Informationen zur Entstehung und zum Kontext der Werke.
Michelangelo wurde am frühen Morgen des 6. März 1475 in Caprese (Toskana) geboren. Sein Vater Lodovico war Bürgermeister der Gemeinde (podestá), aber fast bankrott. Die Familie besaß nur noch einen Anteil an einem Haus in Florenz und ein kleines Landgut in Settignano. Da auch seine junge Mutter durch die frühen Geburten geschwächt war, wurde Michelangelo zu einem Steinmetz und dessen Frau in Pflege gegeben. Später äußerte sich der Bildhauer dazu so:
„Die Liebe zu Hammer und Meißel, mit denen ich meine Skulpturen bilde, habe ich schon mit der Ammenmilch eingesogen.“
Im Alter von zehn Jahren hatte Michelangelo bereits zu zeichnen begonnen und vernachlässigte seine Latein- und Griechisch-Studien. Lodovico wünschte sich für seinen Sohn eine Karriere im Handel, in der Bank oder Politik bzw. Verwaltung. Den Bitten seines Sohnes, Künstler werden zu wollen, stand er ablehnend gegenüber.
Ein Jugendfreund Michelangelos, Francesco Granacci, war Lehrling der Gebrüder Ghirlandaio. Domenico Ghirlandaio (1449–1494) war ein hochangesehener Künstler, Bilderhauer wie Maler, und bildete während der 1470er Jahre auch Leonardo da Vinci aus. Erst 1488 konnte der nun dreizehnjährige Michelangelo seinen Vater von der Richtigkeit dieser Berufswahl überzeugen.
Damit sollte Michelangelo eigentlich für die Jahre zwischen 1488 und 1491 als Lehrling von Domenico Ghirlandaio in Florenz tätig sein. Der schnell lernende Jugendliche brach allerdings nach nur einem Jahr den Ausbildungsvertrag und verließ die Werkstatt. Domenico Ghirlandaio hatte ihn in die Familie Medici eingeführt, die den jugendlichen Kunststudenten in ihren Kreis aufnahm.
Michelangelo assistierte Ghirlandaio bei der Ausmalung der Tornabuoni-Kapelle in der Kirche Santa Maria Novella. Die drei frühesten erhaltenen Federzeichnungen Michelangelos sind Kopien nach Fresken von Giotto di Bondone und Masaccio bzw. seinem Lehrer Ghirlandaio. Offensichtlich bewunderte der heranwachsende Künstler die Geschlossenheit und Erhabenheit der Figurensprache.2 Im Vergleich zu seinen Vorbildern strebte er jedoch nach einer organischeren und naturnäheren Gestaltung. Die Zeichnungen werden in die Zeit um 1490/92 datiert und ähneln stilistisch den Zeichnungen Ghirlandaios. In den schweren, erdverbundenen Figuren wird jedoch bereits das bildhauerische Interesse Michelangelos spürbar. In der Malerei erlernte Michelangelo in der Werkstatt Ghirlandaios sowohl die Fresko- als auch die Temperamalerei sowie den Umgang mit den sogenannten colori canigianti [changierende Farben], die seidig schimmernde Stoffe imaginieren, die je nach Lichteinfall unterschiedliche Farbnuancen zeigen.
Im Haus von Lorenzo de‘ Medici entstanden die für einen Siebzehnjährigen erstaunlich ausgereiften Reliefs. Michelangelos Vater war anfangs über die Vereinnahmung seines Sohnes durch den Medici-Clan beunruhigt, da er fürchtete, dieser würde als Steinmetz [scalpellino] enden. Doch die Entscheidung zugunsten eines privaten Mäzens sollte sich für Michelangelo als Glücksgriff erweisen, denn im Skulpturengarten der Medici erhielt Michelangelo die Basis für seine humanistische Bildung. Lorenzo de‘ Medici war begeisterter Sammler von Antiken und hatte im Garten seines Palastes bei San Marco einen Skulpturengarten eingerichtet. Unter der Leitung des Bildhauers Bertoldo di Giovanni, so berichtet Giorgio Vasari, bildete sich eine „Schule“, quasi eine Vorform einer Akademie. Bedeutende Philosophen und Rhetoriker trafen einander im Skulpturengarten, um die Lehren von Plato und der christlichen Glaubensüberzeugung zusammenzubringen. Ficino, Poliziano und Pico della Mirandola diskutierten den Neo-Platonismus, der Jahre später die Ikonografie der Sixtina-Decke und des Grabmals Julius‘ II. maßgeblich beeinflusst.
Bertoldo di Giovanni war ein Assistent von Donatello (um 1386–1466) gewesen. Von ihm konnte Michelangelo, wie seine ersten bildhauerischen Werke belegen, die von Donatello entwickelte Technik des rilievo schiacciato [flachen Relief] lernen. Die „Madonna della Scala [Madonna an der Treppe]“ (um 1489–1492, Casa Buonarroti) ist das erste Kunstwerk, das Michelangelo im Haushalt der Medici schuf. Lehrer und Patron waren von der Feinheit der Ausführung begeistert. Aus der gleichen Zeit stammt die von Donatellos „Cantoria“ (1433–1436) sowie antiken Schlachtensarkophagen inspirierte „Kentaurenschlacht“ (um 1492, Casa Buonarroti). Mit der „Kentaurenschlacht“ löste sich Michelangelo von der Florentiner Tradition des Reliefs und entwickelte die Figuren in einem Raumkontinuum. Er konzentrierte sich gänzlich auf die Kampfhandlung, weder narratives noch erzählerisches Beiwerk sind für ihn von Bedeutung. Die zweite technische Neuerung ist das non-finito, das bewusst nicht beendete oder vollendete Kunstwerk. Damit rückte er die Idee [concetto] und nicht die perfekte Ausführung in den Vordergrund.
Diese intellektuell sicher spannende Phase wurde jäh durch den Tod von Lorenzo de’Medici am 18. April 1492 beendet. Sein Nachfolger wurde sein ältester Sohn, Piero di Lorenzo de‘ Medici (1472–1503), der aufgrund seiner Politik die Vertreibung der Medici aus Florenz verantworten musste. Zwischen 1494 und 1498 regierte der dominikanische Bußprediger Girolamo Savonarola (1452–1498), der 1490 durch die Fürsprache von Lorenzo de‘ Medici zum Prior von San Marco gewählt worden war, die Stadt.
Michelangelo verlor in diesen politisch unruhigen Zeiten seinen wichtigsten Gönner und den Zugang zu den Antiken im Skulpturengarten der Medici. Der angehende Künstler zog in das Haus seines Vaters zurück und behalf sich mit Studien im Klosterkrankenhauses von Santo Spirito. Obwohl das Sezieren von Leichen streng verboten war, stellte ihm der Prior des Augustinerkonvents ein Zimmer und Verstorbene zur Verfügung. Dort erwarb er sich heimlich erstmals fundiertes Wissen über den Aufbau des menschlichen Körpers – was neben Michelangelo wohl nur noch Leonardo da Vinci aufweisen konnte. Zeichnungen von Michelangelo zur Knochenstruktur, Muskulatur und zum Verlauf der Sehnen wurden von Künstlern wie Medizinern als Anschauungsmaterial verwendet. Als Protegé der Medici musste Michelangelo 1494 Repressalien befürchten. Zudem war sein Bruder Lionardo ein Anhänger Savonarolas. Daher verließ Michelangelo um den 10. Oktober 1494 Florenz in Richtung Bologna.
Zunächst hielt sich Michelangelo in Venedig auf, wo es ihm jedoch nicht gelang, Auftraggeber zu finden. So blieb er nur knapp einen Monat in der Lagunenstadt, deren Malerei von den Brüdern Gentile und Giovanni Bellini geprägt war. In Bologna lernte er den Adligen Gianfrancesco Aldovrandi kennen, der ihm seinen einzigen Auftrag in der Stadt vermittelte: Figuren für das Grabmal des heiligen Dominikus in San Domenico, das Niccolò dell’Arca (1435?–1494) unvollendet hinterlassen hatte. 1494/95 schuf Michelangelo drei Skulpturen für das Hochgrab, die sogenannte „Arca di San Domenico“: einen „knienden, leuchtertragenden Engel“, einen „Heiligen Petronius“ und einen „Heiligen Prokulus“. Michelangelo passte sich dem Stil dell’Arcas an, was wohl Teil des Vertrags mit Aldovrandi war. Die Figur des „Heiligen Prokulus“ nimmt in Haltung und Körperspannung bereits den berühmten „David“ vorweg.
Im Winter 1495 kehrte Michelangelo zu seinem Vater nach Florenz zurück. Nicht alle Mitglieder der Medici-Sippe hatten die Stadt verlassen müssen. Michelangelo freundete sich schnell mit Lorenzo di Pierfrancesco an, einem Cousin von Lorenzo dem Prächtigen,. Für ihn schuf er einen „Heiligen Johannes“ sowie einen schlafenden „Cupido“, die beide nicht erhalten sind. Lorenzo di Pierfrancesco soll die Idee gehabt haben, den „Cupido“ als antike Statue auszugeben und über einen Mittelsmann nach Rom zu verkaufen. Kardinal Raffaele Riario erwarb das Werk für 200 Dukaten. Der Mittelsmann bezahlte Michelangelo jedoch nur 30 Dukaten, so dass der doppelte Betrug aufflog. Der Kardinal erhielt sein Geld zurück und lud Michelangelo nach Rom ein. Im Sommer 1496 reiste der 21-Jährige zum ersten Mal in die Ewige Stadt.
Kardinal Raffaele Riario hatte eine erlesene Sammlung antiker Skulpturen zusammengetragen. Er war ein Großneffe von Papst Sixtus IV. und ein Gegner der Medici. Auf die Frage des Kardinals, ob er etwas so Schönes wie die antiken Skulpturen seiner Sammlung schaffen könne, antwortete Michelangelo selbstbewusst, dass er zwar keine „großen Sachen“ machen könne, der Kardinal sich aber von der Qualität einer einzelnen Figur überzeugen könne. So begann er am 4. Juli 1496 mit dem „Trunkenen Bacchus“ (1496/97, Bargello), der bei den Zeitgenossen großen Anklang fand und die erste eigenständige lebensgroße Skulptur Michelangelos darstellt. Der antike Gott des Weines ist betrunken und schwankend. Die Gruppe des lächelnden, taumelnden Bacchus und des kleinen Satyrn ist auf Allansichtigkeit angelegt. Vasari betont auch den androgynen Charakter der Figur, wie die geschmeidigen Rundungen der Glieder und Gelenke.
Vor der berühmten „Pietà“ (1498/99, Petersdom) wandte sich Michelangelo für kurze Zeit der Malerei zu. Die „Madonna von Manchester“ (National Gallery, London) blieb ebenso unvollendet wie die kurz darauf begonnene „Grablegung“.
Am 27. August 1498 schloss Michelangelo mit dem französischen Bischof Jean Bilhères de Lagraulas, Kardinal von Saint-Denis, einen Vertrag über eine Pietà aus Marmor. Als Preis handelte er 455 Golddukaten aus. Der Auftrag an den Kardinal und Gesandten des französischen Königs Karl VIII. in Rom wurde von dem römischen Bankier Jacopo Galli vermittelt. Ursprünglich befand sich die Skulptur in der Kapelle der Heiligen Petronilla in Alt-St. Peter. Diese Kapelle der französischen Könige wurde vor 1520 abgerissen, um Platz für den Neubau von St. Peter zu schaffen. Erst 1794 wurde die Pietà von Michelangelo in der ersten Seitenkapelle im rechten Seitenschiff von St. Peter aufgestellt.
Die Ikonographie könnte ein Zugeständnis des Bildhauers an den Auftraggeber sein, denn in der „Pietà“ folgt er dem in Frankreich und Deutschland weit verbreiteten Bildtypus der Schmerzensmutter. Ein Baumstumpf könnte, so Kerstin Schwedes, als Hinweis auf den Baum der Erkenntnis, den Sündenfall und die Erlösung am Kreuz gedeutet werden. Die jugendliche Muttergottes hält ihren gekreuzigten Sohn auf dem Schoß. Dessen Leblosigkeit ist überzeugend dargestellt, ebenso die Wunden, das Zurückgleiten des Kopfes. Lasten und Tragen stehen in einem ausgewogenen Verhältnis. Maria präsentiert den Leib Christi, ihr Schmerz ist verinnerlicht, sie wirkt meditativ. Die Jugendlichkeit der Madonna ist schon den Zeitgenossen unangenehm aufgefallen. Michelangelo wollte damit auf die Keuschheit Mariens anspielen; theologisch lässt sich Maria so als Mutter und Tochter Gottes begreifen.
„Weißt du nicht, dass die keuschen Frauen sich viel frischer erhalten als die unkeuschen? [...] Ja, ich will dir sogar sagen, dass eine solche Frische und jugendliche Blüte, abgesehen davon, dass sie sich auf natürliche Weise in ihr erhält, auch dadurch glaubwürdig wird, dass sie durch göttliches Wirken und göttliche Hilfe der Welt die Jungfräulichkeit und ewige Reinheit der Mutter bezeugt.“ (Michelangelo, nach Condivi)
Für die gut lesbare Signatur über dem Oberkörper der Madonna verwendete Michelangelo eine Antiqua-Kapitalis: „MICHAELA(N)GELUS BONARTUS.FLORENT.FACIEBA(T)“. Michelangelo Buonarroti aus Florenz hat dies gemacht" ist die einzige Signatur, die Michelangelo jemals auf einem Kunstwerk angebracht hat. Außerdem verwendete er die Zeitform Imperfekt, die eine andauernde Handlung anzeigt. Dies deutet auf den Arbeitsprozess hin, während das übliche „FECIT“ eine abgeschlossene Handlung bezeichnet.
Als der Kardinal von Saint-Denis im August 1499 starb, war die Pietà noch nicht vollendet. Die Skulpturengruppe verbreitete jedoch den Ruhm ihres Schöpfers Michelangelo.
Im Frühjahr 1501 kehrte Michelangelo nach Florenz zurück und wurde sofort mit Aufträgen überhäuft. Kardinal Francesco Piccolomini, der spätere Papst Pius III., wurde auf ihn aufmerksam und beauftragte ihn mit der Vollendung des Figurenschmucks des Piccolomini-Altars im Dom von Siena. Als Vermittler fungierte Piero Soderini, der 1502 zum Gonfaloniere della Giustizia [oberster Verwaltungsbeamter von Florenz] gewählt worden war. Am 5. Juni 1501 unterzeichnete Michelangelo einen Vertrag über 15 Nischenfiguren zum Preis von 500 Dukaten. Michelangelo führte nur vier Skulpturen aus: die Heiligen Petrus und Paulus, Pius und Gregor. Noch im selben Jahr wandte sich die Wollweberzunft und die Dombauwerkstatt an ihn, um den „David“ in Auftrag zu geben.
Ebenfalls seit 1501 arbeitete Michelangelo an der „Madonna von Brügge“, die er um 1504 vollendete. Der angesehene Brügger Tuchhändler Jean Mouscron hatte sie bei dem Florentiner in Auftrag gegeben. Ähnlich wie die „Pietà“ im Petersdom ist die Madonna jugendlich und mit anmutigem Gesichtsausdruck dargestellt. Entgegen der florentinischen Tradition steht das Jesuskind zwischen den Knien seiner Mutter und sitzt nicht auf ihrem Schoß. Die Göttlichkeit des Kindes wird durch seine Schönheit und die Freiheit seines Handelns gezeigt. Hierin dürfte sich neoplatonisches Gedankengut verbergen.
Im April 1503 erhielt Michelangelo erneut einen Großauftrag der Wollweberzunft. Zwölf überlebensgroße Apostelfiguren für den Dom von Florenz. Jedes Jahr sollte eine Figur vollendet werden. Nur der unvollendete „Heilige Matthäus“ kann dieser Gruppe zugeordnet werden. 1505 wurde der Vertrag aufgelöst. Hier zeigt sich, was Michelangelo in seinem Spätwerk zur Meisterschaft brachte: das concetto allein ist angedeutet, das non finito entzündet die Phantasie. Nur die Vorderseite ist behauen und zeigt, wie sich der Heilige aus dem Stein herauszuwinden scheint.
→ Michelangelo Bounarroti: David
Michelangelos berühmteste Skulptur steht heute in der Accademia in Florenz, obwohl sie als Krönung für den Florentiner Dom gedacht war. Die Schönheit des an klassischen Vorbildern orientierten Jünglings und die Perfektion der Ausführung überzeugten eine Jury, ihn vor dem Palazzo della Signoria aufzustellen.
Während Michelangelo dem „David“ den letzten Schliff gab, arbeitete er an einem der bedeutendsten Tafelgemälde dieser frühen Zeit. Der Patrizier Angelo Doni hatte anlässlich seiner Hochzeit mit Maddalena di Giovanni Strozzi (1504) oder der Geburt eines Kindes für seine Frau ein Rundbild in Auftrag gegeben, den „Tondo Doni“ (Uffizien). Das Rundbild ist das einzige gesicherte Tafelbild Michelangelos, das in Temperamalerei ausgeführt ist. Laut Vasari soll Agnolo Doni dem Künstler nur 40 statt der geforderten 70 Dukaten gezahlt haben. Daraufhin verlangte der wütende Künstler das Doppelte, und Doni musste 140 Dukaten für das Tondo bezahlen.3
Rätselhaft bleibt der Zusammenhang zwischen den anatomisch detailliert ausgearbeiteten nackten Figuren im Hintergrund und dem Johannesknaben (rechts im Mittelgrund hinter einer Brüstung) sowie der Heiligen Familie im Vordergrund. Forscher des 19. Jahrhunderts betonten die akrobatische Drehung der Muttergottes, der der Jesusknabe von hinten über die Schultern gereicht wird. Die kompliziert ineinander verschlungenen Figuren sind jedoch im Zentrum des Kreises einem strengen orthogonalen System unterworfen. Zugleich reagiert Michelangelo nur mit den Hintergrundfiguren auf die Kreisform des Bildes. Intensive Farbigkeit, starke Plastizität der Figuren und Gewänder lassen auf einen Bildhauer-Maler schließen. Die in den Sixtina-Fresken auffallende Behandlung der Figuren und das leuchtende Kolorit finden sich hier vorgeprägt.
Die Tondi für die Florentiner Bartolomeo Pitti und Taddei Taddei sind Reliefversionen der in diesem Jahrzehnt so beliebten Mutter-Kind-Darstellungen (→ Raffael). Die beiden Rundbilder sind sehr gegensätzlich in ihrer Ausstrahlung: Der Tondo Pitti (Bargello) wirkt ruhig, der Tondo Taddei (Royal Academy of Arts, London) bewegt. Die neuere Forschung betont, dass Michelangelos Madonnen auf dem Reichtum der Gegensätze beruhen.
Als Folgeauftrag zum „David“ erhielt Michelangelo die Einladung, ein Wandgemälde im Großen Ratssaal des Palazzo Vecchio zu schaffen - und damit in Konkurrenz zu Leonardo da Vinci treten. Die beiden führenden Künstler von Florenz sollten die Geschichte des Stadtstaates mit zwei Schlachtengemälden würdigen. Michelangelo arbeitete bis Dezember 1504 an der „Schlacht von Cascina“, einem Sieg der Florentiner über die Pisaner von 1364. Der Karton ist verschollen. Erneut entschied sich der Bildhauer-Maler dafür, nackte Soldaten für Florenz kämpfen zu lassen, denn die Soldaten, die wegen der großen Hitze bei Cascina im Arno badeten, zogen sich eilig an, bevor sie das Heer aus Pisa vertrieben. Das im November 1506 begonnene Fresko wurde (vermutlich) nie vollendet.
Obwohl die Zeitgenossen die Komposition sehr bewunderten - Benvenuto Cellini bezeichnete die „Schlacht von Cascina“ als „Schule der Welt“ - kam das Fresko nie über das Entwurfsstadium hinaus. Vermutlich wurde es 1516 zerstört. Bastiano (Aristotile) da Sangallo fertigte jedoch eine vollständige Kopie der „Badenden“ in Grisaille an, außerdem existieren einige Fragmente und Zeichnungen (Skizzen) von Michelangelo selbst. Die Kopie überliefert nur den Mittelteil des Bildes und nicht den gesamten Entwurf. Im Hintergrund sollen Szenen eines Reitergefechts zu sehen gewesen sein, die nur aus Skizzen bekannt sind.
Nach seiner Mitarbeit am Freskenzyklus in der Kirche Santa Maria Novella hatte Michelangelo keine weiteren Erfahrungen in der Freskomalerei sammeln können. Umso erstaunlicher ist es, dass er als nächstes großes Werk in dieser Technik die Decke der Sixtinischen Kapelle ausmalte.
Papst Julius II. (reg. 1503–1513) berief Michelangelo im März 1505 nach Rom. Der Bildhauer sollte nun ein monumentales, frei stehendes Grabmal für den Rovere-Papst schaffen. Das 10,5 mal 7 Meter große Grabmal sollte über 40 überlebensgroße Statuen in komplexer räumlicher Anordnung enthalten und im Petersdom aufgestellt werden. Bis 1510 sollte Michelangelo das Werk vollendet haben. Wahrscheinlich wegen dieses ehrenvollen Auftrags unterbrach Michelangelo die Ausführung des Freskos der Schlacht von Cacina und reiste für acht Monate in den Steinbruch von Carrara, um die geeigneten Marmorblöcke auszuwählen. Doch zahlreiche Schwierigkeiten verhinderten schließlich die Ausführung des Grabmals. Zum einen plante Michelangelo eine so bombastische Anlage, dass er damit den Papst verärgerte. Zum anderen wandte sich dieser einem noch größeren Projekt zu, nämlich dem Neubau des Petersdoms. Auch die Suche nach einem geeigneten Ort für das Papstgrab erwies sich als schwierig. Kommunikationsprobleme zwischen dem aufbrausenden, kunstsinnigen und eigenwilligen Auftraggeber und dem impulsiven und eigensinnigen Künstler erschwerten die Zusammenarbeit. So kehrte Michelangelo im Mai 1506 enttäuscht nach Florenz zurück. Einen Tag später, am 18. April 1506, wurde der Grundstein von Neu-St. Peter gelegt.
→ Michelangelo und die Decke der Sixtinischen Kapelle
Zwischen dem 8. Mai 1508 und 1511 freskierte Michelangelo Buonarroti das Gewölbe der Sixtinischen Kapelle, das nach seiner Skulptur „David“ zu einem Hauptwerk der Malerei der Hochrenaissance in Mittelitalien wurde. Die Restaurierung der 1980er Jahre hat den Glanz und die Leuchtkraft der Farben wieder zum Vorschein gebracht. Auch wenn Michelangelo in seinen Briefen und zeitgenössischen Biografien immer wieder die Ansicht vertrat, er sei ein unbegabter und wenig begeisterter Maler gewesen, so kann man diesem Urteil angesichts der Deckenmalerei in der Sixtina getrost widersprechen.
Michelangelo entwarf für die Decke der Sixtina ein illusionistisch gemaltes Architekturgerüst. In den Lünetten der Wände und in den Stichkappen malte er die Vorfahren Christi. Dazwischen finden Sibyllen und Propheten ihren Platz. Im Mittelstreifen malte Michelangelo Szenen aus der Genesis: die Erschaffung der Welt, darunter das berühmte Fresko „Die Erschaffung Adams“, bis hin zum Sündenfall, der Sintflut und der Trunkenheit Noahs. Diese narrativen Darstellungen werden von den berühmten Menschenakten [ignudi] flankiert, deren Bedeutung bis heute diskutiert wird.
Da Buonarroti die Decke in zwei Phasen von 1508 bis 1512 ausmalte, lässt sich die stilistische Entwicklung Michelangelos von der Eingangswand bis zur Altarwand verfolgen. Vergleicht man z.B. die Darstellungen der Propheten, so fällt auf, dass sie sich immer heftiger drehen (Zacharias - Jonas). Dieser Wandel in der Figurenauffassung mag auch Raffael, der sich heimlich Zugang zur Sixtina und zum Skizzenmaterial Michalgenlos verschafft hatte, zu dramatischeren Figuren und dynamischeren Bewegungen angeregt haben.
Als Julius II. am 21. Februar 1513 starb, wurden seine Erben Michelangelos Verhandlungspartner, was das Projekt weiter verzögerte. Erst 1545 konnte eine mehrfach verkleinerte Version in San Pietro in Vincoli aufgestellt werden. Von den ursprünglich 40 geplanten Figuren schuf Michelangelo sieben, darunter den berühmten „Moses“.
Die Sitzfigur des „Moses“ vom Julius-Grabmal geht bereits auf eine frühere Phase zurück, genauso wie der „Sterbende Sklave“ und der unvollendete „Gefesselte Sklave“ (beide Louvre). Sie entstanden zwischen 1513 und 1516, wobei Michelangelo die Figur des „Moses“ 1542 noch einmal überarbeitete. Der alttestamentarische Held sitzt spannungsgeladen mit den Gesetzestafeln – wie schon zuvor am „David“ zu beobachten war.
„Der Prophet sitzt in würdiger Stellung, den Arm auf die Tafeln gestützt, die er mit einer Hand hält, während er mit der andern an den Bart fasst, der herabwallend und lang also im Marmor gearbeitet ist, dass die Haare, in der Bildhauerei so schwer ausführbar, hier wollig, weich und wie einzeln erscheinen, und man fast für unglaublich achtet, dass der Meißel zum Pinsel geworden sei. […] Überdies sind die Gewänder in schönem Faltenwurf durchbrochen und gemeißelt, sind die Muskeln der Arme, die Knochen und Nerven der Hände von solcher Schönheit und Vollkommenheit, die Beine, die Knie, die Füße mit ihrer passenden Bekleidung, kurz alle Teile so köstlich vollendet, dass man jetzt mehr wie je Moses einen Liebling Gottes nennen kann.“ (Vasari über den „Moses“)
Ursprünglich plante Michelangelo, die Sklaven im Sockelbereich in Nischen zu beiden Seiten des „Moses“ aufzustellen. 1546 schenkte der Bildhauer die beiden Sklavenfiguren dem Florentiner Robert Strozzi als Dank dafür, dass dieser Michelangelo während zweier schwerer Krankheiten in den Jahren 1544 und 1545 in seinem römischen Haus aufgenommen hatte. Strozzi wiederum schenkte sie König Franz I., der sie 1749 nach Paris brachte. Den Namen „Sklaven des Louvre“ erhielten sie, weil der französische Staat die beiden Michelangelo-Skulpturen 1794 erwarb.
Zehn Jahre nach der Ausgrabung der „Laokoon“-Gruppe auf dem Esquilin hat sich Michelangelo bei der Gestaltung der beiden Sklaven wahrscheinlich von der antiken Gruppe inspirieren lassen. Michelangelo hielt sich 1506 im Haus von Giuliano da Sangallo in Rom auf, als die Gruppe gefunden wurde. Er soll bei der Bergung persönlich anwesend gewesen sein und den „Laokoon“ begutachtet haben. Die Armhaltung des „Sterbenden Sklaven“ wird als Hommage und Erinnerung an die antike Statue gedeutet. War der „David“ noch sehr streng und klassisch gestaltet, so sind diese Jünglinge dynamischer.
Der „Bärtige Sklave“, der „Erwachende Sklave“, der „Jugendliche Sklave“ und der „Atlas-Sklave“ sind zwischen 1519 und 1525 entstanden, als Michelangelo an den Medici-Gräbern in San Lorenzo arbeitete. In dieser Phase plante er, die Sklavenfiguren im ersten Geschoss des Grabmals aufzustellen.
Mit den gedrehten Körpern geht Michelangelo über das klassische Schönheitsideal (Ebenmaß und Harmonie) hinaus. In diesen Jahren beginnt sich in Florenz der Manierismus durchzusetzen. Da sie nie in das finale Ensemble einbezogen wurden, hinterließ Michelangelo die Figuren unvollendet. Einige Partien sind perfekt ausgeführt, andere noch roh belassen, sodass Spuren des Meißels nachvollzogen werden können. Andere Teile stecken noch im Stein.
Die vier Skulpturen sind heute als „Boboli-Sklaven“ bekannt, da Herzog Cosimo I. sie in einer Grotte des Parks aufstellen ließ. Michelangelo hatte sie seinem Neffen Lionardo vermacht, der sie an den Herzog weitergab. 1908 wurden sie in die Accademia überführt.
→ Michelangelo & Sebastiano del Piombo
„Christus an der Geißelsäule“ bzw. „Die Geißelung“ und die „Transfiguration“ sind die Themen der Borgherini-Kapelle in San Pietro in Montorio, die Sebastiano del Piombo von 1516 bis 1524 für den Florentiner Bankier ausführte. Michelangelo lieferte dafür die Figur Christi an der Geißelsäule, wie zwei Rötelzeichnungen im British Museum belegen. Ergänzt wird die Darstellung durch die heiligen Petrus und Franz von Assis (flankierend) sowie die Propheten Jesajas und Matthias auf dem Außenbogen. Die „Geißelung“ führte Sebastiano del Piombo in Ölmalerei auf Putz aus, wie er stolz seinem Freund nach Florenz berichtete.
Es ist eine Ironie der Geschichte, dass gerade diese technische Neuerung 1534 zum Zerwürfnis der beiden Maler führte. Als Michelangelo nach jahrzehntelanger Abwesenheit eingeladen wurde, das „Jüngste Gericht“ an der Altarwand der Sixtina zu malen, bereitete sein Freund die Wand für die Ölmalerei vor. Nach einigen Monaten ließ Michelangelo den Malgrund auswechseln und beschimpfte Sebastiano wüst. Obwohl die Karrieren der beiden in den 1510er Jahren eng miteinander verbunden waren, brachten sie ihre sehr unterschiedlichen Auffassungen von Fresko- und Ölmalerei an die Grenzen des gegenseitigen Verständnisses.
Giovanni de‘ Medici (1475–1521) bestieg im Februar 1513 als Papst Leo X. (reg. 1513–1521) den Papstthron. Der Kunstliebhaber (vor allem der Musik) bevorzugte Raffael sowohl in der Malerei als auch in der Architektur. Obwohl er Michelangelo seit seiner Jugend am Hof seines Vaters in Florenz kannte und ihn als Künstler schätzte, hielt er ihn für einen schwierigen Charakter, einen „terribile [Schrecklichen]“. Er entfernte den Künstler aus Rom, indem er seine Familie überredete, Michelangelo die Gestaltung der Fassade von San Lorenzo entwerfen zu lassen. Im Herbst 1516 kehrte Michelangelo in seine Vaterstadt zurück, wo er in den folgenden vier Jahreb an dem Projekt arbeitete, das schlussendlich nicht realisiert wurde. Danach beauftragten ihn die Medici mit dem Bau der Neuen Sakristei und der Bibliothek in San Lorenzo.
Der überlebensgroße „Auferstandene Christus“ („Giustiniani Christus“ 1514/15, vollendet im frühen 17. Jhdt) von Michelangelo ist aus Marmor gehauen und war für die Erben der Patrizierin Marta Porcari († Juni 1512) bestimmt. Die Auftraggeber wünschten einen nackten Christus, und Michelangelo wollte die christliche Botschaft der Eucharistie in der klassischen Form eines perfekten Männerkörpers vermitteln. Die Kirche des San Vincenzo Martire, Bassano Romano (Italien), sandte die erste Version der Statue, die aufgrund einer Verfärbung im Stein unvollendet geblieben ist. Die zweite, berühmte Fassung des „Auferstandenen Christus“ (1519–1521) aus Santa Maria sopra Minerva in Rom verlässt nie das Land, belegt aber durch ihre Aufstellung gegenüber dem Tabernakel die Betonung der Wandlung.
Welchen Titel Michelangelo für diese Skulptur wählte, ist nicht bekannt. Andere Datierungen gehen von einer Entstehung zwischen 1532 und 1534 aus. Stilistisch steht der „Sieger“ oder der „Sieg“ dem Skulpturenschmuck der Medici-Gräber nahe.
Kardinal Giulio de‘ Medici und sein Cousin Papst Leo X. planten ab 1519, in der Neuen Sakristei ein Mausoleum bzw. eine Grabkapelle für ihre Familie zu errichten. Der Planungsbeginn kann auf November 1520 datiert werden. Der kubische Raum wurde von Michelangelo zwischen 1521 und 1524 mit einer Kuppel aus grauem Pietra Serena und weiß getünchten Wänden ausgestattet. Danach begann der Bildhauer mit der Arbeit an den Grabdenkmälern für einige wichtige Mitglieder der Familie. Neben ganzfigurigen Porträts plante er ab Januar 1524 auf den Architraven liegende Skulpturen, in denen er die vier Tageszeiten darstellte. Diese Darstellungen von Tag und Nacht bzw. Morgen und Abend sollten viele Generationen von Bildhauern und Malern beeinflussen. Gleichzeitig war Michelangelo mit dem Bau der Biblioteca Laurenziana mit Vestibül und Lesesaal beschäftigt.
Die schwierige politische Situation der 1520er Jahre - vor allem das vorübergehende Exil der Medici in den Jahren 1527 bis 1530 und der Tod von Papst Clemens VII. (= Giulio de‘ Medici) -, aber auch die endgültige Übersiedlung Michelangelos nach Rom im Jahr 1534 verhinderten die vollständige Ausführung der ursprünglichen Pläne. Zwar waren die meisten Skulpturen bei Michelangelos Abreise bereits fertiggestellt, aber noch nicht aufgestellt. Erst Niccolò Tribolo installierte 1545, was Michelangelo in der Kapelle verstreut zurückgelassen hatte. Im Auftrag von Cosimo I. vollendeten Giorgio Vasari und Bartolomeo Ammannati 1555 die Grabkapelle.
Von den vier geplanten Medici-Grabdenkmälern wurden nur zwei ausgeführt. Das Grabmal für Lorenzo den Prächtigen und das für seinen ermordeten Bruder Giuliano wurden nie begonnen. Interessanterweise hatte sich der Bildhauer zwei weniger bekannten und bedeutenden Medici zugewandt: Lorenzo di Piero, Herzog von Urbino (1525–1531), und Giuliano di Lorenzo, Herzog von Nemours (1526–1531). Lorenzo di Piero de‘ Medici ist ein Sohn von Lorenzo dem Prächtigen, Giuliano ist ein Enkel. Die architektonische Lösung ist bei beiden Denkmälern identisch, nur die Porträts zeigen eine gegensätzliche Behandlung. Lorenzo wird wegen seiner nachdenklichen, kontemplativen Haltung „il penseroso“ genannt und als saturnischer Geist interpretiert. Giuliano hingegen symbolisiert die vita activa und damit das handelnde Element, das durch den Gott Jupiter verkörpert wird. An der unvollendeten Wand fand Michelangelos unvollendete „Madonna mit Kind“ ihren Platz, die sich in einer Drehbewegung nach oben schraubt, flankiert von den Heiligen Cosmas und Damian von Giovanni Angelo Montorsoli und Raffaello da Montelupo.
Aurora (Morgendämmerung), Crepuscolo (Abenddämmerung), Notte (die Nacht) und Giorno (Tag) sind Personifikationen der Tageszeiten. Zusammen ergeben sie die Allegorie der vergehenden Zeit, der auch die Herrscher und die bedeutende Familie der Medici unterworfen sind. Die Nacht [la notte] ist in ihrer gedrehten Position bereits eine Vorwegnahme der figura serpentinata, die während des 16. und 17. Jahrhunderts manieristische und barocke Entwürfe bevölkerte. Michelangelos Grabplastiken wurden von Künstlern wie Giambologna und Peter Paul Rubens intensiv studiert. Jüngst schreiben die Kunstsammlungen Dresden vier Alabasterskulpturen der Tageszeiten, wahre Kunstkammerstücke, dem jungen Giambologna zu: Giambologna, Michelangelo und die Medici-Kapelle
Michelangelo traf Papst Clemens VII. am 22. September 1533 in San Miniato, wo sie die Idee entwickelten, an der Altarwand der Sixtinischen Kapelle ein Fresko mit der „Auferstehung Christi“ und dem „Jüngsten Gericht“ zu realisieren. Verwirklicht wurde dieses Konzept allerdings erst unter dem Farnese-Papst Paul III.
Die Darstellung des „Jüngsten Gerichts“ an der Stirnwand der Sixtinischen Kapelle ist in mehrfacher Hinsicht außergewöhnlich. Normalerweise wurde das Thema an der Eingangswand dargestellt, während die Stirnwand dem Triumph Christi vorbehalten war. Alle Ausstattungskampagnen in der Sixtinischen Kapelle, die vor der Ausführung des „Jüngsten Gerichts“ stattfanden, hatten dieses Ziel, inclusive die Tapisserien, deren Kartons Raffael 1515/16 für Papst Leo X. schuf. Um das riesige Fresko von Michelangelo anbringen zu könnten, mussten zwei Wandfresken des Quattrocento entfernt werden, incl. des Altarbildes von Pietro Perugino sowie zwei der Lünetten Michelangelos. Auch das Patrozinium der Kapelle, die Himmelfahrt Mariens, ist damit aus dem Bildprogramm verschwunden. Ein höchst ungewöhnlicher Umstand.
Das „Jüngste Gericht“ erstreckt sich über die gesamte Höhe und Breite der Altarwand (17 x 13,3 m) und ist, ganz im Kontrast zu den Bildern der bisherigen Ausstattung, ohne architektonischen Rahmen eingesetzt. Ikonografisch interpretierte Michelangelo die Darstellung neu und schuf eine schier unüberschaubare Menge von ca. 400 meist nackten Figuren. Diese sind höchst bewegt, sie wirken wie „Schiffbrüchige, die sich mit letzter Kraft auf eine Wolkenbank retten oder von Engeln dorthin gehievt werden; im Gegensatz dazu die, die von Teufeln hinuntergezogen oder auch hinuntergetragen werden“4 (Fillitz). Sind die Seeligen überhaupt glücklich? Wirkliche Glückseligkeit findet sich nur in der Gruppe der Eltern mit ihren Kindern rechts in der Höhe des Weltenrichters, die einander wiederfinden und herzen. Anstelle der Apostel als Beisitzer des Gerichtes tritt eine große Gruppe von Glaubenszeugen auf, die ihren Peinigern die Martergeräte entgegenhalten. Es scheint als ob Michelangelo das „Jüngste Gericht“ als ein Drama darstellen wollte, in dem die Unerbittlichkeit des Schicksals, das Aufeinanderprallen kämpfender, aufgewühlter Menschen vorherrscht.
In der 1553 in Rom erschienenen Biografie Michelangelos, verfasst von dessen Freund Condivi, kann man nachlesen, dass Papst Clemens VII. nach langen Überlegungen sich für die Darstellung des „Jüngsten Gerichts“ durch Michelangelo entschieden habe. Vasari fügt noch hinzu, dass der Papst sich auch den Sturz Luzifers und der abtrünnigen Engel hätte vorstellen können. Der Maler hatte sich schon seit Jahren mit Skizzen und Zeichnungen an diesen Überlegungen beteiligt, bis er endlich mit der Ausführung des Kartons beauftragt wurde. Als Papst Clemens VII. am 26. September 1534 verstarb, muss das Konzept bereits in einem sehr weit gediehen gewesen sein, denn die Stirnwand wurde für die Malerei vorbereitet, indem man sie mit Mörtel verputzte. Papst Paul III. beschloss, das Projekt fortzusetzen. Vom 17. November 1536 ist ein Motuproprio [päpstliches Dekret ohne Siegel] überliefert, in dem der Papst die Ausführung des Freskos anordnete.
Der Papst „dachte, dass er ihm bei der Mannigfaltigkeit und Großartigkeit des Stoffes ein neues Feld eröffne, wo er seine ganze Kraft an den Tag legen könnte [… und] dass das ganze Gemälde nicht nur von göttlicher Auffassung durchweht ist, sondern auch im menschlichen Körper alles zum Ausdruck bringt, was die Natur daraus machen kann.“ (Ascanio Condivi über das „Jüngste Gericht“)
Vermutlich dürfte Michelangelo das Konzept nur in zwei Elementen verändert haben: hingehend der Übermalung des Altarbildes, d.h. im untersten Bereich, sowie die u-förmige Figurengruppe rund um Maria und Christus. In der Komposition des „Jüngsten Gerichts“ fallen die beiden vertikal arrangierten Figurengruppen auf, die bei Beibehaltung des Altarbildes dieses gerahmt hätten. An diese Stelle setzte Michelangelo nun Charon, den Posaune blasenden Engel sowie die Bücher des Lebens Haltenden.
Dies Gruppe rund um Maria und Christus ist in keiner Entwurfszeichnung zu finden. Angeführt wird diese Gruppe von zwei Männern, deren Bewegungen in Richtung Christus zielen. Der linke Mann wird von Condivi als Johannes der Täufer, von Vasari jedoch als Adam bezeichnet, der rechte hält die Schlüssel des Himmelreiches, weshalb er als hl. Petrus identifiziert wird. Hermann Fillitz hob hervor, dass die Gesichter der beiden die Porträts von Clemens VII. (als Petrus mit unbrauchbaren Schlüsseln) und Kaiser Karl V. gedeutet werden können. Vergleiche mit Porträts der beiden auf zeitgleichen Münzen von Benvenuto Cellini und Leone Leoni machen die historisch-politische Dimension der Darstellung spürbar.
Wenn auch die meisten Figuren wegen fehlender Attribute nur schwer zu identifizieren sind, so zeigen die Märtyrer davor doch ihre Marterwerkzeuge: hl. Laurentius mit dem Rost sowie der hl. Bartholomäus mit seiner Haut, auf dem Michelangelo sein verzerrtes Gesicht gemalt hat. Am 31. Oktober 1541 wurde das Fresko „Das Jüngste Gericht“ enthüllt. Der Papst befand es als gut und beschäftigte Michelangelo sofort mit der Ausmalung der Cappella Paolina.
Anfangs hielten sich Lob und Kritik die Waage, doch der päpstliche Zeremonienmeister Biagio da Cesena äußerte schon früh seine Ablehnung gegenüber den dargestellten Nackten. Michelangelo porträtierte seinen Widersacher kurzerhand als König Minos in der Gruppe der Verdammten. Vermutlich 1564 wurde Daniele da Volterra beauftragt, die Geschlechter der Figuren zu verhüllen. Da der Manierist ein großer Bewunderer der Kunst Michelangelos war, versuchte er, mit einem Minimum an Veränderungen auszukommen. Den gegenreformatorischen Künstlern ging die Verhüllung jedoch nicht weit genug, so dass der Künstler ein zweites Mal Hand anlegen musste. Die Figuren der heiligen Katharina und des heiligen Bischofs Blasius wurden gänzlich entfernt, da ihre Stellung eine körperliche Interaktion vermuten ließ.
Als im Februar 1513 Julius II. verstarb, wurden dessen Erben seine Verhandlungspartner, was das Projekt noch mehr verzögerte. Erst 1545 konnte eine mehrfach verkleinerte Fassung in San Pietro in Vincoli aufgestellt werden. Von den ursprünglich 40 geplanten Figuren führte Michelangelo sieben aus, darunter der berühmte „Moses“. Die beiden Sklaven-Figuren (1513–1516, Louvre) schloss er 1542 aus dem Projekt aus. Stattdessen konzipierte Michelangelo die Figuren der stehenden „Lea“ und der „Rachel“ mit zum Gebet gefalteten Händen zu Seiten des „Moses“. Sie verkörpern das aktive und das beschauliche Leben (vita activa / vita contemplativa), sowie Symbol für die Caritas (christliche Wohltätigkeit) und des Glaubens. „Lea“ und „Rachel“ waren bereits im ersten Entwurf am ersten Gesims vorgesehen; Michelangelo führte sie allerdings erst ab 1542 aus.
Aus dem freistehenden, vierseitigen Mausoleum wurde ein Wandgrabmal. 1533 begann Michelangelo in San Pietro in Vincoli mit den Aufmauerungsarbeiten. Bis Sommer 1543 – also zehn Jahre später – war er mit der Fertigstellung der Skulpturen beschäftigt. Die Aufstellung erfolgte bis 1545 und folgt den Vereinbarungen, die 1532 zwischen den Della Rovere und dem Künstler geschlossen worden war. In der oberen Geschosszone platzierte er die Sibylle, eine Madonna mit Kind sowie den Propheten. Diese Skulpturen sind hauptsächlich von Raffaello da Montelupo, dem Mitarbeiter Michelangelos, ausgeführt. Die Liegefigur des Papstes (1541–1545) dürfte von Maso di Bosco gearbeitet worden sein. Das spannendste Detail an dieser Figur sind die Hände: Anstelle eines segnenden oder ruhenden Gestus wirken die Hände von Julius II. schlaff. Hierin – wie auch der reduzierten Dekoration – manifestiert sich der Bedeutungswandel von der Hochrenaissance zur Kunst der Gegenreformation: Vergeblichkeit und Eitelkeit menschlichen Handelns treffen auf kaum Prachtentfaltung.
Am 20. August 1542 unterzeichnete Michelangelo den fünften Vertrag für das Grabmal des Julius. Gleichzeitig begann er mit den Fresken in der Cappella Paolina, wo er die Bekehrung des Paulus und das Martyrium Petri in Form der Kreuzaufrichtung darstellte. Die päpstliche Privatkapelle wurde zwischen 1538 und 1540 von Antonio da Sangallo dem Jüngeren für Papst Paul III. geschaffen. Die Kapelle dient auch der Vorbereitung der Kardinäle auf das Konklave, d.h. hier wird eine Messe gelesen, bevor sich die Kardinäle zur Beratung und Wahl in die Sixtinische Kapelle zurückziehen.
Die beiden einander gegenüberliegenden Fresken zeigen die „Bekehrung Pauli“ (1542–1545) und die „Kreuzigung Petri“ (1545–1549). Noch vor Vollendung des „Jüngsten Gerichts“ im Jahr 1541 hatte Papst Paul III. entschieden, Michelangelo mit der Freskierung zu beauftragen, obwohl sich dieser auf die Fertigstellung der Julius-Grabmals freute. Michelangelo begann vermutlich im November 1542 mit der Arbeit. Der Spätstil des Malers ist deutlich weniger von klassischen Idealen bestimmt als noch das „Jüngste Gericht“. Hier nähert sich Michelangelo Buonarroti in den volkstümlichen Szenen dem Manierismus an (vgl. Jacopo Tintoretto).
In den 1550er Jahren beschäftigte sich Michelangelo fast ausschließlich mit der Darstellung der Pietà:
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