Willi Baumeister

Wer war Willi Baumeister?

Willi Baumeister (Stuttgart 22.1.1889–31.8.1955 Stuttgart) war ein deutscher Maler, Grafiker, Bühnenbildner, Typograf, Kunsttheoretiker und Autor der Klassischen Moderne (→ Klassische Moderne). Er gilt als einer der bedeutendsten Künstler der Abstrakten Kunst (→ Abstrakte Kunst), zu deren Wortführer er nach 1945 in Deutschland wurde. Baumeister galt als Anwalt einer „abstrakten“ Malerei und wurde als solcher ebenso hochgeschätzt wie heftig attackiert. Als Professor für Malerei in Stuttgart und Mitglied der Gruppe ZEN 49 prägte er das Verständnis von ungegenständlicher Kunst in Deutschland.

Kindheit

Friedrich Wilhelm Baumeister wurde am 22. Januar 1899 in Stuttgart als drittes Kind von Wilhelm Baumeister (1847–1931) und seiner Frau Anna (1861–1945) geboren. Er hatte zwei ältere Geschwister, die Schwester Klara und den Bruder Hans. Der Vater führte als Hofkaminfegermeister den familieneigenen Handwerksbetrieb. Anna Baumeister (geb. Schuler) stammte aus einer Dekorationsmaler-Familie, die seit fünf Generationen dieses Handwerk ausübte.

Anna Baumeister war sehr musisch veranlagt. Aus ihrer Familie erhielt Willi erste Anstöße in Richtung Kunst – gepaart mit viel Fleiß und handwerklichem Geschick. Schon als Kind waren Papier und Bleistift seine liebsten Spielzeuge.

Ausbildung

Willi Baumeister wuchs in Stuttgart auf, wo er die Friedrich-Eugens-Oberrealschule bis zur Mittleren Reife besuchte. Mit etwa 16 Jahren fasste er den Entschluss, die Kunstakademie zu besuchen, absolvierte jedoch auf Wunsch des Vaters zunächst von 1905 bis 1907 eine Lehre als Dekorationsmaler, die er wegen überdurchschnittlicher Leistungen vorzeitig mit der Gesellenprüfung abschloss.

Schon während der Ausbildungszeit (1905/1906) nahm Baumeister sein Kunststudium an der Kunstakademie Stuttgart auf, besuchte Robert Poetzelbergers Zeichenklasse und nahm bei dem Maler Josef Kerschensteiner zusätzlich Unterricht. 1906 setzte er seine Malerlehre fort und beendete diese 1907 mit der Gesellenprüfung.

Von Oktober 1907 bis September 1908 leistete Willi Baumeister seinen Militärdienst als Einjährig-Freiwilliger in Stuttgart ab. Danach nahm Baumeister sein Studium an der Kunstakademie wieder auf. Er wurde jedoch von seinem Lehrer Poetzelberger wegen mangelnder Begabung als Schüler abgelehnt. Baumeister wechselte in die Kompositionsklasse von Adolf Hölzel (1853–1934), der er (mit kriegsbedingter Unterbrechung) bis Ende Wintersemester 1918/19 angehörte. Hier lernte er Oskar Schlemmer (1888–1943), Otto Meyer-Amden (1885–1933), Alf Bayrle, aber auch Johannes Itten (1888–1967) und Alfred Wickenburg (1885–1978) kennen. Im Frühjahr 1911 unternahm Baumeister seine erste Paris-Reise, wo er für drei Monate am „Cercle International des Beaux-Arts“ studierte. Nach seiner Rückkehr bezog er sein erstes Atelier in Stuttgart, Lessingstraße 3. Im September 1912 beteiligte sich der Maler erfolgreich 1912 an einer Ausstellung in einer Zürcher Galerie und übersiedelte für 15 Monate nach Amden nach.

Frühe Werke und erste Ausstellungserfolge

Baumeister nahm 1910 erstmals an einer Ausstellung teil und zeigte vom Impressionismus beeinflusste figurative Werke. Sein Interesse galt aber schon zu dieser Zeit insbesondere dem Kubismus und Paul Cézanne, dessen Werk er sein Leben lang verbunden blieb. Die den Anfang von Baumeisters Malerei prägenden Einflüsse von Impressionismus und Kubismus spielen in seinem Werk bis gegen Ende der 1920er Jahre eine wesentliche Rolle. Seine gegenständliche Malerei wird einerseits immer reduzierter (abstrahierter/geometrischer), gewinnt an Form, verliert an Tiefe. Es entstehen auch Parallelen zur Malerei seines Freundes Oskar Schlemmer und Otto Meyer-Amden im Rahmen einer selbständigen Fortentwicklung von Baumeisters Umgang mit Form und Farbe.

1913 wurde Willi Baumeister Teilnehmer des „Ersten Deutschen Herbstsalons“ in der Berliner Galerie „Der Sturm“ – seine erste „Sturm“-Ausstellung. Hier begegnete er dem expressionistischen Maler Franz Marc. 1914 hatte Baumeister seine erste Einzelausstellung im Stuttgarter „Neuen Kunstsalon“. Ihm, Schlemmer und Hermann Stenner vermittelte Adolf Hölzel im selben Jahr den Auftrag zur Ausführung von vier Wandgemälden in der Kölner Werkbundausstellung. Bei der großen Stuttgarter Ausstellung des Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein 1914 waren er, Josef Eberz und Schlemmer im sogenannten „Expressionisten-Saal“, den Hölzel ausgerichtet hatte, mit jeweils drei Werken am stärksten vertreten. Kurz vor Kriegsbeginn unternahm er noch Reisen zusammen mit Schlemmer und zeitweilig auch Stenner nach Amsterdam, London und Paris.

Erster Weltkrieg

Willi Baumeister wurde Anfang November 1914 zum Kriegsdienst bei einer Feldflieger-Ersatz-Abteilung eingezogen. Der Krieg führte ihn auf den Balkan, in die Ukraine und den Kaukasus. Trotz des Krieges begegnete Baumeister 1915 in Wien dem Maler Oskar Kokoschka und dem Architekten Adolf Loos. 1916 beteiligte er sich an der Ausstellung „Hölzel und sein Kreis“ im Kunstverein Freiburg im Breisgau, die 1917 im Kunstsalon Ludwig Schames in Frankfurt am Main gezeigt wurde. Aus dem Feld steuerte er für die Ausstellungspublikation, die vier seiner Werke abbildete, den Text „Vadartal. Ahranli, den 20. Juli 1916“ bei.

Noch vor seiner Entlassung aus dem Militärdienst und seiner Rückkehr nach Stuttgart im Dezember 1918 stellte er zusammen mit Oskar Schlemmer in der Stuttgarter Galerie Schaller aus.

Baumeister in Stuttgart

Nach der Rückkehr aus dem Ersten Weltkrieg setzte Willi Baumeister sein Studium an der Stuttgarter Kunstakademie fort, wo er zuletzt bei Heinrich Altherr eingeschrieben war, und schloss es im Jahr 1920 ab. Obschon er seine künstlerische Laufbahn bereits 1913/14 begonnen hatte, setzten erste größere Erfolge und Anerkennungen erst in den Jahren 1919 bis 1927 ein.

Als Baumeister und Schlemmer im Verlaufe des Jahres 1919 versuchten, die Berufung Paul Klees (1879–1940) an der Stuttgarter Akademie in der Hölzel-Nachfolge durchzusetzen, wurde dies, obwohl sich Klee zur Übernahme des Lehramts bereit erklärt hatte, seitens der Akademie unter der Leitung Heinrich Altherrs mit Unterstützung lokaler Presseorgane heftig bekämpft und abgelehnt. Wieweit Baumeister bereits 1919 der Berliner Künstlervereinigung „Novembergruppe“ beitrat, ist unklar.1

In Stuttgart ergriff Baumeister mit Schlemmer und anderen Künstlern 1919 die Initiative zur Gründung der Künstlergruppe „Üecht“, das alemannische Wort für „echt“ bzw. „wahr“, die er 1921 verließ. Zu diesem Zeitpunkt begann er, Bühnenbilder und Kostüme für Aufführungen an Stuttgarter Theatern zu entwerfen und sich der

Werke

1919 schuf Baumeister sein erstes Bühnenbild, dem insgesamt 17 weitere folgten. Im Folgejahr bezog er ein eigenes Atelier in Stuttgart. Willi Baumeister arbeitete als freier Künstler, wandte sich der Gebrauchsgrafik (Anzeigen und Drucksachen) zu und nahm an Ausstellungen in Berlin, Dresden und Hagen teil.

Baumeisters Bekanntheit und die über Deutschland hinausweisende Anerkennung wurden in einer gemeinsamen Ausstellung mit Fernand Léger (1881–1955) in der Berliner Galerie „Der Sturm“ im Jahre 1922 deutlich. Weiters waren seine „Mauerbilder“ 1922 und 1924 in den Werkbundausstellungen in Stuttgart ausgestellt. Willi Baumeister knüpfte nach dem Ersten Weltkrieg Kontakte zur französischen Avantgardeszene, darunter Le Corbusier (1887–1965). In Paris lernte Baumeister 1924 Künstler wie Amedée Ozenfant (1886–1966) oder Michel Seuphor (1901–1999), Marcelle Cahn (1895–1981) kennen. Im selben Jahr waren seine Gemälde auf der „Ersten Allgemeinen Deutschen Kunstausstellung“ in Leningrad und Moskau gezeigt.

Baumeister wurde 1924 zum Sondersachverständigen für farbige Hausanstriche der Württembergischen Bauberatungsstelle ernannt und nahm 1925 an der Pariser Ausstellung „L’Art d’aujourd’hui [Kunst heute]“ teil. Neben seiner künstlerischen Arbeit widmete er sich parallel der Gebrauchsgrafik und entwarf Anzeigen für Unternehmen, wie zum Beispiel für Bosch und DLW (Deutsche Linoleumwerke).

Am 20. November 1926 heirateten Willi Baumeister und die Malerin Margarete Oehm, die ihre Arbeit als Künstlerin in der Ehe aufgab. Zusammen ihrer Freundin Gertrud Koref-Stemmler besuchte das Ehepaar Baumeister 1926 Piet Mondrian (1872–1944) in dessen Pariser Atelier. Bei diesem Pariser Aufenthalt erwarb Margarete zwei Kleider von Sonia Delaunay-Terk und kaufte später ein weiteres dazu. Ein Foto von 1927 zeigt die beiden Freundinnen in den Pariser Kleidern passend vor Gebäuden der neu errichteten Weissenhofsiedlung in Stuttgart. Die Familie Baumeister blieb Sonia Delaunay auch nach 1945 freundschaftlich verbunden.
Baumeister hatte im selben Jahr die Gelegenheit, in New York an der „International Exhibition of Modern Art“ teilzunehmen. Es folgte im Jahr darauf eine Einzelausstellung in Paris und anlässlich seiner Beteiligung mit eigenem Raum an der „Großen Berliner Kunstausstellung“ lernte er Kasimir Malewitsch (1878–1935) kennen.

1927 wurde Baumeister auf Empfehlung von Fritz Wichert an die Frankfurter Kunstgewerbeschule, die spätere Städelschule, berufen. Hier leitete er ab dem 1. April 1928 die Klasse für Gebrauchsgrafik, Typografie und Stoffdruck; während die Klasse für Malerei von Max Beckmann (1884–1950) geleitet wurde. Als der Künstler im November die Berufsbezeichnung Professor verliehen wurde, holte er seine Ehefrau nach; Baumeister begann Tagebuch zu schreiben. Ihre gemeinsame Tochter Krista wurde am 23. Dezember 1928 in Frankfurt/Main geboren. Eine im folgenden Jahr ausgesprochene Berufung an das Bauhaus in Dessau sagte er ab. 1929 nahm Willi Baumeister als Mitglied des Deutschen Künstlerbundes an der Jubiläumsausstellung im Kölner Staatenhaus am Rheinpark teil, wo er drei Ölgemälde zeigte. Die Berliner Galerie Flechtheim (Februar 1929) und die Frankfurter Galerie von Gustav Kahnweiler (November 1929) zeigten seine neuesten Werke.

Ab 1930 betreute Willi Baumeister die Gestaltung der Zeitschrift des „Neuen Frankfurt“, 1931 erschien das Magazin „Der Querschnitt“ erstmals mit Baumeisters werbekräftiger Umschlagkonzeption. Während Baumeister seit 1927 Mitglied im „ring neue werbegestalter“ war (Vorsitzender war Kurt Schwitters) trat er 1930 der kurzlebigen Künstlervereinigung „Cercle et Carré“ bei und erhielt im selben Jahr den Württembergischen Staatspreis für das Gemälde „Linienfigur“. Will Grohmann veröffentlichte 1931 eine erste kleine Monografie über Willi Baumeister bei Gallimard in Paris, welcher eine weitere Darstellung in Antwerpen im selben Jahr folgte. Nach der Auflösung von „Cercle et Carré“ wurde Baumeister Mitglied der Künstlerbewegung „Abstraction-Création“ in Paris. Seine Lehrverpflichtung sollte Baumeister in den frühen 1930er Jahren nahezu vom Malen abhalten (v.a. 1932). Noch im Dezember 1932 stellte er bei Cassirer in Berlin aus – seine letzte Schau in Deutschland bis 1945.

Baumeister in der NS-Diktatur

Am 31. März 1933 wurde Willi Baumeisters Professur an der Kunstgewerbeschule infolge der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten „eingespart“, seine Kollegen Albert Windisch und Wilhelm Biering waren gezwungen, auch Baumeisters Kurse zu übernehmen. Elisabeth Hase, Marta Hoepffner, Jacques Germain, Hannes Neuner und Jo von Kalckreuth zählten zu den wichtigsten Schüler:innen Baumeisters in Frankfurt. Nach seiner Rückkehr nach Stuttgart am 7. April 1933 lebte Baumeister hauptsächlich von Gebrauchsgrafik, unternahm allerdings Reisen in die Schweiz, nach Italien und Frankreich. Im selben Jahr wurde seine Tochter Felicitas geboren. Auch wenn Willi Baumeister nicht mit Berufsverbot belegt wurde, war an eine öffentliche Betätigung als Maler für lange Zeit nicht mehr zu denken. An Julius Bissier schrieb er am 11. April 1934:

„die situation ist zunächst für uns ohne aussicht […] aber ich bin felsenfest überzeugt, daß man uns einst braucht und nicht die seichten leinwandschinder, die sich vor der maßgeblichen ansicht des ganzen pöbels beugen.“

Im Jahr 1936 lernte Baumeister durch die Vermittlung des Wuppertaler Architekten Heinz Rasch – mit dem er seit der Zusammenarbeit bei der Bauausstellung 1924 in Stuttgart befreundet war – Kurt Herberts, Inhaber einer Wuppertaler Lackfabrik, kennen und arbeitete ab 1937 in dessen Wuppertaler Arbeitskreis. Dort arbeiteten neben ihm weitere von den nationalsozialistischen Machthabern verfemte Künstler: Hans Hildebrandt, Franz Krause, Alfred Lörcher, Georg Muche und Oskar Schlemmer. In diesem Jahr wurden vier seiner Werke in der nationalsozialistischen Ausstellung „Entartete Kunst“ gezeigt.

Baumeister hatte noch vielfach die Gelegenheit, seine Arbeiten im europäischen Ausland zu zeigen. So beteiligte er sich 1934 an der Ausstellung „Neue Deutsche Malerei“ in Zürich, und im Herbst erschien die Baumeister-Monografie von Eduardo Westerdahl. Im Jahr 1935 fanden in Mailand und Rom Einzelausstellungen Willi Baumeisters statt. Anfang 1937 beteiligte sich der verfemte Künstler an einer Schau konstruktivistischer Kunst in Basel und zeitgleich mit der Ausstellung „Entartete Kunst“ war er in Paris unter dem Titel „Unabhängige Kunst“ zu sehen. Anlässlich dieser Ausstellung hielt sich Baumeister im Herbst 1937 wieder in Paris auf und traf seine Freunde Fernand Léger und Le Corbusier.

Im Jahr 1938 deponierte Willi Baumeister eine große Anzahl von Bildern in der Kunsthalle Basel, um sie vor dem Zugriff der Nationalsozialisten zu schützen. Im Juli war er an der Londoner Exilausstellung „Twentieth Century German Art“ beteiligt, welche als Gegenausstellung zur NS-Feme-Schau verstanden werden wollte. Im Januar 1939 schließlich – am Tag seines 50. Geburtstags – eröffnete die Pariser Galerie Jeanne Bucher eine Einzelausstellung mit neueren Arbeiten in Anwesenheit des Künstlers. Den Kriegsbeginn im Herbst 1939 erlebte Willi Baumeister am Bodensee.

Als im Frühjahr 1941 ein Mal- und Ausstellungsverbot der Reichskammer der bildenden Künste an ihn erging, und Baumeister stets überwacht wurde, arbeitete er parallel zu seiner Tätigkeit in der Lackfabrik Herberts an seinem künstlerischen Werk. Er hatte sich bereits seit Mitte der 1920er Jahre für praehistorische Kunst und Felsenmalerei zu interessieren begonnen. Ab 1935 nahm Baumeister an Exkursionen zu Ausgrabungen teil und trug eine eigene Sammlung prähistorischer und außereuropäischer Stücke zusammen.

Für die Arbeit an Wandbildern im Haus von Herberts, er schuf gemeinsam mit Schlemmer und Georg Muche großformatige Fresken (1943 bei einem Bombenangriff zerstört), erforschte Willi Baumeister antike und moderne Maltechniken. Aus diesen Untersuchungen heraus entstanden zwischen 1933 und 1944 fünf Publikationen, die unter dem Namen von Dr. Kurt Herberts herausgegeben wurden, darunter „10.000 Jahre Malerei und ihre Werkstoffe“ (1939), „Anfänge der Malerei“ (1941) und „Modulation und Patina“ (1937–1944). In diesen Büchern nutzte Baumeister die Gelegenheit, eigene seiner eigenen Werke – wenngleich anonym – zu publizieren, ohne dass dies aufgefallen wäre.

Als 1943 Wuppertal und schließlich ebenfalls bei einem Bombenangriff Baumeisters Haus in Stuttgart unbewohnbar wurden, zog er mit seiner Familie nach Urach an der Schwäbischen Alb um. Der Tod von Oskar Schlemmer traf ihn im April 1943 hart. Anfang April 1945 sollte Willi Baumeister im Volkssturm den Ort mit einer Panzerfaust verteidigen, jedoch floh die Familie an den Bodensee, wo sie bei dem befreundeten Maler Max Ackermann (1887–1975) in dessen Sommerhaus in Horn bei Radolfzell unterkam. Baumeister blieb mit seiner Familie den Sommer über am Bodensee. Erst im September kehrte er nach Stuttgart zurück.

Nachkriegszeit

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges schloss 1945 Willi Baumeister sein Buch „Das Unbekannte in der Kunst“ (Herbst 1947) ab, dessen Manuskript er bereits 1943/1944 verfasst hatte. Seine erste Ausstellungsteilnahme nach zwölf Jahren nationalsozialistischer Herrschaft hatte er im Herbst 1945 in „Deutsche Kunst unserer Zeit“, die im Rahmen der Kulturwoche Überlingen veranstaltet wurde. Am 15. November desselben Jahres eröffnete im Foyer der Kammerspiele des Stuttgarter Neuen Theaters (Friedrichstraße 13) Baumeisters erste Einzelausstellung in Deutschland nach 1933.

Am 16. März 1946 berief Kultminister2 Theodor Heuss Willi Baumeister als Professor und Leiter einer Klasse für „Dekorative Malerei“ – später Fachklasse für Malerei – an die neu konstituierte Staatliche Akademie der Bildenden Künste Stuttgart. Kurz zuvor, im Februar 1946, hatte er noch den Ruf nach Dresden abgelehnt. 1951 wurde er stellvertretender Direktor der Stuttgarter Akademie, bevor er im Februar 1955 in den Ruhestand ging.

ZEN 49

1949 war Willi Baumeister Mitbegründer der Künstlergruppe „Gegenstandslose“, die 1950 unter dem Namen „ZEN 49“ erstmals ausstellte. Baumeister begegnete Fritz Winter, Ernst Wilhelm Nay und vielen anderen, die sich in der bildenden Kunst nach dem Ende von Krieg und Diktatur in Deutschland für einen Neuanfang und den Anschluss an internationale Entwicklungen engagierten. Im Juli 1950 nahm er am „Ersten Darmstädter Gespräch“ anlässlich der Ausstellung „Das Menschenbild in unserer Zeit“ teil. Baumeister verteidigte die moderne Kunst gegen die These von Hans Sedlmayr vom „Verlust der Mitte“.

Von 1951 bis 1954 gehörte Willi Baumeister dem Vorstand des wiedergegründeten Deutschen Künstlerbundes an. Am 13. März 1951 wählte ihn der Senat der Stuttgarter Akademie mit überwiegender Mehrheit für zwei Jahre zum stellvertretenden Rektor, nachdem die Rektorwahl – bei „Spaltung der Lehrerschaft“ (Willi Baumeister) – mit einer Stimme Unterschied zugunsten des seit 1946 amtierenden Hermann Brachert ausgegangen war. Er war zu dieser Zeit bis zu seinem Tod 1955 auf dem Höhepunkt seiner künstlerischen Karriere angelangt, was in vielen nationalen und internationalen Ausstellungsbeteiligungen seinen Ausdruck fand: 1948 und 1952 nahm Baumeister an der Biennale von Venedig, 1951 an der Biennale São Paulo (Preis für sein Gemälde „Kosmische Geste“) und der Ausstellung „Younger European Artists“ im Guggenheim-Museum, New-York, teil.

Willi Baumeister an der Stuttgarter Akademie

Anlässlich seiner Berufung an die Staatliche Akademie der Bildenden Künste Stuttgart skizzierte Willi Baumeister 1946 seine künstlerische Entwicklung in einem Beitrag für die Stuttgarter Zeitung:

„bis 1907 naturalist; 1907 bis 1909 impressionist; 1910 bis 1914 nachimpressionismus; 1919 bis 1930 konstruktivismus; 1924 bis 1929 sportbilder; 1930 bis 1935 abstraktionen der sportbilder; 1935 bis 1937 ‚malerische kompositionen‘; 1937 bis 1938 gegenstandslose malerei (ideogramme); 1939 serie der kompositionen mit schwebenden formen; 1942 elementare schwarz-weiß-kompositionen und reliefmalerei; 1940 bilder mit farbigen Lasuren; 1942 schwarz-weiß-bilder und reliefbilder; 1943 Illustrationen zu ‚gilgamesch‘, zu ‚saul‘, ‚esther‘, ‚sturm‘ von shakespeare; 1944 abfassung des manuskriptes ‚das unbekannte in der kunst‘“.

Willi Baumeister ging am 28. Februar 1955 in den Ruhestand, er erhielt allerdings noch einen „Lehrauftrag für gegenstandslose Malerei“ für das Sommersemester 1955. In den neun Jahren seines Wirkens war er an der Akademie zahlreichen Anfeindungen ausgesetzt, seine fortschrittlichen, von einem „offenen“ Unterricht geprägten pädagogischen Anschauungen (Leitmotiv: „Wir malen keine Bilder, wir studieren“), die etwa 200 Studierende aus aller Welt anzogen, stießen im Kollegenkreis auf heftigen Widerstand. So wurde etwa 1949 sein interner Vorschlag zur Reform des künstlerischen Elementarunterrichts (Erstveröffentlichung durch Wolfgang Kermer 1971), der ihn als authentischen, weil aus der Aufbruchszeit des 20. Jahrhunderts herrührenden Wegbereiter und Bewahrer des Gedankens einer fundamentalen künstlerischen „Vorlehre“ charakterisierte, vom damaligen Rektor Hermann Brachert, der sich in seiner Meinung insbesondere durch Gerhard Gollwitzer, Hans Meid und Karl Rössing gestützt sah, abgelehnt. Zur ersten Leistungsschau der Stuttgarter Akademie nach dem Krieg propagierte er im Frühjahr 1949 mit dem Text „Von der Imitation zur Kreation“ seine pädagogische Konzeption und zeigte, wie kurz zuvor schon in Wuppertal, in Stuttgart vierzehn (später um weitere vier mit Schülerarbeiten ergänzte) „Didaktische Tafeln“, „schematische Veranschaulichungen gestalterischer und didaktischer Überlegungen, Diagramme und kürzelhaft-lapidare Spekulationen über Farbe, Form“ (Wolfgang Kermer).

Aus seinem Stuttgarter Schülerkreis sind prominente Künstler hervorgegangen:

Klaus Bendixen, Karl Bohrmann, Peter Brüning, Hans Werner Geerdts, Peter Grau, Klaus Jürgen-Fischer, Herbert W. Kapitzki, Emil Kiess, Frans Krajcberg, Antonio Máro, Eduard Micus, Luisa Richter, Friedrich Seitz, Gerhard Uhlig, Ludwig Wilding, die größtenteils wieder als Hochschullehrer gewirkt haben. Mit Charlotte Posenenske (geb. Mayer) arbeitete Baumeister an Bühnenaufträgen.

Tod

Am 31. August 1955 starb Willi Baumeister mit dem Pinsel in der Hand vor seiner Staffelei sitzend in seinem Atelier in Stuttgart.

Eine bedeutende Sammlung von Werken Willi Baumeisters befindet sich im Archiv Willi Baumeister, das Teil des Kunstmuseums Stuttgart ist, und in der Sammlung Domnick, Nürtingen.

Beiträge zu Willi Baumeister

10. November 2023
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Münster | LWL-Museum: Akte – Nudes Radikal nackt | 2023/24

Akte aus der Tate London und des LWL-Museums, präsentiert in thematischen Gruppen vom historischen Akt, von den privaten und modernen Aktdarstellungen sowie surrealen Körpern bis hin zu politisch aufgeladenen und fragilen Darstellungen des nackten Körpers.
5. November 2023
Willi Baumeister, Taru-Turi, 1954, Öl mit Kunstharz und Sand auf Hartfaserplatte, 54 x 65 cm (Kunstsammlungen Chemnitz-Museum Gunzenhauser, Eigentum der Stiftung Gunzenhauser, © VG Bild-Kunst, Bonn 2022, Foto: Kunstsammlungen Chemnitz/PUNCTUM/Bertram Kober)

Chemnitz | Museum Gunzenhauser: Willi Baumeister und sein Netzwerk Das Kreative geht dem Unbekannten kühn entgegen | 2023/24

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13. Oktober 2023
Pablo Picasso, Violon, Detail, 1915, geschnittenes, gefaltetes und bemaltes Blech, Eisendraht, 100 x 63,7 x 18 cm (Musée national Picasso, Paris)

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Mit rund 130 Exponaten – Reliefs, Skulpturen, Plastiken und Gemälden – von über 100 Künstler:innen aus Europa und den USA nimmt die Ausstellung die Ausprägungen des Reliefs von 1800 bis in die 1960er Jahre in den Blick.
24. März 2023
Joachim Lutz, Ruchera (Höhle), Detail, Simbabwe, 1929, Aquarell auf Papier (© Frobenius-Institut Frankfurt am Main)

Darmstadt | Hessisches Landesmuseum: Urknall der Kunst Höhlenmalerei und Moderne | 2023

Für die Künstler der Moderne war die Entdeckung der Höhlenmalereien ein Schlüsselerlebnis. Die Ausstellung stellt die Felszeichnungen in den Dialog mit Werken von Joan Miró, Paul Klee, Pablo Picasso, Hans Arp, Willi Baumeister und André Masson und schlägt den Bogen zur Kunst von Joseph Beuys.
4. März 2022
Jeanne Mammen, Sterbender Krieger, Detail, 1942

Frankfurt | Schirn: Kunst für Keinen. 1933–1945 Verfemte Künstler:innen unter der NS-Herrschaft | 2022

Die SCHIRN beleuchtet in der Ausstellung mit individuellen Fallbeispielen und etwa 150 Gemälden, Skulpturen, Zeichnungen und Fotografien die Widersprüchlichkeit der Zeit zwischen 1933 und 1945.
25. Juni 2018
Wassily Kandinsky, Murnau – Landschaft mit grünem Haus, 1909 (Privatsammlung)

Vom Expressionismus zum Informel in Deutschland: Nolde, Kandinsky, Nay Farbe und Gefühl zwischen Figur und Abstraktion

Anhand einer konzentrierten Auswahl von 26 Werken zeichnet das Museum Barberini – parallel zur Ausstellung „Gerhard Richter. Abstraktion“ – den Weg vom Expressionismus zum Informel nach. Potsdam präsentiert dafür Gemälde von Willi Baumeister, Lyonel Feininger, Wassily Kandinsky, Ernst Wilhelm Nay, Emil Nolde, Max Pechstein, Karl Schmidt-Rottluff und Fritz Winter.
11. November 2016
Henry Moore, Three Piece Sculpture: Vertebrae, 1968-69 (Münster, LBS Westdeutsche Landesbausparkasse, Foto LWL/Hanna Neander)

Münster | LWL-Museum: Henry Moore. Impuls für Europa | 2016/17

Dem britischen Bildhauer Henry Moore (1898–1986) widmet das LWL-Museum für Kunst und Kultur in Münster die umfangreichste Werkschau in Deutschland seit 18 Jahren.
12. April 2014
Kandinsky, Klee, Schiele... Graphikmappen des frühen 20. Jahrhunderts, Ausst.-Kat. Staatsgalerie Stuttgart, 2014 (HIRMER).

Graphikmappen des frühen 20. Jahrhunderts

Die kurz vor der Jahrhundertwende einsetzende Begeisterung für „Künstlerdrucke“ in Form der Wiederentdeckung der Radierung, des (farbigen) Holzschnitts und der Lithografie hatte viel mit einem neuen Verständnis von Kunst als die Massen bewegende Kommunikationsform in der Moderne zu tun. Gleichzeitig wird aber nicht auf den ökonomischen und markttechnischen Wert der Mappenwerke vergessen: Als kollektive Unternehmungen repräsentierten sie nicht nur einen programmatischen Zugang der Beteiligten, sondern waren wichtige Verdienstmöglichkeiten für junge, aufstrebende Künstlerinnen und Künstler.
  1. Die „Novembergruppe“ war 1918 von Max Pechstein, unmittelbar nach der deutschen Kapitulation und dem Sturz der Monarchie, gegründet worden und blieb bis 1933 eine der bedeutendsten Zusammenschlüsse deutscher Künstler.
  2. So die damalige württembergisch-badische Amtsbezeichnung.