8.2.1876
Am 8. Februar 1876 wurde Minna Hermine Paula Becker als drittes von sieben Kindern des Bau- und Betriebsinspektors der Berlin-Dresdner Bahn Carl Woldemar Becker (1841–1901) und dessen Ehefrau Mathilde Becker (1852–1926) in Dresden geboren.
1886
Mit zehn Jahren wurde Paula Becker zusammen mit anderen Kindern in der Sandgrube von Hosterwitz bei Dresden beim Spielen verschüttet. Beim dem Unfall kam die 11-jährige Counsine Corta Parizot ums Leben.
1888
Übersiedlung der Familie nach Bremen, wo sie sich am literarischen und künstlerischen Leben der Stadt rege beteiligte. Heinrich Vogeler, Gustav Pauli unbnd Rudolf Alexander Schröder und Christiane Rassow zählten bald zum Freundskreis. Der Vater schloss sich dem Freundeskreis des Kupferstichkabinetts der Kunsthalle Bremen an.
1892: England und erster Zeichenunterricht
Paula Becker hielt sich neun Monate in England bei ihrer Tante väterlicherseits, Marie Hill, auf (Mai-Dezember). Erster Zeichenunterricht nach Gipsmodellen in der Londoner St. John's Wood Art School bei dem Lehrer Ward.
1893-1895
Besuch des Lehrerinnenseminars in Bremen auf Wunsch des Vaters, das sie am 18. September 1895 abschloss. Bei dem Bremer Maler Bernhard Wiegandt nahm sie daneben Mal- und Zeichenunterricht.
1895
Besuch der ersten Ausstellung der Worpsweder Maler in der Kunsthalle Bremen (April). In einem Brief erwähnte Paula Becker die Künstler Fritz Mackensen, Otto Modersohn (1865–1943) und Heinrich Vogeler.
1896
Umzug nach Berlin, wo sie im April/Mai an einem Kurs der Zeichen- und Malschule des „Vereins der Künstlerinnen und Kunstfreundinnen zu Berlin“ teilnahm. Im Sommer Reise nach Hindelang im Allgäu mit Aufenthalt in München, wo Paula Becker die Pinakothek und die Schack-Galerie besuchte. Im Oktober begann sie eine eineinhalbjährige Ausbildung (Porträt, Akt, Landschaft). Zu ihren Lehrern zählten unter anderen Jacob Alberts und Jeanne Bauck.
1897
Im Februar trat Paula Becker in die Porträtmalklasse der schwedisch-deutschen Malerin Jeanna Bauck ein, die sie nachhaltig prägte. Paula Becker malte überwiegend Porträts. Häufige Besuche von Kunstausstellungen bei Schulte, Gurlitt und Keller & Reiner sowie im Kupferstichkabinett, wo sie u. a. Edvard Munch, Zeichnungen von Michelangelo, Sandro Botticellis Zeichnungen zu Dantes Göttlicher Komödie sah. Entwarf Titelblätter für die Zeitschrift „Jugend“; die jedoch nicht gedruckt wurden. Ende Juli bis Ende August: erster Aufenthalt in Worpswede (gemeinsam mit der Malfreundin Paula Ritter). Anfang Oktober reiste Paula Becker nach Dresden, um die "Internationale Kunst-Ausstellung" mit Werken von Monet, Pissarro, Simon, Sisley, Böcklin, Hodler, Kalckreuth, Leibl, Liebermann, Meunier und den Worpsweder Malern zu sehen. Ende Oktober erste Beteiligung an der Ausstellung der Malschule. Anfang Dezember reiste sie für eine Hochzeit nach Wien, wo Paula Becker die kaiserliche Sammlung (heute: Kunsthistorisches Museum) und die Liechtenstein-Galerie besuchte: Moretto, Tizian, Peter Paul Rubens, Albrecht Dürer, Lucas Cranach, Hans Holbein, Leonardo da Vinci und Anthonis van Dyck beeindruckten sie besonders.
1898
Fortsetzung ihres Studiums in Berlin. Ausstellungsbesuch im Lichthof des Kunstgewerbemuseums mit Künstlerlithografien (März/April). Besuchte Max Klinger in dessen Leipziger Atelier (April). Ende Mai Abschluss des Studiums. Reise mit ihrem Onkel Wulf von Bültzingslöwen nach Norwegen (Juni/Juli). Übersiedelung nach Worpswede im September, Unterricht bei Fritz Mackensen, lebensgroße Kohle- und Rötelzeichnungen. Beginn der Freundschaft mit Clara Westhoff.
Frühjahr 1899
Paula Becker schuf lebensgroße Zeichnungen und füllte Skizzenbücher mit Landschaften, Figurenstudien und Kompositionsentwürfen. Las viel, v. a Jacobsen und Ibsen. Paula Becker begegnete zum ersten Mal Otto Modersohn persönlich. Otto hatte beobachtet, wie Paula eine alte Frau aus dem Armenhaus an seinem Haus verbei in ihr Atelier führte. Daraufhin lud er sie zu einem Künstlerabend ein. Paula Becker und Otto Modersohn führten ein intensives Kunstgespräch, das sie in den folgenden Monaten und Jahren weiterführten.
Sommer-Herbst 1899
Im August Schweizreise. Der Rückweg führte sie über München, Nürnberg und Leipzig, wo Clara Westhoff bei Klinger arbeitete, sowie nach Dresden zur "Deutschen Kunstausstellung",
an der die Worpsweder beteiligt waren. Stellte einige Studien gemeinsam mit Marie Bock und Clara Westhoff in der Bremer Kunsthalle aus (Dezember); vernichtende Kritik Arthur Fitgers.
Januar-Juni 1900: erster Paris-Aufenthalt
Paula becker reiste in der Neujahrsnacht nach Paris, wo sie mit Clara Westhoff zusammentraf, die an der von Auguste Rodin eingerichteten Bildhauerschule arbeitete. Paula Becker studierte an der privaten Académie Colarossi bei Gustave Courtois, Raphael Collin und Louis-Auguste Giradot, besuchte auch die kostenlosen Anatomiestunden an der École des Beaux-Arts. Paula Becker gewann den concours (Wettbewerb) des Semesters. Sie entdeckte die Gemälde von Paul Cézanne bei Vollard sowie Lucien Simon und Charles Cottet bei Petit. Becker kopierte häufig im Louvre. Lernte Emil Nolde und die Dachauer Malerin Emmi Walther kennen. Besuch der Weltausstellung und des Skulpturenpavillons von Rodin am Pont de l'Alma. Pariser Weltausstellung, zu der Otto Modersohn, Fritz und Hermine Overbeck sowie Marie Bock im Juni anreisten. Während dieses Paris-Besuchs verstarb Helene Modersohn in Worpswede.
Ende Juni-Dezember 1900: Veröobung
Ende Juni Rückkehr nach Worpswede. Wohnung bei Brünjes. Auf Heinrich Vogelers Barkenhoff bildet sich ein Freundschaftskreis, die "Familie", unter anderen mit Carl Hauptmann und Rainer Maria Rilke. Am 12. September verlobte sich Paula Becker mit Otto Modersohn heimlich, da er erst kurz zuvor verwitwet war. Malte in diesem Jahr hauptsächlich Landschaften. Rückkehr nach Worpswede.
25.5.1901: Hochzeit
Jänner und Februar in Berlin, um, dem Wunsch ihrer Eltern entsprechend, kochen zu lernen. Paula Becker traf dort oft Rainer Maria Rilke. Kurzer Besuch in Dresden und Rückkehr nach Worpswede am 9. März. Hochzeit mit Otto Modersohn (25.5.), der eine dreijährige Tochter namens Elisabeth in die Ehe mitbrachte. Hochzeitsreise nach Berlin, Dresden, Schreiberhau zu Carl Hauptmann, Prag, München und Dachau. Die Malerin behielt ihr Zimmer beim Bauern Brünjes, um es als Atelier zu nutzen. Tod des Vaters (30.11.).
1902
Paula Modersohn-Becker behielt ihre Wohnräume bei Brünjes gegenüber dem Barkenhoff als Atelier bei. Zeitweise Entfremdung von den Rilkes.
In ihren Gemälden beschäftigte sie sich hauptsächlich mit Figurengruppen vor einer Landschaft. Malte neben Otto Modersohn vor dem selben Motiv und gestaltete den Garten, in dem sie häufig Elsbeth malte. Überlegungen zu Farb- und Bildaufbau.
1903: zweiter Paris-Aufenthalt
Zweite Paris-Reise (8./9.2.–18.3.1903): Aktzeichnen an der Académie Colarossi, gemeinsame Ausstellungsbesuche mit dem Ehepaar Rilke, tägliches Zeichnen im Louvre. Hier wandte sie sich neben Rembrandt und Veronese vor allem der Antike zu. Erwähnte die Tanagra-Figuren, Fayum-Porträts. Nach einem Besuch des Musée du Luxembourg erwähnte sie Manets „Olympia“ und „Der Balkon“ sowie Renoir, Zuloaga, Cottet und Degas. Sah die Sammlung Hayashi mit alt- japanischer Kunst. Besuchte Rodins Atelier, um dessen Aquarelle zu sehen, und seinen Pavillon in Meudon. Der Briefverkehr zwischen Paula Modersohn-Becker und ihrem Mann belegt, wie sehr sie sich in diesen Monaten emanzipierte. Zurück in Worpswede entstanden Bildnisse und Mutter-und-Kind-Darstellungen. Sommer auf Amrum (9.7.–5.8.). Im Winter malte sie nur wenige Bilder, sondern las viel französische Literatur.
1904
Weitgehender Rückzug von den Worpsweder Malerkollegen. Sommerreise mit Otto Modersohn über Berlin nach Dresden, Kassel und Braunschweig (Rembrandt) (7.–18.7.). Das gemeinsame Malen im Freien mit Otto Modersohn wurde weniger. Zentrales Bildthema wurden 1904/05 in die Landschaft eingebundene Figuren.
Frühjahr 1905: dritter Paris-Aufenthalt
Dritte Paris-Reise (14.2.–7.4.) Paula Modersohn-Becker malte ein Monat lang Akt in der Académie Julian. Bekanntschaft mit Johan und Ellen Bojer. Atelierbesuche bei den "Nabis" Vuillard und Denis. Sah Skulpturen von Aristide Maillol. Nahm an der Eröffnung des Salons des Indépendants teil, wo Paula Modersohn-Becker Werke von Matisse, den Künstlern des Fauvismus sowie Retrospektiven mit Gemälden von Seurat und Vincent van Gogh sah. Otto Modersohn, Milly Becker sowie Martha und Heinrich Vogeler kamen von 29. März bis 7. April nach Paris. Gemeinsam sahen sie die Gauguin-Sammlung von Gustave Fayet und den Pavillon Rodins in Meudon. Gemeinsame Rückreise nach Worpswede im April.
Herbst 1905
Mitte Oktober unternahm sie gemeinsam mit Heinrich Vogeler eine Reise nach Soest, Münster und Hagen, wo sie das Ehepaar Osthaus und das Museum Folkwang besuchten. Paula Modersohn-Becker widmete sich verstärkt dem Stillleben. Rilke kaufte das Bild "Säugling mit der Hand der Mutter". Traf auf Einladung von Carl Hauptmann den Soziologen Werner Sombart und bei einem Ausflug nach Dresden den Maler Otto Mueller (Jahrhundertausstellung). Kaum zurückgekehrt, plante Paula Modersohn-Becker bereits ihre nächste Reise nach Paris. Sie war der Ehe überdrüssig, litt unter der Kinderlosigkeit; die ehelichen Spannungen nahmen zu.
Februar 1906–März 1907: vierter Paris-Aufenthalt
Die Rückreise Modersohn-Beckers aus Schreiberhau führte sie über Dresden und Berlin. Besuchte in Berlin das Kaiser-Friedrich-Museum und die Jahrhundertausstellung Deutscher Kunst aus der Zeit von 1775–1875 in der Nationalgalerie. Vierte Paris-Reise (23.2.1906–31.3.1907), wollte sich von Otto Modersohn trennen. Sie mietete sich Anfang März im Künstleratelierhof 14, Avenue du Maine ein und besuchte zunächst für einen Monat die Anatomie- und Aktkurse der École des Beaux-Arts, zu denen nun auch Frauen zugelassen waren. Lernte durch Rilke Ellen Key kennen. Besuch von Ausstellungen (Courbet, Manet, Redon, Denis, Bonnard, Vallotton, Vuillard). Ostern in Saint-Malo in der Bretagne, wo sie die farbig bemalten Felsskulpturen de Abbé Fouré bei Rothéneuf sah. Besuchte die Enthüllung von Rodins "Denker" vor dem Panthéon (22.4.). Lernte das Ehepaar Hoetger kennen. Porträtierte Rainer Maria Rilke (13.5.–2.6.) und malte ihr großes Selbstporträt (25.5.1906). Im Juni/Juli schuf sie große Gemälde von liegenden oder stehenden Müttern mit Kind. Besuch von Otto Modersohn (2.8.1906). Mit Hoetgers Aufenthalt in Burs bei Paris (August). Gemeinsamer Atelierbesuch bei Henri Rousseau, der sie zu "Bildnis Lee Hoetger vor Blumengrund" inspirierte. Paula Modersohn-Becker malte eine Reihe von Selbstporträts, die u.a. die Kenntnis afrikanischer Masken aus dem Musée de l'Homme verraten. Im September änderte sie ihre Ansicht über die mögliche Trennung von Otto Modersohn. Ihr Mann kam Ende Oktober zurück nach Paris, um hier über den Winter zu bleiben. Neues Atelier am Boulevard Montparnasse. Mit vier Gemälden nahm Paula Modersohn-Becker an der Gruppenausstellung der Worpsweder Künstler in der Bremer Kunsthalle teil (November), die anschließend bei Gurlitt in Berlin zu sehen war. Sah die Retrospektive Gauguins im Salon d’Automne. Weihnachten reiste das Ehepaar Modersohn-Becker gemeinsam nach Bremen.
1907
Ende März sahen Paula Modersohn-Becker und ihr Mann noch die Cézanne-Sammlung Pellerins. Rückkehr nach Worpswede (31.3.). Anfang Juli besuchte sie das Ehepaar Hoetger im westfälischen Holthausen. Im Oktober schickte Rilke ihr aus Paris den erbetenen Katalog des Salon dʼAutomne mit der Cézanne-Retrospektive.
1./2.11.1907
Die Geburt ihrer Tochter Mathilde in der Nach vom 1. zum 2. November 1907 verlief dramatisch. Das Mädchen überlebte, und Paula Modersohn-Becker erholte sich liegend im Wochenbett, umgeben von Reproduktionen der Werke Gauguins und Rodins.
20. November 1907: Tod
Ihr Bruder Kurt, der als Arzt tätig war, erlaubte Paula Modersohn-Becker am 20. November 1907 zum ersten Mal seit der Geburt wieder aufzustehen. Das Paar lud Freunde ein und beleuchtete das Wohnzimmer festlich. Vor den Augen aller brach Paula Modersohn-Becker zusammen und starb im Alter von 31 Jahren an einer Embolie. Am 23. November 1907 wurde Paula Modersohn-Becker beerdigt.
1907/08
Mathilde Becker, Paulas Mutter, lud Otto Modersohn und die beiden Kinder ein, gemeinsam mit ihr und ihren Kindern Herma und Kurt zu Cora von Bültzingslöwen nach Pillnitz zu fahren. Sie brachten dort die Weihnachtstage. Im Januar 1908 kehrte Otto Modersohn nach Worpswede zurück, allerdings kehrte er nicht mehr in das gemeinsame Haus zurück. Die in Basel lebende Schwester Paulas, Milly Rohland-Becker, nahm die kleine Mathilde bei sich auf.
Mit Heinrich Vogeler ordnete Otto Modersohn den Nachlass von Paula Modersohn-Becker in ihrem Atelier bei Brünjes. Sie brachten die Werke zuerst in Ottos Atelier und dann in die Turnhalle von Worpswede.
1908/09
Rainer Maria Rilke setzte seiner Freundin mit dem "Requiem für eine Freundin" ein literarisches Denkmal.
Im Mai 1908 kehrte das Ehepaar Hoetger aus Paris zurück und wollte den Nachlass der Künstlerin sehen. Sie behaupteten, dass Paula Modersohn-Becker ihnen einen beträchtlichen Teil ihrer letzten Bilder versprochen hätte. Otto Modersohn kann sich nur an ein Bildgeschenk erinnern, übergab den Hoetgers aber in den folgenden Jahren rund 17 Werke.
Erste Gedächtnisausstellungen in Bremen, Kunsthalle (Winter 1908/09); Berlin, Kunstsalon Paul Cassirer (Mai 1909); Dresden, Galerie Arnold.
Otto Modersohn übersiedelte nach Fischerhude, wo er im April 1909 Louise Breling heiratete.
1911
Otto Modersohn nahm die vierjährige Mathilde wieder zu sich zurück.
1917
Die erste Retrospektive zu Paula Modersohn-Beckers Werk und Leben in der Kestnergesellschaft, initiiert von Otto Modersohn und Heinrich Vogeler.
1919
Gustav Pauli veröffnetlichte die erste Monografie über Paula Modersohn-Becker. Otto Modersohn kritisierte in einem Brief an den Verfasser die Darstellung der gemeinsamen Zeit mit Paula.
Das von Bernhard Hoetger erarbeitete Grabmal für Paula Modersohn-Becker wurde auf dem Worpsweder Friedhof aufgestellt.
1927
Eröffnung des Paula Modersohn-Becker Museums in Bremen als weltweit erstes Museum für eine weibliche Kunstschaffende. Der Bau wurde, wie die gesamte Böttcherstraße von Bernhard Hoetger entworfen.