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Paris | Musée Picasso: In der Wohnung von Léonce Rosenberg De Chirico, Ernst, Léger, Picabia | 2024

Francis Picabia,Pavonia, Detail, 1929, Öl auf Leinwand, 149,7 x 170,8 cm (Privatsammlung)

Francis Picabia,Pavonia, Detail, 1929, Öl auf Leinwand, 149,7 x 170,8 cm (Privatsammlung)

Léonce Rosenberg wohnte zwischen 1928 und 1929 in der 75 rue Longchamp in Paris. Der Kunsthändler und Mäzen beauftragte einige seiner Lieblingskünstler mit der Gestaltung der verschiedenen Räume, darunter Giorgio de Chirico, Alberto Savinio, Francis Picabia (→ Francis Picabia: Unser Kopf ist rund), Fernand Léger, Auguste Herbin, Jean Metzinger, Georges Valmier, Gino Severini, Max Ernst. Dort trug er eine erlesene Auswahl an alten und modernen Möbeln, Gemälden von bedeutenden Künstlern sowie dekorativer Kunst zusammen. Der Begriff „Moderne Antike“ zieht sich wie ein roter Faden durch die meisten Räume, aber auch die Idee von „Transparenz“ und geschichteten Bildern findet sich in den Werken von Picabia, Savinio und Ernst. Ab Ende Januar 2024 zeigt das Musée Picasso-Paris eine Gruppe von Gemälden und Skulpturen, die diese Installation wieder lebendig werden lässt.

Wer war Léonce Rosenberg?

Léonce Rosenberg war während und nach dem Ersten Weltkrieg einer der einflussreichsten Händler und einer der bedeutendsten Förderer des Kubismus und der abstrakten Malerei (→ Abstrakte Kunst). Als ältester Sohn des Kunsthändlers Alexandre Rosenberg erbten er und sein Bruder Paul das Geschäft ihres Vaters und teilten es unter sich auf, wobei Léonce 1910 e sein eigenes Unternehmen gründete – damals noch mit einem Schwerpunkt auf der Haute Epoque (Antiquitäten aus dem Fernen und Mittleren Osten, Alte Meister).

In seiner Galerie „L'Effort moderne“, 1918 gegründet, stellte Rosenberg während der 1920er eine feine Auswahl an Avantgarde-Künstler:innen des Kubismus aus, darunter Pablo Picasso, Georges Braque, Fernand Léger, Juan Gris, Auguste Herbin, Henri Laurens, Jean Metzinger, Francis Picabia, Gino Severini, Giorgio de Chirico. Im Jahr 1929 richtete Rosenberg eine Wohnung im XVI. Arrondissement ein: Léonce Rosenberg vereinte in nur 15 Monaten etwa ein Dutzend Künstler:innen an der Schwelle zwischen Kubismus, Neuer Sachlichkeit und dem aufkommenden Surrealismus.

Léonce Rosenbergs Wohnung

Der Ausstellungsrundgang zeichnet in sechs Abschnitten die Geschichte der elf Zimmer der Wohnung nach, die Léonce Rosenberg für seine Frau und seine drei Töchter Jacqueline, Lucienne und Madeleine eingerichtet hat. Der Sammler behält das Prinzip bei, jedem Künstler ein Zimmer zuzuteilen, indem er ein Gemälde mit einer Auswahl an alten und zeitgenössischen Möbeln kombiniert.

Überzeugt davon, dass der Kubismus auch nach dem Krieg der modernste Ausdruck der Kunst seiner Zeit bleiben würde, versuchte Léonce Rosenberg, diesen Stil zu einem Markenzeichen zu machen. Deshalb förderte er eine bestimmte Auswahl an Künstler:innen, deren Anführer er sich selbst sah. Die Ausstattung des Speisesaals zeugt von diesem Engagement auch im Bereich der angewandten Kunst. Deshalb wandte er sich an den Maler Georges Valmier (ein Mitglied von Abstraction-Création), den ungarischen Bildhauer Joseph Csaky und den Designer René Herbst, die gemeinsam ein Ensemble schufen, das perfekt zum opulenten Interieur des Sammlers passte.

Die Abstraktionen von Auguste Herbin für das Raucherzimmer und die farbenfrohen Harmonien von Albert Gleizes für Jacquelines Schlafzimmer gehören bereits zu einem Stil, der sich von den Kanons des Vorkriegskubismus löst.

In der zweiten Hälfte der 1910er Jahre zeigte sich auch Léonce Rosenberg sensibel für Picassos Anleihen an der antiken Kunst. In seiner Wohnung zeichnen sich zwei außergewöhnliche Dekorationsensembles durch ihre Größe und Originalität im Kontext einer Rückkehr zur klassischen Tradition aus: der Zyklus „Gladiatoren“, den Giorgio de Chirico für den Empfangssaal geschaffen hat, und der Zyklus „Transparenzen“ von Francis Picabia geschaffen für Madame Rosenbergs Schlafzimmer. Zwischen Zitat und Ablenkung zeigt Giorgio de Chiricos ursprünglich aus elf Gemälden bestehende Serie humorvolle Szenen mit nackten Körpern, die an antike Kunst erinnern. Die Werke von Gino Severini, die ursprünglich für Jacquelines Schlafzimmer gedacht waren, kultivieren dieselbe parodistische Ader: Antike Ruinen und Figuren aus der Commedia dell'arte verbinden sich zu Szenen, die scheinbar vergeblich verlaufen.

Der Zyklus der „Transparenzen“, den Francis Picabia für Madame Rosenbergs Zimmer angefertigt und für die Ausstellung restauriert, zeigt eine dem Surrealismus nahestehende Haltung. Zum einen verkörpert er eine dekorative Funktion und zeigt gleichzeitig den Geschmack der Zeit für Esoterik. Mit „Shell Flowers“ von Max Ernst und „Universel“, einem kosmischen Gemälde von Amédée Ozenfant, zeugen diese Werke von einer plastischen Erforschung der Wirkung von Transparenz, bei der die Überlagerung von Bildschichten eine verborgene Welt suggeriert.

Die Finanzkrise von 1929/1930 führte zum Ruin von Léonce Rosenberg und zum Verkauf der Wohnung. Dadurch wurde die Wohnungseinrichtung in alle Himmelsrichtungen verstreut. Die Ausstellung vereint zum ersten Mal rund 40 Werke dieser Wohnung, die beredt Einblick gibt in Léonce Rosenbergs Geschmack und Kombinationsgabe. Die Ausstellung zeichnet die Geschichte der Objekte und der Beziehung zwischen Kunsthändler und Mäzen zu seinen Kunstschaffenden dank umfangreicher Dokumentation nach (historische Zeitschriften, Auszüge aus der Korrespondenz von Léonce Rosenberg mit den Künstlern, Wohnungsplan, Fotografien).

Kuratiert von Giovanni Casini, Kunsthistoriker und Gastkurator, sowie Juliette Pozzo, leitende Dokumentarfilmstudienbeauftragte am Mnpp.
Quelle: Musée Picasso-Paris