Am 24. Februar 2019 jährt sich zum 100. Mal die Gründung der Künstlervereinigung „Das Junge Rheinland“. Der Kunstpalast erinnert in einer umfassenden Ausstellung – 120 Gemälde, Skulpturen und Arbeiten auf Papier sowie zahlreiche Dokumente – an diese Gruppierung. Dem „Jungen Rheinland“ gehörten bis 1933 über 400 Künstlerinnen und Künstler an, von denen viele aus Düsseldorf und der näheren Umgebung stammten. Neben der Malerei, Grafik, Bildhauerei, Angewandten Kunst und Architektur waren im „Jungen Rheinland“ auch Dichtung und Schauspielkunst vertreten. Als Mitglied der Künstlervereinigung beschrieb Max Ernst rückblickend den gemeinsamen „Durst nach Leben, Poesie, nach Freiheit, dem Absoluten, nach Wissen“ als „zu schön, um wahr zu sein.“
Deutschland | Düsseldorf: Kunstpalast
7.2. – 2.6.2019
„Das Junge Rheinland“ hatte sich unmittelbar nach dem Ende des Ersten Weltkrieges in Folge eines Aufrufs des Dichters Herbert Eulenberg (1876–1949), des Malers Arthur Kaufmann (1888–1971) und des Illustrators und Schriftstellers Adolf Uzarski (1885–1970) als ein Sammelbecken für Künstler und Intellektuelle verschiedenster Fachrichtungen formiert. Überregional und international sollte der Künstlerbund „Das Junge Rheinland“ ein Forum für Ausstellungen und Diskussionen bieten. „Sie blieben deshalb bewusst offen in ihrem ästhetischen Programm. Nur der jugendliche Elan der Beteiligten sollte zählen“, betonen die Ausstellungskuratoren Kay Heymer und Daniel Cremer. „Insbesondere die Anfangsjahre von 1919 bis 1922 waren von großem Enthusiasmus und einer besonderen Aufbruchsstimmung getragen.“
Das Spektrum der Mitwirkenden spiegelte von Beginn an eine große stilistische Vielfalt an progressiven und konservativen Stilrichtungen wider. Dem Publikum wurden in den Ausstellungen des „Jungen Rheinland“ Werke von rheinischen Expressionisten wie Walter Ophey sowie von Vertretern der ausklingenden Düsseldorfer Malerschule wie Fritz Westendorp, aber auch Arbeiten von jungen Künstlern wie Jankel Adler (→ Jankel Adler und die Avantgarde), Ernst Gottschalk oder Otto Pankok sowie von jung verstorbenen Künstlern wie August Macke oder Wilhelm Lehmbruck präsentiert.
Die Ausstellung veranschaulicht die Komplexität und Interdisziplinarität dieser heterogenen Künstlervereinigung durch eine Auswahl der im „Jungen Rheinland“ aufscheinenden künstlerischen Positionen. Im ersten Raum trifft der Besucher beim Ausstellungsrundgang auf das berühmte Gruppenporträt Zeitgenossen von Arthur Kaufmann mit einer sich um die legendäre Kunsthändlerin Johanna Ey (1864–1947) sammelnden Künstlerschar. Es folgen Werke, die die von Anfang an im „Jungen Rheinland“ bestehende stilistische Bandbreite vorstellen.
Das Gemälde „Blick auf das Pantheon“ von Franz Westendorp und das „Gurkenstillleben“ von Ernst te Peerdt (1852–1932) stehen beispielhaft für eine Malerei, die von Impressionismus und Akademie geprägt und konservativ ist. Die „Vier Mädchen“ von August Macke und die „Große Felsenlandschaft“ von Walter Ophey repräsentieren den Rheinischen Expressionismus, das Bild „Flucht nach Ägypten“ von Hans Schüz steht stellvertretend für eine ganze Reihe von Künstlern, die sich zum Teil aufgrund der Erfahrung der Kriegsteilnahme verstärkt religiösen Themen zuwandten.
Den Kernbereich der Ausstellung bilden Werke von zwölf exemplarisch ausgewählten Protagonisten wie Otto Dix (→ Otto Dix – Der böse Blick), Max Ernst, Wilhelm Kreis, Carl Lauterbach, Heinrich Nauen, Lotte B. Prechner, Karl Schwesig, Adolf Uzarski, Erwin Wendt, Walter von Wecus, Gert H. Wollheim und Marta Worringer. Es handelt sich um Künstlerinnen und Künstler, deren Entwicklung die Schlüsselfragen der Geschichte des „Jungen Rheinland“ beispielhaft veranschaulichen: die traumatische Kriegserfahrung, die entweder zur Politisierung oder zu introvertierter Selbstbesinnung führen konnte, die Konflikte um fortschrittliche und moderate künstlerische Haltungen, die Marginalisierung von Frauen, das Aufeinandertreffen unterschiedlicher Generationen, das Beziehungsgeflecht zwischen Akademie, Museum und freien Künstlern, das Aufkeimen des Faschismus und die unterschiedlichen Reaktionen darauf.
Die wachsenden Konflikte zwischen avantgardistischer Programmatik, politischem Engagement und dem täglichen Existenzkampf, die das Leben der Kunstschaffenden in der Weimarer Republik prägte, fanden im „Jungen Rheinland“ ihren Ausdruck in öffentlich werdenden Streitigkeiten, in Austritten oder Abspaltungen sowie einer Auflösung mit anschließender Neugründung.
Viele der aktiven Künstlerinnen und Künstler der bis 1933 existierenden Gruppierung Junges Rheinland wurden verfemt, verfolgt und im Extremfall – wie der aufgrund seines politischen Engagements verhaftete Maler Karl Schwesig – gefoltert oder wie die jüdischen Maler Julo Levin und Franz Monjau ermordet. Die Rheinische Sezession, die Nachfolge-Gruppe des „Jungen Rheinland“, wurde 1938 durch die Nationalsozialisten verboten. Die Geschichte des „Jungen Rheinland“ markiert für die Kunststadt Düsseldorf einen wesentlichen Augenblick künstlerischer und intellektueller Freiheit, der die Weimarer Jahre der deutschen Geschichte auch in Düsseldorf bis zu ihrem jähen Ende 1933 strahlen.
Für den Aufbau der Sammlung des 1913 gegründeten Kunstpalast hat Karl Koetschau (1868–1949) als damaliger Direktor der Städtischen Kunstsammlungen Düsseldorf zahlreiche Werke aus dem Umfeld des „Jungen Rheinland“ angekauft. Das Ensemble am Ehrenhof mit dem hufeisenförmigen Museumsgebäude, der heutigen Tonhalle, dem NRW-Forum sowie der nahegelegenen Rheinterrasse wurde von dem Architekten Wilhelm Kreis, einem Mitglied der Künstlervereinigung, für die „Große Ausstellung Düsseldorf 1926 für Gesundheitspflege, soziale Fürsorge und Leibesübungen (GeSoLei)“ entworfen. Für die künstlerische Ausstattung beauftragte er vor allem Künstler des „Jungen Rheinland“.
Kuratiert von Kay Heymer und Daniel Cremer.
Quelle: Pressetext
mit Beiträgen von Daniel Cremer, Kay Heymer, Anne Rodler, Jens-Henning Ullner, Andrea von Hülsen-Esch und Carolin Wurzbach
280 Seiten, über 250 Abbildungen
Wienand Verlag