Berthe Morisot
Wer war Berthe Morisot?
Berthe Morisot (14.1.1841–2.3.1895) war eine zentrale Persönlichkeit des Impressionismus – und mit dem Bruder von Edouard Manet, Eugène Manet, verheiratet. Morisot nahm mit ihren Bildern an der Ersten Impressionisten-Ausstellung 1874 teil und zählt damit zu den Begründerinnen des Stils. Als Tochter des Bezirkshauptmanns von Cher und Enkelin des berühmten Rokoko-Malers Jean-Honoré Fragonard kam Berthe Morisot aus einer kunstaffinen Familie, die ihre Ambitionen deutlich unterstützte. Zeitlebens stellte Morisot unter ihrem Mädchennamen aus. Berthe Morisot wurde als einer der innovativsten Künstlerinnen der Gruppe anerkannt und bildet neben Mary Cassatt und Marie Braquemond das Dreigestirn der Pariser Avantgarde der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.
Die Figurenmalerin widmete sich verschiedenen Themen des modernen Lebens wie der Intimität des modernen bürgerlichen Lebens und den Freizeitgestaltungen der gehobenen Gesellschaft, die Begeisterung für Dörfer und Gärten, der Bedeutung von Frauenmode und Toilette, der häuslichen Arbeit von Frauen. In ihren Bildern verschwimmen die Grenzen zwischen innen/außen, privat/öffentlich, abgeschlossen/unvollendet.
Ausbildung
Die aus einem wohlhabenden Familie in Bourges stammende Berthe Morisot erhielt ihre erste Kunstausbildung von Geoffroy-Alphonse Chocarne und Joseph Guichard. Dem ersten Besuch der Sechzehnjährigen Morisot im Louvre 1857 folgten weitere, in denen sie sich durch das Kopieren von vorbildlich geltenden Werken fortbildete. Im Louvre machte die angehende Künstlerin Bekanntschaft mit weiteren jungen Malern wie Claude Monet und Edgar Degas. Über ihren Lehrer Guichard lernte Berthe Morisot auch den Maler Jean-Baptiste Camille Corot kennen, der ihre frühen Landschaften beeinflusste. Berthe Morisot wandte sich 1860 der Plainair-Malerei und dem Pastell zu. Drei Jahre später studierte sie bei Achille Oudinot, einem weiteren Maler der Schule von Barbizon, bei dem Bildhauer Aimé Millet nahm sie Stunden in Bildhauerei. Bildhauerische Arbeiten haben sich nicht erhalten. Überhaupt sind Werke der Malerin vor 1869 kaum erhalten, da sie sie zerstörte.
Morisot im Salon
Die 23-jährige Berthe Morisot stellte erstmals 1864 zwei Landschaften im Salon von Paris aus und auch in den folgenden sechs Jahresausstellung der renommierten Académie des beaux-arts zugelassen. Bis 1869 arbeitete Berthe Morisot Seite an Seite neben ihrer Schwester Edme. Als diese den Marienoffizier Adolphe Pontillon heiratete und nach Cherbourg übersiedelte, hatte Edme keine Zeit mehr sich der Malerei zu widmen. In den Jahren vor der Ersten Impressionisten-Ausstellung 1874 widmete sich Berthe Morisot vor allem dem Aquarell.
Nachdem Berthe Morisot 1868 Edouard Manet kennengelernt hatte, übte dieser einen eminenten Einfluss auf die Künstlerin aus. Die enge Verbindung zwischen den beiden führte zum einen zum häufigen Modellstehen Morisots für Manet und zum anderen zum Gerücht, Morisot wäre seine Schülerin gewesen. Zu den bekanntesten Werken Manets zählt „Der Balkon“ (1868/69), für das Morisot an der Schwelle zwischen Privatheit und Öffentlichkeit am Balkon sitzend dargestellt ist (→ Edouard Manet, der Salon und der doppelte Blick).
In den späten 1860ern und frühen 1870er Jahren ließ Berthe Morisot die akademische Malweise hinter sich und entwickelte sich zu jener ernstzunehmenden Künstlerin, die den „weiblichen Blick“ des Impressionismus mitprägte. 1872 fand sie im Kunsthändler Paul Durand-Ruel einen frühen Förderer ihrer Kunst. Durand-Ruel erwarb 22 ihrer Gemälde.
Morisot als Impressionistin
1874 löste sie sich von der offiziell anerkannten Ausstellungsinstitution, um sich den „zurückgewiesenen“ Impressionisten in ihrer Ausstellung im Atelier des Fotografen Nadar anzuschließen. Mit zwölf Gemälden, darunter das bekannte Werk „Die Wiege [Le Berceau]“ (1872, Musée d‘Orsay), stellte sie sich als begabte Beobachterin des modernen Lebens vor (→ Erste Impressionisten-Ausstellung 1874). Neben Morisot präsentierten sich Paul Cézanne, Edgar Degas, Claude Monet, Camille Pissarro, Pierre-Auguste Renoir und Alfred Sisley, um die heute bekanntesten Maler aufzuzählen. Bis auf die Schau im Jahr 1878, als ihre Tochter geboren wurde, nahm Berthe Morisot an sieben der acht Impressionisten-Ausstellungen teil. Gemeinsam mit ihrem Mann Eugène Manet war sie für die Organisation der achten und letzten Gruppenausstellung verantwortlich, auf der die Pointillisten rund um Camille Pissarro in einem gemeinsamen Raum vorgestellt wurden (→ Achte Impressionisten-Ausstellung 1886).
Berthe Morisot glaubte, dass die Malerin danach streben sollte, „etwas einzufangen, was geschieht“. Dafür beobachtete sie nicht nur ihre Familienmitglieder, sondern auch die weiblichen Bediensteten. Die Mehrzahl von den gemalten Frauen beschäftigte sie selbst in ihrem Haushalt. Morisots Interesse daran, diese arbeitenden Frauen zu malen, spiegelt ihre eigene Situation wider. Gleichzeitig dokumentiert sie bürgerliche Lebensführung und die Intimität des geteilten Haushalts.
Späte Werke
In den 1890er Jahren malte Berthe Morisot häufig ihre häusliche Umgebung, die ihr sowohl als Atelier wie auch als Motiv diente. In dieser Phase gelangte sie zu einer neuen Expressivität in ihren Gemälden. Morisots Figuren werden zunehmend von ihrer Umgebung umschlossen. Die vibrierende, gesättigte Palette und der geschmeidige Pinselstrich lassen an die Ästhetik des Symbolismus denken, die während der 1890er Jahre bedeutsam wurde.
Moderne Themen und die Geschwindigkeit der Ausführung wurden von den Impressionisten mit der Zeitlichkeit der Darstellung verbunden. Die Künstlerin konfrontiert uns unermüdlich mit dem Vergänglichen und dem Vergehen der Zeit. So laden Morisots späte Werke, die sich durch eine neue Ausdruckskraft und Musikalität auszeichnen, zu einer oft melancholischen Meditation über die Beziehungen zwischen Kunst und Leben ein.