Jasper Johns
Wer ist Jasper Johns?
Jasper Johns (* 15.5.1930, Augusta, Georgia) ist als Maler von Nummern, Fahnen, Zielscheiben, Landkarten und Glühbirnen in die Kunstgeschichte eingegangen. Mit diesen bekannten und leicht zugänglichen Motiven hatte er ab 1955 eine neue Ikonografie etabliert und den Abstrakten Expressionismus in Richtung Pop Art erweitert. Eine weitere epochale Strategie war John’s verfremdende Aneignung (Appropriation) von Dingen und Symbolen, was seine Kunst auch in das Umfeld von Neo-Dada rückt. Mit Hilfe einer komplexen Textur veränderte Jasper Johns beispielsweise die Darstellung der amerikanischen Flagge in ein expressives Kunstwerk.
„Man hofft, dass etwas, das der Wahrheit ähnelt, ein Gefühl von Leben, ja sogar von Anmut, in dem Werk zumindest flackert.“1 (Jasper Johns 2006)
Jasper John erhielt den Goldenen Löwe der Biennale von Venedig (1988) und ist seit 1989 Ehrenmitglied der Royal Academy of Arts, London. Im Jahr 2011 wurde dem Künstler die Presidential Medal of Freedom verliehen. Der heute in Connecticut arbeitende Johns geht noch immer mit Neugier und Experimentierfreude ans Werk.
Kindheit
Jasper Johns wurde am 15. Mai 1939 in Augusta, Georgia (USA) geboren.
Ausbildung
Johns studierte von 1947 bis 1949 an der University of South Carolina in Columbia und an der Parsons School of Design in New York. Er musste seine Ausbildung für die Absolvierung des Militärdienstes in South Carolina und Japan unterbrechen (1950). Erst nach seiner Rückkehr nach New York 1951 schrieb sich Jasper Johns am Hunter College ein, blieb dem Unterricht jedoch größtenteils fern und arbeitete stattdessen bis 1953 als Buchhändler.
Vom Abstrakten Expressionismus zur Pop Art
Im Jahr 1954 lernte Jasper Johns den Komponisten John Cage und den Choreografen Merce Cunningham kennen, mit denen er später zusammenarbeitete, sowie den Künstler Robert Rauschenberg, mit dem er einige Zeit zusammenwohnte. Der 24-jährige Maler zog nach New York, der Hochburg des Abstrakten Expressionismus und neues Zentrum der globalen Kunstwelt.
Seinen Durchbruch feierte Jasper Johns, nachdem er 1957 Bekanntschaft mit dem Kunsthändler Leo Castelli schloss, der ab 1958 Ausstellungen für Johns organisierte. Alfred Barr. Jr. erwarb ebenfalls bereits 1958 einiger Werke für das Museum of Modern Art in New York.
1954 begann Jasper Johns bekannte Motive wie Nummern, Flaggen, Landkarten und Zielscheiben zu malen. Diese bekannten und dennoch übersehenen „Sujets“ und Alltagsgegenstände ermöglichten ihm einen „Raum, um auf einer anderen Ebene zu arbeiten“. Anstelle auf Figur, Geschichte und Kompositionen achten zu müssten, könnte er sich auf das Material und den Prozess des Malens genauso wie die Mechanismen der Wahrnehmung konzentrieren. Johns' amerikanische Flagge ist keine patriostische Geste, sondern eine Frage an die Malerei selbst: Ist es ein Gemälde, ein Konzept oder eine echte Fahne - oder gar alles in einem?
Für die ersten gemalten Nummern 1955 arbeitete Jasper Johns mit kommerziellen Schablonen. Es war deren Standardisierung und Unpersönlichkeit, die ihm daran gefielen. Anfangs malte er nur einzelne Ziffern, doch im Laufe der Zeit wurden die Kompositionen komplexer. Ab 1959 kombinierte Johns die Ziffern 0 bis 9 miteinander, d.h. malte sie übereinander. 1960/61 führte Jasper Johns elf Gemälde mit übereinander gelagerten Nummern aus, alle tragen den Titel „0 through 9“, also „0 bis 9“ und/oder „0 bis 9“. Damit bezeichnete Johns seine Werke nicht nur als Aufzählung von Ziffern, sondern auch den Wahrnehmungsprozess, d.h. die Nummern durch die darüberliegenden erkennen zu können. Die expressive Malerweise Johns‘, sein Farbeinsatz verunmöglicht jedoch alle Ziffern genau sehen zu können.
„I prefer work that appears to come out of a changing focus – not just one relationship or even a number of them but constantly changing and shifting relationships to things in terms of focus. Often, however, one is very single-minded and pursues one particular point; often one is blind to the fact that there is another way to see what is there.“ (Jasper Johns)
Johns selbst meinte, dass es in seinem Schaffen Ende der 1950er Jahre an Grenzen gestoßen sei, die er überwinden wollte.
„Bei Flaggen und Zielscheiben ist die Position der Farben vorbestimmt. Ich wollte einen Weg finden, Farbe so einzusetzen, dass die Farbe durch eine andere Methode bestimmt wird.“
Mit „False Start“ (Privatsammlung) fand er 1959 eine Lösung für das Problem: Johns stellte expressiven Farbflecken mit Schablonen aufgetragene Farbennamen – in „falschen“ Farben – entgegen. Bild und Text ergänzen und widersprechen einander gleichermaßen. Damit löste sich der Maler vom vorherrschenden Abstrakten Expressionismus und wurde zu einem Vorläufer der Pop Art. Das bei einem Privatverkauft mit 80 Mio. Dollar taxierte Gemälde hat mit „Small False Start“ einen „kleinen Bruder“, der nun offiziell mehr als 55 Mio wert ist. Jasper Johns’ „Small False Start“ spielt mit Sprache und Farbe innerhalb einer komplexen, geschichteten Oberfläche. Darin evoziert die Dissonanz zwischen Text und Bild den ins Konzeptuelle übertragenen Dadaismus von Kurt Schwitters und Hans Arp: Letztendlich widersetzt sich das Gemälde, wie Johns selbst, jeder Kategorisierung.
Landkarten
1960 malte Jasper Johns seine erste Landkarte auf ein kleines Diagramm der USA, das ihn Robert Rauschenberg gegeben hatte. In den folgenden Jahren experimentierte Johns mit Varianten des Landkarten-Motivs, darunter einige monumentale Formate. Dafür setzte er enkaustische Farben ein. Das in Wachs gelöste Pigment ließ sich in durchsichtigen Schichten über die Leinwände streichen, ohne das darunterliegende Papier und die collagierten Stofffetzen gänzlich zu verdecken.
Savarin
Während der 1960er Jahre verarbeitete Jasper Johns Objekte aus seinem Atelier, Abdrucke und Abgüsse in seinen Werken. Während dieser Zeit begann er sich auch mit Druckgrafik zu beschäftigen. Im Jahr 1960 entstanden erste Lithografien für den Grafik- und Buchverlag Universal Limited Art Editions (ULAE). Zudem hatte Jasper Johns eine Soloausstellung im Columbia Museum of Art (South Carolina); ein Jahr später erhielt er in Pittsburgh den Carnegie Prize (1961).
Zu den berühmtesten Werken Johns‘ zählen seine Darstellungen mit dem Titel „Savarin“. Die Serie begann 1960 mit einem Naturabguss von der Savarin-Kaffeebüchse, in der Johns seine Pinsel im Atelier aufbewahrte. Die so genannte „Painted Bronze“ erinnert an die Readymades von Marcel Duchamp, den Jasper Johns sehr bewunderte. Siebzehn Jahre später gestaltete er ein Poster für die Ankündigung seiner Ausstellung im Whitney Museum of American Art.
Die Lithoplatten setzte der Maler 1981 noch einmal ein, um neue Varianten der Lithografie zu machen. Diesmal signierte er sie mit E.M., was für den berühmten symbolistischen Maler und Druckgrafiker Edvard Munch steht. In Anlehnung an dessen Selbstbildnis, in dem er sein Gesicht über einen skelettierten Arm (vielleicht seinen eigenen?) schweben ließ, arbeitete aus Jasper Johns mit diesem Motiv. Er platzierte an den unteren Blattrand einen Hand- bzw. einen Armabdruck. Die mit Pinseln gefüllte Savarin-Dose mutiert so zum Bildnis des Malers Johns und ersetzte dessen Kopf.
Abstraktion der 1970er
Die übereinander gelagerten Symbole, oft mit expressivem, gestischem Pinselduktus ausgeführt, verflüssigten sich in den Siebzigern zu abstrakten Mustern, deren Basis in der Kreuzschraffur liegt.
Vergänglichkeit der 1980er
Das Jahrzehnt von AIDS und Golfkrieg I verarbeitete Jasper Johns in neuen figurativen Bilden, in denen er sich mit Wahrnehmung, Erinnerung, Sexualität und Vergänglichkeit beschäftigte. Er integrierte immer öfter Motive von Matthias Grünewald, Pablo Picasso und Edvard Munch in seine Werke. Die Arbeiten der 1990er Jahre zeigen eine zunehmende Komplexität an Themen und Bezügen, was er in den frühen 2000ern wieder zugunsten einer konzeptuelleren Herangehensweise in der „Catenary“-Serie reduzierte.
Catenary
Jasper Johns war 2000 von der National Gallery London eingeladen an der Ausstellung „Encounters: New Art from Old“ eingeladen. Neben 25 anderen Künstlerinnen und Künstlern beschäftigte sich Johns durch ein Werk aus der Sammlungsausstellung. Jasper Johns wählte das Gemälde „Die Exekution von Maximilian“ (1867/68) des französischen Malers Edouard Manet.
Manet hatte sich in seinem modernen Historiengemälde mit einem zeitgenössischen Ereignis auseinandergesetzt: 1867 war Kaiser Maximilian I. durch ein Erschießungskommando ermordet worden. Der jüngere Bruder des österreichischen Kaisers Franz Joseph I. war 1864 von Kaiser Napoleon III. in Mexiko installiert worden. Als dieser jedoch die französischen Truppen wieder zurückzog, wurde der Österreicher von Republikanern hingerichtet. Genau diese Szene malte Edouard Manet, wobei das Gemälde vom Salon 1869 zurückgewiesen wurde. Vermutlich wurde das Bild erst nach dem Tod von Manet in Segmente zerschnitten, die heute in verschiedenen Sammlungen verwahrt werden. Edgar Degas, mit dem Manet eine schwierige Freundschaft verbunden hatte, konnte vier Teile wieder zusammenbringen und rekonstruierte im Jahr 1896 das Gemälde, indem er die erhaltenen Teile auf eine größere Leinwand klebte. Die National Gallery in London erwarb das Kunstwerk aus der Nachlassauktion von Edgar Degas 1918.
Jasper Johns bezieht sich in seinem Gemälde und einer Zeichnung auf Manets Werk und nannte es „Catenary (Manet-Degas)“. Er deutet die vier wiedergefundenen Fragmente an, die Beschriftung nennt Manet, Degas und Johns sowie das Wort „Catenary“, das Kettenlinie bedeutet. Darunter verstehen Mathematiker eine durchhängende Kurve zwischen zwei Punkten. In Johns‘ Gemälde verbindet der Faden einerseits die beiden disparaten Seiten des geretteten Gemäldes wie die Namen der drei Maler.