Jan Steen

Wer war Jan Steen?

Jan Steen (Leiden um 1626–2./3.2.1679 Leiden) war ein Genremaler des niederländischen Barock. Er zählt zu den bedeutendsten Künstlern des Goldenen Zeitalters. Der produktive und gut bezahlte Steen schuf etwa 800 Gemälde, von denen knapp 350 heute noch bekannt sind. Davon signierte und datierte Jan Steen etwa 40 Bilder. Obschon er nicht viele Schüler hatte, von denen einzig Richard Brakenburgh dokumentiert ist, rezipierten viele Künstler seine Bilder.

Jan Steen war ein Geschichtenerzähler und damit ein Inbegriff des Malers des Goldenen Zeitalters in den Niederlanden. Gründe dafür sind: Er bezog populäre einheimische Sprichwörter und Feiertage in seine Bilder ein und malte am liebsten lebhafte, komische Szenen aus dem Alltag. Am bekanntesten sind Jan Steens moralisierende Genrebilder. Er malte aber auch biblische und mythologische Historien, Porträts und Landschaften. Jan Steen schuf sowohl Groß- wie Kleinformate, sein Malstil changiert zwischen detailreicher Feinmalerei als auch einer Malerei mit offenem, breitem Pinselduktus.

Kindheit und Ausbildung

Jan Havickszoon Steen wurde 1625 oder 1626 als ältester Sohn eines Brauers in Leiden geboren. Er hatte sieben oder mehr Geschwister. Steen kam aus einer katholischen Familie, die seit zwei Generationen die Taverne „Der Rote Halbert“ führte. Da der Maler aus einem gutbürgerlichen Elternhaus stammte, besuchte er die Lateinschule. Jan Steens Onkel gehörte den Rederijkers, einer Rhetoren-Vereinigung, in Leiden an. Mit der engen Verbindung der Familie zu den Rhetoren und Theaterbegeisterten werden Erzählfreude und überspitzte Inszenierungen des Malers in Verbindung gebracht.

Der später als Maler und Wirt arbeitende Künstler war Schüler des deutschen Malers Nikolaus Knüpfer (1603–1660) in Utrecht und von Adriaen van Ostade in Haarlem, der für seine ländlichen Szenen berühmt ist. Weitere Ausbildung erhielt er von Dirck Hals.

Im Jahr 1646 ging Jan Steen an die Universität von Leiden. Zwei Jahre später (1648) war seine Ausbildung abgeschlossen und Jan Steen neben Gabriel Metsu (1629–1667) Mitbegründer der St. Lukas-Gilde in Leiden. Am 3. Oktober 1649 heiratete er Margriet „Grietje“ († 1669), eine Tochter des renommierten Landschaftsmalers Jan van Goyen (1596–1656). Danach zog Jan Steen in das Haus van Goyens auf der Bierkade in Den Haag und arbeitete bei diesem bis 1653.

Familie, Beruf und häufige Umzüge

Ab 1654 leitete Jan Steen die Brauerei „De Slang [Die Schlange]“ in Delft und malte „Ein Bürgermeister von Delft und seine Tochter“. Der Maler war als Brauerei-Leiter allerdings nicht sehr erfolgreich. Deshalb übersiedelte Steen noch im gleichen Jahr nach Leiden, wo er bis 1656 wohnte.

Von 1656/57 bis 1660 lebte Jan Steen in Warmond, nördlich von Leiden, danach war er von 1660 bis 1669/70 wieder in Harlem tätig. Während der zweiten Hälfte der 1650er und in den 1660er Jahren war Jan Steen besonders produktiv und betrieb auch eine Taverne. Nachdem Margriet 1669 und sein Vater 1670 verstorben waren, heiratete Jan Steen im April 1673 die Witwe Maria van Egmont. Ab diesem Zeitpunkt lebte Jan Steen mit seiner Familie wieder in Leiden. Nachdem 1672 der Kunstmarkt kollabierte, bewirtschaftete Steen wiederum eine Schenke.

Im Jahr 1674 wählte ihn die St. Lukas-Gilde zum Präsidenten. Frans van Mieris (1635–1681) wurde in dieser Zeit einer von Steens Zechkumpanen. Bereits Arnold Houbraken berichtete in der ersten Biografie des Malers vom ausgelassenen Trinker. Das seither zu einem Klischee erstarrte Bild des Malers aus einem Kapitel in „De groote schowv- bergh [Das Große Theater]“ (1721) wurde 1996 durch die Archivarbeit von Martin Jan Bok bestätigt.1

Ehefrauen

Jan Steen war zwei Mal verheiratet.

  • Margriet „Grietje“ († 1669): 1. ⚭ 3.10.1649 Margriet war eine Tochter der Landschaftsmalers Jan van Goyen, die ihm acht Kinder schenkte.
  • Maria van Egmont: 2. ⚭ April 1673 Maria von Egmont war die Witwe des benachbarten Buchhändlers Herculens.

Kinder

Jan Steen hatte vermutlich zehn Kinder, von fünf Kindern sind die Namen überliefert:

  • Thadaeus wurde am 6. Februar 1651 in der katholischen Kirche in der Alten Molstraat Den Haag getauft;
  • Eva wurde am 12. Dezember 1653 in der gleichen Kirche getauft.
  • Von Cornelis, Catherine und John sind die Geburtsdaten unbekannt.

Werke

Jan Steen war ein geistreicher und humorvoller holländischer Genremaler, der auch eine scharfe gesellschaftliche Satire nicht scheute. Seine parodistischen Bilder wie etwa „Wie die Alten sungen, so pfeifen es die Jungen“2 (1668–1670, Mauritshuis, Den Haag) sind für mehrdeutige Inhalte bekannt. Indem der Maler das erzählerische Element verstärkte und sich der Aussagekraft der Figuren widmete, bildete die Raumdarstellung lediglich eine Kulisse, um die Stimmung zu verstärken. Zugespitzte, humorvolle Darstellungen einzelner Figuren zw. Szenen dürften vor allem im barocken Theater eine Voraussetzung haben.

Seine frühesten Bilder zeigen Dorfszenen, die Humor und scharfe Beobachtung im Stil von van Adriaen van Ostade verbinden. In Den Haag, wo er bis 1654 lebte, schärfte er seine witzige Herangehensweise an das Dorfleben, während er gleichzeitig für die verschiedenen Moden der Porträtmalerei, der Historien und der Interieurs der Fijnschilder [Feinmaler] empfänglich war. H. Perry Chapman und Mariët Westermann verorten Jan Steen deshalb in der visuellen und ikonografischen Tradition, die von Isaack van Ostade, Thomas Wyck, David Vinckboons und insbesondere Pieter Bruegel der Ältere begründet wurde. Aber auch Nicolaes Maes, der sich 1654 der Genremalerei zuwandte - und zwar dem bürgerlichen Gerne, das in der niederländischen Malerei nach der Jahrhundertmitte das bäuerliche Genre überflügelte - hatte einen wichtigen EInfluss auf die Themenwahl Jan Steens.

Raum und Interieur

Mängel in den Bildern Jan Steens, darunter Irrtümer in der Perspektive und fehlerhafte Raumverhältnisse, werden auf die kurzen Ausbildungszeit des Malers zurückgeführt. Diese Unsicherheiten kompensierte er durch die Vielfalt an Figuren und Erzählmomenten. Die perspektivische Verkürzung des Raumes in „Die verkehrte Welt“ (1663) ist mangelhaft, aber die Staffelung der Figuren und Gegenstände lassen eine gewisse Tiefe des Raumes vermuten. Somit setzte Jan Steen Figuren ein, um dem Raum Dreidimensionalität zu verleihen. Das Gruppengefüge bildet häufig eine bäuerliche Wirtshausszene, wie in dem Werk „Wirtshausgarten“ (1661–1663), ein überfüllter Klassenraum, gleich dem Werk „Die Dorfschule“ (1663/65), oder ein Haushalt, wie in „Die verkehrte Welt“ (1663).

Jan Steen ist bekannt für die Beherrschung von Licht und seine Liebe zum Detail. Das zeigt sich besonders in den gemalten Textilien. Seine Werke zeichnen sich durch die feine Abstimmung der Farben und meisterhafte Behandlung des Helldunkels aus.

Figuren

Die Betonung der Figuren verstärkt sich in Steens letzter Schaffensperiode. Die Komposition wird monumentaler, die Figuren rücken näher an den vorderen Bildrand. Als erfahrener Maler blickt Steen auf ein vielfältiges Œuvre und zitiert in seinem Spätwerk Bildelemente aus früheren Werken. Außerdem eint Steen in seinen Werken vermehrt das breite Bürgertum und bringt dabei die Lebensalter, Gesellschaftsschichten, Jungfräulichkeit und Sexualität in einem Werk zusammen. Die Zusammenkunft gegensätzlicher Stimmungen machen Steens Bilder zu komplexen Bildbotschaften.

Historienmalerei

Der facettenreiche Künstler widmete sich nicht nur der Genremalerei, sondern auch anderen Gattungen, wie beispielsweise der Historienmalerei. Er malte biblische Darstellungen in sittenbildlicher, bisweilen humoristischer Auffassung (Zum Beispiel: Simson unter den Philistern, Verstoßung der Hagar und Hochzeit zu Kana). Etwa ein Fünftel seines Œuvres machen Historiengemälde nach alttestamentarischen, profanen und mythologischen Quellen aus. Steen stellte häufig feiernde Gesellschaften, Hochzeiten oder Bankette dar, in denen er zahlreiche Genreelemente und Stillleben einbaute. Opulente Kleider und üppige Mahlzeiten sind hierfür charakteristisch. Folglich spielen Genreelemente eine dominante Rolle bei seiner Komposition.

Genrebilder

Berühmt ist Jan Steen als Maler von parodistische oder elegante Szenen aus dem mittleren und niederen Bürgerstand, in welchen er große Feinheit und Vielfalt bei der Charakterisierung mit derbem, ausgelassenem, oft groteskem Humor zu verbinden wusste. Seine Darstellung chaotischer häuslicher Szenen fand als feste Redewendung „een huishouden van Jan Stehen“ Eingang in die niederländische Sprache. Er unterlegte seinen figurenreichen Darstellungen oft eine moralische Tendenz oder stellte durch sie ein Sprichwort oder eine allgemeine Wahrheit bildlich dar.

Der aufgelöste Haushalt

Eine beispielhafte Vorstellung eines solchen chaotischen Wohnsitzes zeigt das Gemälde „Der aufgelöste Haushalt“ (um 1663–64, Metropolitan Museum). Jan Steen fungiert in der parodistischen Szene als Patriarch. Er flirtet mit einer Magd, während diese Wein ins Glas der betrunkenen Dame des Hauses einschenkt. In Summe bildet das Genrebild den „Katalog der Lieblingsfehler Hollands“3 ab: Faulheit wird durch die schlafende alte Frau symbolisiert, Begehren vom Vater, Völlerei durch das stillebenartig aufgestellte Essen und den Tabak. Blasphemie vermittelt Steen durch die mit Füßen getretene Bibel. Auf Glücksspiel spielt er mit dem Backgammonbrett ab. Dazu kommen noch persönliche Eitelkeit und mangelhafte Erziehung der Kinder. Symbole für Zwietracht und Katastrophe sind die gerissenen Lautenschnüre und der überhängende Korb voller Gegenstände, die auf Armut, Unglück und Krankheit hinweisen. Die Katze stürzt sich auf einen angeschnitten Schinken, der am Boden liegt. Daneben findet man noch eine zerbrochene Flasche, und die Warnung vor der Vergänglichkeit dieses luxuriösen Lebensstils in Form der Taschenuhr. Im Hintergrund verscheucht ein Junge einen Bettler am Fenster. Das erinnert an das Gleichnis vom reichen Mann und Lazarus (Lukas 16: 19–31), in dem ein Bettler vom Bankett eines reichen Mannes vertrieben wird. Der Freude, ungeordnetes Verhalten darzustellen, trifft auf mannigfaltige Hinweise, dieser Lebenshaltung mit Vorsicht zu begegnen.

Der offenkundige Realismus Jan Steens darf deshalb – und das gilt für die gesamte niederländische Malerei des 17. Jahrhunderts – nicht gleichgesetzt werden mit einer realistischen Wiedergabe des Gesehenen. Stattdessen handelt es sich um Sitten- und Gesellschaftsbilder, die unabhängig von literarischen Traditionen (wie Mythologie, Religion, Historie) die „conditio humana“ sichtbar machen. Jan Steen stellte „die Leute“ mit all ihren Verfehlungen dar, um allegorische und didaktische Zwecke zu verfolgen.

Jan Steen und Rembrandt

Jan Steen stand in einer respektvollen Rivalität mit Rembrandt van Rijn und rezipierte in der „Dorfhochzeit“ (Den Haag, Mauritshuis, Inv. 664) von 1653 als einer der ersten dessen berühmtes „Hundertguldenblatt“ (um 1649), wie Amy Golahny 2017 herausgearbeitet hat.4 Steen verwandelte düstere und kranke Figuren aus der Radierung in wild verspielte, scherzhafte oder betrunkene Teilnehmer an der Farce eines Heiratsrituals. Als Steen das ernste biblische Thema, der lehrende Christus umgeben von Zuhörern in dramatischem Helldunkel, in eine komische Dorfhochzeit verwandelte, entfernte er sich von der allgemeinen Ehrfurcht vor dem Druck.

Tod

Im Alter von 52 oder 53 Jahren starb Jan Steen am 2. oder 3. Februar 1679 in Leiden. Er wurde am 3. Februar im Familiengrab in der Pieterskerk beigesetzt.

Literatur zu Jan Steen

  • Amy Golahny, Early Reception of Rembrandt’s Hundred Guilder Print: Jan Steen’s Emulation, in: Journal of Historians of Netherlandish Art, Bd. 9.1 (Winter 2017).
  • Katja Kleinert, Maria Reimelt, Ein komplexer Malprozeß mit ikonographischen Konsequenzen: Zur Bildgenese des Werkes „Wie die Alten sungen, zwitschern auch die Jungen“ von Jan Steen in der Gemäldegalerie Berlin, in: Jahrbuch der Berliner Museen, Bd. 50 (2008), S. 79–105.
  • Sabine Burbaum, Kunst-Epochen. Barock. Band 8, Stuttgart 2003.
  • Der Glanz des Goldenen Jahrhunderts. Holländische Kunst des 17. Jahrhunderts. Gemälde, Bildhauerkunst und Kunstgewerbe (Ausst.-Kat. Rijksmuseum, Amsterdam, 15.4.–17.9.2000), Amsterdam 2000.
  • Wouter Kloek, Een huishouden van Jan Steen. Uitgeverij Verloren, Hilversum 1998.
  • Perry Chapman, Wouter Th. Kloek und Arthur K. Wheelock, Jan Steen. Maler und Erzähler (Ausst.-Kat. The National Gallery of Art, Washington, D.C.; Rijksmuseum, Amsterdam ), Stuttgart/Zürich 1996.
    • Mit Beiträgen von Martin Bijl, Marten Jan Bok, Eddy de Jongh, Lyckle de Vries und Mariët Westermann
    • Rezension: Larry Silver, in: The Sixteenth Century Journal , Bd. 28, Nr. 2 (Sommer, 1997), S. 699–700.
  • Mariët Westermann, The Amusements of Jan Steen, Zwolle 1997.
  • Peter C. Sutton, Von Frans Hals bis Vermeer. Meisterwerke holländischer Genremalerei. Philadelphia/Berlin 1984.
  • Graham Smith, Jan Steen and Raphael, in: Burlington Magazine, Bd. 123 (1981), S. 58–60.
  • Baruch D. Kirschenbaum. The religious and historical paintings of Jan Steen, New York 1977.
  • Joseph Eduard Wessely, Steen, Jan, in: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 35, Leipzig 1893, S. 544 f.
  • Steen, in: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Band 15, Leipzig/Wien 1885–1892, S. 253.
  • Tobias van Westrheene, Jan Steen: Etude sur l’art en Hollande. La Haye 1856.

Alle Beiträge zu Jan Steen

  1. Jan Steen setzte das populäre Thema in 13 Varianten um. Eine weitere befindet sich in der Gemäldegalerie Berlin.
  2. Walter Liedtke, Dutch Paintings in The Metropolitan Museum of Art. New York, 2007, Bd. 1, S. 38, 254, 470; Bd. 2, S. 841–844, Nr. 196.
  3. Amy Golahny, Early Reception of Rembrandt’s Hundred Guilder Print: Jan Steen’s Emulation, in: Journal of Historians of Netherlandish Art, Bd. 9.1 (Winter 2017).