Jeff Wall

Wer ist Jeff Wall?

Jeff Wall (*29.9.1946, Vancouver, Kanada) ist ein kanadischer Kunsthistoriker und Foto-Künstler der Gegenwart (→ Zeitgenössische Kunst).

Ausbildung und Lehre

Von 1964 bis 1970 studierte Jeff Wall Kunstgeschichte am Department of Fine Arts der University of British Columbia in Vancouver. Sein Promotionsvorhaben führte ihn nach dem Studienabschluss ans Courtauld Institute of Art in London (1970–1973), danach lehrte er am Nova Scotia College of Art and Design im kanadischen Halifax.

Seit 1975 lebt und arbeitet Jeff Wall wieder in Vancouver, wo 1978 die Nova Gallery Schauplatz seiner ersten mit Fotografie bestückten Ausstellung gewesen ist. Über einen Zeitraum von 25 Jahren unterrichtete er an verschiedenen kanadischen Universitäten, von 1987 bis 1999 als Professor an der University of British Columbia. Walls kunstkritische Schriften sind in diversen Sprachen publiziert, und seit 40 Jahren stellt er seine Fotografien international aus.

Werke

Jeff Wall bezeichnet sich selbst nach Charles Baudelaire als „Maler des modernen Lebens“ (1863). Dabei unterscheidet er in seinen Arbeiten zwischen „dokumentarischen“ und „cinematografischen“ Fotografien. Dokumentarische Aufnahmen zeigen einen Ort oder eine Situation, die vom Künstler nicht verändert oder etwa auch arrangiert worden war. Für seine cinematografischen Werke arrangierte Jeff Wall jedes Detail mit Schauspielern oder Laiendarstellern wie auf einem Filmset. Seine Bildideen sind gespeist von eigenen Beobachtungen, Werken aus der Kunstgeschichte, von Literatur und Film. Dabei bedient er sich traditionsreicher Bildtypen, die er neu interpretiert. So finden sich immer wieder Hinweise auf die Kunst des Impressionismus, allen voran Gemälde von Edouard Manet (1832–1883).

„Als jünger Künstler in den sechziger Jahren erlebte ich noch die letzten Momente jener Ära, in der die Fotografie als eine sehr spezielle Kunstform angesehen wurde, die keinerlei qualitative Gemeinsamkeiten mit der Malerei hat. Dabei haben die Malerei, die Bildhauerei, die Fotografie und in einer bestimmten Weise auch das Kino doch eine sehr ähnliches Ziel: Sie sind die darstellenden Künste, sie wollen ein Bild, eine Darstellung schaffen. Fotografie aber galt über Jahrzehnte – und durchaus zu Recht – als minderwertige Kunst. Doch plötzlich stimmte diese Behauptung nicht mehr.“ (Jeff Wall, 2010)

Jeff Wall produziert seine Fotografien als großformatige und von hinten beleuchtete Diapositive (in Leuchtkästen). Diese Präsentationsform stammt aus der Werbung, wo Leuchtkästen seit den 1950er Jahren eingesetzt werden. Für den Künstler liegt

„die Change […] darin, sowohl die Vergangenheit einbeziehen zu können – die große Kunst in den Museen – und gleichzeitig in kritischem Sinn mit absolut zeitgemäßen technischen Mitteln Aufsehen erregen“.1

Ausstellungen von Jeff Wall

  • 1983: The Renaissance Society, Chicago
  • 1992: Louisiana Museum of Modern Art, Humlebæk
  • 1995: Jeu de Paume, Paris
  • 1999: Musée d’art contemporain de Montréal
  • 2001: Museum für Moderne Kunst, Frankfurt am Main
  • 2003: Museum Moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien
  • 2005: Schaulager, Münchenstein bei Basel; Tate Modern, London
  • 2007: The Museum of Modern Art, New York
  • 2013: National Gallery of Victoria, Melbourne
  • 2014: Stedelijk Museum Amsterdam
  • 2014: Kunsthaus Bregenz
  • 2015: Louisiana Museum of Modern Art, Humlebæk
  • 2018/19: Kunsthalle Mannheim; Mudam Luxembourg, Musée d’Art Moderne Grand-Duc Jean
  • Wall hat seit 1982 fünf Mal an der Documenta in Kassel teilgenommen.

Ehrungen und Auszeichnungen

Für sein fotografisches Werk wurde Jeff Wall neben mehreren anderen Ehrungen 2002 mit dem Hasselblad Foundation International Award in Photography und 2003 mit dem Roswitha Haftmann-Preis ausgezeichnet.

Literatur zu Jeff Wall

  • Jeff Wall. Appearance, hg. v. Sebastian Baden, Christophe Gallois, Ulrike Lorenz, Clément Minighetti (Ausst.-Kat. Kunsthalle Mannheim, 2.6.–9.9.2018; Mudam Luxembourg, Musée d’Art Moderne Grand-Duc Jean, 5.10.2018–6.1.2019), Esslingen 2018.
  • Jeff Wall. Transit (Ausst.-Kat. Staatliche Kunstsammlungen Dresden, 20.6.–19.9.2010).
  • Jeff Wall. Catalogue Raisonné 1978–2004, hg. v. Theodora Vischer und Heidi Naef.

Alle Beiträge zu Jeff Wall

28. Januar 2024
Jeff Wall, Milk, 1984, Detail

Riehen b. Basel | Fondation Beyeler: Jeff Wall Inszenierte Fotografie | 2024

Die Fondation Beyeler widmet 2024 dem kanadischen Künstler Jeff Wall (*1946) eine umfangreiche Einzelausstellung. Es handelt sich dabei um die erste Werkschau des Künstlers in der Schweiz seit zwei Jahrzehnten. Wall hat seit den späten 1970er Jahren maßgeblich zur Etablierung der Fotografie als eigenständiges Bildmedium beigetragen und gilt als Begründer der „inszenierten Fotografie“.
15. Juni 2023
Gerhard Richter, Zwei Kerzen, 1982 (Yageo Foundation Collection © Gerhard Richter 2022 (0153)

London | Tate Modern: Capturing The Moment Malerei und Fotografie im Dialog | 2023/24

Diese Ausstellung feiert die Malerei des 20. und 21. Jahrhunderts und zeigt, wie einige der größten modernen Maler Momente in der Zeit festgehalten haben. Die wechselseitige Beeinflussung von Malerei und Fotografie stehen im Fokus dieser Sammlungspräsentation.
30. Dezember 2020
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Wer waren die am häufigsten gegoogelten Künstlerinnen und Künstler 2020? ARTinWORDS hat für euch drei Listen mit einigen Überraschungen!
10. September 2018
Thomas Struth, Art Institute of Chicago 2, Detail, Chicago 1990, C-Print, 184,1 x 219 cm (Astrup Fearnley, Museum of Modern Art, Oslo; © Thomas Struth, 2018)

Der Flaneur. Vom Impressionismus bis zur Gegenwart Kunstvolles Schlendern durch die Kunst im Kunstmuseum Bonn

Kunstvolles Schlendern durch die Kunst im Kunstmuseum Bonn: Sehen und gesehen werden in der modernen Großstadt als Thema von Kunstwerken von den 1880ern bis heute.
14. März 2013
Bernd und Hilla Becher, Gasbehälter, 1965–2001, zusammengestellt 2003, Vier S/W-Fotografien: 1. Essen-Altenessen, D, 1976, 2. Wanne-Eickel, D, 1965, 3. Neunkirchen, Saarland, D, 1975, 4. Recklinghausen, D, 1978, Je 40,5 x 31,5 cm © Bernd und Hilla Becher / SAMMLUNG VERBUND, Wien, Courtesy the artists and Sonnabend Gallery, New York.

open spaces | secret places Werke aus der SAMMLUNG VERBUND

Vielleicht ist die Vertikale Galerie bei so manchen Museumsbesucher_innen noch ein „geheimer Platz“, wo man zwar gratis aber nur mit Führung und gegen Voranmeldung (+43-50313-50044) Einlass findet. Die VERBUND-Zentrale am Hof hat sich aber mit den vergangenen Ausstellungen etwa über Brigit Jürgenssen (2009), zum aufregenden Frühwerk von Cindy Sherman (2012) und der geplanten Schau über Francesca Woodman (Herbst/Winter 2013) bereits einen unumstößlichen Platz in der Wiener Ausstellungsszene erarbeitet.
22. Dezember 2010
Lars Blunk (Hg.): Die fotografische Wirklichkeit. Inszenierung – Fiktion – Narration, transcript VERLAG, Bielefeld August 2010.

Die fotografische Wirklichkeit. Inszenierung – Fiktion – Narration Lars Blunk (Hg.)

Lars Blunck, Gastprofessor für Kunstgeschichte an der Technischen Universität Berlin, legt mit diesem in vielerlei Hinsicht interessanten Sammelband ein wichtiges Kompendium zum derzeit so virulent geführten Diskurs über die „Wahrhaftigkeit“ der Fotografie vor. Ausgehend von einer kritischen Beurteilung von Roland Barthes Diktum, dass Fotografie notwendigerweise immer auf eine reale Sache verweise, setzt sich Blunck mit der Frage auseinander, ob ein Index (= Hinweisungszeichen) auch ein ikonisches Zeichen (= steht für etwas) sein könne.
8. Dezember 2010
Ralph Goings, Airstream, 1970, Öl auf Leinwand, 152 x 214 cm, Sammlung MUMOK, Foto MUMOK © Ralph Goings.

Hyper Real Wirklichkeit in Malerei und Fotografie

Malen nach Fotos (und nicht das Abmalen von Fotos!) gehört zum Methodenschatz der Hyperrealisten genauso wie die Suche nach möglichst alltäglichen Motiven.
17. Oktober 2010
Nam June Paik: „Fish Flies on Sky”, 1983-1985, Multi-Monitor-Installation, 3 Kanäle, 1050 x 400 cm Raumgröße, Metall, Glas, Elektronik, Software © Nam June Paik Estate, New York, 2010/ Stiftung museum kunst palast, Düsseldorf.

Düsseldorf, Quadriennale 2010 kunstgegenwärtig

Neun teilnehmende Häuser widmen sich unter dem Titel „kunstgegenwärtig“ der eigenen, jüngeren Kunst-Vergangenheit von Düsseldorf. Die sog. Düsseldorfer Malerschule hatte im 19. Jahrhundert bereits internationaler Bedeutung, woran vor allem 1961 durch die Berufung von Joseph Beuys (1921–1986), 1976 durch die Erweiterung des Lehrbetriebs durch den Fotografen Bernd Becher (1934–2007) und 1979 mit der Bestellung von Nam June Paik (1932–2006) wieder angeschlossen werden konnte. Alle Künstlerpersönlichkeiten haben durch ihren erweiterten Kunstbegriff, ihre konzeptuellen Arbeiten, ihre internationale Vernetzung und nicht zuletzt aufgrund ihrer Lehrtätigkeit Generationen von Künstlern geprägt. Der Kunst der 60er, 70er und 80er Jahre sind daher auch Einzel- und Gruppenausstellungen gewidmet, die die Frage nach der Wirkung dieser Ansätze bis heute hinterfragen.
  1. Zit. n. Jean-François Chevrier, Metamorphosen des Ortes, in: Jeff Wall. Catalogue Raisonné 1978–2004, hg. v. Theodora Vischer und Heidi Naef, S. 16.