Karel Appel
Wer war Karel Appel?
Karel Appel (Amsterdam 25.4.1921–3.5.2006 Zürich) war ein niederländischer Maler, Bildhauer und Dichter der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts und ein Mitbegründer der Künstlergruppe „CoBrA“ (1948), deren erste Ausstellung im Stedelijk Museum Amsterdam ein Skandal war. Appel hatte eine musikalische Begabung, die prägend für sein gesamtes vielfältiges künstlerisches Schaffen in den verschiedenen Techniken war. Der Niederländer schloss sich im folgenden Jahr den avantgardistischen Strömungen in Paris an und erlangte in den späten 1950er Jahren die bislang versagte Anerkennung. Seine Gemälde sind geprägt von leuchtender, in dicken Schichten aufgetragener Farbe und nie völlig gegenstandslosen Darstellungen fantastisch-dämonischer Wesen.
Kindheit
Christiann Karel Appel wurde am 25. April 1921 in Amsterdam, Dapperstraat 7, als Sohn des Friseurs Jan Appel geboren. Seine Mutter Johanna Appel (geb. Chevalier) hatte Hugenotten als Vorfahren. Karel Appel hatte drei Brüder.
Auf Wunsch seines Vaters erhielt er zunächst eine Friseurausbildung, um den elterlichen Betrieb einmal übernehmen zu können, in dem er auch einige Jahre arbeitete. Schon in seiner Jugend zeigte er großes Interesse für die Malerei und malte im Alter von 14 Jahren sein erstes Ölgemälde, das einen Fruchtkorb darstellt. Sein Onkel Karel Chevalier, der sich vor allem auf impressionistische Landschaftsmalerei spezialisiert hatte, gab dem 15-jährigen Malunterricht.
Gegen den Wunsch des Vaters entschied sich Appel schließlich für den Beruf des Künstlers, woraufhin er das Elternhaus verlassen musste. Ein weiterer Grund unterzutauchen war, dass sich Karel Appel vor den deutschen Besatzern verstecken mussten, um nicht zum Dienst in einer deutschen Waffenfabrik eingezogen zu werden.
Ausbildung
Von 1942 bis 1944 besuchte Karel Appel die Rijkskademie van Beeldende Kunsten [Königliche Akademie der Bildenden Künste] in Amsterdam, wo er vor allem altägyptische und antike Kunst studierte. Da Arbeitsmaterialien während des Zweiten Weltkriegs kaum erschwinglich waren, arbeitete er mit Fundstücken wie Holzplatten, Leinensäcken und Schrottmaterial und konstruierte daraus Skulpturen. Noch während des Studiums lernte Appel die Künstler Corneille und Constant kennen. Nach dem Krieg reiste Appel mit Constant nach Lüttich und Paris. Die beiden stellten auch zusammen aus.
Um sein Studium zu finanzieren, erhielt Appel ein Stipendium der Abteilung für öffentliche Information und Kunst (DVK). Laut Adriaan Venema hatte Appel regelmäßigen Kontakt mit dem Nationalsozialisten Ed Gerdes, Leiter der Abteilung Architektur, Bildende Kunst und Kunsthandwerk der Abteilung für öffentliche Information und Kunst, den er häufig um zusätzliche Unterstützung bat, was er jedoch nicht tat. Rückblickend wurde Karel Appel vorgeworfen, während der deutschen Besatzung studiert zu haben, während die Deutschen im eigenen Land eine sehr repressive Politik gegen die sogenannte Entartete Kunst und in den Niederlanden insbesondere gegen Künstler jüdischer Herkunft verfolgten. Appel selbst erklärte, er habe nie mit den Deutschen zusammengearbeitet. Appel fühlte sich daher nicht mit den Deutschen verbunden. Kunst war eine Herzensangelegenheit und politische Zugehörigkeiten interessierten ihn wenig. Andere Künstler hatten während des Kriegs mehr Prinzipien und weigerten sich beispielsweise, sich dem Kultuurkamer anzuschließen, weshalb sie nicht arbeiten, verkaufen und ohne Einkommen auskommen durften.
Appel und die „CoBrA“ (1946–1956)
Nach dem Krieg kehrte Karel Appel geschwächt nach Amsterdam zurück, wo er eine kurze Beziehung zu Truusje hatte, der jedoch bald an Tuberkulose starb. Es gab nur wenige Leute, die etwas in Karel Appel gesehen haben. Ausnahmen waren der Kunstkritiker H. Klinkenberg, der einen positiven Artikel über Appel schrieb, und der wohlhabende Lütticher Sammler Ernest van Zuylen, der jährlich Kunst von Appel kaufte.
Seine erste Ausstellung hatte Appel 1946 im Het Beerenhuis in Groningen. Ein Jahr später konsultierte Karel Appel den Bildhauer Carel Kneulman und begann Objekte anzufertigen (1947). Er nutzte die Technik der Assemblage und malte die Skulpturen in leuchtenden Farben (Weiß, Rot, Gelb, Blau und Schwarz) an. Appel sammelte alle Arten von Abfällen und zerstörte sogar die hölzernen Fensterläden an seinen Fenstern und den Haken des Hubbalkens in seinem Dachzimmer. Er machte die Arbeit „Drift op Zolder“ aus diesem Holz, einem Besenstiel und einem Staubsaugerschlauch. Er machte die Form eines Kopfes und Augen mit roter und schwarzer Farbe. Zeitgenossen van Appel akzeptierten seine Werke nicht als Skulpturen. Während dieser Zeit lebte Appel zusammen mit Tony Sluyter.
Wenig später nahm er an der Ausstellung „Junge Maler“ im Stedelijk Museum in Amsterdam teil. In dieser Zeit wurde er hauptsächlich von der Kunst von Pablo Picasso, Henri Matisse und Jean Dubuffet beeinflusst. Insbesondere letzterer machten Werke mit gefundenen Materialien.
Am 16. Juli 1948 schloss sich Karel Appel in Amsterdam mit Corneille, Constant, Theo Volvekamp, Anton Rooskens, Theo Wolvecamp und Jan Nieuwenhuys zur „Experimentele Groep Holland“ zusammen. Noch im selben Jahr gründete er mit belgischen und dänischen Künstlern, unter ihnen der belgische Dichter Christian Dortremont, Noiret und Asger Jorn, die Künstlergruppe „CoBrA“. Anstelle eines disziplinierten Pinselstrichs forcierten die jungen Künstler einen auf Emotionalität, Intuition und Unmittelbarkeit ausgerichteten Malduktus. Inspirationsquellen waren neben der ArtBrut, die Kinderzeichnung und die außereuropäische Kunst.
Zur ersten gemeinsamen Ausstellung der CoBrA Mitglieder kam es im November 1949 im Stedelijk Museum Amsterdam. Die „Internationale Ausstellung für experimentelle Kunst“ löste jedoch empörte Reaktionen aus und erntete vernichtende Kritiken. Die Künstler wurden als „Pfuscher, Schmierer und Betrüger“ abgeurteilt. In Dänemark wurden die „CoBrA“-Künstler freundlicher aufgenommen.
Das von Karel Appel ausgeführte Fresko „Fragende Kinder“ (Tate Modern, London) im Amsterdamer Rathaus löste intensive Kontroversen aus, so dass es für zehn Jahre abgedeckt wurde.
Paris
Aufgrund der einheitlich ablehnenden Haltung der Öffentlichkeit moderner Kunst gegenüber beschloss Karel Appel 1950, seine Heimat zu verlassen, um wie viele seiner Künstlerkollegen nach Paris zu ziehen. Dort erwartete er sich eine offenere und tolerantere Auseinandersetzung mit seiner Kunst. Inspiriert durch eine Ausstellung mit Werken von Willem de Kooning, Jackson Pollock, Jean Dubuffet und Hans Hartung erweiterte Appel seine Bildsprache mit Tendenzen zur Abstraktion und löst sich allmählich von „CoBrA“.
Karel Appel war der erste Künstler aus dem „CoBrA“-Kreis, der außerhalb der Gruppe in einem neuen internationalen Kontext auftrat und rasch Anerkennung erhielt. Im Jahr 1953 widmete das Palais de Beaux-Arts in Brüssel dem Künstler seine erste Einzelausstellung. Im selben Jahr kaufte die amerikanische Galeristin Martha Jackson Arbeiten in seinem Pariser Atelier und präsentierte ihn 1954 in ihrer New Yorker Galerie. Ein Jahr später wurde das Gemälde „Kind und Biest II“ (1951) in der Ausstellung „The New Decade“ im Museum of Modern Art ausgestellt, womit Appel mit den „Newcomern“ Francis Bacon, Jean Dubuffet und Pierre Soulages gezeigt wurde.
New York
1957 bezog Karel Appel ein Atelier in New York und lernte die Künstler des Abstrakten Expressionismus, darunter Franz Kline und Sam Francis, kennen (→ Abstrakter Expressionismus | Informel). Seine Bilder wurden immer dynamischer und von einer intensiven Farbigkeit geprägt. Die Leinwand wurde immer mehr zum malerischen Aktionsfeld. Appels künstlerische Anerkennung fand mit dem „Guggenheim International Award“ im Jahr 1960 ihre Bestätigung. 1964 war er Teilnehmer an der „documenta 3“ in Kassel.
Antiexpressiver Appel
Anfang der 1960er Jahre gewann Pop Art, Minimal Art | Minimalismus und Performance gegenüber der expressionistischen Malerei an Bedeutung. Ein greller Farbcharakter, moderne industrielle Materialien wie Aluminium und Polyester und eine zunehmend flache Bildwirkung dominierten die neuen Werke Appels.
Erst Mitte der 1970er Jahre besann sich Appel wieder der expressionistischen Malerei. Durch intensiveren Kontakt mit dem ehemaligen „CoBrA“-Mitglied Pierre Alechinsky entstanden nun eine Vielzahl von Gemeinschaftsarbeiten auf Papier mit figurativen Kompositionen. Ab 1977 disziplinierte Karel Appel seinen expressiven, wilden Stil und konzentrierte sich wieder auf eine flachere Gestaltung.
Akte und Landschaften
Dieser strenge Pinselstrich wurde Anfang der 1980er wieder durch eine spontanere, freiere Malerei abgelöst. Narrativität und Figuration prägten verstärkt die Bildsituation. Die Aktmalerei, seit jeher in Appels malerisches Werk eingebunden, wurde ab der Mitte der 1980er Jahre wieder ein Thema: Es dominieren abstrakt-figurative Kompositionen mit vermehrt geometrischen Strukturen auf weißem Bildgrund. In dieser Zeit entstand auch die Gruppe monumentaler Aktzeichnungen.
Die Landschaft gewann ab den 1990er Jahren eine neue Dimension. In seinem toskanischen Atelier entstanden Bilder mit starker Naturbezogenheit, aber in einer freien, abstrakten Malweise.
Ehrungen
Zu seinem 80. Geburtstag widmeten Appel das Stedelijk Museum Amsterdam, das Cobra Museum in Amstelveen sowie das Gemeentemuseum in Den Haag im Jahre 2001 dem Künstler umfassende Werkschauen.
Tod
Karel Appel, der seine letzten Lebensjahre u.a. in den Vereinigten Staaten und der Schweiz verbrachte und der sich gerne als „Staatenloser, als Wanderer zwischen Raum und Zeit“ bezeichnete, verstarb am 3. Mai 2006 in Zürich. Am 16. Mai 2006 wurde Karel Appel am Friedhof Père Lachaise in Paris beigesetzt.