Erich Heckel
Wer war Erich Heckel?
Erich Heckel (31.7.1883–27.1.1970) zählt zu den bedeutendsten Malern und Grafikern des deutschen Expressionismus. Der Autodidakt war Mitbegründer der Künstlervereinigung „Die Brücke“ in Dresden und deren Organisator. Nachdem er gemeinsam mit Ernst Ludwig Kirchner, Karl Schmidt-Rottluff und Max Pechstein den Expressionismus in Form des „Brücke-Stils“ (um 1909/10) entwickelt hatte, übersiedelte er im Herbst 1911 nach Berlin. Mit seinen Gemälden und Druckgrafiken, vor allem Holzschnitten, prägte er die Avantgarde vor dem Ersten Weltkrieg.
Heckel und die Brücke
Erich Heckels Beitrag zur Kunst der „Brücke“ ist vielleicht weniger intuitiv als der seiner Kollegen. Als Person war Heckel zurückhaltend, an literarischen Werken und Philosophie interessiert. Die frühesten Werke des Architekturstudenten zeigen deutlich, wo er seine Vorbilder fand: Vincent van Gogh, Paul Gauguin, Paul Cézanne und die Neo-Impressionisten, Edvard Munch und der Jugendstil gehörten zu den verehrten Künstlern und Kunstrichtungen, denen es nachzueifern galt. Das wichtigste Thema seiner Bilder ist der Mensch, sei es als Porträt oder als Akt oder als Genreszene. Weiters sind Landschaften und Stäteansichten bedeutende Sujets seiner Kunst. Angelehnt an den dynamischen Pinselstrich van Goghs malte Erich Heckel um 1905 in züngelnden Strichen und mit leuchtenden Farben. Die Bildgegenstände wurden nicht präzise, akademisch herausgearbeitet, ihre Volumina werden zugunsten des Farbeindrucks unterdrückt. Letzterer ist bestimmt von reinen, unvermischten Farben.
Im Sommer 1908 hielt sich Erich Heckel gemeinsam mit Karl Schmidt-Rottluff in dem Bade- und Kurort Dangast (Oldenburg) auf. Hier entwickelte Erich Heckel seine Version des Brücke-Stils. Er arbeitete nicht mehr mit Farbzerlegung und trug die Ölfarben in kurzen Strichen auf, sondern fasste Farbflächen zusammen. Der expressionistische Stil besteht aus großen, unmodellierten Farbflächen, die häufig von schwarzen oder indigoblauen Konturlinien zusammengefasst werden.
„Rote Häuser“ (1908, Kunsthalle Bielefeld) zeigt einen Bauernhof als vier rotleuchtende Blöcke nebeneinandergesetzt. Wiese und Wald werden genauso roh und pastos als Komplementärfarbe rahmend eingesetzt. Die Tiefenwirkung ist zurückgedrängt. Das Bild wirkt schnell gemalt, einzelne zeichenhafte Andeutungen erscheinen in Schwarz hineingesetzt. Die skizzenhafte Ausführung und die scheinbar einfache Komposition täuschen über den wahren Entstehungskontext des Bildes hinweg. Im Gegensatz zu den Impressionisten entstand dieses expressionistische Landschaftsbild nicht vor dem Motiv, sondern nach langem Suchen nach Zeichnungen im Atelier. In den folgenden Jahren in Dresden nahm die koloritische Vielfalt wieder zu, die schwarzen Umrahmungen der Farbflächen blieb bestehen, die Perspektive konnte auch in einer übertriebenen Form eingesetzt werden.
Um 1910 fanden Erich Heckel und Ernst Ludwig Kirchner in dem zwölfjährigen Mädchen Fränzi Fehrmann ein wichtiges Modell, dessen magere, eckige Körperformen ihrem ästhetischen Wollen entsprach. Wie die Jugendstil-Künstler aber auch Egon Schiele und Oskar Kokoschka in Wien sahen die deutschen Expressionisten schon auch die Körperlichkeit des pubertierenden Mädchens mit männlichem Blick, wie Aussagen von Kirchner nahelegen: „In freier Natürlichkeit ohne Pose oder sonstiges“ hätten sich die Jugendlichen bewegt, überliefert Kirchner 1923. Häufig taucht Fränzi in Heckels Bildern als Akt in der freien Natur - eines der Hauptthemen der Brücke-Künstler - und als Akt in Atelierszenen auf. Hierin zeigt sich der revolutionäre Anspruch der Brücke-Künstler, gesellschaftsreformatorisch zu wirken, alle Vorstellungen zu Sitte und Moral zu widerlegen. Selbstredend schufen die Brücke-Künstler, allen voran Erich Heckel und Karl Schmidt-Rottluff, die Einrichtungen ihrer Ateliers selbst. Heckel schnitzte Möbel und Skulpturen und nutzte afrikanische Wandteppiche, um Kunst, Lebensreform und „freie Natürlichkeit“ in seinen Bildern miteinander zu verschmelzen.
Heckel in Berlin
Im Herbst 1911 übersiedelte Erich Heckel nach Berlin - und folgte damit dem Beispiel von Max Pechstein, der sich schon seit 1908 in der Reichshauptstadt aufhielt. In Berlin wandte er sich zunehmend dem Motivkreis Großstadt und Leben in der Großstadt zu. Die Sommer nutzte er weiterhin, um an der Ostsee Aktdarstellungen anzufertigen. Häufig ist seine spätere Ehefrau, die Tänzerin Siddi Riha, das Modell. Nun zeigen die Bilder einen stärkeren Einfluss von Paul Cézanne, vom Kubismus und Futurismus, mit diesen Kunstströmungen kam Heckel seit dem Umzug in die Hauptstadt verstärkt in Kontakt. Ab 1913 ist ein weiterer Zug in Erich Heckels Kunst zu beobachten: Mit kristalliner Räumlichkeit und dünnerem Farbeinsatz löste sich der Maler vom Brücke-Stil. Zudem präsentierte er einzelne, wenig bewegliche Figuren in der Natur, was dem Gruppenerlebnis der Brücke-Zeit widerspricht. Kommentatoren sehen darin einen Hauch der Wehmut und Melancholie. Trotz seiner intellektuellen Kraft sprach sich Erich Heckel gegen eine theoretische Fundierung der Brücke-Kunst aus:
„Die Formulierung eines neuen Programms ist, glaube ich, Sache der Akademiker [...] Das Ungewusste wie das Ungewollte ist die Quelle der künstlerischen Kraft.“ (Erich Heckel, 1914)
Erster Weltkrieg: expressionistische Landschaften als Symbole für die Zerstörung
Während des Ersten Weltkriegs diente Erich Heckel als freiwilliger Sanitäter in Flandern, meist Ostende. Hier traf er u.a. James Ensor. Da er für den Rücktransport verwundeter Soldaten zuständig war, konnte er die Freizeit nutzen, um zu malen. Im Gegensatz zu Max Beckmann, den er ebenfalls in diesen Jahren traf, setzte Erich Heckel die zerstörte flämische Landschaft als Symbol für den alles vernichtenden Krieg ein. So zeigt Heckel die Zerstürungskraft des modernen Stellungskriegs symbolisch anhand von kargen Landschaften, ohne die Brutalität aktueller Waffen wirklich zu zeigen. Noch während des Ersten Weltkriegs wurden diese Bilder in Berlin ausgestellt und erhielten regen Zuspruch.
Nach dem Kriegsende war Erich Heckel – wie auch seine Mitstreiter der Brücke, des Blauen Reiter und Emil Nolde – zum wichtigsten lebenden Künstler Deutschlands aufgestiegen. Er nutzte seine Position, um Werke seiner Kollegen in der Berliner Nationalgalerie unterzubringen und auf Reisen zu gehen. Kurz nach dem Krieg fühlte er sich schwach und kränklich, die Erinnerungen suchten ihn auch noch im Sommer 1919 in Osterholz heim. Als er den Holzschnitt „Männerbildnis“ (1919) schuf, könnte er sich selbst damit gemeint haben. Nachdenklich legt die Männerfigur die Hände zusammen. Der Kopf mit der hohen Stirn ist leicht nach rechts gedreht und die Augen scheinen nach innen zu blicken.
Heckel und der NS-Staat: „Entarteter Künstler“
Die Machtübernahme Adolf Hitlers begrüßte der Expressionist anfangs, doch schlug die Stimmung rasch um, als er 1937 auf die Liste der „Entarteten Künstler“ gesetzt und seine Bilder aus öffentlichen Sammlungen verbannt wurden. Heckel verbrachte den Zweiten Weltkrieg hauptsächlich in Berlin. 1944 wurde bei einem Bombenangriff sein Atelier samt der dort gelagerten Werke zerstört, im folgenden Jahr verbrannten zudem einige ausgelagerte Gemälde im Bergwerk in Neustaßfurt. Der Maler hatte gegen Kriegsende Zuflucht bei einem Freund in Hemmenhofen am Bodensee gefunden.
Lehrer in Karlsruhe
In der Nachkriegszeit lehrte er an der Akademie der Bildenden Künste in Karlsruhe (1949–1955) und war Teilnehmer der documenta 1 in Kassel. Der Maler lebte von seiner Emeritierung 1955 bis zu seinem Lebensende 1970 zurückgezogen in Hemmenhofen. Während der 1960er Jahre erschienen erste Werkkataloge zu den Druckgrafiken und Gemälde.