Gustave Caillebotte (Paris 18.8.1848–21.2.1894 Petit Grennevilliers) war ein französischer Maler und Sammler des Impressionismus. Caillebotte nahm in den Jahren 1875 bis 1882 regelmäßig an den von der Öffentlichkeit stark kritisierten Impressionisten-Ausstellungen teil. Caillebotte lebte im 8. Arrondissement von Paris, das in den 1850er und 1860er Jahren neu errichtet wurde. Seine persönlichen Erfahrungen mit der modernen Stadt verarbeitete er in großformatigen Kompositionen und spektakulären Bilder von neuen, öffentlichen Räumen, die durch die Umgestaltung von Paris durch Baron Haussmann entstanden waren, aber auch meditative Schilderungen des Freizeitverhaltens der Pariserinnen und Parisern.
Gustave Caillebotte wurde am 18. August 1848 in Paris als Sohn einer wohlhabenden Familie der oberen Mittelschicht geboren. Sein Vater Martial Caillebotte (1799–1874) und dessen dritte Ehefrau Céleste Daufresne (1819–1878) belieferten die Armee mit Bettwäsche und betrieben eine Großwäscherei. Ab 1861 war Caillebottes Vater auch Richter am Pariser Handelsgericht.
Zwischen 1857 und 1862 besuchte Caillebotte des Internats Lycée Louis-le-Grand in Vanve. Seit seinem 12. Lebensjahr zeichnete Caillebotte. Seine Familie erwarb 1860 ein Landgut mit zwölf Hektar Grund in Yerres, wo der Künstler später viele Bilder gestaltete. Hier entdeckte er auch seine Liebe zum Wasser. Sechs Jahre später, 1866, erwarb Gustave Caillebottes Vater ein Grundstück an der Rue de Lisbonne 13, Ecke Rue de Miromesnil. Dort ließ er ein Haus bauen, in dem er mit seiner Familie bis zu seinem Tod wohnte.
Während der 1860er Jahre studierte Gustave Caillebotte Jura; 1870 schloss er das Studium mit der „licence en droit“ ab.
Im Deutsch-französischen Krieg diente Caillebotte in der Nationalgarde als Soldat (1870/71). Am 7. März 1871 wurde er aus dem Armeedienst entlassen. Danach unternahm er eine Reise nach Schweden und Norwegen.
Was den großbürgerlichen Juristen Gustave Caillebotte dazu bewog, Maler zu werden, ist nicht überliefert. Nach seinem Rechtsstudium zog des den jungen Soldaten des Deutsch-französischen Kriegs aber offenbar mit Zustimmung seines Vaters zur Kunst.
Nach zwei Jahren im Atelier von Léon Bonnat (1833–1922) und einer Reise nach Italien, wo er bei der Familie des Malers Giuseppe de Nittis (1846–1884) in Neapel zu Gast war, gelang ihm 1873 die Aufnahme an der Kunstakademie. Der Tod des Vaters im Dezember 1874 machte aus dem Studenten einen reichen Mann, der im Laufe seiner Karriere auch Erstaunliches in den Bereichen Bootsbau und Blumenzucht leistete (→ Der moderne Garten in der Malerei von Monet bis Matisse).
Ab 1873 studierte Caillebotte an der Ecole des Beaux-Arts als Schüler von Jean-Léon Gérôme, Isidore Pils und Alexandre Cabanel im Fach Malerei, die er jedoch nur selten besuchte. Am 18. März war er in der Zeichenklasse von Adolphe Yvon.
Wie Gustave Caillebotte in Kontakt mit den Künstler:innen des Impressionismus kam, ist nicht überliefert. Vermutlich hat er zu ihnen über de Nittis oder seinen Ateliernachbarn Henri Rouart (1833–1912) Kontakt aufgenommen. Nachweislich lud ihn Edgar Degas zur Erste Impressionisten-Ausstellung 1874 ein. Jedoch nahm Gustave Caillebotte daran nicht teil. Das elterliche Haus wurde aufgestockt, damit Caillebotte hier ein Atelier einrichten konnte.
Zu seiner großen Enttäuschung wurde Caillebottes Gemälde „Die Parkettschleifer“ (1875, Musée d‘Orsay) 1875 vom Salon abgelehnt. Daraufhin schloss er sich den Impressionist:innen an. Gleichzeitig erwarb er auf der Auktion im Hôtel Drouot erstmals impressionistische Gemälde, gefolgt von der Versteigerung im Jahr 1877. So wurde Caillebotte auch ein wichtiger Mäzen seiner Kollegen. Vor allem Camille Pissarro (1830/31–1903) und Claude Monet (1840–1926) profitierten enorm von dieser finanziellen Unterstützung. Als vermögender Erbe und Sammler förderte er das Verständnis für die Kunst des Impressionismus. Er hinterließ seine 69 impressionistischen Gemälde dem französischen Staat. Wenn das Testament auch von den Erben angefochten wurde und daher nur 38 Werke von der Regierung übernommen wurden, so bilden diese doch den Grundstock für die Sammlung des Musée d'Orsay (→ Impressionisten aus dem Pariser Musée d'Orsay).
Gustave Caillebotte wurde von Edgar Degas eingeladen, bereits an der ersten Impressionisten-Ausstellung 1874 teilzunehmen, was dieser allerdings ausschlug. Die Einladung zur zweiten Impressionisten-Ausstellung 1876 sprach Pierre-Auguste Renoir brieflich aus, mit ihm verband Gustave Caillebotte eine lebenslange Freundschaft. Nun folgte der zuvor vom Salon Abgewiesene mit Freuden. In der Folge entwickelte er sich zu einem der wichtigsten Teilnehmer an den Impressionisten-Schauen, nur 1881 und 1886 findet sich ein Name nicht unter den Ausstellern.
Im Februar 1876 kaufte Caillebotte drei Gemälde von Claude Monet und erhielt die Einladung zur zweiten Impressionisten-Ausstellung durch Auguste Renoir und Henri Rouart, den er schon länger kannte, da er ein Nachbar war. Mit acht Bildern beteiligte er sich an der zweiten Impressionisten-Ausstellung: „Die Parkettschleifer“, „Parkettschleifer, Variante“, „Junger Mann am Klavier“, „Junger Mann am Fenster“, „Das Mittagessen“, „Die Parkanlage auf dem Landgut der Familie Caillebotte in Yerres“, „Nach dem Mittagessen“ (verschollen).
In diesem Jahr begann er auf der Seine zu segeln und Mitglied im Pariser Segelclub Cercle de la Voile de Paris. Nach dem Tod seines erst 26-jährigen Bruders verfasste Gustave Caillebotte sein Testament und vermachte seine Sammlung impressionistischer Gemälde dem Staat.
Die von Caillebotte zwischen 1875 und 1893/94 geschaffenen Werke gehören zu den Meilensteinen der impressionistischen Kunst. Bereits „Die Parkettabschleifer“ (1875) schockierten das Publikum mit der übergroßen Darstellung einer einfachen, alltäglichen Tätigkeit. Neben großbürgerlichen Themen und Interieurs sind es auch Bilder von einfachen Bürgern, mit denen sich Caillebotte in die Tradition der realistischen Malerei seit Millet und Gustave Courbet stellte und die Sehgewohnheiten seiner Zeitgenossen herausforderte. In vielen Vorstudien entwickelte er seine Kompositionen nach traditionellem Schema und führte diese im Atelier minutiös aus. Erst die späten Landschaften entstanden vor dem Motiv und zeigen momenthafte Ausschnitte der Wirklichkeit.
1877 Organisation, mit sechs Gemälden Teilnahme und Bereitstellung von acht Bildern aus seiner Sammlung (3 Degas, 1 Monet, 3 Pissarro, 1 Renoir) an der „Dritte Impressionisten-Ausstellung 1877“, darunter „Straße in Paris, Regenwetter“, „Die Pont de l’Europe“, „Porträts auf dem Land“, „Porträt Madame Caillebotte“, „Fassadenmaler“. Er zahlte das Atelier von Monet in der Rue de Moncey nahe der Gare Saint-Lazare und unterstützte den Verzweifelten mit Geldspenden bis 1881. Im Mai 1877 nahm Caillebotte mit vier Gemälde an der zweiten Versteigerung impressionistischer Kunst im Hôtel Drouot teil. Zwei seiner Bilder wurden verkauft, vielleicht aber von ihm selbst erworben, da sie weiterhin in seinem Besitz verblieben. Bei einer Reise nach London sah er vermutlich Werke von James Tissot, einem Freund von de Nittis.
Im Jahr 1879 war Caillebotte mit 24 Gemälden und vier Pastellen Teilnahme an der „Vierte Impressionisten-Ausstellung 1879“ beteiligt: „Blick über die Dächer bei Schnee“, „Blick über die Dächer von Paris“, „Rue Halévy. Blick aus der sechsten Etage“, „Der Platz Saint Augustin bei trübem Wetter“, „Porträt des Herrn R.“, „Portät Madame Charles Caillebotte“, „Porträt Eugène Daufresne lesend“, „Porträt Richard Gallo“, „Orangenbäume“, „Ruderer auf der Yerres“ (2 Varianten), „Ruderer mit Zylinder“, „Ruderer holt am Ufer der Yerres sein Kanu ein“, „Kanus auf der Yerres“ (3 Varianten), „Schwimmer am Ufer der Yerres“ (2 Varianten). Als Leihgeber steuerte er noch weitere zehn Gemälde (1 Degas, 2 Monet, 7 Pissarro) zu. Paul Cézanne, Alfred Sisley und Auguste Renoir nahmen an dieser Ausstellung nicht teil, da sie am Salon einreichen wollten. Auch Berthe Morrisot verzichtete auf eine Teilnahme. Für Renoirs Gemälde „Ruderer in Chatou“ stand Caillebotte Modell; Kauf von „Bal au moulin de la Galette“ von Renoir.
Mit zwölf Gemälden nahm Caillbotte an der „Fünfte Impressionisten-Ausstellung 1880“ teil: „Blick durch ein Balkongitter“, „Blick auf Paris im Sonnenlicht“, „Im Café“, „Frau am Fenster“, „Interieur, lesende Frau“, „Stillleben mit Gläsern, Karaffen und Obstschalen“, „Porträt Paul Hugot“, „Porträt Jules Richmond“, „Landschaft in der Umgebung von Yerres“ (Pastell). Für Renoir stand er erneut Modell in dessen Gemälde „Frühstück der Ruderer“.
Die „Siebte Impressionisten-Ausstellung 1882“ beschickte Caillebotte mit 17 Werken. Auffallend ist nun die Hinwendung zum impressionistischen Stilidiom in seinen Landschaftsbildern, Tier- und Blumenstücken: „Kartenspieler“, „eil Balkon (Boulevard Haussmann)“, „Mann auf dem Balkon, Boulevard Haussmann“, „Boulevard von oben gesehen“, „Porträt Jules Froyez“, „Porträt Richard Gallo“, „Straße nach Honfleur bei Trouville“, „Marine. Regatta bei Villers“, „Blick auf das Meer bei Villers“, „Auslage mit Früchten“.
Merken
Noch bedeutender sind Caillebottes Ansichten von Paris, der mit einer Mischung aus Detailrealismus und impressionistischer Unschärfe umsetzte. Nicht das alte, pittoreske Paris, sondern die mondäne Großstadt, die unter Baron Haussmann errichtet worden war, ist die Kulisse mannigfaltiger Aktivitäten. Oft flanieren Großbürger, Zylinder tragende Herren und ihre prächtig ausstaffierten, weiblichen Begleitungen, über die Straßen. Sie bewundern die Größe und Schönheit der Stadt, werden selbst bewundert, treffen auf einen Hund und ignorieren einen vor sich hin sinnierenden Arbeiter. Mit diesen Werken setzte Caillebotte dem Dandy des späten 19. Jahrhunderts ein ewiges Andenken. Inspiriert durch Japanische Kunst und zeitgenössische Fotografie, wählte Caillebotte hierfür neuartige Standpunkte und Blickachsen, die oft wie Weitwinkelaufnahmen mit extremen fluchtenden Perspektivlinien wirken. Je überzeichneter die Perspektive, desto unsicherer der Eindruck der Darstellung, kann man zusammenfassen. Asymmetrie, angeschnittene Motive, ungewöhnliche Blickwinkel und Unschärfe tun ihr übriges, ein völlig ungewohntes Bild des Lebens in Paris zu vermitteln.
In den zwischen 1880 und 1882 entstandenen Interieurs und den vielen Porträts wandte sich Caillebotte von einer erzählerischen Malerei ab. Interieurs, Stillleben und Porträts sind irgendwo zwischen bürgerlicher Repräsentations- und Wohnkultur, psychologischer Durchdringung der Privatsphäre und des männlichen Freundeskreises und dem Hinterfragen der „weiblichen Sphäre“ anzusiedeln. In Caillebottes Werk finden sich weder Opern- noch Theaterbesuche (vgl. Degas, Cassatt) noch Pferderennen, sondern früh zeigt sich seine Begeisterung für das Wasser. Sowohl Schwimmer als auch Kanupaddler und Segler gehörten zu seinen Lieblingssujets.
Der Bruch mit den Impressionisten erfolgte im Jahr 1882. Der Freundeskreis hatte sich bereits in den späten 1870er Jahren immer mehr zerstritten, vor allem Monet und Degas bildeten Antipoden. Obwohl Gustave Caillebotte die letzte, die Achte Impressionisten-Ausstellung 1886 organisierte, nahm er nicht mehr an ihr teil (→ Seurat, Signac, Van Gogh – Wege des Pointillismus). Der Maler entschied sich für längere Aufenthalte im neuen Sommerhaus in Petit Gennevilliers, gegenüber von Argenteuil und an der Seine gelegen, wo ihn Renoir häufig mit seiner Freundin besuchte. Er selbst zog sich von allen Ausstellungstätigkeiten zurück, so dass bei seinem Ableben sogar das Gerücht die Runde machte, er hätte seit langem nicht mehr gemalt. Und das obwohl die Galerie Paul Durand-Ruel 1894 ihm eine Retrospektive mit 122 Werken ausrichtete.
Gustave Caillebotte starb am 21. Februar 1894 im Alter von 45 Jahren an den Folgen eines Schlaganfalls. Er wurde am Pariser Friedhof Père-Lachaise bestattet. Im Juni organisierte Durand-Ruel eine große Retrospektive zu Ehren des Künstlers.
Erst 1896 nahm der französische Staat die Schenkung Caillebottes nur zum Teil an. Die Präsentation der überlassenen Werke im Musée Luxembourg löste im Folgejahr eine heftige Diskussion aus. 1928 ging die Schenkung in den Besitz des Louvre über.
Im Vergleich zu Claude Monet, Pierre-Auguste Renoir und Edgar Degas ist Caillebotte nur einer kleinen Gruppe von Spezialisten ein Begriff. Er hat den Ruf als Sammler und Mäzen, die radikalen Avantgardisten unterstützt zu haben, seine eigene Malerei gilt als teilweise traditionell. Erschwert wird die Auseinandersetzung mit seinem Werk, durch die große Zahl an Gemälden und Zeichnungen in Privatsammlungen. Dennoch muss Caillebotte für seine Originalität – vor allem was Blickpunkte, Perspektive und Bildthemen anlangt – gewürdigt werden.
In Europa haben Ausstellungen seit der Mitte der 1990er Jahre diesen lange Zeit wirklich vergessenen Impressionisten wiederentdeckt. Seit 20 Jahren wurde in den USA keine Caillebotte-Retrospektive mehr gezeigt. Daher ist es für Earl A. Powell III, Direktor der National Gallery of Art in Washington, mit Ausstellung und begleitenden Publikation wichtig, einer neuen Generation von Kunstliebhabern Caillebottes beste Werke vorzuführen. Dem von Baron Georges-Eugène Haussmann unter Napoléon III. umgestaltete Paris mit seinen modernistischen Boulevards, seiner großbürgerlichen Gesellschaft und deren vielfältige Freizeitvergnügen widmete der wohlhabende Künstler seine ganze Aufmerksamkeit.