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Wien | Gartenpalais Liechtenstein: Bronzen der Fürsten von Liechtenstein Gegossen für die Ewigkeit | 2023

Antico, Büste des Marc Aurel, Detail, um 1500, Bronze, vergoldet, 72,5 x 60,0 cm (LIECHTENSTEIN. The Princely Collections, Vaduz–Vienna, Inv.-Nr. SK 1630)

Antico, Büste des Marc Aurel, Detail, um 1500, Bronze, vergoldet, 72,5 x 60,0 cm (LIECHTENSTEIN. The Princely Collections, Vaduz–Vienna, Inv.-Nr. SK 1630)

Die Fürstlichen Sammlungen beherbergen einige der kostbarsten Bronzeplastiken vom 15. bis zum 19. Jahrhundert, die im Rahmen der Sonderausstellung GEGOSSEN FÜR DIE EWIGKEIT bei freiem Eintritt zu sehen sind. Schon von der Antike an sollte der Glanz von Bronzen den ewigen Ruhm des Dargestellten sicherstellen, technische Errungenschaften seit der Renaissance erweiterten das Spektrum mit bestechend realistischen Darstellungen körperlicher Dynamik und emotionaler Intensität.

Einzigartige Beispiele des fürstlichen Sammelns wie Anticoas Büste des Marc Aurel, das monumentale Porträt Ferdinando I. de’ Medici von Pietro Tacca oder Massimiliano Soldani-Benzis „Anima Dannata“, einer Kopie nach Gian Lorenzo Bernini, werden mit hochkarätigen Leihgaben aus den weltweit bedeutendsten Bronzesammlungen ergänzt, darunter das „Adlerpult“ des Hildesheimer Doms oder Leonardo da Vincis „Reiterstatuette“ aus Budapest.

Anfänge des Bronzegusses

Ausgehend von den technischen Leistungen des Glocken-, Mörser- und Kanonengusses entwickelte sich der figurale Bronzeguss. Die Errungenschaften auf diesem Gebiet sind in den monumentalen Portalen und in den grossen Taufbecken bedeutender Kathedralen der Romanik dokumentiert. Im Gartenpalais Liechtenstein dokumentieren romanische Bronzen aus Hildesheim, darunter das Adlerpult und der Löwenaquamanile, diese frühe Meisterschaft in der Metallbearbeitung.

Einen grandiosen Höhepunkt erreichte der Bronzeguss in den Reliefs der Türflügel des Baptisteriums in Florenz und in den überlebensgrossen Einzelfiguren der Florentiner Renaissance sowie in den Kleinplastiken, die auch in den anderen Kunstzentren Italiens, wie etwa in Mailand, Padua und Rom, entstanden. Eine frühesten Bronzestatuetten der Ausstellung ist Bertoldo di Giovannis Schildträger (um 1470). Thematisch zwischen Herkules, einm Faun und den sogenannten Wilden Männern angesiedelt, zeigt das Werk noch seine orginale Feuervergoldung. Der Bildhauer war Aufseher der Medici-Bronzen und unterrichtete im Garten von Lorenzo de’ Medici (1449–1492): Nicht als Künstler, aber als Lehrer von Michelangelo ging Bertoldo in die Kunstgeschichte ein.

Zu den frühesten Plastikern zählten Andrea Mantegna und Antico in Mantua, die sich beide an der Antike schulten. Vor allem Pier Jacopo Alari Bonacolsi, der sich selbst ab den 1480er Jahren „Il Antico“ nannte, trug wesentlich zur Verbreitung der antiken Bronzen bei: Mit der Reiterstauette von Kaiser Marc Aurel, dem Apollo Belvedere sowie seinen Interpretationen von Herkules-Figuren bzw. von dessen Heldentaten (z.B. in der Herkules und Antäus-Gruppe) setzte er neue Maßstäbe in antikischer Gestaltung und Gusstechnik. Seine lebensgroße, vergoldete Büste des Marc Aurel ist ein beredtes Beispiel höfischer Luxusproduktion und Sammelleidenschaft (→ Antico, Büste des Marc Aurel). So revolutionierte Antico nicht nur das Figurenideal, sondern nutzte ab den 1480ern auch die Reproduzierbarkeit seiner Wachsmodelle, um seinen Klient:innen Variationen seiner Kleinbronzen anzubieten. Darauf bauten Bildhauer wie Giambologna und seine Schüler aber auch Andrian de Vries oder Francois Duquesnoy auf.

Um 1490 machten italienische Bildhauer den nackten Körper zum zentralen Thema ihrer Kunst. Bewegung und Ausdruck folgten ab 1500. Das Ideal des hüllenlosen Körpers ist nur mit der antiken Kunst vergleichbar, durch die sich Künstler auch gerne und häufig inspirieren ließen. Dass auch teilweise bekleidete Figuren (mit einem schön gearbeiteten Gewand) zu erfreuen wussten, bewiesen unter anderem die aus Florenz stammenden Bildhauer Bertoldo di Giovanni und Jacopo Sansovino. Während Bertoldo seinen Bellerophon den Pegasus bezwingen lässt, trumpft Sansovino etwa 50 jahre später mit einem athletischen „Johannes der Täufer“ (1530er Jahre, Liechtenstein) auf. Nacktheit wurde auch bei religiösen Themen nicht als anstößig empfunden. Mit großer „virtù“ und bewundertem „ingenio“ schufen die Künstler kunsthandwerkliche Meisterleistungen in der Bronze. Die Plastik der Hochrenaissance - kann man schlussfolgern - erfreute sich höchster intellektueller Anerkennung und wurde im Studierzimmer von einem kennenden Publikum wertgeschätzt.

Bronzen aus dem Haus Liechtenstein

Die Fürsten von Liechtenstein setzten mit der Beauftragung beziehungsweise dem Erwerb wichtiger Bronzeplastiken bereits am Anfang des 17. Jahrhunderts einen ersten Paukenschlag, der ein Gradmesser für jede spätere Sammeltätigkeit sein sollte. Das erste Dokument fürstlicher Sammeltätigkeit ist die 1607 von Fürst Karl I. bei Adrian de Vries in Auftrag gegebene überlebensgrosse Bronzen des „Christus im Elend“. Auch nachfolgende Generationen der Familie setzten die Ankaufs- und Sammeltätigkeit als immerwährenden Beweis der Bedeutung dieses Fürstenhauses nahtlos fort.

Fürst Karl I. wurde 1600 von Kaiser Rudolf II. zum Obersthofmeister und Vorsitzenden des „Geheimen Rates“ und damit zum Leiter der Regierungsgeschäfte auf seinem Regierungssitz, der Prager Burg, ernannt. Hier residierte der Kaiser bis zu seinem Tod im Jahr 1612. Als „Palatin“ war Karl I. auch für die Kunstsammlungen des Kaisers und die dort ansässigen Künstler verantwortlich. Er beauftragte bei einem der wichtigsten Künstler, Adrian de Vries, 1607 die Figur des „Christus im Elend“ und wenige Jahre später den ebenso monumentalen „Heiligen Sebastian“ (1613/14) für seine eigenen Sammlungen. Aus einem Briefwechsel Karls I. mit dem Kaiser von 1597 ist bekannt, dass er bereits damals eine bedeutende Sammlung von „fürtrefflichen seltzamen Kunststucken und Gemälden“ besass.

Bronze: geeignetes Medium für Sammler im Norden

Fürst Karl Eusebius I. von Liechtenstein, Nachfolger Fürst Karls I., setzte diese Ankaufs- und Sammeltätigkeit nahtlos fort und wies seinen „geliebten Sohn“ Johann Adam Andreas I. in einem ihm gewidmeten Traktat nicht nur an, Kunst als immerwährenden Beweis seiner eigenen und der Fähigkeiten des Fürstenhauses zu erwerben, sondern er betonte im Speziellen auch die Bedeutung von Bronzeplastiken, um dieses Ziel ewigen Ruhms zu erreichen. Karl Eusebius I. erwarb kleinformatige Reduktionen der monumentalen Steinfiguren von Giambologna in Florenz und andere Modelle des Künstlers in frühen Güssen von Antonio Susini beziehungsweise seinem Neffen Giovanni Francesco Susini oder auch Pietro Tacca. Denn griechische und römische Originale wären seiner Aussage gemäss für ihresgleichen ohnehin unerreichbar und den Päpsten und dem römischen Hochadel vorbehalten, Bronzegüsse jedoch das geeignete Medium für einen Sammler im Norden.

Kopien nach römischen Antiken und zeitgenössischen Vorbildern

Fürst Johann Adam Andreas I. von Liechtenstein folgte weitgehend den Anweisungen seines Vaters und erhielt sogar die Erlaubnis der Medici, Kopien nach römischen Antiken aus ihrem Besitz in Florenz und Rom anfertigen zu lassen. „Kopist“ war dabei Massimiliano Soldani Benzi, von dem der Fürst in einem ersten Auftrag Kopien der beiden Marmorskulpturen der Tribuna in den Uffizien, der „Venus Medici“ und des „Tanzenden Fauns“, erwarb. Aufträge für Kopien nach antiken Kaiserbüsten folgten, auch lieferte Soldani Benzi den „Bacchus“ nach Michelangelo Buonarroti oder Kopien der „Anima Beata“ und der „Anima Dannata“ nach den Originalen von Gian Lorenzo Bernini. Man sollte jedoch nicht übersehen, dass Soldani Benzi dem Fürsten auch eigene Schöpfungen verkaufte, darunter Medaillen berühmter Florentiner, Kleinbronzen und Reliefs mit christlichem und allegorischem Inhalt.

Im dritten Raum der Damenappartements ergänzen Büsten des Südfranzosen Pierre Puget und des Flamen François Duquesnoy, Pierre Legros d. J. die Werke von Soldani Benzi. Die Bronzen des bedeutenden römischen Barockbildhauers François Duquesnoy sollten einhundert Jahre nach ihrer Entstehung als Antiken gelten, weshalb Georg Raphael Donner sie als Vorbilder nahm.

Sammeln in der Tradition der Vorgänger

Von nun an erwarben fast alle Fürsten von Liechtenstein bedeutende Bronzen. Durch Fürst Joseph Wenzel I. kam das erste Modell zur Reiterskulptur des Ferdinando I. de’ Medici in die Sammlungen, eines der raren signierten Werke Giambolognas. Anticos faszinierende „Büste eines Jünglings“, vielleicht einen Darstellung von Alexander dem Grossen, wurde vor 1807 für die Fürstlichen Sammlungen erworben. 1894 konnte Fürst Johann II. die monumentale und beeindruckend realistisch gestaltete „Büste eines Römers“ von Ludovico Lombardo den Sammlungen hinzufügen. Glücklicherweise blieb der Bestand von Bronzen durch die Verkäufe nach dem Zweiten Weltkrieg fast unangetastet, Verkäufe wie jener der „Anima Dannata“, zwischenzeitlich wieder zurückgekauft, waren die Ausnahme. Bronzen wurden in den 1950er Jahren und darüber hinaus nicht so sehr geschätzt und hätten nicht viel Geld gebracht, eine Situation, die sich in der Zwischenzeit grundlegend gewandelt hat.

Bedeutende Erwerbungen durch Fürst Hans-Adam II.

Ein besonderes Faible für Bronzen zeigt der heute Regierende Fürst Hans-Adam II. von und zu Liechtenstein, dem spektakuläre Erwerbungen gelungen sind, die die Bronzen-Sammlung mit ihrer Geschichte und Gegenwart zu einer der weltweit bedeutendsten weiterentwickelt haben. Andrea Mantegnas „Marsyas“ oder „Heiliger Sebastian“, Jacopo Sansovinos „Johannes der Täufer“, Anticos frühe reduzierte Version der „Laokoon-Gruppe“, sein „Herkules mit dem Löwenfell“, seine Reduktion des Monuments von Kaiser Marc Aurel auf dem Kapitol und vor allem die monumentale, feuervergoldete „Büste des Marc Aurel“ bilden Höhepunkte der Renaissancebronzen. Die Reihe monumentaler Herrscherporträts in Bronze setzt sich über die „Büste des Papstes Alexander VIII. Ottoboni“ von Domenico Guidi und die bernineske „Büste des Maximilian II. Emanuel, Kurfürst von Bayern“ von Guillielmus de Grof bis in das 18. Jahrhundert fort.

Die „bronze doré“

Schon von der Antike an sollte der Glanz solcher Bronzen den ewigen Ruhm des Dargestellten sicherstellen, von da setzt sich die Aura vergoldeter Bronze über mittelalterliche Werke bis zu den Appliken in „bronze doré“ italienischer oder französischer Möbel des Hochbarock fort. Eines der aufregendsten Beispiele dieses Einsatzes kostbarster Materialien ist das so genannte Badminton Cabinet, bekrönt von den schwer feuervergoldeten Allegorien der „Vier Jahreszeiten“ nach Entwürfen von Girolamo Ticciati, die letzten grossen Zeugen der Kultur der Bronzeplastik in Florenz. In der Ausstellung werden sie auf Augenhöhe mit den Besuchern und Besucherinnen zu sehen sein und belegen, dass sie nicht nur dekoratives Beiwerk sind, sondern auch als autonome Kunstwerke bestehen können. In das Kapitel der „bronze doré“ fallen auch die elegant-verspielten Cartel-Uhren des späten 18. Jahrhunderts, die nicht nur durch ihren Klang verzaubern, wenn sie die Stunde schlagen, sondern auch durch den Glanz ihres Ornaments.

Bronzereliefs und weitere Glanzpunkte

Ein eigenes Kapitel der Ausstellung ist dem Bronzerelief gewidmet. Auch hier können die Sammlungen auf dem Gebiet früher Plaketten und Medaillen Substantielles aufweisen, darunter Antonio Pisanos Darstellung des Niccolò Piccinino oder Francesco di Giorgio Martinis „Der heilige Antonius Eremit“. Das Thema des Bronzereliefs in den Fürstlichen Sammlungen lässt sich ausgehend von Pierino da Vincis (er war der Neffe Leonardos) Meisterwerk „Der Tod des Grafen Ugolino della Gherardesca und seiner Söhne“ bis zu den Beispielen des Florentiner Hochbarocks von Massimiliano Soldani-Benzi belegen. Unter den Werken Soldani-Benzis ist das von Fürst Hans-Adam II. erworbene Relief „Christus am Ölberg“ mit ihrer ausserordentlich schönen, fast golden schimmernden Florentiner Lackpatina zu erwähnen. Bereichert wird dieser Bestand an Objekten der Fürstlichen Sammlungen durch erlesene „Gäste“ anderer Museen und Sammlungen, die in dem hochkarätigen Zusammenspiel weitere besondere Akzente und Glanzpunkte setzen werden.

Hochkarätige Leihgaben

Hochkarätige Leihgaben aus den weltweit bedeutendsten Bronzesammlungen ergänzen die Schau, darunter das 1230/40 entstandene „Adlerpult“ des Hildesheimer Doms, Sinnbild des hochwertigen mittelalterlichen Gusshandwerks, oder Leonardo da Vincis „Reiterstatuette“ aus dem Budapester Szépművészeti Múzeum, eines der wenigen plastischen Werke, die einen Eindruck des Künstlers als Bildhauer vermitteln.

Führungen Sonderausstellung & Dauerausstellung

Im Rahmen von MÄRZ IM PALAIS werden Führungen durch die Sonderausstellung sowie zusätzlich Führungen durch die Dauerausstellung der Fürstlichen Sammlungen im 1. OG zu ermässigten Preisen angeboten: € 15,- (Einzelticket, zusätzliche Ermässigung für Ö1 Clubmitglieder) oder € 39,- (Familienticket: 2 Erwachsene und 2 Kinder zwischen 12 und 18 Jahren). Voranmeldung telefonisch oder via Website wird empfohlen. Weitere Informationen zur Sonderausstellung und zur Ticketbuchung unter Liechtenstein

Quelle: Liechtenstein. The Princely Collections, Vaduz-Wien