0

Obsessionen: Akte von Klimt, Schiele und Picasso aus der Scofield Thayer Sammlung Erotische Kunst der Klassischen Moderne

Egon Schiele, Selbstporträt, Detail, 1911, Aquarell, Gouache und Bleistift, 51,4 x 34,9 cm (The Metropolitan Museum, New York, Bequest of Scofield Thayer, 1982)

Egon Schiele, Selbstporträt, Detail, 1911, Aquarell, Gouache und Bleistift, 51,4 x 34,9 cm (The Metropolitan Museum, New York, Bequest of Scofield Thayer, 1982)

Erotische Kunst – Frauenakte – von Klimt, Schiele und Picasso aus der Scofield Thayer Sammlung zeigt das MET Breuer im Sommer 2018. Knapp 50 Zeichnungen, Aquarelle und Druckgrafiken der berühmten Künstler anlässlich der 100. Wiederkehr der Todestage von Gustav Klimt und Egon Schiele.

Gustav Klimt, Egon Schiele und Pablo Picasso teilten sich die Obsession, nackte Körper in unzähligen Zeichnungen und Ölgemälden zu studieren. Der Eros ist in den Werken der drei Maler nicht wegzudenken, ja eines der Hauptmotive, mit denen sie sich lebenslang – bei Picasso bis ins hohe Alter – beschäftigt haben.

Gustav Klimts erotische Zeichnungen wurden in Ausstellungen präsentiert und einige Blätter illustrierten die Neuausgabe der „Häterengespräche“ von Lukian. Als träumende Wesen – Nixen, Wassergeister – fanden Darstellungen nackter, junger Frauen auch Eingang in seine symbolistische Kunst. Klimt zeigt die Frauen immer aus der Position des Voyeurs. Einige befriedigen sich selbst und wenden dabei ihre Köpfe den Betrachtern zu. Da sie ihre Augen geschlossen haben, kommt es zu keinem Blickkontakt mit den Betrachtenden.

Ungleich „härter“ ist der Umgang des um eine Generation jüngeren Egon Schiele mit dem Themenkomplex Sexualität, Körperlichkeit, Körperbewusstsein. Der Expressionist arbeitet mit Übertreibung, zeigt die Körper der jugendlich wirkenden Mädchen geschunden. Schieles Vorliebe für große Augen macht es schwierig, die Alter der von ihm gezeigten Frauenakte zu bestimmen. Handelt es sich bei einigen Arbeiten auch um Minderjährige? Waren seine Modelle Gelegenheitsprostituierte? Kauften die Sammler diese Frauenakte aus Gründen der Ästhetik oder doch, um sich an den erotischen Darstellungen mannigfaltig zu erfreuen?

Scofield Thayer - Sammler von Akten und Liebespaaren

Scofield Thayer (1889–1982) stammte aus einer wohlhabenden Familie und war zwischen 1919 und 1926 der Mitherausgeber des Literaturmagazins „Dial“. Damit stellte er dem amerikanischen Publikum Autoren wie unter anderem T.S. Eliot, Ezra Pound, D.H. Lawrence, Arthur Schnitzler, Thomas Mann und Marcel Proust vor. Neben den Beiträgen reproduzierte Thayer Bilder moderner Kunst. Seine eigene große Sammlung von mehr als 600 Werken – meist Arbeiten auf Papier – trug er mit außergewöhnlicher Geschwindigkeit in London, Paris, Berlin und Wien zwischen 1921 und 1923 zusammen. Während er sich in Wien von Sigmund Freud analysieren ließ, erwarb er eine große Gruppe von Aquarellen und Zeichnungen von Schiele und Klimt. In den 1920er Jahren waren beide Künstler in Amerika nicht bekannt.

1924 zeigte Scofield Thayer eine Auswahl aus seiner Sammlung in der Montross Gallery in New York. Fünf Jahre bevor das Museum of Modern Art eröffnet wurde, wurde diese Präsentation begeistert aufgenommen. In Worcester, Massachusetts, wo Thayer geboren worden war, ging die Bevölkerung nicht so entspannt an die erotischen Darstellungen heran. Im gleichen Jahr zeigte auch das Worcester Art Museum die Sammlung und erntete dafür Kritik. Der seit den späten 1920er Jahren zurückgezogen lebende Kurzzeit-Sammler auf Martha's Vineyard und in Florida. Bereits 1925 entschied sich der 1982 verstorbene Thayer, dass seine Sammlung Erotica an das Metropolitan Museum of Art in New York gehen sollte.

Kuratiert von Sabine Rewald, die Jacques and Natasha Gelman Curator for Modern Art im Department of Modern and Contemporary Art an The Metropolitan Museum of Art.

Obsessionen: Akte von Klimt, Schiele und Picasso aus der Scofield Thayer Sammlung: Ausstellungskatalog

Mit Beiträgen von James Dempsey (Worcester Polytechnic Institute), Experte zu Scofield Thayer, und Sabine Rewald.

Obsessionen: Akte von Klimt, Schiele und Picasso aus der Scofield Thayer Sammlung, New York: Bilder

  • Gustav Klimt, Die Liebenden, 1913, Bleistift, 37,1 x 56,5 cm (The Metropolitan Museum, New York, Bequest of Scofield Thayer, 1982)
  • Gustav Klimt, Liegender Akt mit Draperie, um 1912–1913, Bleistift, 36,8 x 55,9 cm (The Metropolitan Museum, New York, Bequest of Scofield Thayer, 1982)
  • Egon Schiele, Liegender Akt mit Stiefeln, 1918, Kohle, 46,4 x 29,5 cm (The Metropolitan Museum, New York, Bequest of Scofield Thayer, 1982)
  • Egon Schiele, Zwei liegende Akt, 1911, Aquarell und Bleistift, 56,5 x 36,8 cm (The Metropolitan Museum, New York, Bequest of Scofield Thayer, 1982)
  • Egon Schiele, Selbstporträt, 1911, Aquarell, Gouache und Bleistift, 51,4 x 34,9 cm (The Metropolitan Museum, New York, Bequest of Scofield Thayer, 1982)
  • Egon Schiele, Der Kuss, 1911, Bleistift, 55,9 x 37,5 cm (The Metropolitan Museum, New York, Bequest of Scofield Thayer, 1982)

Weitere Beiträge zu Klimt, Schiele, Picasso

25. Januar 2024
Klimt Fraulein Lieser im Stadtpalais Liechtenstein, Foto: Alexandra Matzner, ARTinWORDS

Wien | im Kinsky: Klimt Damenporträt versteigert Fräulein Lieser wiederentdeckt | April 2024

Das Auktionshaus im Kinsky kündigt für April 2024 eine Sensation an: das wiederentdeckte Damenporträt „Margarethe Constance Lieser“ (1917) von Gustav Klimt.
21. Januar 2024
Klimt, Margarethe_Constance_Lieser, Detail, 1917, Öl auf Leinwand, gerahmt 14ß0 x 80 cm (Privatbesitz)

Wien | Gustav Klimt: Fräulein Lieser, ehem. Margarethe Constance Lieser Wiederentdecktes Klimt-Porträt wird versteigert | 2024

Wiederentdecktes Klimt-Porträt wird bei Im Kinsky versteigert!
18. Januar 2024
Gustav Klimt, Adele Bloch-Bauer II, Detail, 1912, Öl/Lw, 190 x 120 cm (Privat)

Wien | Belvedere: Klimt. Adele Bloch-Bauer II Frisch restauriert | 2023/24

Gustav Klimts berühmtes Bildnis „Adele Bloch-Bauer II“ (1912/13) befindet sich zum Jahreswechsel 2023/24 in Wien.
11. Februar 2024
Walter Gramatté, Die große Angst, Detail, Radierung, 1918

Washington | National Gallery of Art: Deutscher Expressionismus und sein Erbe Das ängstliche Auge | 2024

Die Ausstellung bietet Einblicke in die Arbeit der innovativen Künstler:innen des frühen 20. Jahrhunderts und ihre anhaltende Wirkung ein Jahrhundert später. Mit Werken von Heckel, Kirchner, Nolde, Dix, Kollwitz, Schiele, Schmidt-Rottluff und Grammatté; ergänzt um Leonard Baskin, Nicole Eisenman, Orit Hofshi, Rashid Johnson, Matthias Mansen.
15. Januar 2024
Egon Schiele, Die Selbstseher

Wien | Albertina: Egon Schiele − Adrian Ghenie Schiele nicht erhaltene Bilder neu interpretiert | 2024/25

Adrian Ghenies neuer Werkszyklus mit Schwerpunkt auf dem menschlichen Körper und der Existenz bietet Raum für Interpretationen, die über das Physische hinausgehen und in das Transzendente eintauchen.
2. November 2023
Amedeo Modigliani, Chaim Soutine

Potsdam | Museum Barberini: Modigliani Moderne Blicke | 2024

Amedeo Modiglianis berühmte Porträts & weibliche Akte werden auf ihr Frauenbild hin wieder neu befragt.
17. Februar 2024

Paris | Musée de l’Orangerie: Sammlung Museum Berggruen Picasso – Klee – Matisse – Giacometti | 2024

97 Werke der Sammlung Museum Berggruen in Paris, darunter die Hauptwerke „Der Gelbe Pullover“ (1939) und „Großer Liegender Akt“ (1942) von Pablo Picasso, „Madame Cézanne“ (1885) von Paul Cézanne und „Die Seilspringerin“ von Henri Matisse (1952).
27. Dezember 2023
Max Ernst, Der Hausengel (Lenbachhaus, München)

München | Lenbachhaus: Surrealismus + Antifaschismus Aber hier leben? Nein Danke. | 2024/25

Der Surrealismus war eine politische Bewegung von internationaler Reichweite und internationalistischer Haltung. Das Lenbachhaus arbeitet deshalb mit dem zentralen Begriff des Antifaschismus. Die Ausstellung sieht sich als Bündelung von Versuchen, einen immer noch eng definierten und politisch verharmlosten surrealistischen Kanon zu revidieren
10. November 2023
Edvard Munch, Das weinende Mädchen, Detail, 1909 (LWL-Museum für Kunst und Kultur, Münster © LWL/Neander)

Münster | LWL-Museum: Akte – Nudes Radikal nackt | 2023/24

Akte aus der Tate London und des LWL-Museums, präsentiert in thematischen Gruppen vom historischen Akt, von den privaten und modernen Aktdarstellungen sowie surrealen Körpern bis hin zu politisch aufgeladenen und fragilen Darstellungen des nackten Körpers.
Alexandra Matzner
Gründerin von ARTinWORDS * 1974 in Linz, Studium der Kunstgeschichte, Geschichte und Romanistik in Wien und Rom. Seit 1999 Kunstvermittlerin in Wien, seit 2004 Autorin für verschiedene Kunstzeitschriften. Jüngste Publiktionen entstanden für das Kunsthaus Zürich, Schirn Kunsthalle Frankfurt, Albertina und Belvedere in Wien.