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Jan van Scorel Niederländischer Maler der Hochrenaissance

Jan van Scorel, Maria Magdalena, um 1530, Öl auf Holz, 66.3 × 76 cm (Rijksmuseum, Amsterdam)

Jan van Scorel, Maria Magdalena, um 1530, Öl auf Holz, 66.3 × 76 cm (Rijksmuseum, Amsterdam)

Wer war Jan van Scorel?

Jan van Scorel (Schoorl 1.8.1495–6.12.1562 Utrecht) wurde am 1. August 1495 in nordwestlich von Alkmaar als Sohn des Priesters Andries Ouckeyn und der Dieuwer Aertsdr geboren, berichtet sein Biograf Karel van Mander. Karel van Mander preist Scorel für dessen Italienreise, von der er mit einer „neuen und schöneren Art des Malens” zurückgekehrt sei. Bis heute ist Scorel als Maler der Renaissance in den Niederlanden und für den breiten Einfluss seines italianisanten Stils nördlich der Alpen berühmt, diesen gab er u.a. an Maarten van Heemskerck weiter.

Kindheit

Jan van Scorel (1495–1562) wurde am 1. August 1495 in Schoorl nordwestlich von Alkmaar als Sohn des Priesters Andries Ouckeyn und der Dieuwer Aertsdr geboren, berichtet sein Biograf Karel van Mander.

Ausbildung und Reisen

Es wäre möglich, dass Jan van Scorel seine Ausbildung in Alkmaar oder Haarlem begonnen hätte, aber keiner dieser Vorschläge konnte bislang dokumentarisch belegt werden. Van Manders Hinweis ist glaubwürdiger, wenn dieser über die weitere Ausbildung berichtet: Nachdem Jan van Scorel die Lateinschule in Alkmaar besucht hätte, wäre Scorel um 1512 nach Amsterdam übersiedelt, wo er ein Assistent in Jacob Cornelisz van Oostsanens Atelier geworden wäre. Van Mander weiß auch zu berichten, dass Scorel kurz bei Jan Gossaert gelernt habe. Gossaert übersiedelte nach Utrecht, nachdem sein Schutzherr, Philipp von Burgund, 1517 zum Bischof gewählt worden war.

Um 1518/19 verließ Jan van Scorel die Niederlande, um eine lange Reise anzutreten: Karel van Mander beschreibt diese im Detail und erzählt, Jan van Scorel hätte sich in Venedig, im Heiligen Land und Rom aufgehalten.

Jan van Scorel in Rom

Scorels Aufenthalte in Venedig wie Rome können als Fortsetzung seiner Ausbildung bezeichnet werden, da er tiefgreifend von seiner neuen künstlerischen Umgebung beeinflusst wurde. Um 1520 dürfte er von seiner Pilgerreise nach Jerusalem nach Venedig zurückgekehrt sein. Scorel malte einige Porträts und Landschaften in der Lagungenstadt. Dass er die Reise nach Rom antrat, könnte mit der Wahl des Utrechter Adriaan Florisz Boeyens (1459–1523) zu Papst Hadrian VI. im Januar 1522 zu tun gehabt haben. Erneut nach Van Mander berief Hadrian VI. Jan van Scorel als Nachfolger Raffaels zum Aufseher der Vatikanischen Sammlungen im Belvedere. Damit hatte der niederländische Maler nicht nur Zugang zu den antiken Statuen, sondern er durfte auch Zeichnungen nach Werken von Raffael (1483–1520), Michelangelo Buonarroti und anderen italienischen Meistern anfertigen. Da Hadrian VI. dem vielversprechenden Maler die Erhebung in den Kanonikerstand in Utrecht ermöglichte und bereits 1523 verstarb, kehrte Jan van Scorel 1524 in seine Heimat zurück und ließ sich in Utrecht nieder.

Werke

Jan van Scorels Werk wird heute auf 60 Gemälde, zwischen 20 und 25 Zeichnungen sowie sechs Entwürfe für Druckgrafiken eingegrenzt. Wie für das Leben ist auch für die Rekonstruktion von Jan van Scorels Werk Karel van Manders Biografie des Künstlers die wichtigste Quelle. Während seiner frühen Reisejahre, so berichtet der niederländische Kunstschriftsteller, arbeitete Jan van Scorel für den Adel in Kärnten (Österreich). Hier signierte und datierte Scorel 1519 den Altar der hl. Sippe, den er vermutlich für den Kaiserlichen Feldhauptmann Christoph Frangipani und dessen Frau Apollonia Lang von Wellenburg geschaffen hat. Auf die beiden Auftraggeber verweisen die flankierenden Heiligen: der heilige Christophorus und die heilige Apollonia.

Einzug Christi in Jerusalem, das Lokhorst-Triptychon

Nach mehreren Jahren des Reisens kehrte Jan van Scorel 1525 nach Utrecht zurück und wohnte bei Herman van Lokhorst, dem Vorsteher der Salvator Kirche, Kanoniker der Domkirche und Kommandant der Ritter des hl. Johannes (1514–1542). Um 1526 beauftragte ihn sein Vermieter mit einem Triptychon, das den Einzug Christi in Jerusalem zeigt (Centraal Museum, Utrecht). Mit dem dreiteiligen Werk schuf Jan van Scorel eines der wichtigsten Werke der italianisanten, niederländischen Renaissance und Topografie des frühen 16. Jahrhunderts. Hier konnte er nicht nur Erfahrungen aus dem Heiligen Land verarbeiten, sondern präsentierte sich als Schüler der römischen Hochrenaissance: Die Diagonalkomposition auf der Mitteltafel übernahm er von Michelangelos „Flut“ in der Decke der Sixtina (1508–1512), während die Figuren den Einfluss von Raffaels Werken zeigen. Die lateinische Beschriftung lässt darauf schließen, dass Herman van Lokhorst die Familiengruft im Dom restaurieren lassen wollte. Die auf den Seitenflügel des Triptychons dargestellten Heiligen – Agnes, Papst Cornelius, Abt Antonius, Sebastian, Gertrud von Nivelles und Christopherus – sollten vor der Pest, Fieber und dem plötzlichen Tod schützen. Die hl. Agnes steht zudem für Reinheit, was den Einzug Christi in Jerusalem zum Symbol für den Eintritt der reinen Seele in das Himmlische Jerusalem macht.

Scorel in Haarlem

Zwischen 1527 und 1530 lebte Jan van Scorel in Haarlem, wo er von Simon van Sanen, Kommander der Johannesritter aufgenommen wurde. In dieser Phase führte Scorel einige seiner wichtigsten Werke aus: „Die Taufe Christi“, „Adam und Eva“ (Frans Hals Museum) sowie „Maria Magdalena“ (Rijksmuseum). In Haarlem entwickelte Jan van Scorel jenes Repertoire an Themen, das ihn immer bedeutendere Aufträge verschaffte. Für die Oude Kerk in Amsterdam malte er einen heute verlorenen Kreuzigungsaltar. Die finanziellen Möglichkeiten erlaubten Scorel, ein Haus zu mieten und Mitarbeiter einzustellen. Gleichzeitig etablierte sich Scorel auch als Porträtist, der anstelle eines dunklen und bildparallel abschließenden Hintergrundes seine Bildnisse zunehmend auch vor Landschaften positionierte. Zu seinen bedeutendsten Schülern gehörten Maarten van Heemskerck (1498–1574), der Porträtmaler Anthonis Mor (1512/20–1576/77) und natürlich sein eigener Sohn Peter. Ob auch Lambert Sustris (um 1515–nach 1591) in zumindest kurzem Kontakt mit Jan van Scorel stand, ist nicht nachweisbar.

Im September 1530 kehrte Jan van Scorel nach Utrecht zurück. Viele der Werke des Niederländers sind jedoch verloren oder in schlechtem Zustand erhalten wie das Triptychon mit der „Auffindung des hl. Kreuzes“, das vielleicht Heinrich III. von Nassau-Breda in der Mitte der 1530er Jahre in Auftrag gegeben hatte. Das Spätwerk Scorels zeigt neben bedeutenden Altären (Abtei von Marchiennes um 1540, Hl. Ursula und die 11.000 Jungfrauen, Polyptychon mit den hll. Jakobus dem Älteren und Stephanus) auch alttestamentarische Szenen wie „Landschaft mit Bathseba im Bad” (um 1540–1545, Rijksmuseum).

Kanoniker und Vater

Jan van Scorel war nicht nur Maler, sondern auch Kanoniker. Sein Dienst in der Mariakerk in Utrecht verhinderte zwar eine Heirat, aber sein Testament aus dem Jahr 1537 berichtet, dass er mit Agatha van Schoonhoven als seine Lebensgefährtin zusammenlebte. Die Jahreszahl 1529 auf Scorels herausragendem Porträt von ihr in der Galleria Doria Pamphilij wird als der Beginn ihrer Beziehung gedeutet. Gemeinsam hatte das Paar sechs Kinder, von denen nur Peter Scorel (um 1530–1622) ein Maler wurde. Van Manders Bemerkung, dass Jan van Scorel „sehr vertraut mit den Herren der Niederlande gewesen wäre und diese ihn auch gemocht hätten“, kann man fast als Tiefstapeln bezeichnen. Der Maler baute seit den frühen 1520er Jahren ein einflussreiches Netzwerk in der Kirche auf, beginnend mit Papst Hadrian VI., der den Künstler förderte, als dieser um 1522 in Rom ankam. Zu dem Zirkel um Scorel gehörten auch Herman van Lokhorst, Dekan von Oudmunster, Scorels erster wichtiger Auftraggeber in Utrecht, und weitere Kleriker sowie hohe Würdenträger bei Hof. In den Verhandlungen zu Scorels Erhebung in den Kanonikerstand waren seine Förderer niemand geringerer als der Statthalter Henry III. von Nassau-Breda und Floris von Egmond, die mächtigsten Adeligen am holländischen Hof. Um 1532/33 besuchte Jan van Scorel die Höfe von Breda und Mechelen, wo er den Neo-Lateinischen Dichter Janus Secundus traf, zudem hielt er sich um 1552 am Hof in Brüssel auf. Scorel arbeitete auch für die Stadtverwaltung von Utrecht und erhielt für seine Arbeiten im Rahmen der triumphalen Einzüge von Karl V. (1540) und Philipp II. (1549) Bezahlungen von der Stadt.

Tod

Der niederländische Maler starb am 6. Dezember 1562 in Utrecht und wurde in der Mariakerk begraben, wo ein Grabdenkmal mit einem Porträt Scorels von seinem Schüler Anthonis Mor aufgestellt wurde.

Jan van Scorel: Bilder

  • Jan van Scorel, Frangipani-Altar, 1519 datiert (Pfarrkirche Obervellach, Foto: © Gemeinde Obervellach)
  • Jan van Scorel, Landschaft, um 1519, 20.5 × 15.3 cm (British Museum, London, Inv.-Nr. 1909,0109.7)
  • Jan van Scorel, Landschaft mit Turnier und Jäger, 1519/20, Öl auf Holz, 57.8 × 138.5 cm (Art Institute of Chicago, George F. Harding Collection, 1990.560)
  • Jan van Scorel, Ansicht von Bethlehem, eine Gruppe Ruinen mit dem Konvent der Geburt Christi links, um 1520, Feder, braune Tinte, 17.3 × 29.8 cm (British Museum, London, Inv.-Nr. 1928,0310.100)
  • Jan van Scorel, Papst Hadrian IV., um 1523, Öl auf Holz (Centraal Museum, Utrecht)
  • Jan van Scorel zg., Die sterbende Kleopatra, um 1520–1524, Öl auf Holz, 36.3 × 61.3 cm (Rijksmuseum, Amsterdam)
  • Jan van Scorel, Die Sintflut, um 1524, Holzschnitt auf zwei Blättern, handkoloriert mit Gelb und Weiß, 47.1 x 66.5 cm (Metropolitan Museum New York, Harris Brisbane Dick Fund, 1935)
  • Jan van Scorel, Der Einzug Christi nach Jerusalem (Lokhorst Altar), 1526/27, Öl auf Holz (Centraal Museum, Utrecht)
  • Jan van Scorel, Maria mit Kind, 1528, Öl auf Holz (Gemäldegalerie, Staatliche Museen zu Berlin)
  • Jan van Scorel, Porträt von Agatha van Schoonhoven, 1529, Öl auf Holz, 38.3 x 27.1 cm (Galleria Doria Pamphilij, Rom)
  • Jan van Scorel, Porträt eines Haarlemer Bürgers, 1529, Öl auf Holz, 48.5 × 34.5 cm (Rijksmuseum, Amsterdam)
  • Jan van Scorel, Adam und Eva, 1527–1530, Öl auf Holz, 156 × 121 cm (Frans Hals Museum, Haarlem)
  • Jan van Scorel, Maria Magdalena, um 1530, Öl auf Holz, 66.3 × 76 cm (Rijksmuseum, Amsterdam)
  • Jan van Scorel, Die Flut, um 1530, Öl auf Holz, 109 × 178 cm (Prado, Madrid)
  • Jan van Scorel, Maria mit Kind (Die Madonna mit den Wildrosen), um 1530, Öl auf Holz, 52 × 44 cm (Centraal Museum, Utrecht)
  • Jan van Scorel (Werkstatt), Die Taufe Christi, um 1535, Öl auf Holz, 128 × 98.5 × 8 cm (Rijksmuseum, Amsterdam)
  • Jan van Scorel, Madonna mit den Narzissen und Stiftern, um 1535, Öl auf Holz, 56 × 73 cm (Museo Thyssen-Bornemisza, Madrid)
  • Jan van Scorel, Porträt eines Mannes, um 1535, Öl auf Holz, 65 × 44 cm (Gemäldegalerie, Staatliche Museen zu Berlin)
  • Jan van Scorel, Der gute Samariter, 1537, Öl auf Holz, 74.8 × 86.2 cm (Rijksmuseum, Amsterdam)
  • Jan van Scorel, Porträt von Joris van Egmond, um 1535–1540, auf Holz, 57.2 × 80.8 cm (Rijksmuseum, Amsterdam)
  • Jan van Scorel, Steinigung des hl. Stephanus, vor 1541, Feder, 23,6 × 37,2 cm (Rijksmuseum, Amsterdam)
  • Werkstatt des Jan van Scorel, Steinigung des hl. Stephanus, 1525–1600, Feder, 28,2 × 37,3 cm (Rijksmuseum, Amsterdam)
  • Jan van Scorel, Landschaft mit Bathseba, um 1540–1545, Öl auf Holz, 100.4 × 203.9 cm (Rijksmuseum, Amsterdam)
  • Jan van Scorel, Porträt von Reinoud III von Brederode, um 1545, Öl auf Holz, 78.6 × 67 cm  (Rijksmuseum, Amsterdam)
  • Jan van Scorel, Zwei Flügel eines Altares mit Johannes Baptista und Katharina in Nischen, Mitte 16. Jahrhundert, Feder und braune Tinte, Blatt 20.4 × 16.3 cm (Metropolitan Museum New York, Purchase, Frits and Rita Markus Fund and The Elisha Whittelsey Collection, The Elisha Whittelsey Fund, 2013)
  • Kopie nach Jan van Scorel, Porträt von Cornelis Aerentsz van der Dussen (1481–1556), um 1555–1570 (Rijksmuseum, Amsterdam)
  • Johannes Wierix zg., Porträt des Malers Jan van Scorel, 1572, Kupferstich, 20,7 × 12,6 cm (Rijksmuseum, Amsterdam)

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Alexandra Matzner
Gründerin von ARTinWORDS * 1974 in Linz, Studium der Kunstgeschichte, Geschichte und Romanistik in Wien und Rom. Seit 1999 Kunstvermittlerin in Wien, seit 2004 Autorin für verschiedene Kunstzeitschriften. Jüngste Publiktionen entstanden für das Kunsthaus Zürich, Schirn Kunsthalle Frankfurt, Albertina und Belvedere in Wien.