Lotte Reiniger: dt. Pionierin des Trickfilms der Moderne | ARTinWORDS edf8329we baji999 app download baji999 casino baji999 live sign up baji999 game

Lotte Reiniger

Wer war Lotte Reininger?

Lotte Reiniger (Charlottenburg bei Berlin 2.6.1899–19.6.1981 Dettenhausen), war eine deutsche Scherenschneiderin, Pionierin des Silhouetten-Animationsfilms und Buchillustratorin der Moderne (→ Klassische Moderne). Ihr Silhouettenfilm „Die Abenteuer des Prinzen Achmed“ von 1926 ist der älteste erhaltene, abendfüllende Animationsfilm der Filmgeschichte.

 

Kindheit

Lotte Reiniger wurde als Charlotte Eleonore Elisabeth Reiniger am 2. Juni 1899 in Charlottenburg bei Berlin geboren. Sie wuchs in einem bürgerlichen Milieu in Charlottenburg auf. Die chinesische Kunst des Silhouettenpuppenspiels faszinierte sie schon früh. So fertigte sie ihr erstes Puppentheater an, dessen Zuschauer ihre Familie und Freunde waren.

 

Ausbildung

Als Jugendliche fand Lotte Reiniger die Liebe zum Film. Anfänglich beeindruckten sie Georges Méliès und dessen Spezialeffekte. Dann entdeckte sie die Filme des Schauspielers und Regisseurs Paul Wegener, der sie anregte, am Deutschen Theater in Berlin bei Max Reinhardt Schauspielunterricht zu nehmen. Paul Wegener brachte sie auch an das Institut für Kulturforschung. Dort lernte sie ihren späteren Mann Carl Koch (1892–1963) kennen, den sie am 6. Dezember 1921 heiratete.

 

Werke

Mit „Das Ornament des verliebten Herzens“ entstand im Jahr 1919 Lotte Reinigers erster Film. Sie fotografierte die Animation mit Silhouetten auf einem selbstgebauten Tisch. Eine Glasplatte wird von unten beleuchtet, darauf werden die aus schwarzer Pappe geschnittenen und beweglichen Figuren gelegt. Mit einer über dem Tisch angebrachten Kamera fotografierte sie die Szenen. Die frühen Stummfilme verlangten 16 Aufnahmen je Sekunde.

Paul Wegener baute in seinem Film „Der verlorene Schatten“ (1921) Trickfilmsequenzen von Lotte Reiniger ein. Danach schuf sie Werbefilme für Julius Pinschewer und Märchenverfilmungen wie „Aschenputtel“ (1922) und „Der gestiefelte Kater“ (1934).

In den 1920er-Jahren lernte Reiniger u. a. László Moholy-Nagy, Karl Schmidt-Rottluff, Carl Zuckmayer, Hans Sahl, Fritz Lang und Georg Wilhelm Pabst kennen. Für letzteren stellte sie Trickfilmsequenzen für den Film „Don Quichotte“ (1933) her.

Lotte Reiniger war Teil der Literaturszene um Bertolt Brecht, der ein Stück namens „Der Kaffeesackschmeißer“ mit einer Trickszene plante. Bedingt durch die politischen Veränderungen nach 1933 konnte es jedoch nicht realisiert werden.

 

 

Die Abenteuer des Prinzen Achmed (1926)

Der im Mai 1926 uraufgeführte Animationsfilm „Die Abenteuer des Prinzen Achmed“ gilt als der weltweit älteste noch erhaltene animierte Langfilm. Lediglich zwei argentinische Animationsfilme von Quirino Cristiani erschienen früher, sie sind jedoch verschollen.

Im Jahr 1923 begannen Lotte Reiniger, Carl Koch, Walter Ruttmann und Berthold Bartosch mit der Produktion ihres ersten abendfüllenden Silhouetten-Animationsfilms „Die Abenteuer des Prinzen Achmed“, der wohl zu ihren bekanntesten Werken gehört. Lotte Reiniger schrieb das Storyboard, schnitt die Figuren und Hintergründe und bewegte sie, assistiert von Kardan und Türck. Carl Koch übernahm die Aufnahmeleitung. Walther Ruttmann war Filmexpressionist und Regisseur u.a. von „Berlin, Symphonie einer Großstadt“, er gestaltete die fantastischen Bewegungen im Kampf der Dämonen von Wak-Wak. Der Experimentalfilmer Berthold Bartosch zeichnete für die Wellenbewegungen für den Seesturm verantwortlich. Großzügige finanzielle Unterstützung erfuhren sie von dem jüdischen Bankier Louis Hagen, der dem Film-Team ein Atelier zur Verfügung stand.

Für den Film wurden flache Puppen aus einzelnen ausgeschnittenen Pappteilen mittels Stop-Motion-Verfahren animiert. Insgesamt fertigten Reiniger und ihr Team für den Film etwa 250.000 Einzelbilder an, von denen es aber nur 96.000 in den endgültigen Film schafften; bei einer Abspielgeschwindigkeit von 24 Bildern pro Sekunde ergeben diese eine Projektionsdauer von gut 65 Minuten.

 

Inhalt

Der Silhouettenfilm basiert auf Motiven aus „1001 Nacht“ und erzählt von der abenteuerlichen Reise des Prinzen Achmed, die am Hofe des großen Kalifen beginnt.

Am Tag, als der Geburtstag des großen Kalifen zelebriert wird, erscheint ein Fremder in der Stadt und stellt sein Wunderwerk vor: ein Pferd, das durch die Lüfte fliegen kann. Der Kalif möchte dieses Zauberpferd unbedingt besitzen, aber als Gegengabe soll er seine schöne Tochter Dinarsade dem Hässlichen zur Frau geben. Das erzürnt Dinarsades Bruder Achmed, doch der Zauberer versteht es, den Prinzen auf das Pferd zu locken. So beginnt Achmeds Reise hinauf zu den Sternen. Endlich entdeckt Achmed den Hebel, der das Pferd abwärts treibt, und landet auf der Insel Wak-Wak. Hier lebt die schöne Pari Banu, in die sich Prinz Achmed auf den ersten Blick verliebt und die er entführt. Inzwischen sinnt der Zauberer in der Stadt des Kalifen auf Rache, und schon bald gelingt es ihm ein zweites Mal, dem Prinzen übel mitzuspielen. Er raubt Pari Banu und bietet sie dem Kaiser von China an. Da sie jedoch all seine Annäherungsversuche zurückweist, soll sie zur Strafe mit dem buckligen Hofnarren verheiratet werden. Der nimmermüde Zauberer hat den Prinzen Achmed derweil in eine öde Gegend verschleppt. Doch dort, in einem gewaltigen Felsen, haust die gute Hexe von Flammenberg. Sie ist die Feindin des Zauberers und eilt mit Achmed zum Hof des Kaisers, wo er seine geliebte Pari Banu retten kann.

Bald taucht neues Unglück auf: Die Dämonen von der Zauberinsel Wak-Wak fordern ihre geraubte Herrin zurück und abermals wird Pari Banu entführt. Die Tore von Wak-Wak schließen sich vor dem unglücklichen Prinzen und werden sich nur demjenigen öffnen, der die Wunderlampe Aladins besitzt.
Auf märchenhafte Weise trifft Prinz Achmed vor den Toren auf Aladin und befreit ihn aus den Klauen eines krakenhaften Ungeheuers. Während er Aladins aufregende Geschichte erfährt, stürzt die Hexe herbei mit der Nachricht, dass Pari Banu von den erzürnten Dämonen gepeinigt werde. Achmed und Aladin sind verzweifelt, denn ohne die Kraft der Wunderlampe, die sich mittlerweile in der Hand des Zauberers befindet, können sie nicht nach Wak-Wak gelangen. Es kommt zum entscheidenden Kampf und schließlich besiegt die gute Hexe den bösen Zauberer. Mit der Wunderlampe dringen Achmed, Aladin und die Hexe in Wak-Wak ein. Es gelingt ihnen, Pari Banu aus den Fängen der wilden Dämonen zu befreien, und am Ende kann der trauernde Kalif seine Kinder überglücklich wieder in die Arme schließen.

 

Uraufführung und Wiederentdeckung

Der Film hatte Premiere am 2. Mai 1926 als Matinee-Vorstellung in der Berliner Volksbühne am Bülowplatz:

„Wenn man bedenkt, dass jede der agierenden Figuren in allen ihren Gelenken be­weglich sein muss [...] so kann man sich ungefähr eine Vorstellung da­von machen, welch ein Wunderwerk hier geleistet ist. Aber auf das Technische allein kommt es ja nicht an, die Hauptsache ist, dass der Geist des Märchens hier in der filmischen Bilderfolge aufs Glücklichste neu geboren ist und dass die Welt orientalischer Wunder, fabelhafter Vorgänge und den Mitteln einer an türkischen und japanischen Vorbil­dern geschulten Silhouettenkunst neu geschaffen ist.“ (Filmkurier vom 3.5.1926)

Jean Renoir empfahl den Film in Frankreich, weshalb „Die Abenteuer des Prinzen Achmed“ im Juli 1926 in der Comédie des Champs-Elysées in Paris erstaufgeführt wurde. Im September 1926 war der Film im Berliner Gloria-Palast zu sehen. Im Zweiten Weltkrieg ging das Negativ des Films verloren.

1954 ließ der Filmproduzent Louis Hagen jun./ Primrose Film Productions in London von dem damals einzigen erhaltenen Filmpositiv ein 16mm-Negativ herstellen. Filmrestauratoren des Frankfurter Filmarchivs entdeckten im National Film and Television Archive in London ein für sein Alter von 70 Jahren sehr gut erhaltenes Nitrozellulosepositiv des Films, von dem vermutet wird, dass es eine direkte Kopie des Originalnegativs ist.

Die Originalkomposition für diesen Stummfilm stammt von Wolfgang Zeller und ist in der Library of Congress in Washington erhalten, weshalb sie bei der Restaurierung 1999 durch das Deutsche Filmmuseum wiederhergestellt werden konnte. Bei dieser wurden auch die in den heutigen Fassungen üblichen Zwischentitel eingefügt, die aus der Zensurkarte vom 15. Januar 1926 stammen.

„Die Abenteuer des Prinzen Achmed“ ist stark beeinflusst durch die Formensprache des filmischen Expressionismus, von der sich Lotte Reiniger in ihren folgenden Filmen zugunsten einer stärker an Romantik und Jugendstil orientierten Ästhetik immer mehr löste.

Zu den Bekannten des Ehepaars Reiniger und Koch gehörte auch das Verleger-Ehepaar Else und Günther Wasmuth. Wasmuth gab den Film als Buch heraus.

Hier finden Sie den Link zum ganzen Film → Die Abenteuer des Prinzen Achmed (letzter Aufruf 30.10.2022)

 

Musikfilme

Am Film „Dr. Doolittle und seine Tiere“ (1928) arbeiteten Paul Dessau, Kurt Weill und Paul Hindemith als Komponisten mit. Weitere Musikfilme wie „Harlekin“ (1931), „Carmen“ (1933) und „Papageno“ (1935) folgten.

 

Emigration

Aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten und auch, weil sie mit vielen Juden und Jüdinnen befreundet waren, entschlossen sich Lotte Reiniger und Carl Koch nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten, Deutschland zu verlassen. 1935 gingen sie zunächst nach London. Da sie keine Daueraufenthaltsgenehmigungen erhielten, reisten sie 1943 weiter, mit Stationen in Paris und Rom. Auch hier hatten sie engen Kontakt zu anderen Künstlern.

Mehrere Kapitel von Hugh Loftings „Doktor Dolittle und seine Tiere“ entstanden auf der Grundlage von Loftings eigenen Zeichnungen. Lotte Reiniger stand mit dem Autor in Kontakt. Nach den drei Kurzfilmen „Die Reise nach Afrika“, „Dr. Dolittle in Gefahr“ sowie „In der Höhle des Löwen“ konnte Lotte Reininger aus Geldmangel keine weiteren Arbeiten mehr umsetzten.

Igor Strawinsky erlaubte Lotte Reiniger, ein Stück aus seiner Pulcinella-Suite als musikalischen Hintergrund für einen Silhouettenfilm zu verwenden, und Benjamin Britten schrieb sogar für „The Tocher“ (1936) die Filmmusik. Weitere Kontakte ermöglichten Lotte Reiniger und ihrem Mann die Zusammenarbeit mit Jean Renoir an dem Film „La Marseillaise“ (1937) sowie mit Luchino Visconti.

Zu Weihnachten 1943 kehrte das Ehepaar widerwillig nach Berlin zurück, um sich der kranken Mutter von Reiniger zu widmen. In den Jahren 1944 bis 1947 entstand der Film „Die goldene Gans“.

 

Reife Werke

Von 1945 bis 1948 arbeitete Lotte Reiniger für die Berliner Schattenbühne. So entstanden in Zusammenarbeit mit ihrer Freundin Elsbeth Schulz die Märchen „Brüderchen und Schwesterchen“, „Gestiefelter Kater“ und „Dornröschen“.

Im Jahr 1949 siedelte das Ehepaar nach London in den Vorort New Barnet über. In den folgenden Jahren entstanden Filme für die BBC. Herausragend waren dabei die Verfilmungen von Märchen der Brüder Grimm, Hans Christian Andersen und der Geschichten aus Tausendundeine Nacht in Silhouettentechnik. Für ihren Film „Das tapfere Schneiderlein“ erhielt Lotte Reiniger auf der Biennale in Venedig 1954 (andere Quellen 1955) den „Silbernen Delphin“, den 1. Preis für Kurzfilme. Des Weiteren prägte Lotte Reiniger mit ihren Illustrationen zu einer Neuausgabe der Artus-Saga das englische Lesepublikum. Für Theater in Glasgow und Coventry entstanden zu der Zeit noch Silhouetten-Kurzfilme. 1955 gestaltete sie ihren ersten Silhouettenfilm mit farbigem Hintergrund.

Nach dem Tod von Carl Koch 1963 widmete Lotte Reiniger ihr Interesse Wolfgang Amadeus Mozart (ab 1971). In einem Zyklus von 140 Scherenschnitten setzte sie Motive und Szenen aus Opern wie „Così fan tutte“, „Don Giovanni“, „Figaros Hochzeit“ und „Die Zauberflöte“ (1973) um.

 

Tod

Im Jahr 1979 übersiedelte Lotte Reiniger nach Dettenhausen. Die Pionierin des Trickfilms starb am 19. Juni 1981. Sie wurde zusammen mit der Urne ihres Mannes auf dem örtlichen Friedhof beigesetzt. Eine Gedenktafel erinnert dort an sie.