Fede Galizia

Wer war Fede Galizia?

Fede Galizia (1578–1630) war eine italienische Malerin des Manierismus und des Barock mit Sitz in Mailand (→ Barock). Galizia schuf Stillleben, Porträts und religiöse Historiengemälde. Vor allem ihre Früchtestillleben sind als die frühesten Beispiele dieser Gattung in Europa bekannt. Fede Galizia ist nicht so berühmt wie ihre Zeitgenossinnen Sofonisba Anguissola und Artemisia Gentileschi, vor allem suchte sie nie den Zugang zu einem Hof oder aristokratischen Auftraggebern. Die in Mailand arbeitende Fede Galizia wurde zwar nicht von Herrschern oder der Adeligen protegiert, so erzielte sie doch hohe Anerkennung unter den Gelehrten ihrer Zeit.

Heute sind 63 Werke von Fede Galizia bekannt. In Galizias Œuvre finden sich neben den Porträts einige Historien, religiöse Sujets,
zum Teil große öffentliche Aufträge – was für Künstlerinnen jener Zeit generell bemerkenswert und außergewöhnlich ist.1 Zudem experimentierte sie mit der neuen Gattung des Stilllebens, zu deren allerersten italienischen Vertreter:innen sie zählt.

Kindheit & Ausbildung

Fede Galizia wurde irgendwann vor 1578 als Tochter des Miniaturmalers und Kunsthandwerkers Nunzio Galizia in Mailand geboren, wo sie ihr gesamtes Leben verbrachte. Galizia wurde vermutlich direkt von ihrem Vater unterrichtet, der aus Trient stammte, sich ab den 1570er Jahren in Mailand etablierte und ein Netzwerk in die oberste Gesellschaftsschicht erarbeitete.2 Damit folgte Nunzio Galizia vielleicht dem Beispiel von Sofonisba Anguissola aus Cremona, liegt dieses doch nur 88 Kilometer südöstlich von Mailand.

Im Alter von 12 Jahren erwähnte sie bereits der Kunsttheoretiker Gian Paolo Lomazzo in seinem 1590 herausgegebenen Buch „Idea del tempio della pittura“. In den folgenden Jahren erarbeitete sich das Wunderkind Fede Galizia einen internationalen Ruf als Malerin: 1595 erlangte sie durch ihre Porträtzeichnungen so viel Berühmtheit, dass ihr Name bis zum Hof von Kaiser Rudolf II. vordrang. Der Kontakt dorthin lief über den Mailänder Giuseppe Arcimboldo (um 1526–1593), der ebendort offizieller Hofkünstler Rudolfs II. war.3 Galizias Verbindungen blieben aber stets lose und sie hatte, anders als Anguissola, nie ein festes Hofamt inne. In der Darstellung „Judith mit dem Haupt des Holofernes“ (1596, Ringling Museum of Art, Sarasota Florida) wird ein Selbstporträt der zeitlebens unverheirateten Fede Galizia vermutet.

Für ihren Stil entscheidender als die Ausbildung in der väterlichen Werkstatt war, dass sie sich mit den Werken Alter Meister beschäftigte und diese kopierte. Daher lässt sich Fede Galizia als Vertreterin des Lombardischen Manierismus im späten 16. Jahrhundert einordnen. Dieser hatte Mantua als Zentrum, er war aber international, vor allem in Frankreich geschätzt.

Naturalismus im Porträt

Es könnte sein, dass die Ausbildung bei ihrem Vater die Malerin dazu inspirierte, viele Details und einen naturalistischen Stil zu pflegen. Vor allem ihre Fähigkeit, Stoffe sinnlich wiederzugeben, dürfte Galizia zur beliebten Porträtmalerin gemacht haben. Fede Galizia porträtierte u. a. den Mailänder Gelehrten Paolo Morigia, den Mediziner Ludovico Settala und ihre Eltern.

Im Alter von 18 Jahren malte Galizia das „Porträt Paolo Morigia“ (1596), das eine analytische Qualität hat. Vor allem die Wiedergabe der Reflexion in den Brillengläsern – es ist der Raum zu sehen – lässt sich in die Tradition der naturalistischen, mimetischen Kunst der Renaissance stellen. Die Malerin stellt den General der Jesuiten als Forscher, Schriftsteller und Historiker dar. Er war einer ihrer frühesten Unterstützer und Auftraggeber. Im Porträt ist Paolo Morigia zu sehen, wie er ein Gedicht über das Gemälde verfasst, das von Fede Galizia gerade ausgeführt wird.

Stillleben

Von den 63 bekannten Werken Fede Galizias sind 44 Stillleben. Die Mailänder Künstlerin gehört zu den Pionieren dieser Gattung – und wird auch heute noch am meisten damit in Verbindung gebracht. Das einzige bekannte signierte Stillleben entstand 1602 und ist damit das früheste datierte Stillleben in der italienischen Kunstgeschichte. Erst die Forschung in den Jahren 1963 und 1989 hob diesen Schatz. Dass vor allem weibliche Kunstschaffende, darunter die Römerin Giovanna Garzoni oder Clara Peeters, sich mit dem Stillleben als Thema beschäftigten, darf mit dem fehlenden Zugang zur akademischen Ausbildung für Frauen in Zusammenhang gebracht werden. Ob Fede Galizia Caravaggios „Früchtekorb“ (1595/96, Pinacoteca Ambrosiana, Mailand) kannte, ist nicht geklärt. Sicher ist jedoch, dass der Cremoneser Maler Panfilo Nuvolone (1581–1651) vieles den Stillleben Galizias verdankte.

Im Unterschied zu den Werken ihres Vaters sind detailreicher und lebhafteren Farben. Die meisten Kompositionen sind frontal ausgerichtet und gruppieren Obst und Gemüse um einen mit Früchten gefüllten Korb oder eine Schüssel. Frische Blumen und Insekten spielen ebenfalls wichtige Rollen in den naturalistischen Darstellungen. Verschiedene Obstsorten, manche auch aufgeschnitten, bieten kontrastreiche Oberflächen und Größen.

Fede Galizias Stillleben sind detailreiche, raumschaffende und perfekt ausbalancierte Naturstücke. Ihre Wiedergabequalität von Licht und Schatten, Texturen und Oberflächeneffekten galt zu ihrer Lebzeit als einzigartig. Gleichzeitig schaffte sie es, ihre Früchtestillleben als natürlich und poetisch erscheinen zu lassen.

Historienbilder

In den späteren Jahren wandte sich Fede Galizia Figuren- und Heiligenbildern zu. Ein Hauptwerk aus dieser Zeit ist ein „Noli me tangere“ (Brera, Mailand), das sie 1616 für den Hauptaltar der Kirche Santa Maria Maddalena schuf. Weiterhin bekannt sind ein „Heiliger Karl mit Kreuz“ für die Sant’Antonio Abate in Mailand und zwei Brustbilder von Christus und Maria für den Hochaltar der Certosa di Pavia. Eine „Judith“ von 1601 besitzt die Galleria Borghese in Rom.

Tod

Am 21. Juni 1630 machte Fede Galizia ihr Testament und dürfte kurz darauf der Pest-Epidemie erlegen sein.

Beiträge zu Fede Galizia

Ginevra Cantofoli, Junge Frau in orientalischer Kleidung,detail, 2. Hälfte 17. Jhdt, Öl/Lw, 65 x 50 cm (Padova, Museo d'arte Medioevale e moderna, legato del Conte Leonardo Emo Capodilista, 1864)

Mailand | Palazzo Reale: Italienische Malerinnen des 16. Und 17. Jahrhunderts

Mehr als 150 Werke von 34 Künstlerinnen, die zwischen 1500 und 1600 in Italien lebten, beleuchten auf heterogene Weise Lebens- und Arbeitsbedingungen weiblicher Kunstschaffender. Die berühmtesten Malerinnen dieser Zeit sind Artemisia Gentileschi, Sofonisba Angissola, Lavinia Fontana, Elisabetta Sirani, Giovanna Garzone und Fede Galizia – alle werden in der Mailänder Ausstellung vertreten sein.
  1. Des Weiteren entstanden Kopien nach Werken anderer Künstler sowie Zeichnungen für Kostümentwürfe, Berra 1990, S. 58.
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