Perle Fine

Wer war Perle Fine?

Perle Fine (Poule Feine, Boston 30.4.1905–31.5.1988) war eine US-amerikanische Malerin des Abstrakten Expressionismus (→ Abstrakter Expressionismus | Informel). Die zurückhaltende Fine verband in ihren Kompositionen flüssige und gebürstete Farben sowie biomorphe Formen, die sie mit unregelmäßigen geometrischen Formen umhüllte und verband.

„Das Markenzeichen der modernen Kunst ist ‚Klarheit‘; klare Farben, klare Formen und eine klare Komposition, ein klar bestimmter und dynamischer Rhythmus in einem festgelegten Raum. Da die Figuration die Reinheit des plastischen Ausdrucks oft verschleiert, verdeckt oder ganz negiert, geht es heute zuallererst darum, die besondere (vertraute) Form um der allgemeinen Formwillen zu zerstören. In der Kunst wie im Leben gilt: Der reinste Ausdruck von Wahrheit ist auch der reinste Ausdruck von Vitalität. Deshalb zeigt sich in einem guten modernen Kunstwerk die neue Realität – konstant, greifbar, aus der Wahrheit geboren, von einengenden Besonderheiten befreit – klar erkennbar im ständigen Wechselspiel seiner immanenten Kräfte.“1 (Perle Fine, 1947)

Kindheit

Perle Fine wurde am 30. April 1905 in Boston als Tochter von Immigranten aus dem Kaiserreich Russland geboren. Sie war eines von sechs Kindern. Sie wuchs im nahe gelegenen Malden, Massachusetts, auf, wo ihre Familie eine Milchfarm betrieb. Bereits in jungen Jahren interessierte sich Perle Fine für Kunst.

Als Fine während des Ersten Weltkriegs die Highschool besuchte, malte sie Plakate, mit denen sie erste Preise gewann. Bereits bei ihrem Abschluss hatte sie den Entschluss gefasst, Künstlerin werden zu wollen.

Ausbildung

Perle Fine nahm Unterricht in Illustration und Grafikdesign an der School of Practical Art in Boston, wo sie lernte, Zeitungsanzeigen zu entwerfen. Während ihrer Ausbildung arbeitete sie im Bursar's Office auf dem Campus, bevor sie 1927 oder 1928 nach New York City ging, um kurz die Grand Central School of Art zu besuchen.

Sie schrieb sich für kurze Zeit an der Grand Central School of Art ein und lernte Illustration, Komposition und Design bei Pruett Carter und gewann 1930 bei der jährlichen Ausstellung von Studentenarbeiten den ersten Preis für Illustration. In Grand Central lernte sie ihren Kommilitonen Maurice Berezov kennen, der ihr Ehemann und lebenslanger Partner werden sollte. Die Studentin besuchte häufig das Metropolitan Museum of Art, wo sie Werke von Künstlern kopierte, die sie am meisten bewunderte: Rembrandt van Rijn, Pierre-Auguste RenoirPaul Cézanne und Paul Gauguin.

In New York studierte Perle Fine auch an der Art Students League bei Kimon Nicolades, der ihr die Maltechnik gut vermittelte. In den frühen 1940er Jahren unterhielten Perle und Maurice zwei kalte Wohnungen; das Künstlerpaar lebte in einer Wohnung und unterhielt ein separates Atelier, in dem sie in der anderen malten. Wenn Perle Fine völlig frustriert war, besuchte sie Hans Hofmanns Klasse auf der gegenüberliegenden Straßenseite, um sich von ihm beraten zu lassen. Sie nutzte seine Methode, den Kubismus in seine formalen Bestandteile zu zerlegen, um sich in ihrem eigenen aufkommenden Sinn für geometrische Abstraktion zurechtzufinden. Hofmann war einer der wichtigsten Impulsgeber des Abstrakten Expressionismus und unterrichtete auch Helen FrankenthalerLee Krasner und Joan Mitchell. Perle Fine freundete sich mit Lee Krasner und der späteren Bildhauerin Louise Nevelson an.

Perle Fine und die Abstrakten Expressionisten

Fine leitete von 1936 bis 1938 die „East River Gallery“, die sich ebenfalls in der East 57th Street befand. 1940 eröffnete Fine ihre eigene Galerie, aber nahm 1946 ein Angebot an, für Karl Nierendorf zu arbeiten, dessen Galerie gegenüber der „Willard Gallery“ lag. In dieser Galerie erhielt Fine finanzielle Unterstützung, damit sie Vollzeit malen konnte.

Die Guggenheim Foundation verlieh Perle Fine im Jahr 1943 ein Stipendium. Im gleichen Jahr nahm die Malerin an Ausstellungen in Peggy Guggenheims „Art of this Century“ Gallerie und dem „Museum of Nonobjective Painting“ (heute: Solomon R. Guggenheim Museum) teil. Dies brachte Fine viel Aufmerksamkeit in der Presse ein. Zudem lernte sie Piet Mondrian kennen, den sie in seinem Atelier besuchte und beim Malen beobachtete. Nach diesen Leistungen wurde Fine 1945 in die Vereinigung „American Abstract Artists“ aufgenommen, wo sie sich einen Namen machen konnte.

Ihre erste Einzelausstellung hatte Perle Fine 1945 in der „Willard Gallery“ in der East 57th Street. Mitte der 1940er Jahre hatte Fine bereits ihre Gemälde in den Sammlungen von Frank Lloyd Wright und Frank Crowninshield unterbringen können. Zudem besaßen Alfred Barr, Direktor des Museum of Modern Art, sowie Emily Hall und Burton Tremaine, einem Sammlerpaar moderner Kunst aus Connecticut. Vielleicht einer der herausragendsten Momente in Perle Fines Karriere war ein Auftrag von Emily Hall Tremaine zwei Interpretationen von Piet Mondrians (un)vollendetem „Victory Boogie Woogie“ (1943/44) anzufertigen, das die Sammlerin 1945 erworben hatte.

1947 wurde Fine in einer Ausgabe von „The New Iconograph“, die gegenstandslose Kunst und Theorie präsentierte, vorgestellt. Obschon sie Mitglied der „American Abstract Artists“ war, so der Beitrag, unterschied sich ihre Kunst „im Geiste“ von den Werken Ralston Crawfords und Robert Motherwells.

Willem de Kooning nominierte Perle Fine 1950, um sie in den 8th Street „Artists' Club“ aufzunehmen, der sich in der 39 East 8th Street befand. Perle Fine wurde von ihren Künstlerkollegen ausgewählt, um in der „Ninth Street Show“ vom 21. Mai bis 10. Juni 1951 auszustellte. Neben Fine waren Joan Mitchell und Mary Abbott die einzigen Malerinnen auf dieser Ausstellung. Das Abbruchhaus, in dem die Schau im ersten Stock und im Keller stattfand, befand sich in der 60 East 9th Street.
Perle Fine nahm zudem von 1951 bis 1957 an den auf Einladung stattfindenden „New York Painting and Sculpture Annuals“ teil. Sie gehörte somit zu den 24 von insgesamt 256 Künstler:innen der New York School, die in alle „Annuals“ aufgenommen wurden. Diese Gruppenausstellungen waren wichtig, weil die Teilnehmer von den Künstler:innen selbst ausgewählt wurden. Neben Fine stellten auch noch Elaine de Kooning, Grace Hartigan und Joan Mitchell auf allen „Annuals“ aus.

In den 1950er Jahren zog Perle Fine nach Springs, einem Teil von East Hampton am östlichen Ende von Long Island, wo auch Jackson Pollock, Lee Krasner, Willem de Kooning Elaine de Kooning, Conrad Marca-Relli und andere Mitglieder der New York School einen festen Wohnsitz fanden.

Werke

Mit einer über 50-jährigen Karriere in der abstrakten Malerei entwickelte und hielt Fine hohe Ideale und Erwartungen, niemals eine Methode von anderen Künstler:innen zu übernehmen. Sie kämpfte sich durch Barrieren und Einschränkungen, die jede Künstlerin im „Macho-Milieu“ des Abstrakten Expressionismus erfahren würde. Zu dieser Zeit stand Fine Mark Rothko nahe. Ihre Arbeit wurde auch als ähnlich zu seiner angesehen, aber Fine fand, dass ihre Arbeit nicht nach seiner „erhabenen Transzendenz“ strebte.

Ab Mitte der 1950er Jahre lockerte sich Perle Fines expressionistischer Stil. Sie produzierte dicke, stark gemalte Abstraktionen mit harten, gezackten Strichen mit einem geladenen Pinsel. Ihr Fokus lag auf der zweidimensionalen Ebene: Oberfläche, Textur und Medium. Fines Palette in diesen oft großformatigen Stücken war eher düster.

Auf der Ausstellung von 1958 boten Perle Fines Gemälde abstrakte Andeutungen der Natur. Diese Wahrnehmung wurde durch Fines Aufnahme in 'Nature in Abstraction: The Relation of Abstract Painting and sculpture to nature and twentieth century American Art' verstärkt.

In den 1960er Jahren veränderte sich die New Yorker Kunstszene tiefgreifend, da die Pop Art die Abstraktion als Avantgarde ablöste. Fine hatte in diesem Jahrzehnt vier Einzelausstellungen in der Graham Gallery (1961, 1963, 1964, 1967), auf der ihre Werke einer großen Veränderung ihres Stils zeigen. Durch die Verbindung von Horizontalen und Vertikalen kündigte Fine an, „Emotion über Farbe“ vermitteln zu wollen.

Fine begann 1961 als Gastkritikerin und Dozentin an der Cornell University zu unterrichten, als die Hofstra University ihr ein Angebot unterbreitete, an der sie von 1962 bis 1973 privat unterrichtete. Dennoch sah sie sich nie als Lehrerin, sondern als Malerin, wie die Künstlerin gestand.

1965 erkrankte sie an einem schweren Fall von Mononukleose. Damals begann sie mit der Anfertigung von Holzcollagen mit krummlinigen Formen. Fine gewann 1978 eine Auszeichnung bei der jährlichen Guild Hall Artist Members' Exhibition.

Tod

Jahre vor ihrem Tod erkrankte Perle Fine an Alzheimer.

Perle Fine starb am 31. Mai 1988 im Alter von 83 Jahren in East Hampton, New York, an einer Lungenentzündung.

  1. Perle Fine: Statement, in: The New Iconograph (Herbst 1947), S. 25, wieder abgedruckt in: American Abstract Expressionism of the 1950s. An Illustrated Survey with Artists’ Statements, Artwork and Bibliographies, hg. von Marika Herskovic, New York 2003, S. 126.