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Franz von Stuck. Sünde und Secession Wilde Blicke von Luzifer, Salome und der Medusa verhexen, mystische Landschaften, spielende Eroten und sinnesfreudige Kentauren erfreuen Wien

Franz von Stuck, Haupt der Medusa, um 1892, Pastell auf Papier, 26,5 x 32,5 cm (Privatsammlung), Foto: Alexandra Matzner.

Franz von Stuck, Haupt der Medusa, um 1892, Pastell auf Papier, 26,5 x 32,5 cm (Privatsammlung), Foto: Alexandra Matzner.

„Gleich beim Eintritt fällt das Auge auf die wundervolle Amazone zu Pferd von Stuck, eine lebensgroße Plastik, die man […] den Clou der Ausstellung nennen müsste.“ (Albert F. Seeligmann, in: Neue Freie Presse, 15.3.1914)

Eine Amazone mit wütendem Blick, bereit ihren Speer in Richtung Besucher_innen abzufeuern, ist das erste monumentale Werk der gelungenen Stuck-Ausstellung im Unteren Belvedere. Der Münchner Grafiker, Maler, Bildhauer faszinierte die Wiener schon knapp vor der Jahrhundertwende mit Illustrationen für den Verleger Gerlach & Schenk, erotisch aufgeladenen Frauendarstellungen und verspielten Mythologien fern einer buchstäblichen Lesart der alten Geschichten. Als Mitbegründer der Münchner Secession 1892 leitete er jene Modernisierungsbewegung der Kunst ein, die 1897 zum Austritt der Klimt-Gruppe aus dem Künstlerhaus führte. Als multimedial arbeitender Künstler verwirklichte er bis in die 1920er Jahre seinen „mystischen Symbolismus primitiver Größe“1, in dem die Ausgestaltung seiner Villa zentraler Aspekt war. Stucks Berufung an die Münchner Akademie und die erste Monografie von Otto Julius Bierbaum 1893 waren nur die äußerlichen Zeichen für den fulminanten Erfolg, der dem Sohn eines Müllers ab 1889 beschieden war. Wenn auch Wassily Kandinsky (1866–1944), der 1900 kurz in der Klasse von Stuck studierte, bereits keinen Anschluss mehr an die Kunst seines Lehrers fand, so war der Münchner während der 1890er Jahre einer der einflussreichsten Maler Mitteleuropas und prägte den Geschmack des Jahrzehnts entschieden mit. Wie sehr er entgegen seiner eigenen Erinnerung in Wien angenommen wurde, belegt, dass er 1899 den Österreichisch-Kaiserlichen Orden der Eisernen Krone III. Klasse erhielt.

Neun Jahre später wandte sich auch Egon Schiele (1890–1918) mit einem euphorisch-bettelnden Brief an den verehrten Meister, um den Juror der Münchner Secession auf seine Seite zu ziehen:

„Hochverehrter Herr Stuck! Anlässlich der Frühjahrs-Ausstellung der [Münchner] Sezession [sic!] bin ich gefesselt und gequält an die süße Hoffnung zu glauben, meine Werke werden von der Jury begutachtet. Gleichsam stehe ich da, allein, hinter mir der graue Tag vor mir ein gähnender Abgrund und drüben das Glück, umgeben von blendendem Lichte. So steh ich, mittellos, in schwindelnder Höhe ohne sicheren Grund. Reichen Sie mir Herr Stuck Ihren Arm. Sie werden wissen, wie es so einem geht, der das erste Mal ausstellen will. Ein Wort von Ihrem göttlichen Wesen genügt und meine Erstlinge werden angenommen. Sie könnten mich glücklich machen, Sie könnten mir neuen Mut geben, zu neuen Werken. Es ist unaussprechlich! Ach wie wäre das schön, ich bitte Sie um ein Wort, ein Jawort und der Himmel steht mir offen. In jugendlicher Dankbarkeit im Vorhinein unterzeichnet sich unbekannter Weise Schiele Egon. Ein Schreiben von Ihnen Hochverehrter wäre eine Reliquie.“2 (Egon Schiele 15.11.1908)

„Allegorien und Embleme“ – Franz von Stucks Entwürfe für Gerlach & Schenk

Der junge Kunststudent Franz von Stuck fand im Wiener Verleger Martin Gerlach einen ersten Förderer seiner Kunst. Auf zwanzig Tafeln ließ der von der Karikatur kommende Stuck seiner Fantasie im Mappenwerk „Allegorien und Embleme“ (1882–1884) mit großem, auch finanziellem Erfolg freien Lauf. Zuvor hatte er mit kunsthandwerklichen Zeichnungen des Historismus (Muster auf Bierkrügen) seinen Lebensunterhalt verdient, worauf in der Ausstellung noch Pokale, Ringständer und Zierschalen aus den Jahre von 1889 bis 1893 verweisen. Zeit seines Lebens behielt Franz von Stuck den Blick des Satirikers, der seinen Bildern einen gesellschaftsanalytischen Zugang verlieh.

Mit „Karten und Vignetten“ (1886), für das Stuck 50 Zeichnungen alleine entwarf, sowie „Allegorien – Neue Folge“ (1896/97) fanden Franz von Stucks neuartige, weil auch verspielte Konzepte erstmals ein großes Publikum, was sich auch in der schnellen Aufnahme seiner Ideen durch zeitgenössische Künstler wie Gustav Klimt (1862–1918), Koloman „Kolo“ Moser (1868–1918) und Franz Matsch (1861–1942) äußerte. Mit insgesamt 120 Emblementwürfen übte Stuck nicht nur in Wien, sondern auch an der Münchner Akademie starke Wirkung aus, hatte der Verleger doch rechtzeitig darauf gesetzt, die Mappenwerke international zu platzieren. Der Späthistorismus fand in den Entwürfen Franz von Stucks einen eklektischen und in der Kritik als modern erkannten Höhepunkt, da der Künstler unterschiedlichste Themen - Heraldik, Mythologie, Allegorie - und stilistische Vorbilder gleichzeitig verarbeitete: Antike Kunst, Renaissance, Barock, Japonismus und Realismus. Dieser ab 1882/84 entwickelte Motivschatz sollte den Münchner Maler bis zu dessen Lebensende 1926 begleiteten.

Franz von Stuck und Wien

„In Wien ist es mir am schlechtesten gegangen. Da schlagen die Leute die Hände über dem Kopf zusammen“3 (Franz von Stuck)

Kurator Alexander Klee beleuchtet mit der Ausstellung erstmals die Beziehung des „urbayerischen Künstlerfürsten“ zu Wien. Der junge Maler, der sich vermutlich erst 1887 der Malerei zugewandt hatte, wurde in der Weihnachtsausstellung 1892 im Wiener Künstlerhaus mit 35 Ölgemälden, zwei Gipsstatuetten und 170 Zeichnungen erstmals vorgestellt.4 Dass für diese Überblicksschau Leihgeber wie Prinzregent Luitpold von Bayern und Franz von Lenbach (1836–1904) gewonnen werden konnten, verlieh Schau wie Künstler gleichermaßen gesellschaftliche wie künstlerische Relevanz. Wenn auch die Ausstellung in der Presse intensiv besprochen wurde, so erinnerte sich der Künstler 1900 selbst an heftige Reaktionen:

„In Wien hatte man Stuck bis jetzt fast bloß als treffsicheren und phantasiereichen Federzeichner aus den „Karten und Vignetten“ und „Allegorien und Emblemen“ […] gekannt und die Meisten stehen etwas ratlos vor der Spukwelt seiner Faune und Nymphen, Meerweibchen, Zentauren und anderer Gebilde aus heidnischen und christlichen Märchen.“5 (Wilhelm Lauser, Wiener Allgemeine Kunst-Chronik, 15.12.1892)

Die offensiv erotisch-sinnliche Inszenierung so manches Weibsstücks, die voyeuristische Qualität von Kentauren und Nymphen beim Liebesspiel, die manchmal höchst direkte Ansprache der Betrachter_innen durch allegorische oder mythische Figuren (meist Frauen, die sich der erotischen Ausstrahlung ihrer Körper höchst bewusst sind) aber auch der geschickte Einsatz von Hell-Dunkel-Effekten ließen Stucks Malerei zu einem aufsehenerregenden Erlebnis werden. Eindeutig hatte der Malerfürst eine Vorliebe für die Famme fatale des Symbolismus. Für Kurator Alexander Klee stellt Stucks Malerei „eine Gratwanderung zwischen Salonmalerei und Karikatur dar“6

Wenn er sich der Landschaft widmete, was häufiger vorkam, als man landläufig annehmen möchte, dann interessierte er sich für kaum beleuchtete Waldstücke oder dramatisch illuminierte Sonnenuntergänge. Das Zwielicht zog ihn unwiderstehlich an. Vorbereitet wurden diese Werke etwa ab 1890 mit Fotografien, die Franz von Stuck gerne im Gegenlicht und mit harten Kontrasten aufnahm. Das Spiel mit den atmosphärischen Werten lässt meist das Terrain vergessen, um die ganze Aufmerksamkeit auf das Geschehen am Himmel zu lenken. Ludwig Hevesi nannte Stuck daher einen „Dämmerungsmaler“ beseelt von der „Poesie des Undeutlichen“7, und Hugo von Hofmannsthal sprach davon, dass „das „Schummerige Farbenträumerische“ einer gewissen Abendstunde“8 Franz von Stuck besonders angezogen hätte.

„Jener Abendstunde, wo die Dinge ihr Körperliches verlieren und bebenden voll dunkler Farbe gesogenen Schatten gleich in die feuchte Luft gewebt erscheinen. Durch diese mystisch schimmernde Dämmerung dann glühende Lichter stechen zu lassen: als verirrte Sonnenflecke, als opaline unheimliche Satansaugen, als Stücke tiefblaue Abendhimmels zwischen schwarzen Baumstämmen phosphorizierender Paradiesglanz hinter einer feuchten schwarzen Felsspalte, ist eine tiefe echte Malerfreude.“9 (Hugo von Hofmannsthal)

Alexander Klee hängt Carl Molls „Dämmerung“10 (vor 1900) neben „Vision des heiligen Hubertus“11 (1890). In der Galerie Miethke (187, 1903) und im Künstlerhaus (1897) wurden diese Landschaften von Franz von Stuck in den 1890er Jahren häufig ausgestellt. Aus der letzten Schau erwarb die Moderne Galerie 1903 die „Abendlandschaft“ (1891, Museum Folkwang, Essen). Sein Werk konnte in Wien studiert werden und wurde als Impulsgeber wirksam. So fanden auch die Wiener Fotografen Hugo Henneberg, Heinrich Kühn und Hans Watzek Anregungen in Stucks eigenwillig unscharfen Landschaften.

Vor allem die Entwicklung von Gustav Klimts Malerei zwischen 1895 und 1904 wäre ohne die Kenntnis von Franz von Stucks Gemälde weniger leicht verständlich: In „Junius“ (1896), „Musik (Entwurf)“ (1895, Bayerische Staatsgemäldesammlungen München – Neue Pinakothek), seine martialischere „Pallas Athene“ (1898, Wien Museum), Klimts erstes Secessionsplakat (1898), „Wasserschlangen II“ (1904, Privatbesitz) reagierte der Wiener Jugendstilkünstler auf formale wie inhaltliche Anregungen durch den Münchner Stuck. Aber auch die Gestaltung von „Ver Sacrum“ (vgl. „Pan“) oder die Idee des Gesamtkunstwerks wurden mit Hilfe von Stucks Arbeiten populär. Die direkteste Übernahme – wenn auch farbig aufgehellt und genauso neckisch erotisch aufgeladen – stellt das Triptychon „Panslieder“ des Wiener Malers und Secessionsmitglieds Maximilian Lenz dar.

Um 1908 konnte der Münchner Akademieprofessor noch für junge Wiener Künstler wie Egon Schiele wirksam werden, der Stucks „Luzifer“ (1890/91, The National Gallery Sofia), „Kreuzigung“ und den „Wächter des Paradieses“ (1889, Museum Villa Stuck, München) intensiv studierte. Der eingangs zitierte Bettelbrief muss durchaus als toposbehafteter Text gelesen werden,

Stucks phantastische Bildwelten

Der Münchner Maler gilt gemeinhin als mystischer Symbolist, Überwinder des von ihm verachteten Naturalismus und Impressionismus und damit als ein Vermittler zwischen einer von akademischen Prinzipien geleiteten Malerei des 19. Jahrhunderts und der anbrechenden Moderne. Zu seinen bekanntesten Motiven gehört der musizierende Faun, der fast zu einem Markenzeichen des von Arnold Böcklin geprägten Künstlers wurde. Im Jahr 1896 gründete Franz von Stuck die Mappe „Pan“ mit und war für das Titelblatt des Magazins verantwortlich. Stuck besaß einen anonymen Gipsabguss einer antiken Büste, die einen Faun oder einen Satyr zeigt, und die er als Inspiration für seinen „Pan“ nutze. Ob Faun oder Satyr – Franz von Stuck näherte sich der griechischen Mythologie nicht sehr differenziert, schon gar nicht texttreu und prägte seine eigenen Zusammenstellungen.

Seine größte Wirkung hatte und hat der Münchner Maler mit berühmten, archetypischen Sujets, die bis heute „Markenzeichen“ des Künstlers sind. In der Wiener Ausstellung sind neben den mannigfaltigen Entwürfen des Zeichners Stuck für Gerlach & Schenk erstaunlich viele von diesen bekannten Bilderfindungen Stucks zu sehen, ergänzt um schier zahllose Variationen von spielenden, jagenden, kämpfenden Kentauren und Faunen, Sektkorken knallenden Eroten und Kindern in Landschaften.

Über die Wahl seiner Themen äußerte er sich selbst, „nur das Rein-Menschliche, das Ewig-Gültige“12 machen zu wollen. Indem er seelische und menschliche Triebkräfte – Tugend und Sünde, das Böse und Visionen des Untergangs, das Sinnlich-dionysische, Versuchung, Opfer und Märtyrertum, der Kampf ums Dasein und der Geschlechterkampf - enthüllt, benennt und das Publikum damit konfrontiert, bannt er das Unbewusste.13 Die eigenständige, in den 1890er Jahren revolutionäre Bildsprache, seine Farbflächenmalerei und Lieblingssujets entwickelte er bis zum Lebensende in den 1920er Jahre weiter.14

Münchner Secession

„Der Zweck unserer neuen Vereinigung ist der, eine tatkräftige, gesinnungstüchtige Gruppe von Künstlern aller Richtungen zu bilden, welche jährliche internationale Ausstellungen abhalten, und welche (…) sich rückhaltlos zu dem Prinzip bekennen: Die repräsentativen Münchener Ausstellungen müssen Eliteausstellungen sein! Die Interessen des rein Künstlerischen dürfen von keinerlei anderen Interessen alteriert oder gekreuzt werden. (…) Man soll auf unseren Ausstellungen Kunst sehen und jedes Talent, ob älterer oder neuerer Richtung (…) soll seine Blüte reich entfalten können.“15 (Memorandum des Vereins Bildender Künstler Münchens, 1892)

Ab Mitte des 19. Jahrhunderts bestimmten in Deutschland staatlich organisierte Künstlergenossenschaften das Ausstellungswesen. Damit schufen sich die Länderregierungen nationale Kulturrepräsentanzen, in denen nach akademischem Vorbild die Historienmalerei die Führungsrolle zugesprochen wurde. Auch unter Prinzregent Luitpold in Bayern war die Münchener Genossenschaft mit ihren 1.020 Mitgliedern so „erfolgreich“, dass andere Kunstrichtungen der Münchner Schule wie die Freiluftmalerei, der Symbolismus und der Neuidelalismus nur am Wahrnehmungsrand existierten. Auslöser für die Gründung der Secession war ein Streit um die „Internationale Jahresausstellung“ im Münchner Glaspalast, aus der die internationale Avantgarde über Jahre ausgeschlossen worden war. Die Frage, ob Landschaftsmalerei – seit der Schule von Barbizon und dem Impressionismus eine führende Gattung (→ Monet und die Geburt des Impressionismus) – vertreten sei oder nicht, spaltete die Gemüter. Unter dem Namen „Verein Bildender Künstler Münchens. Münchener Secession“ gründeten fortschrittliche Künstler am 4. April 1892 einen ersten Künstlerverein mit diesem Namen. Damit folgten die Münchner Künstler dem Vorbild des Pariser Salon du Champs du Mars und der „Freien Vereinigung Düsseldorfer Künstler“.

Die Gründungsmitglieder hatte sich am 29. Februar 1892 im Atelier von Josef Block getroffen: Bruno Piglhein, Fritz von Uhde, Hugo Freiherr von Habermann, Paul Hoecker, Franz Stuck (Goldmedaillengewinner von 1889), Heinrich von Zügel, Gotthardt Kuehl, Victor Weishaupt, Ludwig Dill, Otto Hierl-Deronco. Sie gehörten der naturalistischen Schule und der akademischen Elite an, nahezu alle erhielten in den folgenden Jahren Berufungen an Kunstakademien in München, Dresden und Karlsruhe. Verstärkt wurden sie in der Gründungssitzung am 4. April 1892 durch später höchst berühmte Künstlerpersönlichkeiten wie Wilhelm Trübner, Hans Thoma, Peter Behrens, Lovis Corinth, Adolf Hölzel, Max Liebermann, Hans Olde, Leo Samberger und Tony Stadler. Mit dem Namen „Secession“ verbanden die Mitglieder ihr Streben nach einem eigenen Weg (Qualität statt Quantität), künstlerischer Freiheit und Selbstbestimmung. Bereits ein Jahr später konnte die Münchner Secession ihr erstes Ausstellungsgebäude, mit indirektem Oberlicht und schlichten Innenräumen, errichten. Hier realisierten sie ab dem 16. Juli 1893 ihre bahnbrechenden Ausstellungen mit klaren Konzepten, festen Terminen, ohne Publikumsware, singulär präsentierten Einzelwerken und einheitlicher Durchgestaltung. Franz von Stuck entwarf mit dem Profilbild der Pallas Athene das Signet der Münchner Secession und prägte damit den öffentlichen Auftritt der Vereinigung.

Diese Münchner Entwicklung wurde offenbar in Wien höchst interessiert wahrgenommen. Stucks Werk wurde von den frühen Secessionisten rezipiert und dienstbar gemacht, bevor sie sich um 1900 mit der Formkunst (auch: Wiener Moderne) auf völlig neue Wege machten. Nachdem bereits Theodor von Hörmann (→ Theodor von Hörmann. Impressionist aus Österreich) seit Anfang des Jahres 1890 für die Freiheit der Kunst gekämpft hatte und bereits 1895 an Kehlkopfkrebs verstorben war, nahm zwei Jahre später eine Gruppe junger Künstler unter der Führung von Gustav Klimt ihr Schicksal selbst in die Hand. Sie formierten sich als Gruppe innerhalb des Künstlerhauses, planten jedoch ein eigenes Ausstellungsgebäude zu errichten. Der Konflikt zwischen den sich selbst als progressiv wahrgenommenen „Jungen“ und den retardierenden „Alten“ kulminierte im Austritt der Klimt-Gruppe und der Begründung der Wiener Secession 1897. Für die erste Ausstellung entwarf Klimt das Plakat: Der Kampf zwischen Theseus und dem Minotaurus wird von Pallas Athene begleitet.

Die Villa Stuck – ein secessionistisches Gesamtkunstwerk

In Wien wurde auch der Bau der Villa Stuck 1897/98 mit größter Aufmerksamkeit verfolgt und dürfte auch eigenen Vorstellung von ästhetisch durchgestalteten Wohn-, Ausstellungs- und Repräsentationsräumen mitgeprägt haben. Einige der Repräsentationsräume der Villa Stuck sind in byzantinischem Goldmosaik ausgestattet. Das Künstleratelier befindet sich im Zentrum des Hauses, hier ist auch der „Altar der Sünde“ als „Weihestätte der Kunst“ aufgebaut. In dessen Zentrum präsentierte Franz von Stuck „Die Sünde“16 (um 1895) in einem altarähnlichen Komplex, unter dem Gemälde standen die Kleinbronzen „Tänzerin“ (1897/98) und „Athlet“ (1892). Das Raumprogramm des Musiksalons folgt Friedrich Nietzsches Konzept des Apollinischen und Dionysischen und .

Erst eine Ausstellung in Passau, München, Wien, Aschaffenburg im Jahr 1992, organisiert von Alexander Rauch, ließ das Interesse an dem Repräsentanten des Münchner Jugendstils wieder steigen. Das hatte zur Folge, dass die Villa Stuck mit Sitz des „Jugendstil-Vereins Franz von Stuck“ als ein Jugendstil-Museum geführt wird.

Franz von Stuck: Bilder

  • Franz von Stuck, Der Wächter des Paradieses, 1889, Öl auf Leinwand, 250,5 x 167,5 cm (Villa Stuck, München) – incl. der Studienfotografien, die Franz von Stuck zugeschrieben werden.
  • Franz von Stuck, Kämpfende Faune, Skizze, um 1889, Öl auf Karton, 38,5 x 60 cm (Kunsthandel Ron Krausz)
  • Franz von Stuck, Kämpfende Faune, ausgeführtes Werk, 1889, Mischtechnik auf Leinwand, 85,8 x 148,5 cm (Bayerische Staatsgemäldesammlungen, München – Neue Pinakothek)
  • Franz von Stuck, Neckerei, 1899, Öl auf Leinwand, 47 x 49,5 cm (J.P. Schneider jr., Frankfurt a.M.)
  • Franz von Stuck, Nautiluspokal, 1890/91, Bronze, Nautilusgehäuse, 42 x 14,5 x 22,5 cm (Privatbesitz)
  • Franz von Stuck, Luzifer, 1890/91, Öl auf Leinwand, 161 x 152,5 cm (The National Gallery Sofia) – incl. Vorzeichnungen und einer Farbskizze „Lucifer“, um 1890, Öl auf Hartfaser, 29 x 25,5 cm (KUNKEL FINE ART, München)
  • Franz von Stuck, Ovid, 1890, Öl auf Leinwand, 49 x 52 cm (Privatbesitz)
  • Franz von Stuck, Vision des hl. Hubertus, 180, Öl auf Leinwand, 62,5 x 53 cm (Museum Villa Stuck)
  • Franz von Stuck, Pietà, 1891, Öl auf Leinwand, 95,5 x 179 cm (Städel Museum, Frankfurt a.M.)
  • Franz von Stuck, Orpheus und die Tiere, 1891, Öl auf Holz und Goldgrund, 55 x 47 cm (Museum Villa Stuck)
  • Franz von Stuck, Verirrt, 1891, Öl auf Leinwand, 48 x 46 cm (Belvedere, Wien)
  • Franz von Stuck, Sonnenuntergang, 1891, Öl auf Leinwand, 54,5 x 64,5 cm (Privatsammlung)
  • Franz von Stuck, Verwundeter Kentaur, 1891–1893, Bronze, 35,5 x 24,5 x 8 cm (Privatsammlung)
  • Franz von Stuck, Athlet, 1892, Bronze, 65 x 28,5 x 34 cm (Privatbesitz)
  • Franz von Stuck, Haupt der Medusa, um 1892, Pastell auf Papier, 26,5 x 32,5 cm (Privatsammlung)
  • Franz von Stuck, Sinnlichkeit, um 1893, Öl auf Leinwand, 53 x 30 cm (Privatbesitz)
  • Franz von Stuck, Kämpfende Kentauren, 1894, Öl auf Leinwand, 95,3 x 96 cm (Städel Museum, Frankfurt a.M.)
  • Franz von Stuck, Der Krieg, 1894 (Bayerische Staatsgemäldesammlungen, München) – nicht im Belvedere zu sehen, dafür sind zwei Skizzen aus Privatbesitz in der Ausstellung.
  • Franz von Stuck, Die Sünde, um 1895, Öl auf Leinwand, 88 x 53,5 cm (Sammlung Galerie Katharina Büttiker, Zürich): Hierbei handelt es sich um die Variante, die Stuck in seiner eigenen Villa im „Altar der Sünde“ eingesetzt hat. Die Urform der „Sünde“ datiert in das Jahr 1893.
  • Franz von Stuck, Serpentinentänzerinnen, 1895, bemalter Gips, 62 x 100 x 4,5 cm (Privatbesitz). Das Gipsrelief befand sich in der Villa Stuck im Musikzimmer, nördliche Wand.
  • Franz von Stuck, Landschaft mit Wasserfall, um 1896, Öl auf Leinwand, 48 x 62 cm ((Bayerische Staatsgemäldesammlungen, München – Neue Pinakothek) – eine höchst außergewöhnlich bunte und ornamentale Landschaft Stucks!
  • Franz von Stuck, Die Sinnlichkeit, 1897, Öl auf Leinwand, 50,5 x 40,5 cm (Döpfner Collection)
  • Franz von Stuck, Kämpfende Amazone, 1897 (Lenbachhaus, München) – nicht in der Ausstellung
  • Franz von Stuck, Tänzerin, 1897/98, Bronze, 63 x 34,5 x 24 cm (Privatsammlung)
  • Franz von Stuck, Glühwürmchen, um 1898, Öl auf Holz, 50 x 54,5 cm (Privatsammlung)
  • Franz von Stuck, Pallas Athene, 1898, Öl auf Holz, 77 x 69,5 cm (Museum Georg Schäfer, Schweinfurt)
  • Franz von Stuck, Die Wippe, um 1898, Syntonos-Farben auf Leinwand, 59,2 x 75,4 cm (Museum Villa Stuck) – Teil der Innenausstattung des Musikzimmers mit der Orpheuswand.
  • Franz von Stuck, Speerschleudernde Amazone, um 1900, Bronze, 64,5 x 17,5 x 34 cm (Sammlung Galerie Katharina Büttiker, Zürich)
  • Franz von Stuck, Sonnenuntergang am Meer, 1900, Öl auf Leinwand, 71 x 76 cm (Privatsammlung)
  • Franz von Stuck, Franz und Mary Stuck im Atelier, 1902, Öl auf Leinwand auf Karton, 157 x 169 cm (Privatsammlung)
  • Franz von Stuck, Die Sphinx, 1904, Öl auf Leinwand, 83 × 157 cm (Hessisches Landesmuseum, Darmstadt) – nicht in der Ausstellung zu sehen, dafür in einer schwächeren Skizze aus Privatbesitz.
  • Franz von Stuck, Der Kampf ums Weib, 1905 (Eremitage, St. Petersburg) – nicht in der Ausstellung zu sehen.
  • Franz von Stuck, Verwundete Amazone, 1905, Öl auf Leinwand, 90,5 x 103,8 cm (Sammlung Galerie Katharina Büttiker, Zürich)
  • Franz von Stuck, Salome, um 1906, Öl auf Holz, 47 x 26 cm (Privatsammlung)
  • Franz von Stuck, Inferno, 1908, Öl auf Leinwand, 128,3 x 208,9 cm (Privatsammlung)
  • Franz von Stuck, Thronender Beethoven, um 1909, Bronze, 26,5 x 13,5 x 11 cm (Privatsammlung)
  • Franz von Stuck, Abendstern, vor 1912, Öl auf Leinwand, 70 x 73 cm (Museum Villa Stuck)
  • Franz von Stuck, Tilla Durieux als Circe, um 1913, Mischtechnik auf Pappe, 53,5 x 46,5 cm (Privatsammlung)
  • Franz von Stuck, Amazone (Speerschleudernde Amazone), 1913/14, Bronze, 215 x 260 x 62 cm (Privatsammlung) – ergänzt durch Fotografien des Gipsmodells u. a. von Mary von Stuck aus dem Atelier und mit Franz von Stuck.
  • Franz von Stuck, Nymphenraub, um 1920, Öl auf Leinwand, 155 x 104 cm (Privatbesitz)
  • Franz von Stuck, Adam und Eva, 1920–1928 (Städelsches Kunstinstitut, Frankfurt a. M.) – nicht in der Ausstellung zu sehen.

Biografie von Franz von Stuck (1863–1928)

Am 23. Februar 1863 wurde Franz Stuck in Tettenweis, Landkreis Passau (Deutschland, Niederbayern) als Sohn eines Dorfmüllers geboren. Während seiner Schulzeit in der Realschule in Passau lieferte er Illustrationen für Zeitschriften.
1878–1881 Besuch der Kunstgewerbeschule, Studium bei Ferdinand Barth (1842–1892). Anfänglich war Stuck als Zeichner und Entwerfer für Kunstgewerbe erfolgreich. Vor allem seine Karikaturen für die Zeitschrift „Fliegende Blätter“ machten ihn bekannt.
1881–1885 Studium an der Akademie in München bei Wilhelm von Lindenschmit II und Ludwig von Löfftz. Einfluss von W. v. Diez, Arnold Böcklin und Franz von Lenbach.
1882 Stuck lieferte Allegorien- und Emblementwürfe für den Verlag Gerlach & Schenk in Wien bekannt. An dem Mappenwerk arbeiteten u.a. Max Klinger und Gustav Klimt mit.
1886 Erneut für Gerlach und Schenk: Karten und Vignetten.
1887 In diesem Jahr dürfte Franz Stuck begonnen haben, mit Ölmalerei zu experimentieren. Es erschienen „Die 12 Monate“ bei Gustav Weise in Stuttgart.
1889 Stuck präsentierte sich mit „Der Wächter des Paradieses“, „Innocentia“ und „Kämpfende Faune“ erstmals im Münchner Glaspalast als Maler. Er erhielt für seinen „Wächter des Paradieses“ auf der Münchener Jahresausstellung die zweite Medaille und damit seine erst Auszeichnung als Maler.
1892 Mitbegründer der „Münchner Secession“ gemeinsam mit Wilhelm Trübner. Obwohl er es damit in Opposition zu den etablierten Künstlern wie Franz von Lenbach stellte, wurde er in der Folge neben August von Kaulbach als Münchner Malerfürst bekannt.
1893 Schuf mit „Die Sünde“ eines seiner bekanntesten Bilder.
1894 „Der Krieg“ (Bayerische Staatsgemäldesammlung, München)
1895 Berufung an die Münchener Akademie. Hier unterrichtete er u.a. Wassily Kandinsky, Paul Klee, Josef Hengge, Georges Kars, Paul Stillreiher und Heinrich Strieffler.
1896 Geburt der Tochter Franziska Anna Marie-Louise, genannt Mary (1896–1961), deren Mutter er im folgenden Jahr heiratete.
1897 Mitbegründer der „Internationnal Society of Sculptors, Painters and Gravers“ in London durch Whistler. Am 15. März heiratete Franz Stuck Anna Maria Brandmaier, verwittwete Lindpaintner (1875–1944). Adoption der Tochter Mary und von Otto Lindpaintner.
1898 Fertigstellung seiner vom Bauunternehmen Heilmann & Littmann errichteten Villa an der Prinzregentenstraße in Bogenhausen als Gesamtkunstwerk. Franz Stuck entwarf Möbel und Plastiken.
1899 Entwurf für das Stollwerck-Sammelalbum Nr. 4 „Die Musen“.
1903 Gründungsmitglied des Deutschen Künstlerbundes, dessen Jurymitglied er auch war.
1904 Teilnahme an der ersten, von der Münchner Sezession ausgerichteten Künstlerbund-Ausstellung mit vier großen Ölgemälden.
1905 „Der Kampf ums Weib“ (Eremitage, St. Petersburg)
1906 Erhielt den Verdienstorden der Bayerischen Krone und den persönlichen Adelsstand. Gründungsmitglied des Deutschen Monistenbundes.
1917 Franz von Stucks Tochter Mary heiratete den 31-jährigen Konsul und Bauunternehmer Albert Heilmann.
1928 Ehrendoktortitel der Technischen Universität München.
Am 30. August 1928 verstarb Franz von Stuck in München. Er wurde am Waldfriedhof in München/Alter Teil im Grab Nr. 95-W-16 beerdigt.
2005 Im März Eröffnung der Villa Stuck als Museum nach 13-jähriger Planungs-, Bau- und Restaurierungstätigkeit.

Schüler von Franz von Stuck

  • Max Ackermann
  • Josef Albers
  • Karl Arnold
  • Latino Barilli
  • Alf Bayrle
  • Robert Jakob Bock
  • Max Brüning
  • Fritz Burger-Mühlfeld
  • Glauco Cambon
  • Julius Ussy Engelhard
  • Willi Geiger
  • Erwin Henning
  • Walter Junge
  • Eugen von Kahler
  • Wassily Kandinsky
  • Paul Klee
  • Otto Kopp
  • Carl Kunst
  • Otto von Kursell
  • Robert Ottokar Lindneux
  • Hermann Lismann
  • Fritz Mühlbrecht
  • Richard Mund
  • Richard Pietzsch
  • Hans Purrmann
  • Leo Rauth
  • Alexander von Salzmann
  • Walter Schnackenberg
  • Josef Seché
  • Karl Staudinger
  • Hugo Steiner-Prag
  • Walter Trier
  • Albert Weisgerber
  • Josef Albers
  1. Siehe den Beitrag von Kurator Alexander Klee im Ausstellungskatalog, S. 33. – und auch seinen Aufsatz „Mystischer Symbolismus primitiver Größe“. Franz von Stuck und Wien, in: Agnes Husslein-Arco, Alfred Weidinger (Hg.), Dekadenz. Positionen des österreichischen Symbolismus (Ausst.-Kat. Belvedere, Wien), Wien 2013, S. 236–249.
  2. Zitiert nach Ausst.-Kat. S. 45.
  3. Zitiert nach Ausst.-Kat., S. 34.
  4. Katalog der Kunst-Ausstellung im Künstlerhause (4.12.1892-15.1.1893), Wien 1892, S. 46-48. Zu sehen waren: „Die Sünde“, „Liebesfrühling“, „Nike“, „Odipus löst das Rätsel der Sphinx“, „Die Sünde“, „Neckerei“, „Opheus - todt“, „Faun und Nymphe“, „Nautilus“ (aus dem Besitz von Prinzregent Luitpold von Bayern), „Kämpfende Faunen“ (aus dem Eigentum der Kunstvereines-Galerie in München), „Liebestoller Centaur“, „Siesta“ (aus dem Besitz von Herrn Louis Löb in Wien), „Das Meerweibchen“, „Amor Triumphator“, „Verirrt“, „Waldinneres“, di Gipsstatuetten „Athlet“ sowie „Adam und Eva“, „Vision des heiligen Hubertus“, „Pietà“, „Forellenweiher“ (aus dem Besitz von Prof. Wenglein in München), „Das verlorene Paradies“, „Samson“, „Waldinneres“, „Belauschung“, „Der Sieger“, „Der Mörder“, „Abend am Weiher“, „Kreuzigung Christi“, „Weidende Pferde“, „Orpheus und die Tiere“, „Medusa“, „Schlafender Faun“ (aus dem Eigentum von Thomas Knorr in München), „Glühwürmchen“ (aus dem Besitz von Luitpold von Bayern), „Neckerei“ (aus dem Besitz von Ministerialdirektor von Bürkel in München), „Die Rivalen“ (aus dem Besitz von Franz von Lenbach), „Die wilde Jagd“.
  5. Zitiert nach Ausst.-Kat., S: 27.
  6. Zitiert nach Ausst.-Kat., S. 33.
  7. Zitiert nach Ausst.-Kat., S. 36.
  8. Zitiert nach Ausst.-Kat., S. 34.
  9. Zitiert nach Ausst.-Kat., S. 34.
  10. Öl auf Leinwand, 80 x 94,5 cm, Belvedere.
  11. Öl auf Leinwand, 62,5 x 53 cm (Museum Villa Stuck).
  12. Zitiert nach Ausst.-Kat., S. 90.
  13. Siehe den Aufsatz von Margot Th. Brandlhuber, die auch interessante kulturhistorische Verbindungen zu den Archaismen in den Thesen von Sigmund Freud bzw. Charles Darwin zieht. „Der Modernste der Modernen“. Franz von Stucks Wirkkraft: seine Archetypen und Mythen in Wien, in: Ausst.-Kat., S. 90.
  14. Es wäre interessant hier einen Vergleich zwischen Franz von Stuck und Edvard Munch zu ziehen, wurde doch auch der Norweger für die „Wiederholungen“ seiner berühmtesten, in den 1890er Jahren entwickelten Motive gescholten. → Edvard Munch. Archetypen
  15. Zitiert nach: Münchener Secession. Geschichte und Gegenwart, München 2007, S. 194–195.
  16. Öl auf Leinwand, 88 x 53,5 cm, Sammlung Galerie Katharina Büttiker, Zürich.
Alexandra Matzner
Gründerin von ARTinWORDS * 1974 in Linz, Studium der Kunstgeschichte, Geschichte und Romanistik in Wien und Rom. Seit 1999 Kunstvermittlerin in Wien, seit 2004 Autorin für verschiedene Kunstzeitschriften. Jüngste Publiktionen entstanden für das Kunsthaus Zürich, Schirn Kunsthalle Frankfurt, Albertina und Belvedere in Wien.