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Rodin und Wien Durchbruch in der Secession

Auguste Rodin, Entwurf für das Denkmal für Victor Hugo, 1890, Terrakotta, 72 x 68 x 46 cm, Belvedere, Wien © Belvedere, Wien.

Auguste Rodin, Entwurf für das Denkmal für Victor Hugo, 1890, Terrakotta, 72 x 68 x 46 cm, Belvedere, Wien © Belvedere, Wien.

Auf der IX. Ausstellung der Wiener Secession Anfang des Jahres 1901 stellte Auguste Rodin (1840-1917) gemeinsam mit Max Klinger (1857-1920) zu Ehren des kurz zuvor verstorbenen Italo-Schweizers Giovanni Segantini (1858-1899) aus. 14 Plastiken und acht Grafiken hatte Rodin nach Wien geschickt und beehrte die Kaiserstadt auch mit seiner persönlichen Anwesenheit. Ludwig Hevesi (1843-1910), bedeutendster Kunstkritiker und Unterstützer der Wiener Secession, berichtete von der „erschütternden Gruppe der Bürger von Calais“, dem „wunderbaren Kopf der Balzac-Statue“ sowie „Eva“ und „Dem ehernen Zeitalter“ als stilistische Gegenstücke. Nicht nur er sah in dieser Ausstellung eine der wichtigsten der jüngeren Secessionsgeschichte.

Bereits zwei Jahre zuvor, 1899, wurde Rodin in der IV. und VII. Ausstellung der Secession zentral präsentiert. Die Secession kaufte die vielbeachtete „Büste des Henri Rochefort“ (1897) vom Künstler an und schenkte sie dem Staat, um die Gründung der „Modernen Galerie“, dem heutigen Belvedere, voranzutreiben. Um 1900 galt Rodin bereits als bedeutendster Bildhauer Frankreichs (→ Auguste Rodin: Werke). Geschickt hatte er es verstanden, mit Hilfe von Kunstkritikern und, erstmals auch auf dem Kunstmarkt, durch das Einbeziehen von künstlerischen Fotografien wie etwa jenen piktorialistisch-mystischen von Edward Jean Steichen nationale wie internationale Bewunderung für seine Kunst zu erreichen.

Seit 1880 hatte Rodin in Frankreich mehrere Denkmalaufträge erhalten, was deutlich die positive öffentliche Meinung zu seiner Kunst belegt. Für Rainer Maria Rilke (1875-1926), der 1902 eine Monographie über Rodin erarbeitete und in diesem Jahr auch als Sekretär des Bildhauers tätig war, bestand die Stärke des plastischen Werks „in der unwiderstehlichen Energie der Verflüssigung, in dem geschmolzenen Strom der Materie, bei dem jede Form ihren Anspruch auf Dauerhaftigkeit preisgibt“.

An den ausgestellten Kunstwerken wird deutlich, welche Bedeutung die gesuchten Posen, die spezifischen Oberflächenbehandlungen, die Fragmentierung der Körper für die Darstellbarkeit von psychischem Ausdruck und menschliche Leidenschaften haben. Darüber hinaus erhellen die Werke des Franzosen die Entwicklung der österreichischen Kunst des frühen 20. Jahrhunderts: Gustinus Ambrosi, Anton Hanak, Edmund Hellmer, Gustav KlimtEgon Schiele und Fritz Wotruba arbeiteten sich alle an dem berühmten Erneuerer der Skulptur ab, um sich selbst neue Ausdrucksformen zu erschließen.

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Auguste Rodin (1840–1917) ist vielleicht der berühmteste Bildhauer der Klassischen Moderne. Die Popularität von Werken wie „Der Kuss” und die Universalität von „Der Denker“ haben ihm weltweit großen Ruhm beschert. Das Wichtigste über Leben und Werk Rodins in zehn Punkten.
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Auguste Rodin: Werke "Das Höllentor", "Der Denker", "Der Kuss", "Die Bürger von Calais", ... #Rodin100

Es ging Auguste Rodin um die Allansichtigkeit seiner Plastiken. Ziel von Rodins Arbeit war, neue Kompositionen und Techniken zu erfinden, um leidenschaftliche Gefühle auszudrücken. Anstelle der Allegorie tritt bei ihm der Torso, das Fragment, der Mensch mit all seinen Leidenschaften. Die Körper sind von Schwerkraft, Bescheidenheit und Erzählung befreit, haben keinen perfekten Standpunkt, erlauben keine Interpretation durch Werktitel oder Attributen.
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Edgar Degas, Tänzerin in Ruhestellung, um 1882/1885, Bronze, H. 45,5 cm (Von der Heydt-Museum Wuppertal) & Tänzerinnen (im Hintergrund), 1900–1905 (Von der Heydt-Museum Wuppertal Foto: Medienzentrum/Antje Zeis-Loi)

Degas & Rodin Wettlauf der Giganten zur Moderne im Von der Heydt Museum Wuppertal

Edgar Degas (1834–1917) und Auguste Rodin (1840–1917) revolutionierten beide auf ihre Weise die Kunst des späten 19. Jahrhunderts: Der Maler, Druckgrafiker und Plastiker Degas wählte moderne Motive, setzte einen fotografischen Blick ein und dachte über das moderne Großstadtsubjekt nach. Rodin stieg aufgrund seiner Themenwahl, der neuartigen Oberflächengestaltung und seiner revolutionären Auffassung des Denkmals ab 1880 zum Bildhauerfürsten Europas auf. Beide reflektierten den Prozess des Kunstmachens genauso wie ihre unterschiedlichen sozialen Rollen innerhalb des Kunstzirkels; beide verstarben vor genau 100 Jahren.
22. Dezember 2013
Auguste Rodin, Der Denker © Musée Rodin.

Musée Rodin, Paris der Denker, der Kuss, das Eherne Zeitalter im Hôtel Brion

Ein Jahr bevor Auguste Rodin 1917 starb, vermachte er seine Sammlung dem französischen Staat mit der Auflage sein Atelier zu erhalten. Erst in den 1960er Jahren wurde dieses kostbare Erbe erstmals der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Das Musée Rodin beherbergt heute noch einige Gips- und Tonmodelle, sog. „maquettes“, des wichtigsten Bildhauers der Jahrhundertwende.
Alexandra Matzner
Gründerin von ARTinWORDS * 1974 in Linz, Studium der Kunstgeschichte, Geschichte und Romanistik in Wien und Rom. Seit 1999 Kunstvermittlerin in Wien, seit 2004 Autorin für verschiedene Kunstzeitschriften. Jüngste Publiktionen entstanden für das Kunsthaus Zürich, Schirn Kunsthalle Frankfurt, Albertina und Belvedere in Wien.