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London | National Gallery: Vincent van Gogh: Dichter und Liebende Gemälde aus Arles & Saint-Rémy | 2024

Vincent van Gogh, Sonnenblumen, Detail, Ende August 1888, Öl/Lw, 93 x 73 cm (National Gallery, London)

Vincent van Gogh, Sonnenblumen, Detail, Ende August 1888, Öl/Lw, 93 x 73 cm (National Gallery, London)

2024 wird die Londoner National Gallery 200 Jahre als! Diesen Geburtstag feierte die weltberühmte Sammlung mit einer Ausstellung zu Vincent van Gogh in der Provence! Bisher ist bekannt geworden, dass „Das Schlafzimmer“ aus dem Art Institute in Chicago und „Der Garten der Anstalt“ aus Essen als Leihgaben nach London kommen. Im Zentrum der eindrucksvollen Schau stehen jedoch die „Sonnenblumen“ aus der eigenen Sammlung.

Etwa 50 Werke – hauptsächlich Gemälde sowie einige Zeichnungen – beleuchten Van Goghs künstlerische Entwicklung in der Provence. Grund für die Themenwahl ist der 100. Jahrestag des Erwerbs der „Sonnenblumen“ durch die National Gallery. Zudem lebte Vincent van Gogh im Jahr 1874 in Brixton im Süden Londons und arbeitete als junger Hilfshändler in der Goupil-Galerie in Covent Garden. Die National Gallery war nur fünf Gehminuten von seinem Arbeitsort entfernt, weshalb er ein regelmäßiger Besucher der Institution war. Höchstwahrscheinlich kam er in seiner Mittagspause. Viele Jahre später noch erinnerte sich Vincent daran, in London Gemälde von John Constable, Rembrandt van Rijn (ein Werk, das jetzt Nicolas Maes zugeschrieben wird) und Hobbema gesehen zu haben (→ Vincent van Gogh: Biografie).

Zu diesem Zeitpunkt schien Vincent noch nicht daran gedacht zu haben, ein professioneller Künstler zu werden, geschweige denn, dass sein Werk in den Hallen der Londoner National Gallery hängen würde. Heute gehört eines seiner Gemälde zu den beliebtesten Werken der Sammlung!

Vincent van Gogh: Dichter und Liebende

Der niederländische Maler zog im Februar 1888 aus Paris nach Arles und suchte das kraftvolle Sonnenlicht Südfrankreichs. Nachdem er zunächst in einem kleinen Hotel übernachtet hatte, bezog er später ein Zimmer über einem Café und zog dann in das Gelbe Haus.

Um seinen (vermeintlichen) Freund Paul Gauguin zu überreden, im Süden Frankreichs eine Künstlerkolonie zu gründen, bereitete Vincent van Gogh das Gelbe Haus als Rückzugsort für die Künstlerfreunde vor. Er malte „Das Schlafzimmer“ im September 1889.1 Dieses Bild zeigt einen intimen Einblick in den nächtlichen Rückzugsort des Künstlers im Obergeschoss des Gelben Hauses. Genau gegenüber des Gelben Hauses befand sich ein Park, wo der Maler Liebespaare beim Spazierengehen beobachten konnten. Vermutlich litt er unter Einsamkeit, weshalb van Gogh immer wieder den Dichter-Garten mit Paaren malte.

Im Oktober 1888 schloss sich ihm sein Idol Paul Gauguin an, wobei Theo van Gogh einen gewissen Druck auf den Maler ausübte (→ Vincent van Gogh : Paul Gauguin in Arles). Zunächst stellten Gauguin und van Gogh ihre Staffeleien nebeneinander auf. Doch löste die direkte Auseinandersetzung mit Gauguins Arbeitsweise – er definierte sich nicht als Plein-air-Maler – eine tiefe künstlerische Krise bei van Gogh aus. Ihre Zusammenarbeit fand am Abend des 23. Dezember ein schreckliches Ende, als Vincent sein Ohr verstümmelte und Gauguin wortlos abreiste. Obwohl die Wunde schnell heilte, blieben seelische Narben und ein instabiler Künstler zurück.

Im Mai 1889 erkannte Van Gogh, dass er nicht in der Lage war, selbstständig zu leben. Anschließend zog er in eine Anstalt am Rande der nahegelegenen Stadt Saint-Rémy-de-Provence, wo er ein Jahr blieb. Die Malerei war seine Rettung und gab ihm einen Grund zum Leben. „Der Garten der Anstalt“ (Folkwang Museum, Essen) entstand im November 1889. Es zeigt einen ummauerten Garten, in dem die Kranken unter den Bäumen Sport treiben, und einen weiten Blick auf die Hügel von Les Alpilles.

Sonnenblumen in London

Während sich der Freund jedoch bitten ließ und erst die Reise im Spätherbst antreten konnte, malte Vincent van Gogh eine Serie von Gemälden als Dekoration von Gauguins Schlafzimmer, in denen er Sonnenblumen in Vasen darstellte. Die Bilder waren als Zeichen seiner Freundschaft und Dankbarkeit an Gauguin gedacht, stellten aber auch einen Akt der Unterwürfigkeit an den „Anführer“ Paul Gauguin dar. Die Londoner „Sonnenblumen“ entstanden im August 1888.

„Ich arbeite gerade hart an etwas, male mit Enthusiasmus an einer Marseillaise, die Suppe isst, was dich nicht überraschen wird, wenn du erfährst, dass, woran ich gerade bin, ein Gemälde mit einigen Sonnenblumen ist. Wenn ich diese Idee ausführe, wird es ein Duzend Bilder geben. Das ganze Ding wird eine Sinfonie in Blau und Gelb. Ich arbeite daran jeden Morgen von Sonnenaufgang an, da die Blumen so schnell verwelken. Ich bin nun am vierten Bild mit Sonnenblumen. Das vierte ist ein Strauß mit 14 Blumen… es macht einen einzigartigen Effekt.“ (Vincent van Gogh an seinen Bruder Theo, August 1888)

Wie kamen die „Sonnenblumen“ nach London?

Im Dezember 1910 wurde das Gemälde von Vincents Schwägerin Jo Bonger ausgeliehen, um in die bahnbrechende Ausstellung zum Postimpressionismus von Kurator Roger Fry aufgenommen zu werden. Das Gemälde hatte großen Einfluss auf die britische Avantgarde und wurde 1911 als Titelbild von Charles Hinds Buch „The Post Impressionists“ veröffentlicht.

„Die Sonnennblumen“ kehrte im Dezember 1923 als Leihgabe nach London zurück, für Van Goghs erste Einzelausstellung in Großbritannien in den Leicester Galleries. Zu diesem Zeitpunkt begann die Nationalgalerie gerade mit der Sammlung moderner europäischer Kunst, unterstützt durch eine äußerst großzügige Spende von Samuel Courtauld in Höhe von 50.000 Pfund. Jim Ede, ein junger Galeriekurator, hat es sich zum Ziel gesetzt, die „Sonnenblumen“ zu erwerben. Bonger, der Hunderte von Vincents Gemälden geerbt hatte, lehnte seine Bitte im Oktober 1923 höflich ab:

„Die Sonnenblumen stehen nicht zum Verkauf, niemals; Sie gehören in unsere Familie.“

Ede versuchte es im Januar 1924 erneut und Bonger sandte daraufhin eine emotionale Antwort:

„Zwei Tage lang habe ich versucht, mein Herz gegen Ihren Appell zu verhärten; Es kam mir vor, als könnte ich es nicht ertragen, mich von dem Bild zu trennen, das ich seit mehr als 30 Jahren jeden Tag gesehen hatte. Doch am Ende erwies sich der Appell als unwiderstehlich. Ich weiß, dass kein Bild Vincent in Ihrer berühmten Galerie würdiger repräsentieren würde als die ‚Sonnenblumen‘, und dass er selbst, ‚le Peintre des Tournesols [der Maler der Sonnenblumen]‘, sich gewünscht hätte, dass es dort wäre […] Es ist ein Opfer für Vincents Ruhm.“

Der Preis betrug 1.300 £. Weniger bekannt ist jedoch, dass Bonger sehr schnell erkannte, dass ihre zögerliche Entscheidung die richtige gewesen war. Am 12. März 1924, weniger als zwei Monate nach ihrem Entschluss zu verkaufen, schrieb sie an Paul Gachet Jr., den Sohn des Arztes, der Vincent am Ende seines Lebens behandelt hatte. Bonger erzählte ihm, dass die „Sonnenblumen“ in London blieben, was sie „so glücklich“ machte.

Vincent van Goghs „Sonnenblumen“ wurden ursprünglich in Millbank ausgestellt, wo später die Tate Britain einzog. Im Jahr 1961 wurde das Bild in die Nationalgalerie am Trafalgar Square verlegt. Heute gehört van Goghs Sinnenblumen-Stillleben zu den berühmtesten Gemälden der Welt. Vor einem Jahrzehnt, bevor Handybilder allgegenwärtig wurden, war sie die meistverkaufte Postkarte der National Gallery (26.000 pro Jahr). Die Geschichte besagt, dass der Boden vor dem ikonischen Gemälde durch die Schuhe der Millionen Besuchenden am stärksten abgenutzt ist.

Quelle: National Gallery, London

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