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Hieronymus Bosch: Weltgerichtstriptychon in der Gemäldegalerie der Akademie der bildenden Künste Wien

Hieronymus Bosch mit Werkstatt, Das Jüngste Gericht, Weltgerichtstriptychon, um 1500–1505 Öl auf Eichenholz, linker Flügel 163 x 60 cm; Mitteltafel 163 x 127 cm; rechter Flügel 163 x 60 cm (Gemäldegalerie der Akademie der bildenden Künste, Wien, Inv.-Nr. gg-579–gg-581)

Hieronymus Bosch mit Werkstatt, Das Jüngste Gericht, Weltgerichtstriptychon, um 1500–1505 Öl auf Eichenholz, linker Flügel 163 x 60 cm; Mitteltafel 163 x 127 cm; rechter Flügel 163 x 60 cm (Gemäldegalerie der Akademie der bildenden Künste, Wien, Inv.-Nr. gg-579–gg-581)

Hieronymus Bosch's Weltgerichtstriptychon in Wien ist nach dem „Garten der Lüste“ im Prado das zweitgrößte Werk des Niederländers aus 's-Hertogenbosch und seiner Werkstatt (→ Hieronymus Bosch: Garten der Lüste & Versuchung). Lucas Cranach malte um 1520 bis 1525 eine äußerst treue Kopie nach dem Boschgemälde, die sich heute in der Berliner Gemäldegalerie befindet. Während die Darstelungen auf den Außentafeln einhellig als Werke von Hieronymus Bosch gelten, wird die Malerei auf der Innenseite (incl. der Unterzeichnung) der Werkstatt zugeschrieben.

Das wohl zwischen 1500 und 1505 entstandene Werk befand sich seit 1659 in habsburgischen Besitz (Erzherzog Leopold Wilhelm) und wurde als „Höllen-Bruegel“ Ende des 18. Jahrhunderts von Graf Lamberg-Sprinzenstein eingetauscht. Im Gegenzug erhielt Kaiser Franz I./II. die Sammlung antiker Vasen. Lamberg-Sprinzenstein stiftete seine gesamte Sammlung 1822 der Akademie der bildenden Künste, Wien. Schon eine erste Erwähnung im Inventar des Erzherzogs brachte es mit dem Namen Hieronymus Bosch zusammen:

„Noch ein Altarstuckh mitt zweyen Flüglen von Öhlfarb auf Holcz, warin das jüngste Gericht unndt darunder die Höll, in welcher die septem peccata morta- lia gestraft wurden. In einer glatt vergoldeten Ramen, hoch 8 Span 6 Finger und 7 Span 1 Finger brait. Original von Hieronimo Bosz.“1

Außenseiten des Weltgerichtstriptychons (geschlossener Zustand)

In der Tradition der niederländischen Kunst des 15. und frühen 16. Jahrhunderts illusionieren die Außenseiten von gemalten Altären Steinskulpturen in Nischen, der so genannten Grisailletechnik (Malerei in Grautönen). Erst bei näherer Betrachtung erkennt man die Täuschung: Die vermeintlichen Bildhauerarbeiten sind lediglich gemalt. Damit wird man darauf vorbereitet, dass das Altargemälde einen visuellen Zugang zu einer anderen Sphäre, einer „göttlichen“ Ebene bietet, die sich erst beim Öffnen des Triptychons offenbart. Bosch greift diese Tradition zwar technisch auf, stellt aber bewusst keine bildhauerischen Werke dar, sondern lebendige Menschen in ebensolchen Szenarien.

Linker Außenflügel: Der hl. Jacobus Maior auf Pilgerschaft

Der linke Flügel zeigt den hl. Jacobus Maior, den Patron des bedeutenden Pilgerheiligtums im spanischen Santiago de Compostela, mit den Attributen eines Pilgers – Hut mit Jakobsmuschel, Stab und Beutelbuch. Demütig wandert er barfüßig durch eine Landschaft, in der sich Menschen Grausamkeiten zufügen. Links oben im Hintergrund sieht man auf der Bergspitze einen Gehängten, den herabführenden Weg säumt ein frisches Grab und am knorrigen Baum sitzt eine Elster, Symbol des Todes. Die außerordentliche Gefährdung der Pilger wird grausam durch den Mord an einem solchen rechts hinter Jacobus illustriert. Doch der unerschütterliche Glaube des Heiligen lässt ihn unbehelligt durch diese vom Bösen regierte Welt wandern. Beachtenswert ist die Darstellung des Hintergrundes, in dem Bosch das Verschwimmen der Formen durch Luft und Licht in der Ferne berücksichtigt und selbst in Grisailletechnik überzeugend darzustellen verstand.

Rechter Außenflügel: Der hl. Bavo spendet den Armen und Kranken Almosen (oder Hippolytus?)

Der rechte Flügel präsentiert einen Hausdurchgang, in dem der hl. Bavo, ein Lokalheiliger der Stadt Gent, als junger Adeliger mit Sporen und Jagdfalken gezeigt wird. Aus seiner Geldkatze holt er gerade ein Almosen für die alte Frau und ihre Kinder, die den rechten Bildrand des Flügels einnehmen und sich sowohl durch ihre Physiognomie als auch durch ihre geflickte und unpassende Kleidung deutlich von der aristokratischen Eleganz des hl. Bavo abheben. Im linken Teil des Durchganges bittet ein Lepröser um eine Gabe und hat als plakatives Zeichen seiner Krankheit den ihm bereits abgefaulten Fuß vor sich auf ein Tuch gelegt.Neuere Forschungen2 wollen in dem Heiligen Hippolytus erkennen, womöglich hat es Hippolyte de Berthoz, ein hoher Beamter am burgundischen Hof, in Auftrag gegeben hat.

Im Hintergrund blicken wir in eine Straße (Gents?) mit den charakteristischen Häusern dieser Region, die auch heute noch die nach oben hin stockwerksweise vorspringenden Fassaden zeigen. Einige Menschen gehen ihren alltäglichen Beschäftigungen nach: ein Verkaufsgespräch an einem Tresen, ein Mann mit einem schweren Sack auf seinen Schultern. Auch hier zeigt sich Bosch seiner Zeit voraus, die Darstellung von in die Bildtiefe gestaffelten Durchblicken interessierte niederländische Künstler des 17. Jahrhunderts besonders.

Den unteren Abschluss beider Tafeln bildet jeweils bogenförmig angeordnete gotische Maßwerke, an denen mittig an Lederriemen aufgehängte Wappenschilde zu sehen sind. Sie sind allerdings leer, sodass sich keine Rückschlüsse auf den oder die Auftraggeber ziehen lassen.

Innenansicht beider Triptychonflügel und der Mitteltafel (geöffneter Zustand)

Zeitgenössische niederländische Weltgerichtsdarstellungen, etwa von Rogier van der Weyden (1399/1400–1464) oder Dieric Bouts (um 1415–1475), stellen Christus als Weltenrichter, zentral thronend auf einem Regenbogen, mit seitlich platzierten Fürsprechern für die Menschheit, Maria, der Mutter Gottes, den hl. Johannes den Täufer und den zwölf Aposteln, dar. Direkt vor bzw. unter Christus führt der Erzengel Michael, mit Schwert und Waagschale, das göttliche Urteil über die unten aus den Gräbern wiedererstandenen Seelen der Menschen aus: Damit ist die Scheidung in Selige und Verdammte gemeint. Während erstere von Engeln begleitet ins am linken Flügel dargestellte Himmlische Jerusalem, dem ewigen Paradies, einziehen dürfen, werden die Unglücklichen von schauerlichen Dämonen und Teufeln zu ewigen Torturen und Qualen auf den rechten Altarflügel regelrecht gezerrt, wobei insgesamt etwa gleich große Gruppen von Seligen und Verdammten gezeigt werden.

All dies findet sich beim Wiener Weltgericht so nicht. Bosch verlässt die traditionelle Leserichtung, ausgehend von der Mitte nach links oder rechts, sondern präsentiert eine Erzählung über die Entstehung des Bösen und die Ursache der Sünde. Beide machen ein Gericht am Ende aller Tage erst notwendig.

Linker Flügel Innenseite: Engelssturz, Erschaffung Evas, Sündenfall und Vertreibung

Am oberen Bildrand nimmt das Geschehen seinen Anfang. Mittig thronend Gottvater in einer schimmernden Mandorla, umgeben von Engelsreihen im strahlenden Licht Gottes. In der dunklen Wolkenzone darunter kämpft Erzengel Michael in goldener Rüstung mit einigen Helfern gegen Luzifer und abtrünnige Engel, die zu insektenartigen Gestalten mutierend aus dem Himmel herabstürzen und in den guten Schöpfungsgedanken Gottes eindringen. Links auf dem Felsengebirge sitzen sie lauernd, um das erste Menschenpaar zu verderben. Ganz im Vordergrund des linken Flügels hat Christus gerade Eva aus der Rippe des schlafenden Adam erschaffen und führt über ihrem Haupt den Segensgestus aus, wenngleich rechts ein unheilvoll dunkler Teich schon auf drohendes Unheil hinweist. Links führt uns eine Reihe von üppig Früchte tragenden Bäumen in den Mittelgrund der Tafel, wo auf dem einzeln stehenden Baum der Erkenntnis bereits die verführende Schlange das Menschenpaar zum Kosten der verbotenen Früchte verleitet. Denn von allen Bäumen im Garten Eden durften Adam und Eva essen, leicht erreichbar liegen Äpfel im Gras, doch der eine Baum war dem Menschenpaar verboten. Die Darstellung der Schlange mit weiblichem Oberkörper und eidechsenartigem Hinterteil reflektiert die theologische Lehrmeinung, dass die Seele und auch der Intellekt der Frau weniger ausgeprägt wären als jene des Mannes, und daher Frauen anfälliger für die Versuchungen des Bösen wären.

Adam und Eva sind einander zugewandt dargestellt um den erfolgten Sündenfall zu illustrieren, während die zur Mitteltafel deutende Hand Adams auf die Erbsünde, die auf die Nachkommen und somit auf die gesamte Menschheit übergegangen ist, und die aus der Übertretung des Gebotes Gottes resultierenden Konsequenzen, verweist. Weiter in der Bildtiefe stellt Bosch den Untergang des Paradieses dar. Der Engel treibt mit erhobenem Schwert die beiden Menschen in den tiefen, dunklen Wald, für die niederländische Kunst damals ein Symbol für Wüste oder Ödnis, wo Adam und Eva ihre Nacktheit zu verbergen suchen, während links eine Löwin eine Hirschkuh gerissen hat und diese zu fressen beginnt, womit das Ende des friedlichen Zusammenlebens aller Kreaturen im Garten Eden illustriert wird. Der dunkle Teich im Vordergrund, der Wald, in dem Adam und Eva verschwinden, sowie die durchgehende Horizontlinie leiten den Blick weiter auf die Mitteltafel des Altares.

Mitteltafel: Das Jüngste Gericht und die sieben Todsünden

An den oberen Bildrand gerückt, als eine kleine Szene unter vielen, findet sich Christus als Weltenrichter, hell umstrahlt und auf Regenbögen thronend. Seine Hände sind in abwägender Haltung dargestellt, doch scheint das Weltgericht noch nicht begonnen zu haben, oder ist es gar schon beendet? Die Apostelgruppen, die Christus flankieren, scheinen resigniert und ratlos, ob solch verdorbener Menschheit noch zu helfen sei, auch die Muttergottes blickt traurig. Johannes der Täufer ist ermattet auf die Wolkenbank gelehnt. Engel lassen Posaunen erschallen, doch scheinen die nackten Seelen der Menschen dafür taub, verstrickt in das teuflische Treiben unzähliger Dämonen und schauriger Mischwesen. Sie ahnden besonders schwere Missetaten – die sieben Todsünden.

Zorn

Morde und Verstümmelungen mit Messern, Schwertern und Speeren kennzeichnen den Bildvordergrund, Kriegstreiben der Höllenwesen, die aus den Bergen am rechten Bildrand hervordrängen. Eine noch glühende Kanone des mit grünen Schilden gepanzerten Fahrzeugs hat eine Gruppe Menschen zerfetzt, teuflische Ritter mit übergroßen Helmzieren jagen die Seelen mit Lanzen, spießen sie auf kahle Bäume. Über eine rote mit Stacheln bewehrte Rampe werden Seelen in einen schwarzen Felsspalt geworfen, in dem sich ein funkensprühendes, ebenfalls mit Stacheln besetztes Rad dreht und die Unglücklichen aufspießt. Daneben auf der Brücke ziehen die Dämonen erneut in Schlachtordnung einher – alles Symbole des rasenden Jähzorns. Darauf verweist auch das ein riesiges Messer schleppende Ungetüm rechts im Vordergrund. Auf der Klinge erkennt man ein eingestanztes „M“ für „Mundus“, lateinisch „Welt“. Bosch sieht somit den Zorn als Ursprung aller Gräueltaten des Diesseits.

Geiz

Scheinbar beschaulich gehen zwei Dämoninnen, eine in einer Art Nonnentracht, die zweite blaugesichtig und mit Krötenleib, ihren häuslichen Pflichten des Kochens und Zubereitens von Essen vor einem offenen Steingebäude nach. Doch brutzeln kleingeschnittene Sünder in der Pfanne und gleich werden die beiden riesigen Eier dazu geschlagen. Eine Seele röstet knusprig am Spieß und in dem riesigen, schwarzen Kessel garen die einst Habgierigen im eigenen, geschmolzenen Gold, die qualvolle Vereinigung mit dem erstrebten Mammon.

Neid

Gleich darüber im Schornstein der Hexenküche hängen die Neider selchend im Rauch, so wie die Sünde des Neides das positive Wirken für andere Menschen unterbindet und ausdörrt. Aber auch die Gestalt des mit schwarzer Haube und blutender Seitenwunde dargestellten Richters vorne in der Mitte symbolisiert diese Todsünde, soll doch ein Richter auf Erden maßvoll und nicht neidvoll auf den etwaig erfolgreichen Ausgang eines Urteils für den Betroffenen schielen, denn einst steht auch er vor dem höchsten Richter. Dieser hier erweist sich jedoch als korrupt, denn er hält noch die versiegelten Zeugenaussagen in der Hand.

Völlerei (Maßlosigkeit)

Links vor der Höllenküche sitzt an einem langen Tisch ein dicker Mann, der von einem Dämon mit Schmetterlingsflügeln festgehalten und von einem roten Teufel zwangsernährt wird. Aus einem riesigen grünen Fass rinnt unaufhörlich ekeliger Saft in den gierig aufgerissenen Schlund des Sünders, gewürzt noch durch den Kot eines Teufels, zielsicher durch das vergitterte Fenster der Hütte in den Trichter oben am Fass gespritzt. Dahinter sieht man eine Dämonin in Hausfrauenkleidung, den Schaumlöffel an der Schürze, mit einer Handmühle. Aus Körperteilen von Sündern presst sie roten Brei, wohl den nächsten Gang für den maßlos Völlernden.

Hochmut (Eitelkeit)

Die Fußklappern des blauen Wesens geben den Takt, gespielt wird auf der Nasenflöte, ein gorillaartiger Dämon zupft die Laute – am Dach der Hexenküche wird getanzt. Die blondgelockte Maid gab sich wohl viel eitlen Festen und modischem Tand hin. Doch wird hier ihr Kostüm lediglich von einem spinnenbeinigen Amphibienwesen gebildet, das sich an ihrem nackten Körper schmiegt. Dafür ist ihr Galan mit burgundischem Hofprunk angetan, wenngleich der Diamantbesetzte schwarze Samtmantel um den Hals eines Feuer atmenden Drachen gebunden ist. Doch scheint der Drache nicht nur Tanzschritte im Sinn zu haben, denn er trägt eine mannshohe Kerze mit sich – die Brautfackel?

Wollust

Gleich neben dem ungleichen Tanzpaar und ihren dämonischen Musikanten steht ein großes rotes Bett, auf dem sich die Personifikation der Lust nicht unbedingt bequem machen konnte, bettet sie doch ihr Haupt an ein schuppig und stachelig aussehendes Wesen. Dazu drängt sie eine schwarze Dämonin mit dem Doppelspitzhut, damals ein Zeichen der Bordellvorsteherin, dem gerade das Bett erkletternden schleimigen Amphibienwesen entgegen.

Faulheit

Zentral auf der Mitteltafel sind zwei krugartige Behausungen zu sehen. Vor der blauen Dämonenhütte müssen die faulen Seelen sinnlose Tretmühlen antreiben, innen zur vermehrten Qual mit Dornen und Stacheln besetzt. Noch schlimmer geht es jenen, die von den beiden Teufelsschmieden in Kutten im Mittelgrund der Tafel gefoltert werden. Ihnen werden glühende Hufeisen auf die untätigen Füße und weichgesessenen Hinterteile genagelt. Damit die Eisen glühen, wird fleißig mit Sündern nachgelegt und ständig muss das Feuer von den Darmwinden der rechts Kauernden angefacht werden.

Diese und viele weitere solche Szenen spielen sich vor einem Ausblick in eine düstere Landschaft ab. In Sümpfen versinken ganze Gruppen von Menschen, brennende Schiffe kentern in dunklen Fluten, und dazwischen finden sich immer wieder in Flammen stehende Gebäude oder Städte, wo im Widerschein des grellen Feuers Dämonen den Seelen nachjagen. So beängstigend die Szenerien und Wesen, die uns Bosch hier präsentiert, auch sein mögen, die dargestellten Menschen zeigen selbst bei den grausamsten Folterungen keinerlei Emotion, keinen Schmerz, keine Angst. Die Menschheit dürfte noch nicht die Erkenntnis besitzen, dass ihr sündhaftes Treiben Konsequenzen haben wird, und dass ihnen das letzte Gericht vor Gott schon sehr nah ist.

Rechter Flügel: Der Höllenfürst und die Bestrafung der Sünder

Nahtlos scheint die Mitteltafel in den rechten, den Höllen-Flügel überzugehen. Die mit schwarzen Kröten umrandete Unterweltspforte ist zu sehen, hier thront der Höllenfürst Luzifer. Wie eine schwarze Ratte sieht er aus, fletscht die Zähne und hat sich mit einem grünen Umhang und Turban ausstaffiert. Dämonische Wesen und schreckliche Teufel zerren die Seelen herbei, nun wehren sich die Menschen, weinen, schreien, wollen entfliehen – doch es hilft alles nichts. Das Gericht ist gehalten, die Strafe steht fest – und sie ist ewig. Die Erkenntnis, dass man ein sündhaftes Leben geführt und somit hätte rechtzeitig Abbitte leisten sollen, kommt nun zu spät. Und so ist auch kein Lichtblick mehr auf diesem Flügel zu finden, lediglich die Höllenfeuer brennen und werfen gespenstische Schatten auf die gemarterten Unglücklichen und die grausigen Teufelsmaschinen.

Himmlisches Jerusalem und ewiges Paradies

Gibt es auf Bosch's Weltgerichtstriptychon keine Gerechten, keine Guten? Keinen einzigen Menschen, der in den Himmel kommen wird? Auf den ersten Blick scheint es so. Eine durch und durch sündige Menschheit, umgeben von Teufeln und Hexen, ist dargestellt. So scheint es nahezu logisch, dass Bosch den linken Flügel dem Garten Eden widmet, und gar nicht erst das Himmlische Jerusalem zeigt, wäre es seiner Interpretation nach ja ohnehin leer. Dennoch ist das Werk nicht gänzlich düster und ohne Hoffnung: im linken, oberen Eck der Mitteltafel findet sich ein Sonnenloch in der Wolkendecke, und kaum sind die wenigen, ätherischen Wesen zu erkennen, die von Engeln begleitet auf das Licht zu schweben. Wenige, sehr wenige, denen es gelungen scheint, die Reinheit ihrer Seele zu bewahren und dafür mit dem Platz an der Seite Gottes belohnt zu werden. So lässt uns Bosch doch etwas Hoffnung, mag sie auch verschwindend gering sein.

Auch die damaligen Auftraggeber des „Wiener Weltgerichts“, wer immer sie gewesen sein mögen, versuchten durch diese Stiftung ein besseres Los im Jenseits zu erlangen. Somit ist der gesamte Altar Ausdruck der Hoffnung auf ein Weiterleben nach dem Tod in Seligkeit.

Verwendete Literatur

  • Renate Trnek, Die Gemäldegalerie der Akademie der bildenden Künste: Die Sammlung im Überblick, Wien 1997.
  • Jos Koldeweij; Paul Vandenbroeck; Bernard Vermet, Hieronymus Bosch: Das Gesamtwerk, 2001.
  • Walter Bosing, Bosch: Sämtliche Gemälde, 2010.
  • Bosch Research And Conservation Project (Hg.), Hieronymus Bosch, Maler und Zeichner. Catalogue raisonné, Stuttgart 2016.

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  1. Zitiert nach Catalog raisonné, S. 295.
  2. Bosch Research And Conservation Project (Hg.), Hieronymus Bosch, Maler und Zeichner. Catalogue raisonné, Stuttgart 2016, S. 290.
Johannes Karel
Kunsthistoriker, Mitarbeiter der MA 7 - Kunst- und Kulturabteilung der Stadt Wien.