Im Herbst/Winter 2021/22 überlässt die Fondation Louis Vuitton für fünf Monate die gesamte Galerie den Meisterwerken aus der Sammlung der Brüder Michail Abramowitsch Morosow (1870–1903) und Ivan Abramowitsch Morosow (1871–1921). Die beiden bedeutenden Sammler waren nur kurz aktiv: Michail sammelte etwa fünf Jahre und sein jüngerer Bruder knapp zehn. Gemeinsam trugen sie jedoch um 1900 in Moskau eine der weltweit außergewöhnlichsten Kollektionen der französischen Moderne zusammen. Die Sammlung Morosow bietet ein Feuerwerk an französischer und russischer Kunst vom Impressionismus bis zum Postimpressionismus, von den Nabis zum Fauvismus: Hauptwerke von Claude Monet, Vincent van Gogh, Pierre Bonnard, Henri Matisse, aber auch von Konstantin Korowin, Valentin Serow und Natalja Gontscharowa!
Frankreich | Paris: Fondation Louis Vuitton
22.9.2021 – 22.2.2022
verlängert bis 3.4.2022
Ende des 18. Jahrhunderts waren die Morosow noch Leibeigene gewesen. Nachdem sich der Dynastiegründer mit fünf Rubel freigekauft hatte, gründete er eine Bandfabrik, die ihm rasch ermöglichte, die gesamte Familie freizukaufen und im 19. Jahrhundert einen rasanten gesellschaftlichen Aufstieg zu bewerkstelligen. Varvara Morosowa, die Mutter der Kunstsammler, führte einen Salon in Moskau, in dem sich Schriftsteller, Künstler:innen und Intellektuelle trafen. Die Brüder Morosow wuchsen in einem wohltätigen und kunstliebenden Elternhaus auf, erhielten als Kinder Zeichenunterricht vom russischen Impressionisten Konstantin Korowin. Dessen Einfluss ist wohl (auch) zu verdanken, dass sich die Moskauer Sammler – neben Schtschukin – sich der französischen Avantgarde öffneten. Michail Morosow war Historiker, Journalist, Romancier, Prasser und Dandy; er erbte die elterlichen Millionen schon mit 21 Jahren.
Die Brüder Morosowhatten bereits in ihrer Jugend Kontakte zu russischen Künstlern aufgenommen, zu Korowin, Valentin Serow, Levitan und Paternak. Auch im Kaiserreich Russland strebten Maler nach mehr künstlerischer Freiheit und hatten sich an ihren französischen Kollegen und deren Werken inspirieren lassen. Als Claude Monet mit „Frau im Garten“ (1866) im Jahr 1898 erstmals in Moskau ausgestellt wurde (im Museum von Piotr Ivanowitsch Schukin), war der Bann gebrochen.
Michail Morosow vertraute ab Ende der 1890er Jahre auf die Beratung der wichtigsten Pariser Kunsthändler: Paul Durand-Ruel, Ambroise Vollard, Georges Bernheim, Eugène Druet, Daniel-Henry Kahnweiler. Mit ihrer Hilfe trugen er – und nach seinem frühen Tod 1903 sein Bruder Iwan – mehr als 250 Gemälde und Skulpturen der westlichen Moderne zusammen, die für die Kunst vom Impressionismus bis zum Postimpressionismus und Fauvismus stehen. Pierre-Auguste Renoir, Edgar Degas, Claude Monet, Paul Cézanne, Henri Matisse, Albert Marquet, André Derain oder Pablo Picasso sowie monumentale Dekorationsserien von Pierre Bonnard und Maurice Denis oder Bronzen von Auguste Rodin, Camille Claudel und Aristide Maillol nannten sie ihr Eigen. Auch den Nachimpressionisten Paul Gauguin und Vincent van Gogh galt Mihail Morosows Interesse. Laut Kostenewitsch entdeckte er Paul Gauguin noch vor dem befreundeten und um eine Generation älteren Konkurrenten Schtschukin. Michails Witwe folgte dem Letzten Willen ihres Mannes 1910 und schenkte seine Sammlung von ehemals 39 französischen und 44 russischen Werken der Tretjakow-Galerie in Moskau.
Michail Morosow interessierte sich zuerst für die Impressionisten und sprang dann zu Vincent van Gogh, Paul Gauguin, die Nabis. Er sammelte nur nicht zum eigenen Vergnügen, sondern stellte die Gemälde im hellsten Raum seines Hauses in der Pretschistenka Straße aus. Als er 1903 verstarb, setzte sein Bruder Ivan dort ein, wo er geendet hatte, und ergänzte die Sammlung um Werke sowohl von französischen wie auch russischen Malern.1 Daher werden in der Fondation Louis Vuitton den westeuropäischen Werke jenen der russischen Moderne gegenübergestellt: Michail Wrubel, Marc Chagall, Kasimir Malewitsch, Ilja Repin, Michail Larionov, Valentin Serow u.v.m. sind zu sehen.
Iwan Morosow hat Chemie in der Schweiz studiert; er gilt als der „reserviertere“ der beiden Morosow-Brüder, war talentierter Maler und „Sammler-Kurator“. Der seit 1900 in Moskau ansässige Industrielle reiste zu den Frühjahrs- und Herbstsalons nach Paris, um sich mit den neuesten Tendenzen der französischen Kunst vertraut zu machen. Daneben prägten auch die Privatsammlungen von Jacques Rouché, Baron Denys Cochin und Auguste Pellerin seinen Kunstgeschmack.
Iwan Morosow sammelte nur zehn Jahre von 1904 bis 1914. Ab 1907 wandte er sich Monet, erstmals Bonnard und Gauguin zu, Maurice Denis beauftragte er mit den großformatigen Dekorationen „Geschichte der Psyche“ für sein Musikzimmer. Am Herbstsalon 1907 entdeckte er Paul Cézanne. Iwan Morosow war es, der in der Galerie Vollard Picassos „Umgepflügte Erde“ erwarb. Sein erster Monet war „Waterloo Bridge“, und von Paul Cézanne trug er 18 Gemälde zusammen. Ansichten vom (Nacht-)Café in Arles besaß Iwan Morosow in den Gemälden von Vincent van Gogh und Paul Gauguin. Ins Atelier von Matisse führt ihn Sergei Schtschukin, der 1910 die radikalere Version von „La Danse“ erwarb und damit die Bourgeoisie in Frankreich und in Russland schockierte. Zu den letzten Erwerbungen von Iwan Morosow gehörten noch Skulpturen von Camille Claudel.
Darüber hinaus bemühten sich die Brüder Morosow auch um die zeitgenössische russische Kunst, indem sie 430 Gemälde der russischen Moderne zusammentrugen, die von Künstlern der realistischen Bewegungen – darunter die berühmten „Wanderer“ – zu Symbolismus, Impressionismus und Postimpressionismus führte: Wroubel, Korowin, Golowin, Serow, Utkin, aber auch Larionow, Mashkov, Kontchalowski, Sarian oder Konenkow. Sergei Winogradow, Konstantin Korowin und Valentin Serow sind nicht nur als Maler in der Sammlung zu entdecken, sondern halfen sie durch ihre Expertise auch zu formen.
Nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs lagerte Iwan Morosow seine Werke ein. Mitte 1918 konfiszierte der Russische Staat seine Industrieanlagen und Ende des Jahres seine Privatsammlung. Ende April/Anfang Mai 1919 flüchtete Morosow mit seiner Familie über Petrograd (heute. St. Petersburg) nach Finnland und weiter in die Schweiz bzw. Deutschland. Seine Sammlung ließ er in den Händen von Boris Ternowets zurück.
Ihre 1918 verstaatlichten Sammlungen ermöglichten die Errichtung des ersten Museums für Moderne Kunst der Welt: das National Museum of Western Modern Art – GMNZI 1923 in der ehemaligen Villa von Iwan Morosow in Moskau. Von den 1930er Jahren bis 1948 wurden ihre Schätze nach und nach auf die öffentlichen russischen Museen aufgeteilt: Heute befinden sich die Werke aus der ehemaligen Sammlung Morosow in so renommierten Häusern wie der Staatlichen Eremitage, dem Puschkin-Museum und der Tretjakow-Galerie.
„Die Sammlung Morosow“ in der Louis Vuitton Foundation wird in allen Räumen des Gebäudes von Frank Gehry präsentiert und vereint 200 Meisterwerke französischer und russischer Künstler:innen, die zu den bekanntesten dieser Sammlung zählen: Manet, Rodin, Monet, Pissarro, Lautrec, Renoir, Sisley, Cézanne, Gauguin, Van Gogh, Bonnard, Denis, Maillol, Matisse, Marquet, Vlaminck, Derain und Picasso neben Repin, Wrubel, Korowin, Golowin, Serow, Larionow, Gontscharowa, Malewitsch, Machkow, Kontschalowski, Utkin, Sarian oder Konenkow.
Zu den hervorzuhebenden Zimelien der Schau gehört u.a. die Dekoration des Musikzimmers aus dem Moskauer Herrenhauses von Iwan Morozow. Das monumentale dekorative Ensemble besteht aus sieben Tafeln, die 1907 von Iwan Morozow bei Maurice Denis zum Thema der Geschichte der Psyche (1908–1909) in Auftrag gegeben wurden. Diese Gemälde und vier von Aristide Maillol geschaffene Skulpturen werden zum ersten und einzigen Mal außerhalb der Eremitage in einer spezifischen Szenografie am Ende der Morosow-Ausstellung präsentiert.
Die Ausstellung entsteht in Zusammenarbeit mit der Staatlichen Eremitage, dem Puschkin Museum und die Tretjakow Galerie. Die Sammlung der Brüder Morosow wird in Paris zum ersten Mal außerhalb Russlands gezeigt. Konzipiert von Anne Baldassari, Generalkuratorin, soll die Ausstellung erstaunliche Entdeckungen und unvergessliche Emotionen bergen. Es wird sich in einer originellen Museografie entfalten, die historische Bezüge und Zeitlosigkeit von Werken heraufbeschwört, die für die aufkommende künstlerische Moderne des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts sinnbildlich sind.
Die Morosow-Ausstellung in der Fondation Louis Vuitton versammelt 30 französisch-europäische und 15 russische Künstler:innen in Paris. Die Leihgaben kommen hauptsächlich aus den drei berühmten Museen Eremitage, St. Petersburg, Puschkin Museum und der Tretjakow Galery in Moskau.
Boris Anisfeld | Pierre Bonnard | Paul Cézanne | Camille Claudel | Jean-Baptiste Corot | Edgar Degas Maurice Denis | André Derain | Emile Othon Friesz | Akseli Gallen-Kallela | Paul Gauguin | Alexandre Golowin | Natalija Gontscharowa | Charles Guerin | Sergei Konenkow | Piotr Kontschalowski | Konstantin Korowin | Mikhail Larionow | Ilia Machkow | Aristide Maillol | Konstantin Makowski | Kasimir Malewitsch | Édouard Manet | Henri Charles Manguin | Georges Manzana-Pissarro | Albert Marquet | Henri Matisse | Dimitri Melnikow | Claude Monet | Edvard Munch | Piotr Outkine | Pablo Picasso | Camille Pissarro | Jean Puy | Pierre-Auguste Renoir | Ilja Repin | Auguste Rodin | Ker-Xavier Roussel | Martiros Saryan | Valentin Serow | Alfred Sisley | Henri de Toulouse-Lautrec | Louis Valtat | Vincent van Gogh | Maurice de Vlaminck | Mikhail Wroubel | Anders Zorn