Edouard Manet, Edgar Degas, Claude Monet, Pierre-Auguste Renoir, Paul Cézanne, Vincent van Gogh gehören heute zu den bekanntesten Malern des französischen Impressionismus. Vier Monate lang wird man in Wien die Möglichkeit haben, einige ihrer epochalsten Werke im Original studieren zu können – wie Manets „Pfeifer“, Degas' „Tanzstunde“, Monets „Parlament in London“ und Van Goghs „Sternennacht“! Dass sich diese Bilder knapp 150 Jahre nach ihrer Entstehung einer derartigen Beliebtheit erfreuen, hätte wohl kaum einer ihrer Schöpfer zu hoffen gewagt, denn Kritiker wie Emile Porcheron formulierten:
„Ein Impressionist ist ein Mensch, der aus unerfindlichen Gründen das Bedürfnis verspürt, sich dem Kult der Palette zu verschreiben, ohne das nötige Talent oder die Ausbildung zu haben, die für ein vernünftiges Ergebnis Voraussetzung ist, der sich damit begnügt, die Trommel für seine Schule zu rühren, und dem Publikum Gemälde vorführt, deren einziger Wert in ihrem Rahmen besteht.“ (in: Le Soleil, 4. April 1876)
Österreich | Wien: Leopold Museum
30.9.2005 – 30.1.2006
Der offene, sichtbare Pinselstrich erregte die zeitgenössischen Gemüter genauso wie die gewählten, unscheinbaren Themen einer sich in den Jahreszeiten und der Atmosphäre verändernden Landschaft oder des gesellschaftlichen Lebens sowie der Griff zu reinen, unvermischten Farben, die skizzenhaft nebeneinander aufgetragen wurden (→ Impressionismus. Wie das Licht auf die Leinwand kam). Wie kaum in den Jahrhunderten zuvor vollzog sich im Lauf des 19. Jahrhunderts ein tiefgreifender Wandel in der bildenden Kunst: heroische Taten der Geschichte und Mythologie verloren für die modernen Künstler_innen zunehmend an Bedeutung, wohingegen das Darstellen des täglichen Lebens, der Freizeit und der Landschaft an solcher gewann. Die Technik des Farbauftrags selbst veränderte sich von einer feinen Lasurmalerei zu einer Alla-Prima Vorgehensweise. Manets „Pfeifer“ von 1866 konnte daher wohl kaum die Zustimmung der Jury des Salons finden. Der Maler setzt die menschliche Gestalt gegen einen undefinierten, grauen Grund, die Hose leuchtet in einem kaum modellierten Rot, dazu ein harter Kontrast mit Weiß und Schwarz. Die Pinselstriche der Inkarnatfarbe bleiben auch noch sichtbar. Daher erschien den Zeitgenossen das Bild stümperhaft gemalt.
Jedoch zeigt der Rundgang durch die Ausstellung, dass die Impressionisten keine Künstlergruppe mit einer einheitlichen stilistischen Vorstellung waren! Eine Theorie des Impressionismus wurde nie geschrieben und der Name „Impressionisten“ den 1874 gemeinsam in den Atelierräumen des Pariser Fotografen Nadar Ausstellenden von einem Kritiker zum Spott verpasst. Eigentlich handelte es sich um mehr oder minder lose kooperierende Malerfreunde, die sich gegen Ende der 1860er Jahre in Paris zusammenschlossen, von denen die meisten an den acht sogenannten Impressionistenausstellungen von 1874 bis 1886 teilnahmen. Der auffallendste stilistische Unterschied besteht zwischen den Landschafts- und Figurenmalern, zwischen den Koloristen und den Zeichnern. Lehnten die Landschaftsmaler das Konturieren der einzelnen Bildelemente strikt ab, um so zu einer vereinheitlichenden Gesamtwirkung ihrer Kompositionen zu gelangen, orientierten sich die Figurenmaler in den Gestaltungsgrundlagen durchaus weiterhin an den traditionellen Errungenschaften der Zeichnung. So beschrieb Degas seine Kunst als: „Keine Kunst ist weniger spontan als meine, meine Kunst ist das Ergebnis des Nachdenkens und des Studiums der alten Meister.“ Degas' „Tanzstunde“ und die „Parkettschleifer“ von Gustave Caillebotte machen durch ihre minutiöse, realistische Ausführung ohne Zuhilfenahme des strichartigen Auftragens der Farbe diese Einstellung deutlich.
Neben dem Studium der Alten Meister spielte die Entwicklung der Pleinair-Malerei im Frankreich der Jahrhundertmitte eine große Rolle für das Entstehen dieser neuen Kunstauffassung – Corot wird in der Schau stellvertretend gezeigt. Künstler zog es zum Arbeiten in die freie Natur, und ein neues Interesse für die Wirkung des Sonnenlichtes auf die Farben der Objekte entstand. Tief inspiriert durch die Forschungen des Chemikers und Leiters der Gobelin-Teppichmanufaktur Michel Eugène Chevreul den Simultankontrast betreffend, begannen die Impressionisten bewusst, Komplementärfarben nebeneinander zu setzen - wie an Monets Bild „Londoner Parlament“ oder Van Goghs „Sternennacht“ anhand der Blau- und Orangetöne deutlich wird (→ Vincent van Gogh: Die Sternennacht). Die Wirkung einer Farbe entsteht, so die Meinung Chevreuls, nicht nur durch ihren Eigenwert, sondern ist maßgeblich auch von den sie umgebenden Farbtönen abhängig.
Dazu wurden – auch durch das leichtere Reisen mit der Eisenbahn – neue Orte von den Künstlern entdeckt. Vor allem in der Normandie trafen sich nach 1870 Geldadel und Künstler. Die einen verbrachten ihre Freizeit in den mondänen Seebädern von Deauville und Trouville. Die anderen studierten an der Seinemündung das Meer, die Landschaft und das raue Klima, was sich in der tonigeren Farbigkeit der Bilder aber auch den gesuchten Farbkontrasten in wehenden Fahnen oder bunter Damenbekleidung zeigt. Südfrankreich bot Van Gogh und zeitweilig auch Gauguin hingegen einen farbig völlig anderen Eindruck: warmes, gelbliches Licht bestimmt die Gemälde aus ihrem „Atelier des Südens“. Für die folgende Generation der Postimpressionisten und der Nabis waren die erkämpften Erfolge der Impressionisten von herausragender Bedeutung. Paul Gauguin wandte sich von Van Gogh ab, um in der Südsee sein Glück zu versuchen (→ Vincent van Gogh : Paul Gauguin in Arles). Daher werden im Ausklang der Ausstellung auch einige Werke dieser Künstler gezeigt.
Bedauernswert ist jedoch, dass in der Auswahl der Gemälde einer Epoche, in der Künstlerinnen – wie Mary Cassatt, Berthe Morisot, Marie Braquemond und Eva Gonzalès - zum ersten Mal in der Kunstgeschichte einen derart bedeutenden Stellenwert einnehmen, kein einziges Bild einer Künstlerin zu sehen ist!