Georg Jung: österr. Maler der Neuen Sachlichkeit und Abstraktion | ARTinWORDS

Georg Jung

Wer war Georg Jung?

Georg Jung (Salzburg 31.12.1899–5.12.1957 Wien) war ein österreichischer Maler der Neuen Sachlichkeit (→ Neue Sachlichkeit). Jung schuf zahlreiche Porträts und Landschaftsbilder, zudem setzte er sich mit religiösen Themen auseinander. Von großer Bedeutung sind auch Jung ab 1948 entstehende, abstrakte Farbstudien seines Spätwerkes (→ Abstrakte Kunst).

Kindheit

Georg Jung wurde am 31. Dezember 1899 als Sohn des Hoteliers des renommierten Salzburger Hotel de l’Europe am Bahnhof geboren (1944 durch Bombardement zerstört). Im Hotel wuchs er in einer internationalen Atmosphäre auf. Jung besuchte das Akademische Gymnasium Salzburg, bevor er im Jahr 1916 die Schule verließ, um als Einjährig-Freiwilliger einzurücken.

Umgeben von prominenten Künstler:innen, die während der Salzburger Festspiele im Hotel de l’Europe abstiegen, entwickelte Jung schon als Kind ein ausgeprägtes Interesse am Zeichnen. Frühe Blätter des 13-Jährigen sind Kopien nach illustrierten Büchern der Weltliteratur und Porträts Alter Meister, Bildnisse berühmter Dichter und Philosophen. Vorwiegend interessierten den jungen Künstler Schlachtszenen, die Jung vermutlich nach Bildpostkarten gestaltete. Während seiner Schulzeit im Akademischen Gymnasium stand im Zeichenunterricht das Zeichnen nach der Natur im Vordergrund, was Jung in einigen Ansichten und Motiven der Stadt Salzburg bzw. seiner Umgebung verarbeitete. Diese kontrastreichen Zeichnungen belegen, dass der jugendliche Georg Jung die Perspektive bereits beherrschte und einen ausgeprägten Hang zum Malerischen besaß. Auch während seines Kriegsdienstes – Georg Jung rückte 1917 ein – zeichnete der Jugendliche und setzte sich mit Kriegsszenen auseinander.

Ausbildung

Nach seiner Rückkehr aus dem Krieg und dem Abschluss der Schule zog Georg Jung nach Wien, um Medizin zu studieren. Parallel besuchte er an der Kunstgewerbeschule einen Abendkurs in Aktmalerei (heute: Angewandte). Abgesehen davon bildete sich Jung autodidaktisch zum Maler aus. Ab 1920 entstanden während des Aktmalereikurses eine Großzahl an Zeichnungen und erstmals auch Ölgemälde, darunter Jungs erstes Hauptwerk, „Der Irrtum“ (Winter 1920/21).

Werke

Während sich Georg Jung in seinem Frühwerk vorwiegend von expressionistischen und kubistischen Zügen geprägt ist, erlangt die Abstraktion in seinem Spätwerk große Bedeutung. Der Maler selbst beschrieb die Inhalte seiner Bilder als „klassisch“ (Mythologie), „religiös“ sowie als „Genrebilder“. Letztere waren für den Künstler „immer auch Sinnbilder tieferer Fragen […]: die Frage nach Persönlichkeit und Verwandlung in der ‚Theaterprobe‘, der Frage nach dem Schicksal in der ‚Nachtfahrt‘, der Frage nach Gemeinschaft und Verständnis im ‚Gespräch‘.“1 Als Zentrum seines Arbeiten empfand der Salzburger Maler den „Glauben an Verständnis und Gemeinschaft“.2

Rasch eignete sich Georg Jung die Haltung des Expressionismus an, zeichnete ihn doch eine „zwischen hoher Empfindsamkeit und starker intellektualistischen Neigungen hin- und hergezogenen Persönlichkeit“3 aus. Schon früh setzte sich der Maler mit dem Problem der Farbe als Ausformung partieller Lichtquantitäten auseinander und reiste dazu 1922 nach Dresden, um dort den Physiker Wilhelm Ostwald zu treffen, der für seine Forschung zur Farbenlehre mit dem Nobelpreis ausgezeichnet worden war.

In den kurz nach 1922 entstandenen Ölgemälden wird deutlich, wie sehr er sich stilistisch an Künstlern wie Max Oppenheimer, Fritz Schwarz-Waldegg oder Maximilian Reinitz orientierte, deren expressive Bildsprache in dieser Zeit vom Kubismus beeinflusst war und kristalline Formen aufweist. Jung konnte zum ersten Mal seine Werke in einer Ausstellung in der Wiener Secession 1923 präsentieren. So strukturierte Jung seine Städtebilder wie „Salzburg von der Katze aus“ (1924) etwa mit Diagonalen und Kreisbewegungen, welche die Formen in Bewegung zu setzen scheinen. Menschen wie Gebäude werden in den Bildern Jungs von einer inneren Bewegung mitgerissen – so auch zu sehen in den Zeichnungen, die der Salzburger Künstler während einer Reise durch Frankreich und Italien in den Sommermonaten 1924 durchführte.

„Es war ein Felsen im Meer. Darauf stand das mächtige Gebäude einer Kirche. Wir fuhren heran. Die Kirche kam immer näher auf uns zu. Es schein. Als hielten wir still. Als schritte die Kirche heran, massiv, dröhnend, monumental. Die Felswand wuchs, hämmerte sich ins Bewusstsein, zertrümmerte alles Übrige.“ (Georg Jung über Mont St. Michel, 1924)

Bereits Anfang 1925 stellte Georg Jung in der renommierten Galerie Hans Goltz in München aus. Dies wird mit dem in diesem Jahr eintretenden Stilwandel in Verbindung gebracht,4 schloss sich Jung in dieser Zeit der Neuen Sachlichkeit an. Hans Goltz konnte dem Salzburger sowohl das Werk von Heinrich Maria Davringhausen (1894–1970) wie auch Grafiken von Georg Schrimpf (1889–1938) und Richard Seewald (1889–1976) nahegebracht haben. Von 1925 bis 1938 war Jung Mitglied des Hagenbundes. 1945 trat er der Wiener Secession bei, deren Mitglied er bis 1952 blieb.

In „Bilder aus dem Süden“ versammelte Georg Jung 1932 Gemälde mit Motiven aus Dalmatien und Albanien im Künstlerhaus Salzburg.

Innenausstattung des Hotel de l‘Europe

Nach dem Tod seines Vaters im Jahr 1934 kehrte Jung nach Salzburg zurück, um die Leitung des Hotel de l’Europe zu übernehmen. Auch wenn Jung sich mehr als Künstler und weniger als Hotelier sah, führte er das Hotel bis ins Jahr 1938, als er es angesichts des Drucks der deutschen Wehrmacht unter Wert veräußern musste. 1944 wurde das Hotel zerbombt, weshalb seine in situ geschaffenen Werke nur in Schwarz-Weiß-Fotografien dokumentiert sind.

In den fünf Jahren beschäftigte sich der Künstler mit Fragen der Innenarchitektur; er schuf Fresken, Sgraffiti und Entwürfe für Möbel – aber auch mit Entwürfen für Briefmarken. Zwei der bedeutendsten Briefmarkenserien der Zwischenkriegszeit stammen aus seiner Feder. Deren Erscheinen wurde ausführlich sowohl in der nationalen wie internationalen Presse kommentiert, hatte der Künstler doch Kostümstudien mit Landschaften im Hintergrund kombiniert und damit dem „Heimatstil“ genüge getan. Angeregt durch diesen Auftrag, setzte sich Georg Jung verstärkt mit dem Wechselspiel von Schwarz und Weiß auseinander, was er in Federzeichnungen realisierte. Die wenigen Ölgemälde, die zwischen 1935 und 1939 entstanden sind, welche die erzählerischen Qualitäten hervortreten lassen.

Auch nach der Veräußerung des Hotels im Jahr 1938 war Jung weiterhin in Salzburg tätig und gestaltete unter andern die Sonnenuhr an der Südfront des alten Universitätsgebäudes (1936) und ein Fresko an der Franziskanerkirche. Da die Ausstattung des Hotels verloren ist, bezeugt nur noch die Sonnenuhr das monumentale Werk Jungs. Er zeigt dort die Madonna als Schutzherrin Salzburgs sowie vier Personifikationen der Fakultäten.

Abstraktion

Ab 1945 war Georg Jung Mitglied der Wiener Secession. Dort präsentierte er den „Altar der Freundschaft“ (1945–1949), welcher als Schlüsselwerk seiner letzten Stilphase angesehen wird. In diesem Werk versammelte Jung Neuinterpretationen seiner Kompositionen aus der Zwischenkriegszeit: „Der Gelehrte“, „Das Abendmahl“, „Jakob ringt mit dem Engel“ malte der Künstler neu, wobei er sich gänzlich auf die Farbwirkung konzentrierte, alle Details wegließ und so abstrahierte Versionen seiner Bilder schuf. Den Tagebucheinträgen des Malers zufolge schuf er diese Kompositionen während der Nacht und unter Verwendung ultravioletten Lichtes. Während die Außentafeln noch Teilzitate des Figürlichen aufweisen, verwandelt sich der Altar nach seiner Öffnung in eine gegenstandslose Farbkomposition.

„Ich sprach eben von Farbkomplexen, die in meinen Bildern gegeneinanderstehen. Sie sind zunächst auch sachlich bedingt: eine Schafhürde [sic] etwa vor dem Hintergrund eines antiken Tempels oder ein Wirbel von Autos und Menschen vor den prunkhaften Kulissen der palazzi – oder der Transport trauriger Palmen im Gewühl einer Großstadtstraße, […] aber zusehends in den letzten Jahren haben sich diese spannungsreichen Beziehungen immer mehr verselbständigt – als eine Art von dramatischer Auseinandersetzung zwischen einzelnen Farben, und letztes Jahr, 1948, habe ich endlich Ernst gemacht mit der entschlossenen Herauslösung dieses Themas. Ich habe mir gesagt, dass die Wirkung der Farbe überhaupt aus Beziehungen besteht, das heißt, dass sie, ungleich dem Ton, niemals ‚absolut‘ in Erscheinung tritt, sondern immer nur in Beziehung zu anderen Farben – und diese Grundtatsache – und nur diese! – habe ich zum Gegenstand der Darstellung gemacht. Ich habe es die ‚Freuden und Leiden der Farben‘ genannt und zunächst einmal in einer Serie von Pastellen festgehalten. Alle diese Kompositionen haben einen Titel, der nicht nur den Betrachter einzuführen, sondern auch zu ermahnen hat – bedenken, dass es hier vor allem um Farben gehe. Eines dieser Bilder heißt zum Beispiel: ‚Schwarz versucht zu schweben‘, ein anderes, ‚Rot ist stärker als Grün‘, oder ‚Violett wirft Weiß gegen Graugrün‘ – und übrigens haben diese Titel der Serie äußerlich sehr übel mitgespielt, denn sie wurde bei Übersendung an einen Londoner Verlauf von Scotland Yard beschlagnahmt, da man in eben diesen Titeln politische Codes vermutete. Wir schon aus den wenigen Beispielen hervorgeht, kam es mit bei diesen Arbeiten nicht so sehr auf das Fest- und Darstellen der Grundcharaktere der Farben an als vielmehr auf ihr Verhalten in den Ereignissen oder Prüfungen, denen die Phantasie des Malers sie aussetzt. Ich habe also das farbige Problem von der Bewegung aus aufgerollt, und die Entdeckungen, die ich dabei machte, waren zahlreich. Später dann, im Verfolg dieser Einfälle, die mich wie eine Berauschung überkamen, wurde mir immer bewusster, dass ich nun wirklich eine entscheidende – für mich zumindest entscheidende! – Einbruchstelle in das Farben-Zauberreich gefunden hatte. Die Vielerlei Probleme von Farbe und Form, von Andeutung und Gewicht, von Faszination und Distanz, alle diese aufregenden, in die Farbe mithineinversonnenen Fragen wurden immer entschiedener in etwa 40 kleineren Ölbildern herausgearbeitete und endlich in einem größeren Tafelwerk zusammengefasst, das den Titel eines ‚Altars der Freundschaft‘ trägt. Hier nun hoffe ich, in einer ersten Etappe diese Entdeckungen etwas festgelegt zu haben, was meine bisherigen Bemühungen wirklich zusammenfasst: das Thema der ‚Beziehung‘ und ‚Gemeinschaft‘ einerseits, in abstrakter Deutlichkeit herausgehoben, und andererseits sein Hereinführen ins Körperliche, ins Menschliche wieder, indem nämlich diese Stadien in den einzelnen Schichten des Altars durchlaufen werden.“5 (Georg Jung über sein Farbkonzept und den „Altar der Freundschaft“)

Georg Jung präsentierte seine ersten Werke aus der Nachkriegszeit 1949 in der Zedlitzhalle. Mehrere Monate hindurch bereitete Jung diese Schau intensiv vor. Er interessierte sich besonders für Literatur, Psychoanalyse und Physiologie. Zudem besuchte er häufig das Kino und suchte die Begegnung mit Persönlichkeiten, von denen er sich Anregungen für seine Malerei erhoffte. Der Maler arbeitete an den „Freuden und Leiden der Farben“, wodurch er sich der Abstrakten Kunst näherte.

„Die Farbe kommt niemals an sich, sondern immer nur in Verhältnissen zum Bewusstsein. […] Ich personifiziere als die Farben, ich weise ihnen gewisse Willensregungen und Taten zu – und behaupte damit freilich nicht, das Geheimnis der Farbe selbst enträtselt zu haben, doch habe ich wenigstens damit Ernst gemacht, die Farben durch das Medium meiner menschlichen Vorstellungen zu begreifen, indem ich mich gleichsam mit ihnen identifiziere; und welches Kunstwerk könnte Besseres von sich behaupten? […] Meine Bild sind also kleine Farbdramen, deren Berechtigung sich aus der Natur des farbigen Eindrucks ergibt.“6 (Georg Jung)

Im Mai 1949 hielt sich Georg Jung in Zürich auf, von wo aus er einen Abstecher nach Basel machte, um das Goetheanum in Dornach zu besuchen. Der Maler hatte Swedenborg gelesen. Obschon die Anthroposophen in Wien zu den Anhängern von Jungs Spätwerk gehörten, dürfte die Auseinandersetzung des Künstlers mit der Theosophie nicht von Erfolg gekrönt gewesen sein.

Colormobile

Georg Jung wurde in den letzten Jahren seines Lebens ein (lokaler) Pionier der Kinetischen Kunst.7 Bis in sein Spätwerk setzte sich Georg Jung mit der Farbenlehre auseinander und entwickelte das „Colormobile“, einen kinetischen Apparat mit sich kontinuierlich verändernden Farbkonstellationen.

1950 baute der Künstler das erste von insgesamt acht Colormobiles. Dafür baute er eine Holzkonstruktion mit einer Öffnung von etwa 30 x 30 cm. Dahinter verlief ein indirekt beleuchteter Plastikstreifen. Georg Jung trug vier Farbschichten auf transparente Streifen auf. Diese bewegen sich auf und ab sowie nach links und rechts. Dabei überlagerten sie einander innerhalb eines Rahmens.

Georg Jung im NS-Staat

Im Jahr 1939 heiratete Georg Jung die Schwedin Borghild Solholm-Hansen, mit der er zwei Töchter, Eva (*1939) und Verena (*1945), hatte. Die Familie Jung zog im selben Jahr nach Wien, wo sie eine Villa auf die Hohe Warte bewohnte, bevor Georg Jung 1940 als Feldwebel in die Wehrmacht einrückte. Das Wiener Haus wurde ein Treffpunkt vieler Künstlerfreund:innen, was der Künstler in seinen Tagebüchern dokumentierte.

Als Soldat im Ersten Weltkrieg hatte er im Rang eines Feldwebels abgerüstet; im Zweiten Weltkrieg wurde er nicht mehr befördert. In diesen fünf Jahren entstanden hauptsächlich Zeichnungen mit Szenen aus dem militärischen Alltag. Im Jahr 1942 wurde ihm ein Ausstellungsverbot erteilt, da seine Kunst von den Nationalsozialisten als „entartet“ eingestuft wurde. Nach Kriegsende kehrte er 1945 nach Wien zu seiner Familie zurück.

Tod

Georg Jung starb am 5. Dezember 1957 in Wien und wurde auf dem Salzburger Kommunalfriedhof begraben.

Literatur zu Georg Jung

  • Nicolaus Schaffer, Georg Jung or Almost a Color Religion, in: Peter Weibel (Hg.), Beyond Art: A Third Culture: A Comparative Study in Cultures, Art and science in 20th century Austria and Hungary, Wien 1997, S. 104–105.
  • Thomas Heinz Fischer, Georg Jung, Salzburg, 1984 (Dissertation, Universität Salzburg).
  • Georg Jung. 1899–1957, hg. v. Albin Rohrmoser (Ausst.-Kat. Museum Carolino Augusteum, Salzburg, 1982), Salzburg 1982.
  • George Rickey, Die Morphologie der Bewegung: Über die kinetische Kunst, in: Gyorgy Kepes (Hg.), Wesen und Kunst der Bewegung, Basel 1969, S. 102.
  • Georg Jung (Ausst.-Kat. Secession, Wien) Wien 1949.
  • Kunstausstellung (Ausst.-Kat. Glaspalast, München), München 1929.
  • Georg Jung. Erste Gesamtausstellung (Ausst.-Kat. Galerie Hans Goltz, München, Januar–Februar 1925), München 1925.

Beiträge zu Georg Jung

  1. Zit. n. Georg Jung (Ausst.-Kat. Secession, Wien), Wien, S. 2 und 4.
  2. Ebenda, S. 4.
  3. S. 14.
  4. S. 18.
  5. Zit. n. Ebenda, S. 5–7.
  6. Zit. n. (Ausst.-Kat. Salzburger Künstlerhaus, Salzburg), Wien 1975, S. 16.
  7. Siehe: Nicolaus Schaffer, Georg Jung or Almost a Color Religion, in: Peter Weibel (Hg.), Beyond Art: A Third Culture: A Comparative Study in Cultures, Art and science in 20th century Austria and Hungary, Wien 1997, S. 104–105.