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Amedeo Modigliani. Werke und Leben Seine Bilder und sein Umfeld in Paris

Amedeo Modigliani, Akt auf einem blauen Kissen, 1917, Öl auf Leinwand, 65,4 x 100,9 cm (Chester Dale Collection, Washington National Gallery of Art, Washington, 1963.10.46)

Amedeo Modigliani, Akt auf einem blauen Kissen, 1917, Öl auf Leinwand, 65,4 x 100,9 cm (Chester Dale Collection, Washington National Gallery of Art, Washington, 1963.10.46)

Amedeo Modigliani (1884─1920) gilt als künstlerischer Einzelgänger am Montmartre, wenn er auch in Paul Cézanne seinen Leitstern erkannt und im Frühwerk künstlerische Berührungen mit Pablo Picasso und Constantin Brâncuşi hatte. Der Avantgardist liebte darüber hinaus die Malerei der italienischen, vor allem Florentiner Renaissance, woraus er Inspirationen für den Frauentypus mit „Schwanenhals und Mandelaugen“ ziehen konnte. Wenn Modigliani heute hauptsächlich für seine Frauenakte berühmt ist, so schuf er hauptsächlich Porträts, dazu noch 25 Skulpturen und vier Landschaften (→ Amedeo Modigliani: Biografie).

Ausbildung und Pariser Jahre

Amedeo Modigliani wurde am 12. Juli 1884 in Livorno geboren, seine Mutter Eugenia Modigliani war eine hochgebildete Frau und Übersetzerin. Die Familie Modigliani gehörte dem aufgeklärten jüdischen Bürgertum an. Als sephardische Juden lebte sie nach einer liberalen Auslegung ihres Glaubens. Mit elf Jahren (1895) erkrankte Modigliani an einer schweren Rippenfellentzündung, fünf Jahre später (1900) an Tuberkulose. Während Modiglianis Erkrankung an der Rippenfellentzündung hatte er laut der Darstellung seiner Mutter einen Fiebertraum, in dem er über die künstlerischen Meisterwerke in Italien phantasierte und der ihm seine künstlerische Bestimmung aufgezeigt hätte. Nach seiner Genesung erhielt Modigliani von seinen Eltern die Erlaubnis, die Schule abzubrechen und ein Kunststudium zu beginnen. Mit gerade einmal 14 Jahren schrieb er sich an der privaten Zeichen- und Malschule des Malers Guglielmo Micheli in Livorno ein (1898). Da Modigliani im Juli 1900 an Tuberkulose erkrankt war, verbrachte er den Winter 1900/1901 zusammen mit seiner Mutter auf einer Reise nach Neapel, Capri und Rom.

In den folgenden Jahren studierte Amedeo Modigliani an der Scuola libera di Nudo (deutsch: Freie Aktzeichenschule) bei Giovanni Fattori und beschäftigte sich daneben hauptsächlich mit der Kunst der Renaissance. Zwischen 1903 und 1905 lebte Amedeo Modigliani in Venedig, wo er am Istituto di Belle Arti di Venezia Kurse der Freien Aktzeichenklasse belegte und Vorlesungen zur italienischen Kunstgeschichte besuchte. Die Malerei betrieb er weniger intensiv. In den Jahren 1903 und 1905 kam er auf den Biennalen in Kontakt mit den Werken des französischen Impressionismus, mit Skulpturen Auguste Rodins und Werken des Symbolismus. Während seiner Studienzeit in Venedig begann Modigliani Haschisch zu konsumieren, und nahm an spiritistischen Sitzungen teil.

Anfang des Jahres 1906 zog Amedeo Modigliani nach Paris, wo er anfangs in einem komfortablen Hotel wohnte. Zwischen Winter 1906 und 1909 lebte der Italiener in Montmartre (→ Schirn analysiert den Montmartre), danach am Montparnasse. Um 1900 war der Montmartre mit seiner dörflichen Struktur, den Vergnügungslokalen und den sozialen Randgruppen, zu denen sich auch die avantgardistischen Künstler selbst zählten, der wichtigste Lebensbereich der internationalen Künstlerkolonie von Paris. Es zählten Henri de Toulouse-Lautrec, Henri Rousseau und Pablo Picasso zu den heute berühmtesten Bewohnern1 des erst 1860 eingemeindeten Bezirks. Hier entwickelten Picasso und sein Kreis den Kubismus, der ab 1910 am städtisch geprägten Montparnasse von Künstlern wie Robert Delaunay und Fernand Léger mit urbanen Themen und Stadtansichten weitergeführt wurde.

Die ersten Jahre Modiglianis in Paris waren geprägt von häufigen Wohnungswechseln, so dass er auch schon mal als „fahrender Geselle“2 tituliert wurde. Die selbst gewählte Armut empfand der aus bürgerlichen Verhältnissen stammende Künstler als ein Opfer für die Kunst. Seinen Personalstil entwickelte Modigliani 1910, als er bereits seit vier Jahren in Paris weilte, seit 1907 am Salon des Indépendants und d‘Automne Gemälde und Zeichnungen präsentierte und auf den Montmartre umgezogen war. Die frühesten Werke mit Hang zur Karikatur sind stilistische Pasticci bekannter Illustratoren und Künstler wie Henri de Toulouse-Lautrec, Paul Gauguin, Edvard MunchHenri Rousseau (der „Zöllner“), Théophile Steinlen. Häufig skizziert er einzelnen Figuren mit einer einzigen Konturlinie, wie es auch Auguste Rodin in seinen erotischen Akten erprobte. Viele dieser Zeichnungen Modiglianis dürften in der Aktklasse der Académie Colarossi entstanden sein, die Modigliani wie viele seiner Zeitgenossen besuchte. In Stil wie Themenwahl näherte sich der Italiener dem Werk von Pablo Picasso an, vor allem dessen Blauer Periode (→ Pablo Picasso: Blaue Periode), indem er sich für Außenseiter, Verstoßene, trostlose Gestalten interessierte.

„Was ich suche, ist weder das Wirkliche noch das Unwirkliche, sondern das Unterbewusste, das Geheimnis dessen, was in der menschlichen Rasse instinktiv ist.“3 (Amedeo Modigliani 1907)

 

 

In den Jahren 1908 und 1909 entdeckte Modigliani das Werk von Paul Cézanne, den er forthin als einen Leitstern empfand. Im Jahr zuvor hatten der Salon des Indépentants und die Galerie Bernheim-Jeune zwei Gedächtnisausstellungen des 1906 verstorbenen Künstlers präsentiert. Wenn sich Amedeo Modigliani auch nicht für die Raumfrage interessierte, so eignete er sich doch den typischen Farbauftrag in kurzen Strichen und Flecken, eine dunklere Farbigkeit und melancholische Stimmung der Dargestellten an (z. B. „Der Cellist“, „Der Bettler“). Gleichzeitig stellte der Künstler zwei Mal am Salon des Indépendants aus (1908 und 1909), wo seine Arbeiten jedoch auf wenig Interesse bei Sammlern, Händlern und Kritikern stieß. Einzige Ausnahmen waren Jean und Paul Alexandre, die Modigliani mit Aufträgen bedachten und ihn weiterhin – u. a. mit einem Porträtauftrag von Baroness Marguerite de Hasse de Villers (1909, Privatsammlung), der Freundin von Jean Alexandre – unterstützten. Da sich die Dargestellte sich in dem Bildnis, an dem Modigliani lange und verzweifelt arbeitete, selbst nicht wiedererkannte, erwarb es Paul Alexandre für seine eigene Sammlung. Die Studien für das Porträt zeigen bereits den später für Modigliani so typischen maskenhaften Ausdruck des Gesichts und die leeren Augen.

 

 

Mit dem Umzug Modiglianis auf den Montmartre 1909 veränderte sich zwar nichts an seiner finanziellen Situation, jedoch viel in seiner Kunst. Gino Severini erklärte er diesen Schritt mit „Ich wollte mich selbst erneuern.“ Erst im Jahr 1912 präsentierte er sich wieder am Salon d‘Automne – diesmal mit sieben gemeißelten Steinköpfen4, die als „dekoratives Ensemble“ ausgestellt wurden – dann erst erneut im Jahr 1919. Erst posthum entdeckte der Handel, welchen monetären Wert Werk und Mythos des Künstlers darstellen.5

 

Modigliani und Brâncuşi

Modigliani übersiedelte 1908/09 von Montmartre an den Montparnasse, in die Cité Falguière. In den folgenden Skulpturen stand der Maler und Zeichner zeitweilig stark unter dem Einfluss des um acht Jahr älteren Constantin Brâncuşi (1876–1957), dieser lebte seit 1904 in Paris und war ein Nachbar. In diesen Jahren arbeitete Brâncuşi an so berühmten Köpfen wie der „Schlafenden Muse“6 (1909) und „Mademoiselle Pogany“7 (1913), in denen er sein Interesse an der Reduktion auf geometrische Grundformen erprobte.

Constantin Brâncuşi ermutigte Amedeo Modigliani sich mit bildhauerischen Arbeiten und der kykladischen Kunst zu beschäftigen. Die auf den griechischen Inseln der Kykladen gefundenen Marmoridole stammen aus der Jungsteinzeit und frühen Bronzezeit (5.000–1.600 v. Chr.). Sie zeigen Körper und Köpfe in stilisierter, stark abstrahierter Form, was von Künstlern der Moderne als „Ursprung der Kunst“ gedeutet wurde. Auch Modigliani beschäftigte sich vermutlich zwischen 1910 und 1914 mit der Frage der Reduktion und wechselte dazu ins Bildhauerfach. Hilfestellung erhielt er dabei auch in technischer Hinsicht durch Constantin Brâncuşi und Maurice Drouard, die ihn in die handwerkliche Umsetzung einführten. Nach langer zeichnerischer Vorbereitung schlug Modigliani die Gesichtszüge direkt und ohne Korrekturen in den Block. Es wird berichtet, dass der Maler-Bildhauer davon geträumt hätte, eine Hilfe für die Ausführung engagieren zu können.

Die folgende Entwicklung des rumänisch-stämmigen Bildhauers in Richtung der „absoluten Form“ interessierte Amedeo Modigliani nicht mehr, wodurch es ab 1914 zu einer Entfremdung der beiden Künstler kam.

 

 

Amedeo Modigliani als Bildhauer

Obwohl Modigliani in Livorno, Florenz und Venedig Malerei studiert hatte, scheint er sich selbst als zukünftiger Bildhauer gesehen zu haben. Seine Mutter adressierte Briefe an ihren seit 1906 in Paris lebenden Sohn mit „Amedeo Modigliani, scultore (Bildhauer)“8. Vielleicht waren es seine von der Tuberkulose in Mitleidenschaft gezogene Gesundheit und die hohen Materialkosten, die Modigliani dazu bewogen, sich der Malerei zuzuwenden. Daher existieren nur wenige, stilistisch sehr ähnliche Skulpturen von Modigliani, von denen er auch nur sieben während seiner Lebzeiten in Paris9 ausstellte.

 

 

Insgesamt handelt es sich um 25 Werke in Form von idolhaften Köpfe, in Stein gemeißelt, zu denen sich eine Holzskulptur, zwei Karyatiden10 und eine stehende Figur gesellen. Das bildhauerische Œuvre Modiglianis bleibt überschaubar. Auf diese wenigen Arbeiten beziehen sich eine große Anzahl von Zeichnungen, Aquarellen, Gouachen und Ölskizzen. Trotz fehlender Dokumente werden die bildhauerischen Werke Modiglianis von 1910 bis 1913/14 datiert, in der Folge widmete er sich wieder ausschließlich der Malerei. Sieben steinerne Köpfe präsentierte er 1912 am Salon d’Automne, zuvor gibt es keinen Hinweis darauf, dass er sich überhaupt bildhauerisch betätigt hatte. Die idolhaften Köpfe werden mit Modiglianis Konzept eines „Tempels der Schönheit“, wo sie als „Säule der Innigkeit (colonnes de tendresse)“ aufgestellt werden sollten, in Verbindung gebracht. Aus diesem Grund hat der Bildhauer sie wohl auf absolute Frontalität angelegt und ihre Rückseiten roh belassen. Werner Schmalenbach sprach in diesem Zusammenhang davon, dass Modigliani nicht bildhauerisch (also in drei Dimensionen) dachte, sondern wie ein Maler die Flächen bearbeitete.11 In den 50 bis 60 cm hohen Köpfen sah Modigliani wohl einen Höhepunkt der geometrischen Reduktion, eine „formale Reinheit“, hieratische Strenge und Naturferne. In diesen Arbeiten zeigt sich Modigliani deutlich moderner als in seiner Malerei.

 

 

Die russische Dichterin Anna Achmatowa (1889–1966) erzählte, dass sie von Modigliani oft in die ägyptische Abteilung des Louvre mitgenommen wurde, und er ihr erklärte: „Alles Übrige braucht man nicht zu sehen.“12 In den Köpfen wird das ägyptische Erbe einige Male sehr direkt spürbar: die Vereinfachung, die Frontalität, die einen hieratischen Eindruck erzeugt, perfekte Symmetrie ohne Spuren eines Ausdrucks oder einer Bewegung. Am deutlichsten ist diese Überzeugung an den Köpfen mit ihrem „archaischen Lächeln“ ablesbar, ein Lächeln wie in der frühen griechischen Skulptur, der mittelalterlichen Kathedralskulptur und der Kunst Indiens. Weitere Anregungen werden in der kykladischen und kretischen Kunst gesehen. Ab 1914 wandte sich der Italiener wieder ausschließlich der Malerei zu.

 

Karyatiden

Das zentrale Thema in Modiglianis Werk ist der Mensch, isoliert vor einem farbigen Hintergrund. Meist sind es weibliche Körper, deren stereometrische Formen seine Nähe zum Proto-Kubismus aufzeigen. In der „Karyatide“13 (1911/12) geht es ihm um die Darstellung von Volumina und ihre rhythmische Beziehung zueinander, wobei er die Proportionen der Körperteile zueinander organisch wiedergibt (vgl. die Frauenakte von Aristide Maillol). Diese körperlichen Volumina werden durch kraftvolle Konturen voneinander getrennt und damit auch klar gegeneinander abgegrenzt (Volumentrennung). Formale Überlegungen und statische Auffassung sind wichtiger als Organik oder eine Visualisierung von Tragen und Lasten, womit Modigliani am Frühkubismus der Jahre 1908 anschließt und daraus 1910/11 seine persönlichen Lehren zog. Verstärkt wird der Eindruck des Unorganischen noch durch den linearen Schematismus zum Beispiel an den Gesichtszügen sowie der starke Zug zum Dekorativen. Trotz ihrer Einfachheit wirken die Zeichnungen mithilfe der perfekten Linie und ihrer Schönlinigkeit. Schraffurlagen rund um die Konturlinien verstärken den Eindruck des Skulpturalen und Architektonischen, da sie die Reduktion auf geometrische Formen das Konstruktive betonen. Amedeo Modigliani ging es bei seinen Frauengestalten um Abstraktion im ursprünglichen Wortsinn des Weglassens, was sich auch an den folgenden Akten und Porträts nachweisen lässt. Er wollte Skulpturen zeichnen, keine Modelle.

„Dem Künstler ist es vor allem wichtig, Form gegen Form zu setzen und jedem Einzelteil ein hohes Maß an formaler Autonomie zu geben. […] Durch die Skandierung des Körpers wird dennoch dessen Gesamtform nicht beschädigt: Rhythmus, Farbigkeit und die natürliche Proportionalität halten alles zusammen.“14 (Werner Schmalenbach über Amedeo Modigliani)

 

 

Porträts

Quantitativ ist das Werk von Amedeo Modigliani von Bildnissen geprägt. Er porträtierte Maler, Bildhauer, Dichter, Literaten, Kunstsammler und Kunsthändler15 – und schrieb sich damit doppelt in die Kunstgeschichte ein. Dabei kann er nicht (nur) als Chronist der Bohème von Montparnasse gelten, denn die Porträts halfen ihm über seine Kunst nachzudenken. Während er sich vor 1910 in den vorbereitenden Zeichnungen noch Gedanken über Posen und Charakter der Dargestellten machte, wandelte er sich in seinen reiferen Werken. Nicht das Innere der Menschen interessierte ihn, sondern ihre Gesichter, ihr Auftreten (Haltung, Kleidung) und schlussendlich die fertige Komposition.

 

 

Amedeo Modigliani: Merkmale seiner Kunst

In den von ihm gemalten Köpfen hat Amedeo Modigliani einige charakteristische Akzente entwickelt:

– stereometrische Nasen: beeinflusst von afrikanischen, kykladischen Masken und Köpfen bzw. Picassos protokubistischer Malerei aus dem Jahr 1908.

– pupillenlose, blinde Augen und ihre Asymmetrie: Durch das Fehlen der „Fenster zur Seele“ wirken Modiglianis Porträts wie wesenlos. Er interessierte sich offenkundig nicht für die Innenleben seiner Modelle. Gleichzeitig ist es eine gangbare Methode, um den Betrachtern der Bilder, die Bilder als solche und nicht die Dargestellten gegenüberzustellen. Wiederum hat bereits Pablo Picasso diesen Weg beschritten, am bekanntesten ist die Dame rechts im Hintergrund von den „Demoiselles d’Avignon“. Des Weiteren haben sich auch Paul Cézanne, Henri Matisse16, Ernst Ludwig Kirchner und Carlo Carrà dieses Kunstgriffs bedient. Ziel dürfte gewesen sein, die Individualität der Darstellten zurückzudrängen, um die Bildhaftigkeit des Werks zu betonen.

– unbunte Farbigkeit: Hier stellte sich Amedeo Modigliani deutlich in die Traditionslinie nach Paul Cézanne, sprich den Kubismus und seine satte Farbigkeit, und nicht den buntfarbigen Expressionismus der Fauves (→ Matisse und die Künstler des Fauvismus).

– Beschriftungen: Einige Bildnisse wurden von Amedeo Modigliani mit den Namen der Dargestellten in Großbuchstaben beschriftet. Hier könnte man ebenfalls an eine Auswirkung des Kubismus und die Integration von Textfragmenten denken. Mit ihr kann Modigliani erneut den Illusionsraum aufbrechen und die Bildfläche als solche betonen. Höchstwahrscheinlich hatte ihn dazu Paul Gauguin angeregt, denn der Italiener hatte nach seiner Ankunft in Paris 1906 die Gauguin-Ausstellung im Salon d’Automne besucht. Vermutlich hat er auch die Gauguin-Schau in der Galerie Ambroise Vollard gesehen, die 1910 veranstaltet wurde.

 

 

Amedeo Modiglianis komplexes Verhältnis zum Kubismus

Wie bereits eingangs erwähnt, empfand Modigliani Paul Cézanne (1839–1906) als Vorbild. Dessen Appell, die Natur nach ihren Formgehalt an „Kugeln, Kegeln und Zylindern“ zu analysieren, erreichte Modigliani um 1908. Im gleichen Jahr hatte die Cézanne-Ausstellung im Salon des Indépendants für den italienischen Maler-Bildhauer Offenbarungscharakter.

Insgesamt darf konstatiert werden, dass die Avantgardisten rund um Pablo Picasso (1881–1973) und Juan Gris (1887–1927) wenig Einfluss auf Modiglianis Kunst ausübten, obwohl er beide porträtierte. Auch wenn er Picasso mit größter Hochachtung begegnete, und sie über ihren gemeinsamen engen Freund Max Jacob verbunden waren, so blieb er dem Spanier gegenüber doch distanziert. Obwohl er Georges Braque (1882–1963) gelegentlich als einen Freund bezeichnete, ist über ihre Verbindung wenig bekannt. So nahm aus der Gruppe der Kubisten nur Fernand Léger (1881–1955), mit dem Modigliani künstlerisch nichts verband, am Begräbnis des früh verstorbenen Modigliani teil.

Amedeo Modigliani schätzte Alexander Archipenko (1887–1964) wenig und ließ sich auch nicht von Aristide Maillol (1961–1944) beeindrucken – sehr im Gegensatz zum deutschen Bildhauer Wilhelm Lehmbruck (1881–1919), der 1910 nach Paris kam. Eine Begegnung zwischen den beiden Künstlern ist nicht dokumentiert, wenn auch ein Zusammentreffen in Brancusis Atelier möglich gewesen wäre. Am ähnlichsten ist der deutsche „Gotiker“, wie Lehmbruck von einigen Kunstkritikern genannt worden ist, Modigliani im „Weiblichen Torso“ (1913/14), dessen Körper das klassische Ideal mit einer für Lehmbruck intensiven stereometrischen Formgebung verbindet.

Einige Zeitgenossen Modiglianis warfen ihm vor, nicht fortschrittlich genug zu sein. In Modiglianis Kunst findet keine kubistische „Formzertrümmerung“17 statt, stattdessen werden mit ihr Begriffe wie „Schönheit, Harmonie, Ebenmaß, Wohlklang“ verbunden. Wenn sich der Maler keiner innovativen Radikalität bediente, sind seine Werke dennoch modern. Die größte, wenn auch kritische Annäherung an den Kubismus erreichte die Kunst von Modigliani um 1915/16. Im Gegensatz zu den Anhängern dieser Kunstrichtung, facettierte Modigliani die Körper und Gesichter nie, sondern begnügte sich mit einer betonten Stereometrie der Gesichter.

 

 

Akte

Modigliani malte weibliche Akte seitdem er in Paris angekommen war. Dass seine frühesten Gemälde in der Tradition der Symbolisten standen, und er in ihnen den Körper als Ort der Sünde beschrieb, daran erinnert in seinen späten Bildern nichts mehr. Die während des Ersten Weltkriegs entstandenen liegenden Frauenakte haben ihren moralisierenden Ton verloren und werden vom Maler in höchst sensualistischer und erotisch aufgeladener Weise präsentiert.

 

 

Der Kunsthändler Léopold Zborowski ermutigte Modigliani 1917 sich dem Thema erneut zu stellen. Der italienischstämmige Künstler mit dem großen Interesse an der Kunstgeschichte orientierte sich für seine Lösungen an der Tradition von Giorgione und Tizian über Diego Velázquez bis Francisco de Goya, die im 19. und 20. Jahrhundert von Ingres, Manets Olympia 〈→ Edouard Manet und Venedig) und Picasso weitgergeführt worden war. Im Vergleich zu seinen Vorgängern fallen jedoch sofort die bewusst erotischen Haltungen der Damen auf, die als eine Anspielung auf die sexuelle Freizügigkeit am Montparnasse der Zeit gedeutet werden. Die zwischen 1917 und 1919 in Zborowski's Wohnung entstandenen 30 (!) Akte trafen jedoch nicht den Zeitgeschmack, sondern die sich scheinbar selbst präsentierenden, sich ihrer Wirkung bewussten Modelle schockierten. Heute gehören diese Bilder zu den populärsten und teuersten Schöpfungen des Avantgardisten (→ Modigliani für 157,2 Mio. Dollar versteigert).

 

 

Modigliani und die Kunst Afrikas

Von Jacques Lipchitz ist überliefert, dass Amedeo Modigliani die traditionelle afrikanische Kunst (südlich der Sahara) sowie Ozeaniens sehr schätzte, auch wenn er in seiner eigenen Bildsprache kaum direkt darauf reagierte. Künstler seiner unmittelbaren Umgebung – Picasso, Matisse, Derain, Vlaminck – hatten nur wenige Jahre vor seiner Ankunft in Paris, die Holzskulpturen der afrikanischen Künstler entdeckt. Auch seine Freunde Lipchitz und Jacob Epstein sammelten afrikanische Werke, sein zeitweiliger Händler Frank Burty Haviland (ab 1914) handelte mit ihnen. Dennoch ist die Auswirkung außereuropäischer Kunst auf die Malerei Modiglianis kaum nachzuweisen.

 

Modigliani: Mensch und Mythos

Das Leben von Amedeo Modigliani – oder besser das Gemisch aus Mythen und Historie, das seine Freunde bereits bald nach seinem frühen Tod zu verbreiten wussten – dieses Bohéme-Leben des Tuberkulosekranken mit Frauen, Drogen (Haschisch), Alkohol (Absinth) ist zweifellos nahezu so berühmt wie seine Kunst. Dennoch scheint dieses ruhelose Leben des Artiste maudit par excellence in den Pariser Cafés, Straßen und Ateliers weniger Konsequenzen für sein Werk gehabt zu haben, als anzunehmen ist. „Modiglianis Linie zittert nie!“18, formulierte Werner Schmalenbach schon Anfang der 1990er Jahre. Nicht nur die Strenge der Zeichnungen auch ihre Konzentration auf die Umrisslinie sind bemerkenswert.

 

Biografie von Amedeo Modigliani (1884–1920)

Am 12. Juli 1884 wurde Amedeo Modigliani in Livorno als viertes und jüngstes Kind von Flaminio und Eugenia Modigliani geboren. Einer seiner Brüder war Giuseppe Emanuele Modigliani, der später Politiker des Partito Socialista Italiano und Abgeordneter des italienischen Parlaments wurde. Die Familie Modigliani gehörte dem aufgeklärten jüdischen Bürgertum an. Als sephardische Juden lebten sie nach einer liberalen Auslegung ihres Glaubens. Als Amedeo Modigliani geboren wurde, war der mit Holz und Kohle handelnde Familienbetrieb infolge der schlechten Konjunktur bereits bankrottgegangen. Deshalb trug Modiglianis Mutter als Privatlehrerin und Übersetzerin – unter anderem von Gedichten Gabriele D’Annunzios – zum Familienunterhalt bei. Daneben verfasste sie unter einem Pseudonym Literaturkritiken. Amedeo Modigliani nahm außerdem wahrscheinlich an den traditionellen Fünf-Uhr-Tees im Haus seines Großvaters Isaac Garsin teil, bei denen beispielsweise über Werke von Oscar Wilde diskutiert wurde. Da seine Mutter aus Marseille stammte, lernte Amedeo Modigliani bereits früh die französische Sprache, was ihm später seine Integration in Paris erleichterte.
1895 Modigliani erkrankte an einer schweren Rippenfellentzündung.
1898 Modigliani erkrankte er an Typhus, der zu dieser Zeit noch als tödliche Krankheit galt. Während der Krankheit hatte er laut der Darstellung seiner Mutter einen Fiebertraum, in dem er über die künstlerischen Meisterwerke in Italien phantasiert und der ihm damit seine künstlerische Bestimmung aufgezeigt habe. Nach seiner Genesung erhielt Modigliani von seinen Eltern die Erlaubnis, die Schule abzubrechen und ein Kunststudium zu beginnen.
1898 Ausbildung an der privaten Zeichen- und Malschule des Malers Guglielmo Micheli in Livorno ein. Dort war er mit seinen 14 Jahren der jüngste Student in seiner Klasse. Neben der künstlerischen Ausbildung an der Schule, die sich noch stark am Impressionismus orientierte, lernte Amedeo Modigliani im Atelier von Gino Romiti das Aktmalen.
1900 Im Juli erkrankte Modigliani an Tuberkulose. Weil die Luftveränderung seine Genesung begünstigen sollte, verbrachte er den Winter 1900/1901 zusammen mit seiner Mutter auf einer Reise nach Neapel, Capri und Rom. Von dort aus schrieb Amedeo Modigliani fünf Briefe an den neun Jahre älteren Künstler Oscar Ghiglia, mit dem er trotz des Altersunterschieds befreundet war. Diese Briefe gehören zu den wenigen erhaltenen schriftlichen Dokumenten Modiglianis. In ihnen schilderte er unter anderem seinen Eindruck von Rom: „Rom ist nicht um mich, während ich Dir erzähle, sondern in mir, gleich einem von seinen sieben Hügeln wie von sieben gebieterischen Ideen eingefassten schrecklichen Juwel.“
1901 Im Frühjahr folgte Amedeo Modigliani seinem Freund Ghiglia nach Florenz. Nachdem er den Winter 1901/02 in Rom verbracht hatte, kehrte er nach Florenz zurück und schrieb sich am 7. Mai 1902 an der Scuola libera di Nudo (deutsch: Freie Aktzeichenschule) ein. Dort studierte er bei Giovanni Fattori und beschäftigte sich daneben hauptsächlich mit der Kunst der Renaissance.
1903–1905 Amedeo Modigliani folgte Ghiglia nach Venedig, wo er bis zu seiner Übersiedlung nach Paris lebte. Er schrieb sich am 19. März am Istituto di Belle Arti di Venezia ein. Dort belegte er unter anderem Kurse der Freien Aktzeichenklasse. Sein Schwerpunkt lag auf dem Studium der italienischen Kunstgeschichte, die Malerei betrieb er weniger intensiv. 1903 und 1905 kam er auf den Biennalen in Kontakt mit den Werken der französischen Impressionisten, mit Skulpturen Rodins und Werken des Symbolismus. Während seiner Studienzeit in Venedig begann Modigliani Haschisch zu konsumieren, und nahm an spiritistischen Sitzungen teil.
1906 Anfang des Jahres zog Amedeo Modigliani nach Paris. Nach seiner Ankunft lebte Amedeo Modigliani anfangs in einem komfortablen Hotel am rechten Ufer der Seine, was ihm wegen seiner Herkunft aus einer bürgerlichen Familie angemessen erschien. Nach kurzer Zeit zog er jedoch in das Viertel Montmartre, wo er unter anderem im Bateau-Lavoir lebte und ein einfaches Atelier nutzte, und nahm Aktzeichenunterricht an der Académie Colarossi. Seine Mutter schickte ihm zwar so viel Geld, wie es ihr möglich war, aber es reichte für Modigliani kaum zum Überleben. Deshalb wechselte er oft seine Unterkunft und ließ manchmal sogar seine Kunstwerke zurück, wenn er aus einer Wohnung floh, weil er die Miete nicht mehr bezahlen konnte. Eine der ersten Freundschaften, die Modigliani in Paris schloss, verband ihn mit dem deutschen Maler Ludwig Meidner. Dieser beschrieb später Modiglianis Stellung und Auftreten in der Pariser Gesellschaft: „Unser Modigliani […] war ein charakteristischer und gleichzeitig hoch begabter Vertreter der Bohème vom Montmartre; wahrscheinlich sogar der letzte echte Bohémien.“ Modigliani nahm trotz seiner gesundheitlichen Probleme am ausschweifenden Leben der Künstler am Montmartre teil.
1907 Im Frühjahr wurde Modigliani von dem Maler Henri Doucet in ein Haus mitgenommen, das Paul Alexandre für junge Künstler angemietet hatte. Der junge Arzt Alexandre war von Modiglianis Bildern fasziniert und begann deshalb, ihn zu unterstützen. Er kaufte ihm Bilder und Zeichnungen ab und vermittelte ihm Porträtaufträge. Teilnahme am Herbstsalon, der von den Fauvisten geprägt war.
1908 Mit sechs Gemälden Teilnahme am Salon des Indépendants, darunter „Die Jüdin“. Seine Bilder fanden jedoch kaum Beachtung. So erwähnte der einflussreiche Publizist Guillaume Apollinaire Amedeo Modigliani nur am Rande seiner Kritik des Salons.
1909 Paul Alexandre gelang es, Modigliani Zugang zu vermögenden Kreisen zu verschaffen, so dass er im Frühjahr mit dem Porträt „Die Amazone der Baronin Marguerite de Hasse de Villers“ den ersten bezahlten Auftrag erhielt. Lernte über Paul Alexandre den rumänischen Bildhauer Constantin Brâncuși kennen und bezog auf Anraten Brâncuşis im April 1909 sein Atelier in der Cité Falguière am Montparnasse. Modigliani begann infolge dieser Bekanntschaft mit der Steinbildhauerei, die für einige Zeit in den Vordergrund seines Schaffens trat. In Livorno und in Carrara hatte sich Modigliani, beeindruckt von dem knappen Stil Brâncuşis, zur Bildhauerei hingezogen berufen. Ebenfalls könnte Modigliani schon vorher den Wunsch gehabt haben, als Bildhauer tätig zu werden, hatte jedoch nicht die technischen Möglichkeiten, die erst mit dem neuen Atelier gegeben waren. Auch könnte das antike Erbe Italiens, das er aus eigener Erfahrung kannte, eine Inspiration zur Anfertigung von Skulpturen gewesen sein. Eine weitere Möglichkeit wäre, dass Modigliani sich wegen des stagnierenden Erfolgs seiner Malerei in einer anderen künstlerischen Gattung versuchen wollte.
1910 lernte Modigliani die aus Russland stammende Dichterin Anna Achmatova kennen, mit der er in der folgenden Zeit ein Verhältnis hatte.
1911 stellte Amedeo Modigliani seine archaisch wirkenden Steinskulpturen im Atelier des portugiesischen Künstlers Amadeo de Souza-Cardoso aus. Eine Phase der intensiven Beschäftigung mit dem Motiv der Karyatide in seinen Werken, sowohl in der Skulptur, als auch in Gemälden, begann.
1912 Modigliani stellte Skulpturen am Herbstsalon aus. Amedeo Modigliani lernte die Bildhauer Jacob Epstein und Jacques Lipchitz kennen, von denen letzterer die Kunst Modiglianis als „Ausdruck seines persönlichen Empfindens“ beschrieb.
1913 Im Frühling hielt sich Amedeo Modigliani in Livorno auf, wo er in der Nähe eines Steinbruchs Quartier bezog. In diesem betätigte er sich als Marmorbildhauer, nachdem er zuvor nur mit Kalksandstein gearbeitet hatte. Die fertig gestellten Skulpturen schickte Modigliani nach Paris; sie sind jedoch nicht erhalten. Für die Beendigung seiner Bildhauertätigkeit nach 1913 sind die genauen Gründe nicht bekannt. Ein Anlass könnte seine angeschlagene Gesundheit gewesen sein, die durch die staubige Umgebung weiter geschädigt wurde. Auch könnte er keine Zukunft für seine Arbeit als Bildhauer gesehen haben. Er entwickelte sich künstlerisch nicht weiter und die wenigen Ausstellungen brachten kaum Aufmerksamkeit und finanzielle Verbesserungen. So könnte er sich aus diesen Überlegungen heraus wieder der lukrativeren Malerei zugewandt haben.
1914 Im Frühjahr lernte Amedeo Modigliani den Kunsthändler Paul Guillaume kennen, der einige junge und noch unbekannte Künstler vertrat. Guillaume übernahm auch die Vertretung Modiglianis, nachdem dieser mit Beginn des Ersten Weltkrieges Paul Alexandre aus den Augen verloren hatte, und beteiligte ihn an mehreren Gruppenausstellungen in seiner Galerie. Mit Kriegsbeginn meldete sich Amedeo Modigliani freiwillig zum Kriegsdienst, wurde jedoch aufgrund seines schlechten Gesundheitszustandes nicht eingezogen. Deshalb gehörte er zu dem kleiner gewordenen Kreis von Künstlern, die sich in Paris aufhielten. Im Juni lernte er die englische Literatin Beatrice Hastings kennen, mit der ihn über zwei Jahre eine Liebesbeziehung verband. Sie hielt sich in Paris als Kolumnistin der englischen Zeitung „The New Age“ auf und schrieb über das Gesellschaftsleben der Stadt. Sie beschrieb unter anderem Modiglianis Konsum von Haschisch und Alkohol, unter dem er „niemals etwas Gutes“ vollbrachte. Während der turbulenten Beziehung mit Beatrice Hastings verstärkte sich Modiglianis exzessives Leben. Sein Konsum von Alkohol und Opium, den er mit seinen Freunden Maurice Utrillo und Chaim Soutine teilte, wurde in der Presse aufgegriffen.
1915 zog Modigliani mit Beatrice Hastings in die Rue Norvaine an der Butte Montmartre und porträtierte Pablo Picasso. Ein Jahr später folgten weitere Porträts berühmter Persönlichkeiten, darunter sein Freund Jacques Lipchitz sowie Chaim Soutine, für den Modigliani ebenfalls ein enger Freund und Unterstützer war. Mit diesen Porträts der Avantgarde von Paris war Modigliani selbst mit ihr verbunden. Sie sicherte ihm einen singulären Platz unter den Pariser Künstlern, da er mit seinen Porträts ein Bild dieser Szene festhielt, und ermöglichte die spätere Legende von Modigliani als Hauptfigur der Pariser Künstlerschaft. Daneben lernte Amedeo Modigliani auf Vermittlung des befreundeten Künstlers Moïse Kisling den polnischen Kunsthändler und Dichter Leopold Zborowski kennen. Dieser verfügte als Händler zwar nicht über die Kontakte Guillaumes und dessen Gespür für die avantgardistische Malerei, dennoch unterstützte er Modigliani in dessen letzten Lebensjahren. So nahmen er und seine Frau Anna den Künstler in ihre Wohnung auf, nachdem er sich von Beatrice Hastings getrennt hatte. Zborowski bezahlte Modigliani ein Tagegeld und das Malmaterial und ließ ihn in seiner Wohnung arbeiten. Später bezahlte er auch die Modelle für die Aktgemälde Modiglianis.
1916─1917 Amedeo Modigliani malte eine Serie von etwa 30 Akten an. Auf Vermittlung von Léopold Zborowski wurden diese Bilder in einer Einzelausstellung in der Galerie der Kunsthändlerin Berthe Weill gezeigt. Am 3. Dezember 1917 wurde die Ausstellung mit einer Vernissage mit geladenen Gästen eröffnet. Die Galerie lag gegenüber einer Polizeistation und ein Kommissar wurde auf den Menschenauflauf aufmerksam, der sich infolge eines im Schaufenster präsentierten Aktes bildete. Er rief Berthe Weill zu sich und forderte sie auf, die Ausstellung zu beenden und die Bilder abzuhängen, weil diese zu freizügig seien. Um eine Beschlagnahmung der Bilder zu verhindern, kam Weill der Aufforderung nach. Im April 1917 lernte Modigliani die 19-jährige Jeanne Hébuterne kennen, die an der Académie Colarossi studierte. Die beiden bezogen wenig später eine gemeinsame Wohnung.
1918 verließen sie zusammen mit dem Ehepaar Zborowski und Modiglianis Freund Soutine Paris, als eine Invasion deutscher Truppen drohte. Daneben könnte auch Zborowskis Interesse als Kunsthändler ein Motiv für diesen Schritt gewesen sein, da eine Luftveränderung den beiden kranken Künstlern Modigliani und Soutine möglicherweise guttun und ihre Produktivität steigern würde, bzw. die wohlhabende Klientel sich für deren Werke interessieren könnte. Sie begaben sich an die französische Mittelmeerküste, wo Modigliani erneut zahlreiche Porträts malte. Die Bilder schickte er zum Verkauf nach Paris. Über das Jahr Modiglianis in Südfrankreich ist nur wenig bekannt, da es kaum schriftliche Dokumente gibt und die Pariser Zeitgenossen in seiner Abwesenheit wenig über ihn zu berichten hatten. Anfangs wohnten Modigliani, Jeanne Hébuterne und seine Freunde in Cagnes-sur-Mer, später zogen sie nach Nizza. Dort brachte Jeanne Hébuterne am 29. November 1918 eine Tochter zur Welt. Amedeo Modigliani erkannte die Vaterschaft des Kindes an, das den Vornamen der Mutter erhielt. Während seines Aufenthaltes in Nizza und der näheren Umgebung besuchte Modigliani Pierre-Auguste Renoir, der ein Anwesen über der Küste bewohnte. Ein in der Nachbarschaft wohnender Maler berichtete später, dass es zwischen dem Altmeister des Impressionismus und dem jungen Maler zu einem Streit über Ratschläge Renoirs gekommen sei.
1919 Nach Vermittlung durch Zborowski wurden mehrere Werke Modiglianis auf Ausstellungen in England gezeigt, so unter anderem im Rahmen der Ausstellung „Modern French Painting“ in Heale. Weiterhin zeigte im September die Londoner Hill Gallery zehn Werke Modiglianis. Ende Mai Rückkehr nach Paris, wo er am Herbstsalon teilnahm. In dieser Zeit unterstützte ihn auch der finnische Maler Léopold Survage, der ihm sein Atelier zur Verfügung stellte. Als Jeanne Hébuterne erneut schwanger wurde, verlobte sich Amedeo Modigliani mit ihr. Es existiert eine Heiratsverpflichtung vom 7. Juli 1919, in dem er sie als seine zukünftige Ehefrau und die gemeinsame Tochter offiziell als sein Kind anerkennt. Diese Heiratsabsicht konnte er jedoch nicht mehr umsetzen, da er gegen Jahresende schwer an Tuberkulose erkrankte.
Am 24. Januar 1920 verstarb Modigliani in der Charité in Paris. Am folgenden Tag beging seine Verlobte Selbstmord. Er wurde unter großer Anteilnahme auf dem Friedhof Père Lachaise beigesetzt. Hébuterne wurde später, nachdem ihre Familie den Widerstand dagegen aufgegeben hatte, neben ihm begraben. Ihre Tochter Jeanne wurde von Modiglianis Schwester in Florenz adoptiert.

 

Amedeo Modigliani: Bilder

  • Amedeo Modigliani, Kopf einer jungen Frau, 1908 (Musée d'Art moderne Lille, Métropole Villeneuve-d'Ascq)
  • Amedeo Modigliani, Die Jüdin, um 1908 (Privatsammlung)
  • Amedeo Modigliani, Amazone, 1909, Öl auf Leinwand, 92 x 65,6 cm, signiert unten links (Privatsammlung)
  • Amedeo Modigliani, Frau im Profil, 1909, Aquarellfarben und Grafit auf Papier, 29,5 x 25,1 cm (The MET, New York, Gift of Rose Kovner, in memory of her husband, Harold Kovner, 1991)
  • Amedeo Modigliani, Der Bettler von Leghorn, 1909, Öl auf Leinwand, 65,8 x 53,4 cm (Privatsammlung)
  • Amedeo Modigliani, Der Cellist, 1909, Öl auf Leinwand, 73 x 60 cm (Abelló Collection, Madrid, auf der Rückseite befindet sich „Constantin Brancusi“)
  • Amedeo Modigliani, Constantin Brancusi, 1909, Öl auf Leinwand, 73 x 60 cm (Abelló Collection, Madrid, auf der Rückseite befindet sich „Der Cellist“)
  • Amedeo Modigliani, Kopf einer Frau, 1910/1911, Kalkstein, 65,2 x 19 x 24,8 cm (Chester Dale Collection, Washington National Gallery of Art, Washington, 1963.10.241)
  • Kopf einer Frau (Idol), 1912, Kalkstein, 68.6 x 23.5 x 24.8 cm (The MET, New York)
  • Amedeo Modigliani, Karyatide (blau), um 1913, Blauer Buntstift auf Papier, 56,5 x 45 cm (© Pinacothèque de Paris)
  • Amedeo Modigliani, Mann im Profil, 1913 (Privat)
  • Amedeo Modigliani, Frontaler langer Kopf, um 1914/15
  • Amedeo Modigliani, Frontaler runder Kopf, um 1914/15
  • Amedeo Modigliani, Weiblicher Kopf im Profil nach links auf einem Sockel, um 1914/15 (Basel)
  • Amedeo Modigliani, Weiblicher Kopf im Profil nach links, um 1914/15
  • Amedeo Modigliani, Lola de Valence, Öl auf Papier, auf Holz aufgezogen, 1915, 52.1 × 33.7 cm (The MET, New York, Bequest of Miss Adelaide Milton de Groot (1876-1967), 1967)
  • Amedeo Modigliani, Porträt des Malers Moïse Kisling, 1915, 28 x 37 cm, Öl auf Leinwand (Pinacoteca di Brera, Mailand)
  • Amedeo Modigliani, Juan Gris, 1915, Öl auf Leinwand, 54.9 x 38.1 cm (The MET, New York, Bequest of Miss Adelaide Milton de Groot (1876-1967), 1967)
  • Amedeo Modigliani, Porträt von Chaim Soutine, 1916, Öl auf Leinwand, 100 x 65 cm, Signiert unten rechts (Pinacothèque de Paris)
  • Amedeo Modigliani, Porträt von Zborowski, 1916, Öl auf Leinwand, 46 x 27 cm, Signiert oben rechts (Pinacothèque de Paris)
  • Amedeo Modigliani, Porträt von Paul Guillaume, 1916, Öl auf Leinwand, 81 x 54 cm (Museo del Novecento, Mailand)
  • Amedeo Modigliani, Paul Guillaume, 1916, Öl auf Karton auf Holz aufgezogen, 53 x 37 cm (The Nahmad Collection)
  • Amedeo Modigliani, Weiblicher Akt, 1916, Öl auf Leinwand, 92 × 60 cm (Courtauld Institute Galleries, London)
  • Amedeo Modigliani, Mädchen in gelbem Kleid (Porträt einer jungen Frau mit Kragen), 1917, Öl auf Leinwand, 92 x 60 cm, Signiert oben rechts (Pinacothèque de Paris)
  • Amedeo Modigliani, Chaim Soutine, 1917, Öl auf Leinwand, 91,7 x 59,7 cm (Chester Dale Collection, Washington National Gallery of Art, Washington, 1963.10.47)
  • Amedeo Modigliani, Akt auf einem blauen Kissen, 1917, Öl auf Leinwand, 65,4 x 100,9 cm (Chester Dale Collection, Washington National Gallery of Art, Washington, 1963.10.46)
  • Amedeo Modigliani, Liegender Akt, 1917, Öl auf Leinwand, 60.6 x 92.7 cm (The MET, New York, The Mr. and Mrs. Klaus G. Perls Collection, 1997)
  • Amedeo Modigliani, Porträt von Jeanne Hébuterne (Jeanne Hébuterne au henné), 1918, Öl auf Leinwand, 100 x 65 cm, Signiert oben rechts (Pinacothèque de Paris)
  • Amedeo Modigliani, Porträt von Jeanne Hébuterne, sitzend, 1918, Öl auf Leinwand, 54 x 38 cm (Collection, the Israel Museum, Jerusalem, Gift of Stella Fischbach, New York, to American Friends of the Israel Museum, in memory of Harry Fischbach)
  • Amedeo Modigliani, Alice, um 1918, Öl auf Leinwand, 78,5 x 39 cm (Statens Museum for Kunst, Kopenhagen, KMSr145)
  • Amedeo Modigliani, Liegender Akt, 1918/19, Öl auf Leinwand, 76 x 116 cm (Galleria Nazionale d’Arte Moderna, Rom)
  • Amedeo Modigliani, Zigeunerfrau mit Kind, 1919, Öl auf Leinwand, 15,9 x 73 cm (Chester Dale Collection, Washington National Gallery of Art, Washington, 1963.10.174)
  • Amedeo Modigliani, Landschaft bei Cagnes, 1919, Öl auf Leinwand, 45,7 x 27,9 cm (Privatsammlung)
  • Paul Cézanne, Knabe in roter Weste, 1888-1890, Öl auf Leinwand, 89.5 x 72.4 cm (National Gallery of Art, Washington, Collection of Mr. and Mrs. Paul Mellon, in Honor of the 50th Anniversary of the National Gallery of Art)

Alle Beiträge zu Amedeo Modigliani

8. Oktober 2024
Georges Kars, Frau mit Papagei, 1926, Öl auf Leinwand, 100 x 80 cm (Stadtmuseum Velvary)

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Das Ausstellung untersucht Georges Kars (Jiří Karpeles), Othon Coubines (Otakar Coubine) und François Maurice Eberls (Frantisek Zdenek) Position in der Pariser Kunstszene der 1920er und 1930er Jahre - im Vergleich mit berühmten vertrwter:innen der École de Paris wie Modigliani, Orloff, Soutine.
26. April 2024
Amedeo Modigliani, Chaim Soutine

Potsdam | Museum Barberini: Modigliani Moderne Blicke | 2024

Amedeo Modiglianis berühmte Porträts & weibliche Akte werden auf ihr Frauenbild hin wieder neu befragt.
24. November 2023
Amedeo Modigliani, Chaim Soutine

Stuttgart | Staatsgalerie: Amedeo Modigliani Moderne Blicke | 2023/24

Die Ausstellung zeigt rund 100 Gemälde und Papierarbeiten des Italieners und stellt ihnen Werke aus dem Pariser Umfeld, von Gustav Klimt, Egon Schiele oder Ernst Ludwig Kirchner gegenüber. Erstaunliche Parallelen werden sichtbar, genauso wie die Außergewöhnlichkeit von Modiglianis Kunst.
  1. Weitere wichtige Künstler aus dem Viertel waren: Claude Monet, Edgar Degas, Camille Pissarro, Vincent van Gogh, Piet Mondrian, Salvador Dalí.
  2. Jeffrey Weiss, Modigliani in Montmartre, in: Rudy Chiappini (Hg.), Amedeo Modigliani (Ausst.-Kat. Museo d'Arte Moderna della Città di Lugano, 28.3.-27.6.1999), Lugano/Mailand 1999 S. 33-54, hier S. 34.
  3. Zitiert nach Jeffrey, S. 50.
  4. Hierbei handelte es sich um: „Kopf XV“ (Privatsammlung, Saint Louis), „Kopf XXI“ (Solomon R. Guggenheim Museum, New York), „Kopf XXII“ (Privatsammlung), „Kopf“ (Privatsammlung, 2010 von Christie’s auktioniert, vielleicht „Kopf“ (Karlsruhe).
  5. Am 7. Mai 2013 auktionierte Sotheby’s New York das Bildnis „Amazone“ (1909) für $ 25,925.000.-. In den letzten Jahren wurden zwei Gemälde mit über $ 150 Mio. auktioniert.
  6. Marmor, Solomon R. Guggenheim Museum, New York
  7. Marmor, Musée National d’Art Moderne, Centre Georges Pompidou, Paris
  8. Zitiert nach Werner Schmalenbach, Amedeo Modigliani. Malerei, Skulpturen, Zeichnungen (Ausst.-Kat. Kunstsammlung Nordhrein-Westfalen, Kunsthaus Zürich), München 1990, S. 10.
  9. Auf zwei internationalen Ausstellungen waren Modiglianis Köpfe noch präsentiert: 1914 in London, 1916 in New York.
  10. Die beiden sehr unterschiedlichen Werke befinden sich: The National Gallery of Australia, Canberra; The Museum of Modern Art, New York
  11. Ebenda, S. 20.
  12. Die Dichterin hatte ab 1911 eine Affäre mit Modigliani. Zitiert nach S. 19.
  13. Öl auf Leinwand, 72,5 x 50 cm (Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf).
  14. S. 12.
  15. Zu den wenigen Menschen im Kunstzirkel, die er nicht porträtiert hat, gehört u. a. Marc Chagall.
  16. Siehe: Porträt seiner Frau (1912), von Yvonne Landsberg (1914), von Auguste Pellerin (1916).
  17. Vor allem im Porträtfach entwickelte Pablo Picasso zwischen 1906 und 1910 – also zwischen den Porträts von Gertrude Stein und Daniel-Henry Kahnweiler – den Kubismus als eine „Zertrümmerung“, Facettierung des Gesichts bis zur Unkenntlichkeit der Dargestellten.
  18. Zitiert nach ebenda, S. 9.
Alexandra Matzner
Gründerin von ARTinWORDS * 1974 in Linz, Studium der Kunstgeschichte, Geschichte und Romanistik in Wien und Rom. Seit 1999 Kunstvermittlerin in Wien, seit 2004 Autorin für verschiedene Kunstzeitschriften. Jüngste Publiktionen entstanden für das Kunsthaus Zürich, Schirn Kunsthalle Frankfurt, Albertina und Belvedere in Wien.