Charlotte Berend-Corinth

Wer war Charlotte Berend-Corinth?

Charlotte Berend-Corinth (Berlin 25.5.1880–10.1.1967 New York) war eine deutsche Malerin, Lithografin, Buchillustratorin und Autorin der Klassischen Moderne (→ Klassische Moderne). Sie war zudem Schülerin, Ehefrau und häufiges Modell des Malers Lovis Corinth.

Ab 1906 stellte sie eigene, heute verschollene Werke in Ausstellungen der Berliner Secession aus, konzentrierte sich jedoch vor allem auf ihre Familie und die Karriere ihres Ehemanns. Im Jahr 1909 begann Berend-Corinth mit verschiedenen grafischen Arbeiten in Form von lithografischen Mappenwerken und ersten Buchillustrationen. Nach der Abspaltung der Neuen Secession blieb sie weiterhin in der zu dem Zeitpunkt von Lovis Corinth geleiteten Secession. Von 1924 bis 1932 war sie dort im Vorstand aktiv. Nach dem Tod von Lovis Corinth war sie in Deutschland und nach ihrer Emigration auch in den USA als Künstlerin erfolgreich. Sie schrieb zudem mehrere Bücher und stellte 1958 das Werkverzeichnis „Die Gemälde von Lovis Corinth“ zusammen, das bis heute als Standardwerk genutzt wird.

„Wenn ich zurückdenke, wie ich es stets durchgesetzt hatte zu malen, trotz Schwangerschaft, trotz Arbeit bei den kleinen Kindern, trotz Wirtschaft, Kochen, jahrelang, Modell stehe, Kranksein viel, Pflegen viel, Geldeinschränkungen in den ersten Jahren, trotz aller Kraftabgaben an Corinth und an die Kinder jederzeit, durchs ganze Leben hin. Und immer ruft die innere Stimme: gib nicht auf! Sei achtsam, energisch, sei auch auf die bedacht, geh nicht unter im Kleinkram, in all den immer neu geformten Pflichten.“1 (Charlotte Berend-Corinth, Mein Leben mit Lovis Corinth)

Kindheit

Charlotte Berend wurde am 25. Mai 1880 als zweite Tochter des jüdischen Baumwollimporteurs Ernst Berend und seiner Frau Hedwig (geb. Gumpertz) in der Berliner Kochstraße geboren. Ernst Berend stammte aus einer jüdischen Kaufmannsfamilie, die in Dessau und Hamburg lebte, während die Familie Gumpertz seit mehr als 200 Jahren in Preußen lebte und zu den ältesten Schutzjuden des Landes gehörte. Sein Geschäft befand sich am Berliner Alexanderplatz. Wie viele erfolgreiche jüdische Geschäftsleute zog er 1884 in das Kaufmannsviertel am Kurfürstendamm, wo die Familie eine Wohnung in der Berggrafenstraße bezog.

„Vom Vater haben wir den Humor, der von Alice später in Kunst umgewandelt wurde. […] Nie wäre ich ohne diese Kindheit fähig gewesen, einem so ernsten Mann, wie Lovis Corinth es war, das Leben so angenehm zu machen. Mein Humor, meine Ironie gab seinem Hang zur Melancholie das Gleichgewicht.“2 (Charlotte Berend-Corinth, Als ich ein Kind war, 1950)

Gemeinsam mit ihrer älteren Schwester Alice Berend (1875–1938), der späteren Schriftstellerin, ging Charlotte auf die öffentliche Charlottenschule nahe dem Magdeburger Platz. Auf der Schule erhielt sie ihren ersten Zeichenunterricht bei Eva Stort (1855–1936), einer Privatschülerin von Max Liebermann und Karl Stauffer-Bern, und wollte nach ihrem Schulabschluss selbst Malerin werden. Obwohl anfänglich dagegen, willigte ihr Vater aufgrund der zeichnerischen Begabung in ein Kunststudium seiner Tochter ein.

Ausbildung

1898 absolvierte Charlotte Berend die Prüfung für die Aufnahme an der Königlichen Kunstschule zu Berlin in der Klosterstraße 75, die als „Vorschule“ der Unterrichtsanstalt des Kunstgewerbemuseums Berlin diente. Sie studierte dort bei Maximilian Schäfer und Eva Stort.3 Ein Jahr später wurde sie in die Unterrichtsanstalt des Kunstgewerbemuseums aufgenommen und führte ihre Studien fort.

Am 28. Februar erschoss sich Berends Vater, da er bei Börsenspekulationen sowohl sein eigenes Vermögen verloren wie auch treuhänderische Gelder veruntreut hatte. Hedwig Berend zog mit ihren beiden Töchtern in eine kleine Wohnung am Halensee, Charlotte musste ihr teures Studium beenden.

Ab 1901 nahm die 21-jährige Charlotte Berend als eine der ersten Schülerinnen Unterricht bei Lovis Corinth, der eine private „Malschule für Akt und Portrait“ in der Klopstockstraße 52 im Nordwesten von Berlin gegründet hatte. Wie viele Frauen in der Kunst war Charlotte Berend gleichzeitig Malerin, Muse und Modell, teilweise auch Aktmodell. Sie stand dem 21 Jahre älteren Lehrer Corinth ab 1902 regelmäßig als Modell zur Verfügung, wobei das erste Bild „Porträt Charlotte Berend im weißen Kleid“ ein Vollporträt in einem hellen Kleid mit dunkler Schärpe war.

Im gleichen Jahr begleitete sie ihn allein zu einer Studienreise nach Horst in Pommern (heute: Niechorze). Während des Aufenthaltes dort vertiefte sich die Beziehung von Lovis Corinth und Charlotte Berend und sie wurden ein Liebespaar. Charlotte Berend beschrieb in ihren Lebenserinnerungen „Mein Leben mit Lovis Corinth“, wie sie beide engumschlungen auf einem Steg saßen und sie ihm die Geschichte ihres ersten Heiratsantrags erzählte. Während des Badeurlaubs malte Lovis Corinth das Bild „Petermannchen“ ebenso wie das „Paddel-Petermannchen“ (so sein Kosenamen für Charlotte), und Charlotte skizzierte ihren Lehrer in Bleistiftzeichnungen.

Charlotte Berend-Corinth und Lovis Corinth

Am 23. März 1904 heirateten Lovis Corinth und Charlotte Berend, wobei sie den Doppelnamen Berend-Corinth annahm.4 Thomas wurde am 13. Oktober 1904 (Taufdatum: 4. April 1905) und damit nur sieben Monate nach der Hochzeit geboren; die Tochter Wilhelmine Corinth folgte fünf Jahre später am 13. Juni 1909.

Lovis Corinth malte während seines Lebens zahlreiche Porträts seiner Frau in unterschiedlichen Lebenssituationen. Es dürften an die 80 Bildnisse seiner Gattin sein, nicht zu reden von den Werken, zu denen sie ohne bestimmte Bildabsicht Modell gestanden hat.5 Das erste Porträt von Berend-Corinth entstand im Juni 1902: „Bildnis Charlotte Berend im weißen Kleid mit Rose“ (Berlin Museum). Sie erinnerte an sein Entstehen:

„Sehr bald zeigte der Herr Lehrer ein auffallendes Interesse für mich, lobte mich, wie gut ich voran käme in der schönen Kunst des Zeichnens, doch war es mir fühlbar, dass auch ein persönliches Interesse sich immer deutlicher einstellte. Das gipfelte dann beim Semester-Schluss im Juni in seiner Frage: ‚Fräulein Berend, ich würde gern Ihr Porträt malen. Was meinen Sie dazu?‘ So entstand das erste Bildnis von mir ‚Charlotte Berend im weißen Kleide‘. Er schenkte es mir und signierte es ‚Der Herr Lehrer für Fräulein Charlotte Berend‘.“6

Charlotte Berend-Corinth als Malerin

Lovis Corinth unterstützte die Malerkarriere seiner Frau nur wenig, während er zu dieser Zeit einer der bekanntesten Maler der Berliner Secession wurde. Dies Situation änderte sich erst, als Charlotte Berend-Corinth den Schweizer Maler Ferdinand Hodler kennenlernte und 1905 wohl eine Affäre mit ihm begann. Am 2. Mai 1905 hielt sie in ihrem Tagebuch fest:

„Gestern ist die Secession eröffnet worden, und abends war im Palast-Hotel ein großes Fest. Da saßen Liebermann und Leistikow und Hodler.“

Trotz Drängens von Hodler, ihren Mann zu verlassen, hielt sie an der Ehe mit „ihrem Ostpreußen“ fest. Aber noch im selben Jahr schuf sie das Porträt „Henny“, das die Tochter der befreundeten Familie Sekbach zeigt.7

Mütter

1906 stellte Charlotte Berend-Corinth erstmals ein Bild in der Berliner Secession aus. Obwohl ihr Mann ihr geraten hatte, ein „gutes“ Stillleben zu malen, entschied sich die Künstlerin für eine komplexe, großformatige Komposition, das heute verschollene Bild „Mütterlichkeit“ oder „Die Mütter“.8 Die Malerin stellte sechs Frauen mit Kindern dar, in der Mitte „thront“ gleichsam eine stillende Mutter wie eine Madonna. Charlotte Berend-Corinth verlagerte die religiöse Darstellung in den zeitgenössischen Alltag und entschied sich damit für eine Strategie, die bereits von Fritz von Uhde gepflegt wurde. Innige Mutter-Kind-Darstellungen sind auch in den Werken von Käthe Kollwitz und Paula Modersohn-Becker zu finden. Charlotte Berend-Corinth reichte das Werk zur 11. Ausstellung der Berliner Secession ein und wurde aufgenommen. Corinth schrieb ihr von der Ausstellungsvorbereitung:

„Petermannchen, Du hängst schon im großen Saal. Hast kolossalen Erfolge bei der Jury. Slevogt ist weg davon. Liebermann auch, jetzt weiß er es auch. Also hurrah.“9

Das erste von ihr gezeigte Gemälde beeindruckte sowohl Publikum wie Fachpresse. Dies ermutigte die Malerin auch an beiden Ausstellungen 1907 teilzunehmen. Beide Werke sind verschollen. Ihre erste Reise nach Italien überwältigte Charlotte Berend-Corinth. In der Folge wollte sie sich sowohl von ihren frühen Werken trennen als auch sich von den Werken ihres Mannes abgrenzen. Mit „Die schwere Stunde“ (1908, verschollen) verarbeitete die Künstlerin die lebensbedrohliche Geburt ihres Sohnes: Sie stellte eine in den Geburtswehen liegende Frau dar. Das Gemälde wurde von der Secessionsjury für die Frühjahrsausstellung 1908 aufgenommen, obwohl das Motiv als „gewagt“ erachtet wurde. Die malerischen Qualitäten des heute verschollenen Bildes müssen überzeugend gewesen sein. Else Lasker-Schüler beschrieb das Werk enthusiastisch:

„Ich habe nie in Wirklichkeit ein kindtragendes Weib mit solcher Ehrfurcht betrachtet, wie diese Riesenmutter, von einer Riesin gemalt, auf ihrem Riesenbilde […] Charlotte Berend hat ein Historienbild des Naturgesetzes gemalt; es müsste neben Michelangelo Buonarrotis Moses im Tempel der Galerien hängen.“10

Das Gemälde wurde für eine Berliner Frauenklinik angekauft, zeigte es doch eine Geburt aus höchst weiblicher Perspektive mit dem expressiven Malduktus, der auch Corinths Bilder kennzeichnet. Kolorit und Pinselstrich sind in einer Ölstudie im LENTOS überliefert. Außergewöhnlich sind der schmerzverzerrte Gesichtsausdruck, dass sich die liegende Gebärende mit einer Hand die Augen zuhält, sie mit der anderen ein Mädchen ergreift.

Auf den folgenden Secessionsausstellungen päsentierte sich Charlotte Berend-Corinth als Porträtistin (heute leider verlorener Bildnisse): „Die Geschwister“ (April 1909), „Bildnis eines Malers“ (1911)

„Auch in diesem Jahre sind Frauen an der Ausstellung der Berliner Sezession beteiligt, und zwar vier Malerinnen und drei Bildhauerinnen. Unter den Malerinnen sind zwei die Gattinnen von Führern der Sezession: Charlotte Berend (Frau Corinth) und Alice Trübner, die Lebensgefährtin des Karlsruher Meisters.“ (in: Wiener Hausfrauen-Zeitung, 27.6.1909)

Spätestens seit der XXII. Ausstellung der Berliner Secession 1911 hatte sich in der Presse die Information über die Beziehung zwischen Charlotte Bernd-Corinth und Lovis Corinth bereits durchgesprochen. Das ebenfalls verlorene Porträt eines Malers erhielt eine glänzende Besprechung von Kurt Scheffler in „Kunst und Künstler“:

„In dieser Verbindung mag auch das Malerbildnis von Charlotte Berend genannt sein. Es ist Frau Corinth, die sich hinter diesem Pseudonym verbirgt. Das zu erwähnen, ist wichtig, weil zum Lob dieser Arbeit gesagt werden muss, dass sie vom Einfluss Lovis Corinth viel mehr frei geblieben ist, als man es für möglich halten sollte. Charlotte Berend erweist sich als freier und tüchtiger als Alice Trübner, die doch gewiss nicht arm an Talent ist. Dieses Malerbildnis ist das Beste, was man von Ch. Berend kennt; es erhebt sich über manche Männerarbeit der Secession. Der stark und sicher modellierte Kopf ist ein kleines Virtuosenstück breiter und ausdrucksvoller Malerei, und es ist in dem Wurf des Ganzen ein wohlgeschultes, kühnes Temperament, wie man ihm unter Frauen nur ganz selten begegnet.“11

Corinths Schlaganfall und Secessionsjury

Nach dem Schlaganfall Lovis Corinths am 19. Dezember 1911 unterbrach Charlotte Berend-Corinth ihre künstlerische Arbeit und pflegte ihren Ehemann. Sie war in diesem Jahr noch mit einer Zeichnung und im darauffolgenden mit einem Gemälde vertreten.

Die die Ärzte dem Künstlerpaar eine Reise ans Mittelmeer rieten, reisten sie im Winter 1912 nach Bordighera an der Riviera. Während ihr Mann langsam wieder zu malen begann, fand Charlotte keine Kraft dazu. Auch im folgenden Jahr verreiste das Paar, diesmal nach Bernried. Die Malerin litt darunter, dass sie ihre künstlerischen Ambitionen hintanstellen musste. Als der Malerkollege Rudolf Sieger sich für sie bei Corinth stark machte, verweigerte ihr der Maler die Unterstützung.

1912 wurde Charlotte Berend-Corinth jedoch Mitglied der Berliner Secession. Als 1913 – aufgrund von Spannungen – der Vorstand mit Max Liebermann und 42 Mitgliedern austraten und die „Freie Secession“ gründeten – blieb Corinth in der Secession. Lovis Corinth übernahm im Frühjahr 1915 den Vorsitz, zu den berühmtesten Mitgliedern gehörten noch Otto Modersohn, Charlotte Berend-Corinth und Philipp Franck. Ab 1915 saß Bernd-Corinth auch in der Jury der Ausstellungskommission.

Welt des Theaters

Im Frühjahr 1914 hielt sich das Ehepaar Corinth in Rom auf. Während Lovis dort zu seinem Altersstil fand, erkrankte Charlotte an einer Lungenentzündung. Der Maler brachte seine Ehefrau zu ihrer Schwester Alice nach Forte di Marmi an die ligurische Küste. In dieser Phase durchlebte Charlotte Bernd-Corinth eine Krise, aus der sie sich in Rom bei ihrer Schwester erholen konnte. Dadurch gestärkt wandte sie sich der Motivwelt Theater zu und schuf einige Farblithografien, die zu ihren bekanntesten Werken gehören.

Sie illustrierte Christian Andersens Märchen „Die kleine Seejungfrau“ und porträtierte den Schauspieler „Max Pallenberg in der Rolle des Figaro“ (1917, Stadtmuseum, Berlin) vom Deutschen Theater. Seine Ehefrau, die Schauspielerin Fritzi Massary, verewigte sie in einer Serie von neuen Lithografien. Als sie diese Arbeiten 1917 bei einer Grafikausstellung der Berliner Secession ausstellte, war sie damit so erfolgreich, dass sie ihren Mann überflügelte. Dieser dürfte auf den Erfolg seiner Ehefrau unterkühlt reagiert haben, ein Urlaub in Heiligendamm brachte keine Annäherung.

Walchensee

Die Sommerreise 1918 führte das Künstlerpaar erstmals nach Urfeld am Walchensee, wo sie im Hotel Fischer am See wohnten. Die Schönheit der Landschaft begeisterte den Maler so sehr, dass sie während dieses Aufenthalts den Bau eines Hauses beschlossen. „Haus Petermann“ wurde von einem Bildverkauf für 30.000 Mark finanziert und von Charlotte Berend-Corinth organisiert.

Im Jahr 1919 kaufte Lovis Corinth ein Grundstück in Urfeld am Walchensee, auf das seine Frau ihm ein Haus bauen ließ. Das Haus wurde zum Rückzugsort der Familie, an dem Corinth seine berühmten Walchensee-Bilder, Porträts und Stillleben schuf. Die bayerische Landschaft inspirierte ihn zu jenen späten Landschaftsbildern, die einen außergewöhnlichen Zyklus in einem Werk bilden. Der Maler verbot seiner Ehefrau sich „seiner“ Landschaft zu widmen, weshalb sich Charlotte Berend-Corinth weiterhin mit den Protagonistinnen der Bühne auseinandersetzte und die Malerei zeitweise aufgab.

Die Künstlerin wandte sich einmal mehr der Welt des Theaters zu und schuf 1919/20 Zeichnungen und Lithografien von Tänzerinnen, darunter Anita Berber (erotischer Tanz) und Valeska Gert (expressiver Ausdruckstanz). Mit Anita Berber verband Charlotte Berend-Corinth so lange eine Freundschaft, bis die Künstlerin ihre freizügigen, ja lasziven Nacktdarstellungen veröffentlichte. 1920 publizierte sie eine achtteilige Serie zu „Valeska Gert“, welche die Tänzerin in unterschiedlichen Kostümen – Bauernmädchen, spanische Flamenco-Tänzerin oder Ballerina – zeigt.

1921 wandte sich Bernd-Corinth mit dem Gemälde „Waldlandschaft, Urfeld am Walchensee“ erstmals der Landschaft zu, was wie ein Einbruch in die künstlerische Welt ihres Mannes wirkt. Diese Unabhängigkeit zeigt sich auch in einer Reise nach Paris und Spanien von 1925. Im folgenden Jahr erschien ein Buch „Reisetage in Spanien“ (verschollen).

Nach dem Tod Corinths

Am 16. Juni 1925, kurz nach der Rückkehr Berend-Corinths aus Spanien, brach Lovis Corinth zu einer Studienreise nach Holland auf. Er wollte in Amsterdam die Werke der von ihm verehrten Meister Rembrandt van Rijn und Frans Hals sehen. Anfang Juli erkrankte er dort an einer Lungenentzündung.

Lovis Corinth starb am 17. Juli 1925 im Alter von 67 Jahren im Seebad Zandvoort. Danach stellte Berend-Corinth ihre eigenen Kunstprojekte weiterhin zurück und widmete sich zunächst vor allem der Sichtung und Ordnung seines Nachlasses. 1926 veröffentlichte sie die von ihr redigierte Autobiografie ihres verstorbenen Ehemannes. Zudem organisierte sie die erste Gedächtnisausstellung in der Alten Nationalgalerie im selben Jahr und begann mit den Arbeiten an dem Werkverzeichnis seiner Gemälde.

Seit 1924 gehörte Berend-Corinth dem Vorstand der Secession an und war auch Jurymitglied für die Kunstausstellungen. Mit ihren Mappenwerken und Buchillustrationen für Max Pallenberg, Fritzi Massary und Valeska Gert unterstützte sie in den 1920er Jahren häufig Personen des Berliner Theaterlebens. Sie porträtierte unter anderen Michael Bohnen, Werner Krauß, Paul Bildt und Paul Graetz (1931). 1926 entstand das Porträt des Architekten Hans Poelzig, das noch im selben Jahr von der Berliner Nationalgalerie angekauft wurde.

Im Jahr 1927 eröffnete Charlotte Berend-Corinth eine Schule für angehende Maler in der Klopstockstraße 48, im selben Haus von Corinths ehemaliger Schule. Gemeinsam mit Käthe Kollwitz, Paula Modersohn-Becker und ihrer ehemaligen Lehrerin Eva Stort war sie u.a. mit ihrem Werk „Die schwere Stunde“ in der Ausstellung „Die schaffende Frau in der Bildenden Kunst“ im Berliner Künstlerhaus vertreten. Danach reiste sie mit ihren beiden Kindern vier Monate in den Orient: Beirut, Damaskus, Kairo und Alexandria. Zu Studienzwecken brach sie auch nach Italien, in die Türkei, nach Ägypten und nach Dänemark auf.

Noch im April/Mai 1933 war die Berliner Malerin mit „Boxer“ in der Städtischen Galerie Nürnberg in der Ausstellung „Schreckenskammer“ vertreten. Kurz darauf wurde sie als „jüdische Künstlerin“ diffamiert. Den größten Teil der dreißiger Jahre war sie, mit kurzen Unterbrechungen, in Italien wohnhaft; 1936 freundete sie sich mit einem Italiener namens Fernando an und lebte einige Zeit mit ihm zusammen in Alassio. Dort entwickelte sie ihren sehr eigenen Stil der Landschafts-Aquarellmalerei, mit dem sie auch zu amerikanischen Ausstellungen eingeladen wurde. 1936 hatte sie ihre ersten Kollektivausstellungen in den USA, unter anderem in New York, Davenport und Scranton. Außerdem wurde sie zu internationalen Ausstellungen des Carnegie Institute in Pittsburgh, einer Galerie in New York, eingeladen.

New York

1939 emigrierte Charlotte Berend-Corinth von der Schweiz aus in die Vereinigten Staaten, wo ihr Sohn Thomas bereits seit 1931 in New York ansässig war. Sie blieb wenige Monate in New York und zog dann nach Santa Barbara in Kalifornien. Dort lebte sie von 1940 bis 1943, schloss enge Freundschaft mit Donald Bear, dem Direktor des Santa Barbara Museum of Art, und malte zahlreiche kalifornische Landschaften. 1943 zog sie zurück nach New York und blieb dort; auch ihre Tochter Wilhelmine und deren Mann, die den Zweiten Weltkrieg in Hamburg überlebt hatten – Wilhelmine war vom NS-Regime als sogenannter jüdischer Mischling mit einem Berufsverbot belegt worden –, zogen 1948 dorthin. Sie traf auch viele alte Bekannte wieder, darunter Fritzi Massary, Ilka Grüning, Lyonel Feininger und seine Frau Julia sowie Alma Mahler-Werfel, mit der sie 1964 freundschaftlich verbunden blieb. Im US-amerikanischen Exil entstanden weitere Landschaftsaquarelle sowie Stillleben und Portraits. Eine neu eröffnete Malschule sicherte Charlotte Berend-Corinth den Lebensunterhalt, zudem hatte sie zahlreiche Ausstellungen in amerikanischen Privatgalerien und Museen.

1948 veröffentlichte sie ihr autobiografisches Buch „Mein Leben mit Lovis Corinth“, das sie bereits 1937 abgeschlossen hatte. 1950 folgte die Schrift „Als ich ein Kind war“, in der sie ihre Jugend in Berlin reflektierte. Im Folgejahr sowie 1952, 1954 und 1958 reiste sie nach Europa, unter anderem auch nach Deutschland und Österreich. 1956 führte sie eine Kreuzfahrt mit der Tochter zu den Karibischen Inseln und stellte ihre Bilder im Kunstamt Reinickendorf aus. 1957 waren ihre Werke in München und kleineren Städten der Bundesrepublik zu sehen. Im selben Jahr stellte sie etwa 40 Aquarelle im Kunstamt Berlin-Reinickendorf aus, diese Bilder wurden anschließend auch im Hamburger Künstlerclub „Die Insel“ gezeigt. Im Jahr 1959 nahm sie mit über 20 Aquarellen an einer Gruppenausstellung in der Städtischen Galerie im Lenbachhaus in München teil.

1958 veröffentlichte Charlotte Berend-Corinth zum 100. Geburtstag Lovis Corinths das Werkverzeichnis „Die Gemälde von Lovis Corinth“, welches bis heute als Standardwerk betrachtet wird und 1992 von Béatrice Hernad nachbearbeitet wurde. Sie reiste nach Deutschland und veröffentlichte noch im selben Jahr ein weiteres Erinnerungsbuch mit dem Titel Lovis. 1960 und 1961 hatte sie erneut eine Reihe von Ausstellungen in amerikanischen und deutschen Privatgalerien.

Tod

Charlotte Berend-Corinth starb am 10. Januar 1967 in New York City.

Noch im Juli desselben Jahres wurden ihre Werke in der Ostberliner Nationalgalerie gezeigt; sie hatte an der Konzeption der Ausstellung noch mitgewirkt, die durch ihren Tod zur Gedächtnisausstellung wurde. 2016 wurden einige ihrer Gemälde im Stadtmuseum Berlin in der Gemeinschaftsausstellung „Berlin – Stadt der Frauen“ gezeigt.

Charlotte Berend-Corinth war Mitglied des Deutschen Künstlerbundes. Ihre Bibliothek befindet sich heute in der Bibliothek der Akademie der Künste Berlin.

Quellen

  • Charlotte Berend-Corinth, Als ich ein Kind war, Hamburg 1950.
  • Charlotte Berend-Corinth, Mein Leben mit Lovis Corinth, München 1947.
  • Karl Scheffler, Berliner Secession. Die zweiundzwanzigste Ausstellung, in: Kunst und Künstler, 9,11 (1911), S. 471–490.

Literatur zu Charlotte-Berend-Corinth

  • Käthe Kollwitz und ihre Kolleginnen der Berliner Secession (1898–1913), hg. v. Ulrike Wolff-Thomsen und Lörg Paczkowski (Ausst.-Kat. Museum Schlösschen im Hofgarten, Wertheim, 6.9.–4.11.2012; Liebermann-Villa am Wannsee, 25.11.2012–4.3.2013), Wertheim 2012.
  • Katja Behling, Charlotte Berend-Corinth, in: Katja Behling und Anke Manigold, Malweiber. Unerschrockene Künstlerinnen um 1900, München 2009.
  • Karl-Ludwig Hofmann, Charlotte Berend-Corinth – Lovis Corinth. Ein Künstlerpaar im Berlin der Klassischen Moderne, Kürzelsau 2005.
  • Ursula El-Akramy, Die Schwestern Berend, Geschichte einer Berliner Familie, Hamburg 2001.
  • Renate Berger, Sabine Fehlemann, in: Ulrich Krempel und Susanne Meyer-Büser (Hg.), Garten der Frauen. Wegbereiterinnen der Moderne in Deutschland. 1900–1914, Berlin 1996.
  • Lovis Corinth, hg. v. Klaus Albrecht Schröder (Ausst.-Kat. Kunstforum der Bank Austria, Wien, 2.9.–22.11.1992; Forum des Landesmuseums Hannover, 8.12.1992–21.2.1993), München 1992.
  • Carl Georg Heise, Lovis Corinth. Bildnisse seiner Frau. Reclam, Stuttgart 1958.

Beiträge zu Charlotte Berend-Corinth

Charlotte Berend-Corinth, Henny (Henriette Seckbach), Detail, 1905, Leinwand, 97 cm x 59 cm (Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau München, © Rechtsnachfolge der Künstlerin)

Saarbrücken | Saarlandmuseum: Charlotte Berend-Corinth


Charlotte Berend-Corinth (1880–1967) kam als Ehefrau, Mutter und Modell eine tragende Rolle in Lovis Corinths Leben und Schaffen (1858–1925) zu. Das Saarlandmuseum freut sich, im Winter 2021/22 ihr Werk umfänglich zu präsentieren.
  1. Charlotte Berend-Corinth, Mein Leben mit Lovis Corinth, München 1960, S. 72.
  2. Charlotte Berend-Corinth, Als ich ein Kind war, Hamburg 1950, S. 13.
  3. Für die Information, dass auch Ludwig Manzel zu ihren Lehrern gehört hätte, gibt es keinen Beleg.
  4. Spätere Darstellungen nennen für die Trauung oft das Datum 23. März 1903, da die voreheliche Zeugung ihres Sohnes verschleiert werden sollte. Die Trauung ist jedoch beurkundet unter StA Berlin-Charlottenburg 1, Heiratsregister Nr. 57/1904. Ein möglicher Hintergrund für die spätere Vorverlegung des Datums könnte das Geburtsdatum des gemeinsamen Sohnes Thomas sein.
  5. Carl Georg Heise, Lovis Corinth. Bildnisse seiner Frau, Stuttgart 1958.
  6. Zit. n. Stephan Koja, Bildnis Charlotte Berend im weißen Kleid, in: Lovis Corinth, hg. v. Klaus Albrecht Schröder (Ausst.-Kat. Kunstforum der Bank Austria, Wien, 2.9.–22.11.1992; Forum des Landesmuseums Hannover, 8.12.1992–21.2.1993), München 1992, Kat. 13.
  7. Siehe: Ursula El-Akramy, Die Schwestern Berend, Geschichte einer Berliner Familie, Hamburg 2001, S. 161–162.
  8. Eine Farbabbildung des Werks findet sich in Jugend, Jg. 16, Heft 10 (1916). S. 184.
  9. Zit. n. El-Akramy 2001, S. 166.
  10. Else Lasker-Schüler, Die schwere Stunde, in: Morgen, Jg. 2 (16.10.1908). Zit. n. Karl-Ludwig Hofmann, Charlotte Berend-Corinth – Lovis Corinth. Ein Künstlerpaar im Berlin der Klassischen Moderne, Künzelsau 2005, S. 14.
  11. Karl Scheffler, Berliner Secession. Die zweiundzwanzigste Ausstellung, in: Kunst und Künstler, 9,11 (1911), S. 471–490, hier S. 486.