William Turnbull

Wer war William Turnbull?

William Turnbull (Dundee 11.1.1922–15.11.2012 London) war ein schottisch-britischer Bildhauer und Maler der Abstrakten Kunst (→ Abstrakte Kunst). Er galt als ein wichtiger Vertreter der Abstrakten Skulptur der Moderne. William Turnbulls Skulpturen sind aus Holz, Stein oder Bronze gefertigt und beziehen sich in ihrer Materialität immer auf die Natur. Seine Skulpturen sind vom Surrealismus und von der amerikanischen Farbfeldmalerei beeinflusst. Sie zeichnen sich durch eine radikale Formvereinfachung aus.

Eine von Turnbulls beständigsten Anliegen galt dem Totemismus. Viele seiner Skulpturen zeigen eine Faszination für die Kulturen des antiken Griechenlands, Westafrikas und Südostasiens. Seine Arbeiten können jedoch auch verspielt, farbenfroh oder sogar interaktiv sein. Turnbulls Werk ist von ästhetischer und intellektueller Eleganz und beinhaltet die Erforschung der Grundlagen der Skulptur selbst.

Kindheit, Illustration und Zweiter Weltkrieg

William Turnbull wurde am 11. Januar 1922 in Dundee, Schottland, als Sohn von John Turnbull und Anne Turnbull geboren. Turnbull war schon in jungen Jahren von Kunst fasziniert und lernte zunächst zeichnen, indem er Illustrationen aus Zeitschriften kopierte.

Als sein Vater während der Weltwirtschaftskrise seinen Job als Werftingenieur verlor, musste der 15-jährige Turnbull die Schule verlassen und eine Teilzeitbeschäftigung finden, zunächst als Hilfsarbeiter und dann als Maler von Filmplakaten. Er begann, einen abendlichen Zeichenkurs an der Dundee University zu besuchen, wo er vom Landschaftskünstler James Macintosh Patrick und dem Illustrator Fred Mould unterrichtet wurde.

1939 erhielt er eine Stelle bei DC Thomson, wo er zum ersten Mal mit kommerzieller Illustration in Berührung kam (1939 bis 1941). Durch seine Kollegen, von denen viele eine Kunstschule besucht hatten, hatte er seinen ersten Kontakt mit zeitgenössischer europäischer Kunst und Literatur; Cézanne und Monet waren ihm besonders wichtig.

Ab 1941 diente William Turnbull im Zweiten Weltkrieg als Pilot in der Royal Air Force. Nach seiner Ausbildung in Kanada war er in Kanada, Indien und Sri Lanka eingesetzt.

Ausbildung zum Bildhauer

William Turnbull studierte von 1946 bis 1948 an der Slade School of Fine Art in London. Die eingeschränkte Sicht auf die Kunst und die enge Herangehensweise in der Abteilung für Malerei gefielen Turnbull nicht. Zu dieser Zeit vertrat The Slade einen nostalgischen und naturalistischen Neoromantismus und war misstrauisch gegenüber dem europäischen Impressionisten und Postimpressionisten, den Turnbull mittlerweile als gültig und direkt ansah. Da er älter und erfahrener war als der Rest der Schüler, ließ er sich von seinen Lehrern weder beeindrucken noch einschüchtern und änderte seine Meinung nicht. Er war vom Malkurs desillusioniert und wechselte in die Bildhauereiabteilung.

In der Bildhauerabteilung lernte er Eduardo Paolozzi und Nigel Henderson kennen, die sein Interesse an zeitgenössischer kontinentaler modernistischer Kunst teilten. Da ihn die Haltung im Slade zunehmend desillusionierte, zog er 1948 nach Paris.

Von 1948 bis 1950 lebte er in Paris. Der Bildhauer nahm dort Kontakt mit Constantin Brâncuși und Alberto Giacometti auf. Turnbulls früheste Werke, die Ende der 1940er Jahre in Paris entstanden, spiegeln seinen Kontakt mit Giacometti und seine Faszination für die existentialistische Philosophie wider. Die Skulpturen aus dieser Zeit experimentieren mit Ideen der Variabilität, des Spiels und besitzen manchmal einen Sinn für das Lächerliche. Turnbulls Interesse an den unterschiedlichen Arten, die Welt zu erleben, wurde durch seine Tätigkeit als Pilot und Schwimmer beeinflusst.

Werke

Im Jahr 1950 stellte Turnbull gemeinsam mit Edouardo Paolozzi in der Hanover Gallery in London aus, kuratiert von David Sylvester. Er kehrte nach Paris zurück, aber am Ende des Jahres war der Bildhauer gezwungen, nach London zurückzukehren, da ihm das Geld ausging und er keine Möglichkeit zum Überleben fand. William Turnbull war gezwungen, einen Teilzeitjob in der Nachtschicht in einer Eisfabrik in Lyon anzunehmen.

Den nationalen wie internationalen Durchbruch konnte William Turnbull 1952 feiern. Er wurde in die Ausstellung „Young Sculptors“ am Institute of Contemporary Arts (ICA) aufgenommen, die zum Brennpunkt für neue Kunst in London geworden war. Turnbull wurde zusammen mit Paolozzi, Richard Hamilton und anderen Mitglied der „Independent Group,“ einer Splittergruppe innerhalb des ICA, die zu einem wichtigen Forum für Diskussionen und Debatten wurde. Die „Independent Group“ gilt als Begründerin der Pop Art.

Turnbull war auch in „New Aspects Of British Sculpture“ zu sehen, einer von Herbert Read ausgewählten Ausstellung im britischen Pavillon auf der „26. Biennale von Venedig“ 1952, die von Tim Marlow als „Teil der Dynamik der britischen Kunst in der Nachkriegszeit“ beschrieben wurde“. Neben ihm stellten Henry Moore, Reg Buttler, Lynn Chadwick, Geoffrey Clarke, Bernard Meadows, Eduardo Paolozzi und Kenneth Armitage aus. Damit gehörte Turnbull zu jener Generation britischer Künstler:innen, die Read als verantwortlich für die „Renaissance der britischen Skulptur“ bezeichnete.

Im Jahr 1955 wurde Turnbull dem jungen amerikanischen Sammler Donald M. Blinken1 vorgestellt. Blinken kaufte eine von Turnbulls Skulpturen, „Female Standing Figure“. Als Turnbull 1957 nach New York reiste, machte Blinken ihn mit einer Reihe führender amerikanischer Künstler bekannt, darunter Mark Rothko und Barnett Newman, mit denen er eine enge Beziehung aufbaute.

1960 heiratete Turnbull die aus Singapur stammende Bildhauerin und Grafikerin Kim Lim, mit der er zwei Söhne hat. Mit ihr machte er ausgedehnte Ostasien-Reisen. Es folgte eine Reihe totemistischer Skulpturen, die von jenen religiösen Stätten inspiriert waren, die er auf diesen Reisen besuchte.

An der Central School of Art lernte Turnbull Schweißen in der Gießerei, die er dort zusammen mit seinem Kollegen Brian Wall gegründet hatte. Turnbull begann er mit Edelstahl zu arbeiten, einem Material, mit dem er die nächsten acht Jahre weiter arbeitete.

Die Tate Gallery organisierte 1973 eine große Retrospektive zu Turnbull, kuratiert von Richard Morphet. Als Turnbull sah, wie alle seine Arbeiten in einer einzigen Ausstellung zusammengefasst waren, änderte er die Richtung seiner Arbeit. Er löste sich von den Stahl- und modulareren Skulpturen und begann, zu den eher geformten, strukturierten Arbeiten seiner frühen Karriere zurückzukehren.

Anschließend stellte Turnbull in der Whitechapel Gallery aus und hatte Retrospektiven sowohl im Serpentine als auch im Yorkshire Sculpture Park sowie zahlreiche prestigeträchtige Ausstellungen im Ausland und eine Überblicksausstellung in der Duveen Hall der Tate im Jahr 2006. Später hatte er eine Ausstellung in Waddington Galerien mit bisher unbekannten Gemälden und Skulpturen.

1984 stellten William Turnbull und Kim Lim gemeinsam in ihrer Heimatstadt in der National Museum Art Gallery aus. Ein wiederkehrendes Thema seines Werks bearbeitete er u.a. in den „Gates Series“: das symbolische große Tor in ostasiatischen Tempeln und Pagoden.

Lehre

Von 1953 bis 1961 unterrichtete Turnbull als Gastdozent am Central Saint Martins College of Art and Design und von 1964 bis 1972 dort Professor für Bildhauerei.

Tod

William Turnbull starb am 15. November 2012 in London.

  1. Später wurde Donald M. Blinken Vorsitzender der Rothko Foundation.