Fra Bartolommeo

Bartolommeo di Paolo, bekannt unter den Namen Baccio della Porta und ab 1501 unter Fra Bartolommeo (1472–1517), ist ein Florentiner Maler des frühen 16. Jahrhunderts, der zur Hochrenaissance gezählt wird. Zu seinen wichtigsten Werken zählt die unvolendete „Pala di Gran Consiglio“ und eine große Anzahl von Landschaftszeichnungen. Mit seinen Madonnendarstellungen beeinflusste er unter anderem den jungen Raffael.

Bartolomeo di Domenico della Porta wurde am 28. März 1472 in Florenz geboren. Von 1484 bis 1486 war er ein Schüler [garzone] von Cosimo Rosselli (1439–1507). Zu den frühesten erhaltenen Werken zählt eine „Verkündigung“ in Volterra, die in das Jahr 1497 datiert ist. Er hatte schon erfolgreiche die Laufbahn als Maler eingeschlagen, als er sich in engem persönlichen Kontakt mit dem Bußprediger Savonarola dessen Lehre anschloss und die Zerstörung der Luxusgüter befürwortete. Bartolomeo verbrannte seine früheren Zeichnungen und Gemälde von nackten Figuren eigenhändig auf den in Florenz errichteten Scheiterhaufen.

Jüngstes Gericht für Santa Maria Nuova

Nach der Hinrichtung Savonarolas am 23. Mai 1498 nahm der religiöse Maler den Auftrag für ein Fresko des „Jüngsten Gerichts“ (Museo di San Marco, Florenz) für die Friedhofskapelle von Santa Maria Nuova an. Das Werk war noch 1499 unvollendet, als sich Bartolommeo entschied, ins Kloster zu gehen. Sein Freund Mariotto Albertinelli dürfte es vollendet haben. Die Komposition ist oben halbrund abgeschlossen und zeigt in der oberen Zone Christus von den Fürsprechern auf Wolkenbänken flankiert. In der unteren Zone zeigt Bartolommeo die Auferstandenen ebenfalls in einem Halbkreis angeordnet, in der Mittelachse positionierte er den Seelenwäger Michael, darüber die Arma Christi und dann den Erlöser. Raffael muss das Fresko genau studiert haben, orientierte er sich in der berühmten „Disputa“ in den Stanzen an dieser Komposition.

Fra Bartolomeo, der malende Dominikanermönch

Im Jahr 1500 trat Bartolomeo di Domenico della Porta als Novize in das Dominikanerkloster in Prato ein und lebte ab 1501 unter dem Namen Fra Bartolommeo im Kloster San Marco in Florenz. Nach 4-jähriger Abstinenz von der Malerei begann er 1504 zwar wieder zu malen, widmete sich allerdings ausschließlich religiöser Themen. In San Marco arbeitete er bis zu seinem Lebensende im Jahr 1517.

Das erste Werk, das Fra Bartolommeo malte war die „Vision des hl. Bernhard“ (1504–1507, Palazzo Pitti) für die Badia von Florenz. In den frühen 1490er Jahren hatte Pietro Perugino eine Fassung dieses Themas vorgelegt, in der er den vor seinem Lesepult sitzenden Heiligen mit der Madonna kontrastiert. Um den Höhenunterschied der Köpfe auszugeichen, stellte Perugino beiden Figuren noch jeweils zwei Assistenzfiguren hinzu, deren Köpfe, ungeachtet der Tiefe, in die sie gestaffelt sind, auf der gleichen Höhe wie der Madonnenkopf angeordnet sind. Eine Bogenarchitektur fasst die beiden Gruppen zusammen und leitet den Blick in den Tiefenraum einer Landschaft.

Fra Bartolommeos „Vision des hl. Bernhard“ ist gänzlich anders, weil asymmetrisch, gelöst: Der kniende Heilige wird von zwei Heiligen hinterfangen. Die Madonna mit dem Kind wird links von einer Engelsgruppe getragen und schwebt vor dem Heiligen. Die Szene findet im Außenraum statt und zeigt in der Mitte eine Stadtvedute. Rechts ist am Berg eine weitere kniende Figur eingefügt, während rechts eine mächtige Hausfassade die Komposition abschließt. Unschwer lässt sich erkennen, dass nicht Peruginos, sondern Filippino Lippis Interpretation des Themas für Bartolommeo bedeutend wurde. Mit dem in Trompe-l’œil-Manier gemalten Bildchen am unteren Bildrand reagierte er auf seinen Vorgänger im Amt: Fra Angelico. Die Wirkung des Augentrugs verstärkte Bartolommeo noch, indem er ein Büchlein an den Tabernakel „lehnte“.

„Malerschule von San Marco“

Mit der Übernahme der Malerwerkstatt von San Marco begann Fra Bartolommeo, von 1509 bis 1512 unterstützt von seinem früheren Ateliergenossen Mariotto Albertinelli (1474–1515) und später von anderen klösterlichen Gehilfen, eine reiche Produktion als Altarbildmaler. Mit seinem konsequenten Bekenntnis zur christlichen Funktion der Malerei griff Fra Bartolommeo der gegenreformatorischen Malerei und deren Prinzipien vor. Einige seiner Bilder tragen statt einer Signatur die Aufforderung, für den Maler zu beten (ORATE PRO PICTORE).

Zwischen 1509 und 1514 entstanden einige bedeutende Altarbilder wie „Gottvater mit den hll. Maria Magdalena und Katharina con Siena“ (1509 datiert, Museo e Pinacoteca Nazionale di Palazzo Mansi, Lucca), die „Thronende Madonna mit Kind und den hll. Stefanus und Johannes der Täufer” (1509) für den Dom von Lucca. In der Folge malte er – unterstützt von Albertinelli – die „Verlobung der hl. Katharina“ (1511, Musée du Louvre) und die „Madonna mit Heiligen und dem Stifter Jean Carandolet“ (1511/12) für den Hochaltar der Kathedrale von Besançon.

Fra Bartolomeo in Venedig

Entscheidend für die weitere Entwicklung des Florentiner Malers wurde ein mehrmonatiger Aufenthalt in Venedig im Jahr 1508. Er war wegen eines Auftrags für ein Altargemälde für eine Dominikanerkirche auf einer vor der Lagunenstadt gelegenen Insel in den Norden gekommen. Da sich Auftraggeber und Künstler nicht über die Bezahlung einigen konnten, ließ Fra Bartolommeo das Werk nie an seinen ursprünglichen Bestimmungsort schicken, sondern verkaufte es an eine Kirche in Lucca. Die Begegnung mit der Malerei Giovanni Bellinis und die Auseinandersetzung mit Giorgiones Landschaften sind in seinen danach entstandenen Werken deutlich sichtbar. Fra Bartolommeo heutiger Ruhm beruht vor allem auf dessen ungewöhnlich umfangreichen zeichnerischen Œuvre, dessen Motivreichtum die gängige Praxis der Zeichenkunst deutlich erweitert und beispielsweise realistische Landschaftsmotive zeigt.

„Pala del Gran Consiglio“: im Dienst der Republik Florenz

Zu den bedeutendsten Aufträgen des Frate gehörte die „Pala del Gran Consiglio“ (1510–1512, Museo nazionale di San Marco, Florenz), die er 1510 im Auftrag der Republik für den Altar in der Sala del Maggior Consiglio begann. Ursprünglich war Filippino Lippi (1457–1504) von Piero Soderini mit dem Altargemälde für den jüngst errichteten Saal im Palazzo Vecchio beauftragt worden. Der Tod des Malers 1504 ließen das Projekt ruhen. Fra Bartolommeo unterschrieb den Vertrag am 26. November 1510. Am 5. Januar 1513 hatte das Gemälde den heutigen Zustand erreicht. Das Altargemälde blieb nach der Rückkehr der Medici im August 1512 unvollendet – weil farblos – in der Werkstatt in San Marco liegen. Die beabsichtigte koloristische Wirkung wird durch die „Mystische Verlobung der hl. Katharina“ (1511, Palazzo Pitti) vermittelt, ein Hauptwerk der venezianisch geprägten Schaffensphase Fra Bartolommeos.

Ausgehend vom kompositionellen Schema der „Madonna del Baldacchino“ von Raffael, bildet Maria hier die Mittelachse einer Sacra Conversazione, die sich in einem weiten Halbkreis um sie gruppiert. In der Mittelachse des Bildes positionierte Fra Bartolommeo die hl. Anna Selbdritt, links und rechts versammelte er die Schutzpatrone der Stadt Florenz. Die beiden Engel vor der hl. Anna Selbdritt sind ein Zitate nach Giovanni Bellini (vgl. „Pala di San Giobbe“ und „Pala di San Zaccaria“) Der Stufenpodest mit dem gestaffelten Thron von Anna und Maria wird von einer großen Nische abgeschlossen und gerahmt. Das räumliche Ausgreifen der mächtigen Gestalten in elegant fließenden und voluminösen Gewändern findet seine architektonische Rahmung in der zur Hälfte verschatteten Nische, die − nach dem Vorbild Bellinis − eine Chorapsis als Schauplatz der Szene vorstellt, deren Autorität durch die körperliche Präsenz der Bildfiguren eine deutliche Steigerung erfährt.

Die „Pala del Gran Consiglio“ wurde während des kurzzeitigen Auflebens der Republik 1529 an den Ort seiner Bestimmung gebracht. Nach der endgültigen Machtübernahme durch die Medici (1530) erwarb Ottaviano de’Medici die „Pala del Gran Consiglio“ von für seine Kapelle in S. Lorenzo; heute befindet sie sich im Museo nazionale di San Marco in Florenz. Die „politische“ Motivation ist aus dem Thema des Altargemäldes nicht ersichtlich. Da sich die Darstellung auf Glaubensinhalte bezieht, blieb sie auch unter veränderten politischen Vorzeichen für Florenz gültig.

Rom und die Folgen

1513 begab sich Fra Bartolommeo für etwa ein Jahr nach Rom, um die römischen Werke Raffaels und Michelangelos zu studieren. Vasari zufolge verwirrte ihn jedoch die römische Vielfalt so sehr, dass er schnell wieder zurückkehrte. Die danach entstandenen Werke spiegeln allerdings seine Auseinandersetzung mit den Arbeiten seiner römischen Kollegen: Der „Prophet Jesaja“ für die Kapelle der Familie Billi basiert auf den Prophetenfiguren von Michelangelo Buonarroti in der Sixtina. Der „Salvator Mundi mit Heiligen“ und die „Madonna della Misericordia“ (Pinacoteca, Lucca) dürften 1516 entstanden sein. In diesem Jahr wurde ein Inventar von Fra Bartolommeos Werken erstellt, was ein Novum in der Künstlergeschichte darstellt!

Einen Ruf an den Hof König Franz‘ I. lehnte Fra Bartolommeo ab, erlebte aber noch die Genugtuung, dass ihn Papst Leo X. während seines Florentiner Aufenthalts am 30. November 1515 in seiner Werkstatt in San Marco besuchte.

Einfluss auf Raffael und Andrea del Sarto

Giorgio Vasari berichtet, dass Raffael, der sich seit 1504 in Florenz aufhielt, in engem Kontakt zu Fra Bartolommeo stand. Der Frate hätte ihm die „guten Begriffe von der Perspektive“ beigebracht. Zudem wäre Raffael vom Kolorit des Frate besonders angetan gewesen, denn Fra Bartolommeos Altartafeln zeigen eine satte, durch Leonardos Sfumato geprägte Farbigkeit. Darin unterscheidet sich seine Malerei deutlich von dem bis dahin von den Florentiner Malern bevorzugten Lokalkolorit.

Andrea del Sarto (1486–1530) war ein Schüler von Cosimo Roselli und Franciabigio (1482–1525), bildete sich jedoch lieber eigenständig nach Werken von Leonardo da Vinci, Michelangelo und Fra Bartolommeo. Die Stilrichtungen der drei Florentiner Maler wusste er geschickt zu einer eigenen Ausdrucksweise zu verschmelzen.