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Berlin | Gemäldegalerie: Hugo van der Goes Zwischen Schmerz und Seeligkeit | 2023

Hugo van der Goes, Monforte-Altar, Detail, um 1470 (Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie / Dietmar Gunne)

Hugo van der Goes, Monforte-Altar, Detail, um 1470 (Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie / Dietmar Gunne)

Hugo van der Goes (um 1440–1482) war der wichtigste niederländische Künstler der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Tätig in Gent und Brüssel, gehörte er der zweiten Generation altniederländischer Meister an, die den Pionieren Jan van Eyck und Rogier van der Weyden folgte. Seine Werke müssen zwischen Hugos Freimeisterschaft im Mai 1467 und dem Beginn seiner Geisteskrankheit um 1480/82 entstanden sein. Sie wurden von den Zeitgenossen aufs Höchste bewundert und bis ins 17. Jahrhundert hinein vielfach kopiert. Noch Albrecht Dürer nennt ihn 1520, wie nur ganz wenige andere Künstler, einen „großen Meister“.1 Die Gemäldegalerie Berlin präsentiert 2023 die erste (!) ihm gewidmete Einzelausstellung und präsentiert das erhaltene Œuvre von Hugo van der Goes annähernd vollständig.

Van der Goes monumentale Tafelbilder

Während in den letzten Jahrzehnten fast alle bedeutenden niederländischen Maler des 15. und 16. Jahrhunderts mit monographischen Ausstellungen bedacht wurden, blieb Hugo van der Goes davon ausgenommen. Das dürfte sowohl an der Seltenheit seiner Werke als auch an deren oft großem Format liegen. Zwei dieser großformatigen Werke des Hugo van der Goes, ein Tüchlein von seiner Hand sowie einer nur wenig jüngeren Kopie nach einer verlorenen Komposition befinden sich in der Gemäldegalerie, weshalb sich diese Sammlung wie keine zweite für eine monographische Ausstellung anbietet. Die beiden monumentalen Berliner Tafelbilder, der „Monforte-Altar“2 (um 1470) und die „Geburt Christi“ (um 1480), werden im Zentrum der Präsentation stehen. Beide Werke sind in den vergangenen zwölf Jahren aufwendig restauriert worden und zeigen sich seither in einer zuvor ungeahnten Frische.

Zum ersten Mal zusammen

Um diese beiden Werke werden zahlreiche bedeutende Leihgaben europäischer und amerikanischer Sammlungen gruppiert. Damit wird zum ersten Mal die Gelegenheit geboten, den Großteil der erhaltenen Arbeiten des Meisters miteinander zu vergleichen. Neben Gemälden auf Holz und auf Leinwand werden eine Anzahl von Zeichnungen das Bild vom Schaffen des Künstlers abrunden.

Verlorene Werke

Darüber hinaus werden die eigenhändigen Tafelbilder des Hugo van der Goes um verschiedene Gemälde ergänzt, die einstmals berühmte, im Original jedoch verlorene Kompositionen des Meisters wiedergeben. Das betrifft etwa die verschollenen Flügel des Berliner Monforte-Altars oder die vielfach wiederholten Darstellungen einer Anbetung der Könige und eine Beweinung Christi, von der über 100 Kopien erhalten sind.

Hugos Seelenqual

Alphonse Wauters veröffentlichte 1863 die Ofhuys-Chronik, wodurch das tragische Ende von Hugos Leben bekannt wurde.3 Der Maler war auf dem Höhepunkt seiner Karriere als Laienbruder ins Roode Klooster bei Brüssel eingetreten und wurdeschließlich geisteskrank.4 Die Vorstellungen vom labilen Genie, die im 19. Jahrhundert zunehmende Beliebtheit erzielte, schien in Hugo van der Goes idealtpyisch vorgeprägt zu sein. Entscheidend befördert wurde dieses „moderne“ Bild des Malers durch das monumentale Historienbild „Der Wahnsinn des Hugo van der Goes“ (1871) von Émile Wauters, dem Neffen von Alphonse.

Hugos Nachfolge

Eine abschließende Sektion der Ausstellung widmet sich der unmittelbaren Nachfolge des Malers. Sie präsentiert eine Reihe von herausragenden, deutlich von Hugo van der Goes‘ Stil geprägten Werken.

Hugo van der Goes war einer der bedeutendsten europäischen Künstler der Frühen Neuzeit. Die Ausstellung wird viele seiner Werke zum ersten Mal zusammenbringen und damit zu einem beeindruckenden Seherlebnis werden. Zugleich sollen diverse Aspekte zu Künstler und Werk, den sozialen und geistigen Rahmenbedingungen, aber auch zu den technischen Gegebenheiten der Malereien konzise und verständlich vermittelt werden.
Quelle: Staatliche Museen zu Berlin

Hugo van der Goes in Berlin: Bilder

  • Hugo van der Goes, Monforte-Altar, um 1470/75 (© Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie)
  • Hugo van der Goes, Monforte-Altar, Detail, um 1470 (Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie)
  • Hugo van der Goes, Der hl. Lukas zeichnet die Madonna, um 1475/80 (Lissabon, Museu Nacional de Arte Antiga)
  • Hugo van der Goes, Bildnis eines Mannes mit Johannes dem Täufer, um 1475/80 (Baltimore, The Walters Art Museum)
  • Hugo van der Goes oder Umkreis, Bildnis eines Mannes, um 1475/80 (New York, The Metropolitan Museum of Art)
  • Hugo van der Goes, Maria und Kind, nach 1476, Pavia (Musei Civici di Pavia)
  • Hugo van der Goes, Sündenfall des Wiener Diptychons, um 1477/79 (Wien, Kunsthistorisches Museum)
  • Hugo van der Goes, Beweinung Christi des Wiener Diptychons, um 1477/79 (Wien, Kunsthistorisches Museum, Gemäldegalerie)
  • Hugo van der Goes, Hl. Genoveva des Wiener Diptychons, um 1477/79 (Wien, Kunsthistorisches Museum, Gemäldegalerie)
  • Hugo van der Goes, Marientriptychon (Mitteltafel), um 1477/79 (Frankfurt, Städel Museum)
  • Hugo van der Goes, Die Geburt Christi, Detail, um 1480 (Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie)
  • Umkreis des Hugo van der Goes, Maria und Kind mit Heiligen, um 1480, Antwerpen (The Phoebus Foundation)
  • Hugo van der Goes, Die vier trauernden Frauen und Johannes der Evangelist, um 1480 (Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie)
  • Hugo van der Goes, Marientod, um 1480 (Brügge, Groeningemuseum)
  • Meister von 1499 (nach Hugo van der Goes?), Die Verkündigung an Maria, Detail, um 1490–1510 (Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie)
  • Berliner Meister der Maria von Burgund, Mondsichelmadonna, aus dem Stundenbuch der Maria von Burgund, um 1477/82 (Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett)
  • Berliner Meister der Maria von Burgund, Die drei Lebenden und die drei Toten, aus dem Stundenbuch der Maria von Burgund, um 1477/82 (Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett)
  • Wiener Meister der Maria von Burgund, Ankündigung an die Hirten, aus dem Voustre-demeure-Stundenbuch, um 1475/80 (Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett)
  • Jean Hey, Geburt Christi des Kardinals Jean Rolin, um 1480 (Musée Rolin, Autun)
  • Kopie nach Hugo van der Goes, Kreuzabnahme Christi, um 1500/20 (Neapel, Museo e Real Bosco di Capodimonte)
  • Émile Wauters, Der Wahnsinn des Hugo van der Goes, 1872 (Brüssel, Königliche Kunstmuseen Belgiens)

Beiträge zur Gotik

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London | National Gallery of Art: Siena 1300–1350 Wiedervereinte Altäre und internationaler Einfluss | 2025

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9. April 2024
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  1. Tagebuch der niederländischen Reise, zitiert nach Rupprich 1956, S. 155, 168.
  2. Mit einem Preis von knapp einer Million Reichsmark war der „Monforte-Altar“ die bis 2023 teuerste Erwerbung in der Geschichte der Gemäldegalerie.
  3. Stephan Kemperdinck, Hugo van der Goes. Verlust und Wiederentdeckung eines außergewöhnlichen Künstlers, in: Hugo van der Goes 2023, S. 26.
  4. Alphonse Wauters, Histoire de notre première école de peinture, cherchée dans les meilleures sources, in: Bulletin de l’Académie royale des sciences, lettres et beaux-arts de Belgique 24 (1863), S. 723–743.