Anlässlich all des Wirbels um Alex Katz, nun meine Frage – Wer ist das eigentlich? Ein amerikanischer Maler, Jude, 91 Jahre alt, der häufig und gegen seinen Willen mit der Pop Art in Verbindung gebracht wird – so viel weiß ich schon.
Bislang kenne ich aber nur einen Druck – einen Elch, der im Dunkel der Nacht durch ein Gewässer watet. Der Druck strotzt vor Blau. Berühmt ist der Maler für großformatige Portraits, vereinfacht, beinahe zu Schablonen stilisiert. Die möchte ich mir jetzt ansehen. Die Ausstellung im Museum Brandhorst in München hat dieses Vorhaben in Erinnerung gerufen!
Deutschland / München: Museum Brandhorst
6.12.2018 – 22.4.2019
Im ersten Saal erwarten mich Gemälde, die die Paul Taylor Dance Company beim Training zeigen. Diese 1954 vom amerikanischen Tänzer und Choreographen Paul Taylor (1930–2018) gegründete berühmte Tanzschule in New York tourt weltweit. In allen Klassen wird Tanz im Kontrast zwischen künstlerischem Ausdruck und Athletik trainiert.
Die von Katz ins Bild geworfenen Ausschnitte erzeugen dein Eindruck von Spontaneität. Dieser Eindruck trügt, wie die Ausstellung offenbart. Der Künstler skizziert in hunderten kleinformatigeren Zeichnungen zig Varianten. Katz Figuren wirken gerade deshalb lebendig, weil sie so schablonenhaft-kantig typische Tanz-Bewegungen einfangen. So möchte der Betrachter zustimmend nicken – genau so hätte man es wohl auch gemacht, die Ballettübung auf Papier fixiert. Schließlich wählt der Künstler unter all diesen Formen und Farben, Ausschnitten, Drehungen und Wendungen, das formal stimmigste Bild. Diese Skizze, welche der Künstler anschließend in aller Sorgfalt in die Größe zieht, dient als Vorlage für ein großformatiges Gemälde.
Mit dieser Methode gelingt es Alex Katz, typische Momente des Alltags zu erhaschen und schließlich ins Zeitlose zu entheben. Die flächige Malerei entzieht dem Gemälde das Momenthafte. Das Bild kann durch die Reduktion ins Überzeitliche wachsen. Der Betrachter blickt auf ein Schema, das ihn an all das erinnert, was er schon immer kannte – den Alltag, die Mitmenschen, Blätter, Turnen, Natur, Gesicht, Hut, Regen, Mantel, Gesicht.
Durch Doppellung der Motive entsteht im Bild selbst ein weiterer Zeitfaktor – Bewegung, zugleich Stille, Schnappschuss, genaue Beobachtung. Mehrere fast identische Figuren, gemeinsam arrangiert, positioniert der Maler zu einer Reihenfolge, die dem Betrachter zugleich Bewegung und Stillstand bedeuten kann. Gerade durch diese doppelte Wahrnehmung vexiert das Bild. Das auf eine einfache Schablone heruntergebrochene Bild scheint lebendig. Dank des flächigen Farbauftrags wird dieser Effekt nicht entschärft, sondern kann umso besser hervortreten.
Alex Katz wurde in Brooklyn/New York 1927 geboren. Seine Familie zog ein Jahr später in den Stadtteil Queens. Seine Eltern waren jüdisch-russische Emigranten. Beide liebten Kunst und Theater, Katz Mutter war Schauspielerin im jüdischen Theater. Bereits in der Woodrow Wilson High School begann Katz seine Nachmittage der Kunst zu widmen. 1946 bestand er die Aufnahmeprüfung an der Cooper Union Art School in Manhattan. Hier lernte Katz bei Morris Kantor, einem russisch-stämmigen New Yorker Maler. Am bekanntesten ist sein Gemälde „Baseball at Night“ – welches mich spontan anspricht. Kantor selbst war Autodidakt, denn er konnte sich keine formale Ausbildung leisten. Er wurde später Lehrer zahlreicher amerikanischer Künstler, darunter auch Robert Rauschenberg.
Nachdem Katz sein Studium an der Cooper Union beendet hatte, gewann er ein Sommerstipendium an der Skowhegan School for Painting and Sculpture in Maine. Die Erfahrungen dort bezeichnet Katz als maßgeblich für seine künstlerische Entwicklung. An der Cooper Union habe er gelernt vom Bild ausgehend zu malen. In Skowhegan schulte man ihn in Plein-air-Malerei.
Kuratiert von Jacob Proctor.