Edouard Manet, Eine Bar im Folies-Bergère, Detail, 1882, Öl/Lw, 96 x 130 cm (The Courtauld Gallery (The Samuel Courtauld Trust, London)
Der englische Industrielle und Kunstsammler Samuel Courtauld (1876–1947) schuf eine der bedeutendsten Kollektionen impressionistischer Gemälde in Europa. Die National Gallery in London vereint im Herbst 2018/19 die Bilder mit ihren Beständen, die teils aus dem von Courtauld gestifteten Fund angekauft wurden. Im Anschluss zeigt zeigt die Fondation Louis Vuitton in Paris die Werke an ihrem Entstehungsort.
Da die Courtauld Gallery ab September 2018 für einen Umbau geschlossen ist, übersiedeln die wertvollen Bestände des Impressionismus für eine Sonderausstellung in die Londoner National Gallery. Hier werden sie gemeinsam mit den Beständen der National Gallery eine veritable Geschichte des Impressionismus erzählen. Dass sich heute so viele herausragende Werke der französischen Avantgarde der Jahre zwischen 1860 und 1910 in London befinden, hat ursächlich mit der Förderung durch Samuel Courtauld zu tun: Er stiftete 1923 den Courtauld Fund, mit dem ausschließlich Werke der Impressionisten gekauft werden durften.
Großbritannien / London: The National Gallery, The Wohl Galleries
17.9.2018 – 20.1.2019
Frankreich / Paris: Fondation Louis Vuitton
20.2. – 17.6.2019
In der Fondation Louis Vuitton in Paris wird die Ausstellung „The Courtauld Collection. A Vision for Impressionism“ durch einige Werke aus privaten und öffentlichen Sammlungen ergänzt. Etwa 100 Bilder – hauptsächlich Gemälde und grafischen Arbeiten – aus der einstigen Sammlung Samuel Courtaulds reisen im Februar 2019 an die Seine. Aquarelle von William Turner, die einst Samuel Courtaulds Bruder Stephen gehörten, komplettieren den Einblick in die Sammlungstätigkeit der Courtaulds (ausschließlich in Paris!). Damit zelebriert die Ausstellung die Meisterleistungen der impressionistischen Künstler und Künstlerinnen – vergisst aber auch nicht auf den bemerkenswerten Erfolg Courtaulds bei der Anerkennung des Impressionismus und des Postimpressionismus | Pointillismus | Divisionismus in Großbritannien hinzuweisen.
Dem von ihm gegründeten Courtauld Institute of Art and Gallery in London schenkte Samuel Courtauld den Hauptteil seiner Meisterwerke im Jahr 1932.
Zu den berühmtesten Bildern der Courtauld Sammlung zählt Edouard Manets „Eine Bar im Folies-Bergère“, der Tahiti-Akt „Nevermore“ von Paul Gauguin, „Die Loge“ von Pierre-Auguste Renoir und eines von Vincent van Goghs berühmtesten Bildern, das „Selbstporträt mit verbundenem Ohr“. Samuel Courtauld spielte zudem eine bedeutende Rolle in der Anerkennung von Paul Cézanne – und trug eine der größten Sammlungen der Werke des Malers in Großbritannien zusammen. Zu den wichtigsten Cézanne-Bildern zählen „La Montagne Sainte-Victoire mit großer Pinie“, das tiefblaue „Lac d'Annecy“ (1896) sowie eine der fünf Versionen der „Kartenspieler“.
Über sein Engagement als Privatsammler hinaus schuf Samuel Courtauld noch den Courtauld Fund an der National Gallery in London, aus dessen Mitteln bis heute weitere impressionistische und postimpressionistische Werke erworben werden. Dadurch konnte „Weizenfeld mit Zypressen“ von Vincent van Gogh als erstes Gemälde des Künstlers von einer öffentlichen Sammlung in Großbritannien angekauft werden.
Die National Gallery verdankt ihrem Gönner die so bedeutende Werke wie „Ecke im Café-Concert” (1879) von Edouard Manet, „Junger Spartaner“ (1860) und das „Porträt von Elena Carafa“ (um 1875) von Edgar Degas, „Das Ruderboot” (1875) von Pierre-Auguste Renoir, „Gare Saint-Lazare“ von Claude Monet.
Der Spätimpressionismus ist durch Henri de Toulouse-Lautrecs Frühwerk „Frau sitzt in einem Garten“ (1891) und „Der Kanal von Gravelines, Grand Fort-Philippe“ (1890) von Georges Seurat gut repräsentiert. Mit den „Badende in Asnières“ (1884) von Seurat besitzt die National Gallery of Art in London eines der frühesten Werke des Pointillismus (→ Georges Seurat, Erfinder des Pointillismus). „Der Boulevard Montmartre bei Nacht“ (1897) von Camille Pissarro dokumentiert nicht nur die Langlebigkeit des Impressionismus, sondern auch die „Rückkehr“ Pissarros zu seinen „Wurzeln“, nachdem er den Pointillismus auf der Achten Impressionisten-Ausstellung 1881 so sehr protegiert hatte.
Samuel Courtaulds persönliche Vorliebe für das Werk von Paul Cézanne ist auch an den Erwerbungen der National Gallery in London nachvollziehbar: Neben dem „Selbstporträt“ (um 1880/81) zeigen die „Hügel in der Provence“ (um 1890–1892) die Hinwendung Cézannes zum tektonischen Bildaufbau.
Samuel Courtauld wurde am 7. Mai 1876 als Spross einer Industriellenfamilie geboren. Was verband ihn mit Frankreich? Kurz gesagt, seine Familie waren Hugenotten, die ursprünglich von der Insel von Oléron stammte. Die Courtaulds waren Ende des 17. Jahrhunderts nach London geflohen. Aus den Goldschmieden wurden Seidenproduzenten. Das Familienunternehmen entwickelte sich nach der Einführung von Viskose, auch „künstliche Seide“ genannt, zu einem der größten Textilproduzenten der Welt. Samuel Courtauld sprach fließend Französisch, hatte er doch in Frankreich Textilproduktion studiert. Nachdem er 1901 in das Familienunternehmen eingetreten war, stieg er bis 1908 zum Direktor auf.
1917 sah Samuel Courtauld in der Tate Gallery eine Ausstellung impressionistischer Malerei des irischen Kunstsammlers und -händlers Sir Hugh Lane (1875–1915). Dieser hatte das epochale Bild „Musik im Tuileriengarten“ (1862) von Edouard Manet erstanden, das bei dessen Erstpräsentation noch als „ungesunde Kunst“ verunglimpft worden war.
Davon war der angehende Sammler so begeistert, dass er begann, sich mit Kunst zu beschäftigen. Zum Sammler wurde er erst 1922, nachdem er eine weitere Ausstellung zur französischen Kunst im Burlington Fine Arts Club gesehen hatte. Der Geschäftsmann reiste in den 1920er Jahren regelmäßig nach Paris, um Kunstwerke der Impressionisten und Postimpressionisten von französischen Händlern zu erwerben. Die wichtigsten Erwerbungen gelangen ihm zwischen 1926 und 1930. Da die Sammlungspolitik der wichtigsten Londoner Museen noch die lokale Kunst (Tate) oder ausschließlich verstorbene Maler (The National Gallery, London) im Blick hatte, förderte Samuel Courtauld die Aufnahme der französischen Impressionisten und Postimpressionisten durch die Stiftung des Courtauld Fund. Der Großteil seiner Kunstsammlung ging nach seinem Tod am 1. Dezember 1947 testamentarisch an die Courtauld Gallery.
Courtaulds philanthropische Vision basierte auf dessen Überzeugung, dass Kunst bedeutend für die persönliche Entwicklung aber auch für das Wohlbefinden der Gesellschaft wäre. Anfangs stellte er seine Sammlung in seiner klassizistischen Wohnung am Portman Square im Zentrum von London aus. Nach dem Ableben seiner Ehefrau Elizabeth (1931), die als Förderin von Musikern bekannt war und die Wohlfahrt unterstützte, gründete Samuel Courtauld 1932 das Courtauld Institute of Art. Damit schuf er die erste Universität im Königreich, die ausschließlich der Lehre der Kunstgeschichte und Restaurierung gewidmet ist. Bis heute ist das Courtauld Institute of Art eine führende Institution in der Erforschung und Erhaltung von Kunstwerken.
Die Ausstellung wurde nur durch die zeitlich begrenzte Schließung der Courtauld Gallery möglich. Ab September 2018 wird das Gebäude renoviert, was wohl mehrere Jahre in Anspruch nehmen wird. Zu den Renovierungsvorhaben zählt auch der Great Room [Große Raum], der erste Ausstellungsraum in England, in dem bis 1836 die Jahresausstellung der Royal Academy präsentiert worden ist.
Quelle: Pressetext