Fritz Wotruba

Wer war Fritz Wotruba?

Fritz Wotruba (Wien 23.4.1907–28.8.1975 Wien) gilt als einer der bedeutendsten österreichischen Bildhauer der Klassischen Moderne (→ Klassische Moderne). In seinem Werk löst er zunehmend die figürlichen Komponenten zugunsten geometrischer Abstraktion auf.

Kindheit

Fritz (Friedrich) Wotruba wurde am 23. April 1907 als jüngstes von acht Kindern des gebürtigen Tschechen Adolf Wotruba (1855-1928) und seiner Frau Maria (geb. Kocsis, 1860-1939) in Wien als jüngstes von acht Kindern geboren. Da sein Vater Schneidergehilfe und seine Mutter ein ungarisches Dienstmädchen waren, wuchs Wotruba in einem sozialdemokratisch geprägten Umfeld auf. Die Familie Wotruba wohnte an der Florianigasse 31/31, Wien VIII. Er besuchte die öffentliche allgemeine Volksschule (1913-1918) und die öffentliche Knaben-Bürgerschule (1918-1921).

Von Ende Januar bis Anfang August 1920 nahm Wotruba an einer sozialdemokratischen Kindererholungsaktion in Capodistria (heute: Koper, Slowenien) teil. Er lebte bei der italienischen Familie Grio. Dort freundete er sich mit dem slowenischen Franziskaner Kerubin Begelj an und verbrachte viel Zeit im dortigen Kloster, wo Wotruba viel zeichnete. Die kleine Bildergalerie in der Klosterbibliothek beeindruckte ihn nachhaltig.1 Nach eigenen Angaben faszinierte ihn besonders eine Darstellung von Judith und Holofernes. Hier entwickelte er sein Interesse am Zeichnen und an der Malerei; im April schenkte ihm der Mönch Ölfarben.

Ausbildung

Von August 1921 bis Dezember 1925 erlernte Fritz Wotruba den Beruf des Stanzengraveurs in der Wiener Graveur- und Stanzenwerkstätte von Josef Schantin. Später berichtete er, dass er jeden Morgen vor Arbeitsbeginn Zeichnungen berühmter Bildhauer - allen voran Michelangelos - nach Vorlagen kopierte. Zu dieser Zeit gehörte er einer sozialdemokratischen Arbeiterjugendgruppe in der Josefstadt an und trat der Gewerkschaft bei.

Von Februar bis Sommer 1926 besuchte Wotruba den offenen Abend-Aktzeichenkurs an der Kunstgewerbeschule des Österreichischen Museums für Kunst und Industrie in Wien (heute: die Angewandte). Im Zuge dessen entschied Wotruba, sich dort zum Bildhauer ausbilden zu lassen. Bereits am 1. Oktober 1926 war er als ordentlicher Schüler in die Fachklasse für Bildhauerei von Anton Hanak aufgenommen worden. Von 1926 bis 1928 erhielt er ein Stipendium der Gesellschaft zur Förderung moderner Kunst in Wien, der Arbeiterkammer und der Gemeinde Wien. Dort lernte er auch seine zukünftige Frau, Marian Fleck (1905-1951), Tochter eines jüdischen Kaufmanns aus Düsseldorf, kennen. Hanaks direktes Arbeiten in den Stein, sein Ansatz, dass jeder Werkstoff seine eigene plastische Form habe, entsprach Wotrubas bildhauerischem Zugang. Aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Lage arbeitete die Klasse vorwiegend mit Holz, Metall, Blech und Stein. Trotzdem kam es – Wotruba bezeichnete sich selbst als „widerspenstigen Burschen“ – zu „Gegensätzen, die durch die Arbeit entstanden“.2

Von 1928 bis 1929 besuchte Wotruba die Klasse von Eugen Steinhof (1880–1952). In dieser Zeit arbeitete er weiterhin als Stanzengraveur, um sich seine Ausbildung zu finanzieren. Mit beiden Professoren hatte Wotruba künstlerische wie persönliche Auseinanderungen. Im Mai 1929 musste er deshalb als Folge eines Disziplinarverfahrens gegen ihn die Ausbildungsstätte verlassen, hatt er sich doch unaufgefordert in eine Auseinandersetzung Marians mit Steinhof eingemischt. Wotruba wurde unter Hausverbot für den Rest des Schuljahres beurlaubt und auf Ende des Schuljahres 1929 von der Schule verwiesen. Er erhielt jedoch ein Abgangszeugnis mit sehr guter Bewertung: Sowohl Hanak als auch Steinhof attestierten dem Schüler eine sehr gute technische und kompositionelle Begabung in der freie Gestaltung von Blech und Stein. Marian gab ebenfalls ihr Studium auf und ging mit Wotruba. Sie stellte ihre eigene künstlerische Tätigkeit gänzlich ein, um sich der Förderung ihres Mannes zu widmen. Das Paar heiratete am 27. Dezember 1929 auf dem Standesamt im Wiener Rathaus.

Frühe Werke

Ab 1927 unterhielt Wotruba eine eigene Werkstatt in einer gemieteten Baracke, wo 1928/29 der „Torso“ (WV 22) aus Mannersdorfer Kalkstein entstand. Die Figur, in der noch die Nähe zum ursprünglichen Stein spürbar ist, wurde im Frühjahr 1930 öffentlich in der Secessions-Ausstellung gezeigt. Bereits in dieser Skulptur deuteten sich das Blockhafte und eine Strenge an, die in den 50er Jahren in Wotrubas Werken kontinuierlich eine Steigerung erfuhr. Der Künstler maß dem Detail keine große Bedeutung bei, für ihn war vielmehr die Gesamterscheinung entscheidend. Seine menschlichen Darstellungen erfuhren eine deutliche Streckung, die Egon Schiele und Anton Hanak zu Vorbildern hat.

Im zeichnerischen Œuvre und in den frühen Torsi sind noch Reminiszenzen an Gustav KlimtEgon Schiele und Oskar Kokoschka spürbar. Die starke Verbundenheit mit seiner Heimat und die durchaus kritische Auseinandersetzung mit deren gebauter wie gemalter Historie bedeutete für ihn nicht nur Inspiration, sondern auch Reibungsfläche. Das barocke Wien ließ ihn nach einem ästhetischen Kontrapunkt formaler Reduktion streben – Einfachheit und Harmonie standen in seiner Kunst im Vordergrund. In dieser elementaren Opposition zur Opulenz, die ihn in Wien umgab, fand Wotruba zu einer eigenen Formensprache.

Die Beschäftigung mit dem Werk Schieles führte Wotruba zu Werken Georg Minnes. Minne zeigte 1928 in der „Internationalen Aktausstellung“ der Secession in Wien seine marmorne Skulpturengruppe „Fraternité“, die Wotruba in seinen frühen Jünglingsdarstellungen zum Teil rezipierte. Diese waren jedoch noch deutlich von Anton Hanak und Wilhelm Lehmbruck geprägt. Die zunächst langgezogenen, manieristisch und hünenhaft wirkende Körper aus der Frühzeit verloren langsam ihre menschliche Statur, um im späteren Schaffen beinahe zu architektonischen Landschaften zu mutieren.

Sein wachsendes Interesse für internationale Bildhauer führte Wotruba gegen Ende der 20er Jahre zu einer Auseinandersetzung mit Wilhelm Lehmbruck, dessen Skulpturen er erstmals 1930 in Essen und Düsseldorf im Original studieren konnte. Ästhetische Impulse lieferten neben Lehmbruck auch Auguste Rodin und Aristide Maillol. Seine Studien an Skulpturen internationaler Künstler halfen Wotruba bei der Überwindung des expressiven Figurentypus seines Lehrers Anton Hanak. Auch Stilisierungen nach secessionistischem Vorbild sowie impressionistische Stilmittel gerieten zunehmend in den Hintergrund.

Anfang Dezember 1929 mietete sich Fritz Wotruba eine neue Werkstatt unter einem Stadtbahnbogen an der Wasserleitungsstraße 9 im 9. Wiener Gemeindebezirk (vermittelt von Eduard Leisching). Dort entstanden zwei „Torsi“ (WV 38 und 39). Von 1930 bis 1933 zeigten sich Wotrubas erste Erfolge durch die Teilnahme an zahlreichen Ausstellungen im In- und Ausland. Er konnte sich unter anderem an drei Ausstellungen der Vereinigung Bildender Künstler Wiener Secession beteiligen, zu deren Mitglied er 1932 ernannt wurde, sowie an der Werkbundausstellung 1930, wo er Josef Hoffmann kennenlernte. Da die Gemeinde Wien den „Jungen Riesen“ (1929, WV 21), ein unikaler Bleiguss, aus der Secessions-Ausstellung erwarb, konnten der Bildhauer und seine Frau Marian im Sommer 1930 nach Deutschland und Holland reisen, wo er erste prägende Begegnungen mit Werken von Wilhelm Lehmbruck und Aristide Maillol hatte. Er machte die Bekanntschaft mit Ernst Gosebruch, dem damaligen Direktor des Museum Folkwang in Essen. 1930 wurde Wotruba zum jüngsten Mitglied der „Kunstschau“, der repräsentativen Künstlervereinigung Österreichs ernannt.

Das Museum Folkwang in Essen richtete im März 1931 Wotrubas erste Einzelausstellung aus, vermittelt von seiner Schwiegermutter und dem Wiener Kunstkritiker und späteren Freund Hans Tietze. Zudem nahm der Wiener Bildhauer an der „Internationalen Ausstellung Plastik“ im Kunsthaus Zürich teil, wo auch Werke des um elf Jahre älteren Henry Moore ausgestellt waren. Um die Zulassungsbedingungen zu erfüllen, machte sich Wotruba um zwei Jahre älter. In diesem Jahr vollendete er den „Großen Hockenden“ (1931, WV 41) und die „Große Liegende“ (1931, WV 43).

 Besonders hervorzuheben ist Wotrubas erste Teilnahmen an der „XVIII. Biennale von Venedig“ (1932). Aus diesem Jahr datiert auch die Freundschaft mit Carl Moll, der Wotruba in den folgenden Jahren finanziell unterstützte und ihm Aufträge verschaffte. Die Secession nahm ihn als ordentliches Mitglied auf (Juli). Im September 1932 errichtete Wotruba gemeinsam mit Arbeitslosen das Mahnmal „Mensch verdamme den Krieg“ als Gedenkstätte für die Opfer des Ersten Weltkriegs auf dem Friedhof von Donawitz in der Steiermark (WV 52). Der Künstler übernahm unentgeltlich die künstlerische Organisation und errichtete das Denkmal in Zusammenarbeit mit Kriegsverletzten und Arbeitslosen des Eisenhüttenwerks in Donawitz. Es wurde in zwei Etappen (1934/1938) von sozialdemokratischen Arbeitern zum Schutz vor Zerstörung abgetragen und versteckt; 1988 in Leoben neu errichtet). Kurz darauf widmete ihm die Galerie Würthle eine erste Einzelausstellung in Wien (Dezember).

Wotrubas erster Aufenthalt in der Schweiz (1933)

Die politische Situation in Österreich änderte sich im März 1933 mit der Errichtung des autoritären Regimes unter Engelbert Dollfuß grundlegend. So folgte auf die Februarunruhen 1934 ein Verbot der Sozialdemokratischen Partei.

Wotrubas Atelier wurde bereits 1933 durchsucht; der Künstler fühlte sich zunehmend bedroht, sodass er mit seiner Frau Österreich verließ und vom 23. März bis zum 2. November 1933 in die Schweiz ging. Das Paar hielt sich zuerst in Zürich, dann in Rüschlikon auf. Wotruba schloss Freundschaft mit dem Schweizer Bildhauer Hermann Haller, der ihm in Zürich-Wollishofen Arbeit bei dem Tessiner Steinmetzen Giuseppe Trentini vermittelte. Die folgenden sieben Monate waren eine besonders produktive Zeit, es entstand eine Fülle an Skulpturen in Stein, darunter sind so bedeutende Werke wie der „Große liegende Jüngling“ (WV 59, Albertina) und die „Große dunkle Figur“.

Ständestaat

Am 2. November 1933 kehrte Wotruba wieder nach Wien zurück, vermutlich hat ihn dazu Carl Moll bewegt. Moll vermittelte ihm den ursprünglich an Hanak vergebenen Auftrag für ein Gustav-Mahler-Denkmal. Wotruba arbeitete von 1934 bis 1936 an zwölf Modellen für das Denkmal. Trotz der positiven Resonanz zu den Vorarbeiten wurde das Projekt verworfen.

In den 30er Jahren lernte Wotruba viele Intellektuelle, bildende Künstler und Literaten kennen. Zu diesen zählten unter anderen den Autoren Elias Canetti, Hermann Broch, Franz Theodor Csokor, Theodor Sapper, Robert Musil (1936) und Franz Ullmann, den Malern Herbert Boeckl, Josef Dobrowsky, Georg Merkel und Carry Hauser, den Musikern Hans Erich Apostel und Alban Berg (1934). Alma Mahler ließ ihre Tochter Anna von Wotruba privat unterrichten; in ihrem Atelier traf er Ende 1933 den Autor Canetti.

Carl Moll unterstützte Wotruba die folgenden Jahre hindurch finanziell und verschaffte ihm Aufträge, so für die Gestaltung des „Grabmals der Opernsängerin Selma von Halban-Kurz“ (10.5.1934, WV 63) auf dem Wiener Zentralfriedhof. Der Künstler schuf hierfür eine nackte Frauengestalt, die große Empörung hervorrief, provoziert von den Beuscher:innen des Nachbargrabes von Ignaz Seipel. Bereits 1934 verhüllt und in weiterer Folge bis 1945 hinter dichtem Gebüsch versteckt wurde.

Im Kreis der Wiener Künstler genoss Wotruba hohe Wertschätzung. Im April 1934 nahm Wotruba an der Ausstellung „Austria in London“ (16.4.–12.5.) teil, die unter der Leitung des Architekten und Staatsrats für Kunst Clemens Holzmeister stand. Im Herbst 1934 nahm Fritz Wotruba an einem Wettbewerb der Gemeinde Wien für ein Denkmal der Arbeit auf dem Schmerlingplatz teil. Wotruba arbeitete zusammen mit dem Architekten Arnold Nechansky an einem Entwurf. Vom Architekten Josef Hoffmann, der zur Jury gehörte, wurden sie zwar protegiert, erreichten aber nur den 3. Preis von 115 Einreichungen. Wotruba hatte Josef Hoffmann 1930 bei der Werkbundausstellung kennengelernt. Der berühmte Architekt förderte den Bildhauer oft, so auch bei dessen Teilnahme an den Secessions-Ausstellungen und erstmals an der „XIX. Biennale von Venedig“ 1934 im neueröffneten Pavillon von Josef Hoffmann (ab 12.5.). Mit dem ebenfalls in Venedig ausstellenden Franz Hagenauer verband Wotruba eine tiefe Freundschaft. Zwei Jahre später lernte er auf der Biennale von Venedig Robert Musil kennen, mit dem er sich ebenfalls eng anfreundete.

Am 20. Oktober 1936 trat Wotruba – gemeinsam mit anderen Künstlern – aus der „Vereinigung Bildender Wiener Künstler Secession“ aus, da er den Mitgliedern Komplizenschaft mit den Nationalsozialisten vorwarf. Damit bekannt sich Wotruba zum ersten Mal öffentlich zu seiner antifaschistischen Haltung.

Auch beim größten Ausstellungsvorhaben des Ständestaats im Ausland, der 1937 im Jeu de Paume im Jardin des Tuileries in Paris gezeigten „L'Art Autrichien“ (Mai–Juni 1937), war Wotruba mit Werken vertreten. Österreich wollte sich mit dieser Ausstellung, die unter anderem auch Klimt, Schiele, Max Oppenheimer, Anton Faistauer, Kokoschka, Wiegele, Herbert Boeckl und Hanak zeigte, als Heimat einer spezifischen Kunsttradition auf hohem Niveau und vor allem als ein Land mit einer liberalen und aufgeschlossenen Kunstpolitik darstellen. Die Exponate des 20. Jahrhunderts, darunter auch die Werke Wotrubas, wurden im selben Jahr von der Kunsthalle Bern übernommen und unter dem Titel „Österreichische Malerei und Plastik im 20. Jahrhundert“ ausgestellt.
Wotruba reiste im Frühsommer mit seiner Frau zur Ausstellungseröffnung nach Paris und lernte dort den Bildhauer Aristide Maillol persönlich kennen, der sich von Wotrubas „Torso“ (WV 22) tief beeindruckt zeigte. Maillol lud den Wiener Bildhauer in sein Atelier nach Marly-le-Roi ein, was dieser annahm. Anfang August 1937 reiste Wotruba in die Schweiz, wo er in Zürich und Bern der Eröffnung einer Ausstellung österreichischer Kunst bewohnte. Bei dieser Gelegenheit machte Wotruba eine weitere wichtige Bekanntschaft: Der Bundesrat Philipp Etter hielt die Rede und sollte später dem Ehepaar Wotruba bei der Erlangung des Schweizer Aufenthaltsrechts hilfreich werden.

Da die politische Lage in Österreich immer schwieriger wurde, entschied sich Wotruba in Deutschland unterzutauchen und fuhren am 11. August 1937 ab. Am Taubenberg bei München konnte Wotruba in einem alten Schuppen arbeiten; im September reiste das Ehepaar weiter nach Düsseldorf zu Marians Familie. Dort mussten sie sich fast drei Monate aufhalten, da Marian einen Spitalsaufenthalt hatte. Ende des Jahres tauchte das Ehepaar in Berlin unter; die Witwe von Max Liebermann stellte ihnen ihr Gartenhaus am Wannsee zur Verfügung.

Exil in der Schweiz

Am 12. und 13. März 1938 erfolgte der sogenannte „Anschluss“ Österreichs an das Dritte Reich. Die politische Lage spitzte sich immer mehr zu. Das Ehepaar Wotruba hielt sich in Essen, Münster, Düsseldorf und Berlin auf. Als die Wohnung von Marians Mutter von Nazis zertrümmert, Wotrubas Atelier in Wien durchsucht und seine in Wien verbliebene Familie bedroht wurde, kehrte das Paar Ende Mai vorläufig nach Wien zurück. Wotruba räumte sein Atelier und verpackte seine Skulpturen, die Anfang Juni nach Berlin transportiert wurden. Am 11. Juni war Wotruba wieder zurück in Berlin und reiste Anfang September über Düsseldorf nach Wien.

Am 17. September 1938 floh Fritz Wotruba zunächst allein in die Schweiz. Marian erhielt als Jüdin vorerst keine Einreiseerlaubnis. Der Bildhauer hielt sich anfangs in Zürich auf. Er lernte den evangelisch-sozialen Pfarrer Robert Lejeune kennen, mit dem er sich anfreundete. Ende des Jahres konnte er bei Lejeune einziehen. Bundesrat Philipp Etter, damaliger Vorsteher des Eidgenössischen Departements des Innern, erwirkte für Marian eine Aufenthaltsbewilligung für den Kanton Zug, den Heimatkanton des Bundesrates. Marian Wotruba kam am 27. Januar 1939 in Zürich an; das Paar zog im Mai nach Zug.

Dank der Unterstützung namhafter Förderer wie Hermann Haller, Bundesrat Philipp Etter, Manuel Gasser und Pfarrer Robert Lejeune konnte sich Fritz Wotruba im Gegensatz zu manchen anderen Emigrant:innen in beschränktem Maß künstlerisch betätigen, an Ausstellungen teilnehmen und Werke verkaufen. So nahm Wotruba im Mai 1939 an einer Gruppenausstellung im Kunstmuseum Winterthur teil. Dort machte er die Bekanntschaft des Kaufmanns und Kunstsammlers Georg Reinhart, der Wotruba während der Kriegszeit finanziell unterstützte und ihm wichtige Kontakte vermittelte. Weitere wichtige Sammler waren Emil Georg Bührle und Fritz Kamm. Mit dem mäzenatischen Ehepaar Editha und Fritz Kamm pflegte der Bildhauer eine lebenslange Freundschaft. Editha Kamm (geb. Ehrbar) stammte aus Wien; Fritz Kamm arbeitete als Bankier.

Im April 1940 unternahmen Fritz und Marian Wotruba eine Fahrradtour nach Genf, wo sie intensiven Kontakt mit ihren engen Freunden Robert Musil und Martha Musil hatten, die ebenfalls in der Schweiz im Exil lebten. Da sich Aotruba in dieser kritischen Phase des Kriges in der deutschen Schweiz nahe der Grenze zu Deutschland nicht sicher fühlte, plante er und Marian, nach Genf zu übersiedeln. Dort konnten sie dank einer beschränkten Aufenthaltsbewilligung bis Ende August bleiben. In einem Steinlager schuf der Künstler die „Große Stehende“, auch „Genfer Venus“ (WV 97) genannt.

Zurück in Zug, wo sich Fritz Wotruba bis 1945 im Exil aufhielt, entstand eine Reihe von Skulpturen, darunter 1943 „Liegender Jüngling“ (Mitte 1943, WV 109) aus Muschelkalk und 1944 die „Stürzende“ (WV 112). Wotrubas Atelier wurde zum Treffpunkt zahlreicher emigrierter Künstler:innen und Intellektueller, darunter Uli und Dana Becher, Maria Becker, Francois Bondy, Maria und Franz Fein, Marino und Marina Marini, die Pariser Bildhauerin Germaine Richier und Fritz Hochwälder.

Während seines Aufenthaltes im Exil konnte sich Wotruba an mehreren Ausstellungen in Schweizer Museen beteiligen. Werke des Künstlers fanden in der Folge in öffentliche und private Sammlungen Eingang. 1945 erschien im Verlag von Emil Oprecht in Zürich ein Essay Wotrubas unter dem Titel „Überlegungen. Gedanken zur Kunst“, in dem er sich zur Kunst und Kulturpolitik seiner Zeit äußerte. Im April und Mai desselben Jahres war Wotruba für das Vorbereitende Komitee der österreichischen Künstler in der Schweiz und für die Frei-österreichische Bewegung in der Schweiz tätig. Er freundete sich mit dem Historiker, Schriftsteller und Publizisten Jean Rudolf von Salis an. Wotruba wurde Mitglied der neu gegründeten Gesellschaft zur Förderung der kulturellen Beziehungen zwischen Österreich und der Schweiz.

Erste Nachkriegsjahre

Nach dem Ende des Krieges wurde Wotruba dank der Initiative Herbert Boeckls wieder nach Österreich berufen, um hier die Meisterklasse für Bildhauerei an die Akademie der bildenden Künste zu übernehmen, wo er für eine aufgeklärte Kulturpolitik eintrat. Er kehrte gemeinsam mit Marian Mitte Dezember 1945 wieder nach Wien zurück. Im Mai 1947 wurde Wotruba zum außerordentlichen Professor für Bildhauerei ernannt. Zusammen mit Bieckl vertrat Wotruba die Auffassung, dass

„die Akademie […] endlich und zuerst mit dem gestrigen Schutt der letzten Jahre aufräumen muss, soll hier wirklich der Kunst und dem Staat förderliche Arbeit geleistet werden“.3

Fritz Wotruba war in den ersten Monaten nach seiner Rückkehr mit seiner Lehrtätigkeit an der Bildhauerschule beschäftigt. Kurzfristig zählte etwa 1957 der aus Bulgarien geflohene Christo zu seinen Studierenden (→ Christo und Jeanne-Claude). Die folgenden Jahre widmete sich Wotruba mit großem Einsatz auch dem kulturellen Wiederaufbau Wiens. An der Akademie setzte er sich für die Vermittlung der in Vergessenheit geratenen Wiener Kunst der Jahrhundertwende ein.

Als erste Skulptur nach der Rückkehr in die Heimat entstand die „Weibliche Kathedrale“ (WV 117), auch „Große Stehende“ genannt, die einen Wendepunkt in Wotrubas Œuvre markiert. Der Bildhauer deutete lediglich die Grundstruktur des menschlichen Körpers an. Diese von der Anatomie gelöste, strukturell und tektonisch bestimmte Gestaltung wird ab dieser Zeit charakteristisch für Wotrubas Kunst. Wie in der Schweiz wurde Wotrubas Atelier zu einem Treffpunkt für Künstler:innen, Musiker:innen, Schriftsteller:innen und Student:innen. Zu Wotrubas Bekannten gehörten die Komponisten Josef Matthias Hauer und Gottfried von Einem, der Generalsekretär des Wiener Konzerthauses und stellvertretende Staatsoperndirektor Egon Seefehlner, der Kunsthistoriker Alexander Auer, der Kunstsammler Leo Hochner, der Historiker Friedrich Heer.

1946 reiste Wotruba nach Zug, um sich als Mitglied der Gesellschaft zur Förderung der kulturellen Beziehungen zwischen Österreich und der Schweiz an der Organisation der Ausstellung „Meisterwerke aus Österreich“ im Kunsthaus Zürich zu beteiligen. Im selben Jahr trat er dem Österreichischen Gewerkschaftsbund bei. Im Folgejahr nahm Wotruba an einigen Internationalen Ausstellungen teil und konnte während seiner Reisen Kontakt zu bedeutenden Künstlern knüpfen, wie zu Alberto Giacometti, Alberto Magnelli, Henri Laurens oder Ossip Zadkine. Zudem knüpfte er Kontakte zum Galeristen Daniel-Henry Kahnweiler und dem Direktor des Amsterdamer Stedelijk Museums Willem Sandberg.

In Wien begann sich Wotruba mit Bühnengestaltung und Theaterkostümen zu beschäftigen, so für „Die Geschichte vom Soldaten“ Igor Strawinskys, die im Wiener Konzerthaus am 14. April 1948 aufgeführt wurde. Im Sommer 1948 fand bei der „XXIV. Biennale von Venedig“ eine Sonderausstellung von Schiele und Wotruba statt und im Herbst eröffnete Wotrubas große Einzelausstellung im Musée National d’Art Moderne in Paris. Den Sommer verbrachte der Bildhauer mit einer Reise durch Südfrankreich und einer Segeltour vor der Küste Marseilles. Diese Erlebnisse prägten seine bildhauerischen Vorstellungen gravierend.

Im Jahr 1949 wurde bei Marian eine Krebserkrankung diagnostiziert. Im selben Jahr entstanden „Große sitzende Figur“ (WV 145), auch „Menschliche Kathedrale“ genannt. Die „Große Sitzende“ besteht aus grob behauenen, kantigen Quadraten und Kuben, die nun kaum mehr anatomischen Körperformen folgen, sondern völlig seinem neuen Ordnungsprinzip entsprechen: der Mensch als Architektur. Die Tektonisierung der menschlichen Gestalt, die mit der „Großen Stehenden“ von 1946 einsetzte und die im Sitzenden von 1948 weitergeführt wurde, findet in der streng architektonisch konzipierten Figur einen ersten Höhepunkt. Im Sommer reiste Wotruba mit seiner schwer erkrankten Frau erneut über Paris nach Marseille. Er nahm an internationalen Plastikausstellungen in Philadelphia und Arnhem teil.

In den 1950er Jahren beteiligte sich Wotruba an vielen internationalen Ausstellungen, darunter der „XXV. Biennale von Venedig“. Zusammen mit seiner Frau reiste er zu einigen der Eröffnungen, so 1950 zur Biennale. Weitere Reisen führten die beiden in die USA, nach Belgien, England und nach Frankreich. In Brüssel lernte er 1951 Peggy Guggenheim kennen; in Wien schloss er Freundschaft mit dem Unternehmer Manfred Mautner Markhof. Gemeinsam mit Elias und Veza Canetti besuchte er Henry Moore in Much Hadham. Am 31. August 1951 starb Marian Wotruba, ihr Leiden an der Krankheit floss in die Arbeit an der „Großen liegenden Figur“ (WV 161) ein. In dieser Figur geht die Tektonisierung der menschlichen Figur nochmals einen Schritt weiter: Die menschliche Gestalt wird blockartig in ihre Grundstrukturen zerlegt und aus diesen Elementen in nunmehr freien und gelösten Rhythmen zu einer neuen Ganzheit gefügt.

Das Jahr 1952 war geprägt von Ausstellungsteilnahmen und Bekanntschaften: Wotruba war auf der internationalen Plastikausstellung in Arnham und der „XXVI. Biennale von Venedig“ Vertreten. In Italien traf er Hans Hartung, Giorgio Morandi und Graham Sutherland. Im Herbst machte er die Bekanntschaft mit dem Kunsthändler Louis Carré, mit dem er später eine geschäftliche Beziehung knüpfte.

Galerie Würthle

1953 erwarb Fritz Kamm auf Anregung von Fritz Wotruba die Galerie Würthle in Wien und ernannte Wotruba zu deren künstlerischem Leiter (bis 1965). In seinem Ausstellungsprogramm vermittelte der Bildhauer zeitgenössische Kunstströmungen. Dies erwies sich als äußerst wichtig, da Wien noch kein Museum moderner Kunst hatte. Zu den von Wotruba geförderten Künstlern gehörten: Pablo Picasso, Fernand Léger, Oskar Schlemmer und viele mehr. Zudem stellte er die Wiener Moderne aus: Klimt, Schiele, Kokoschka und mit besonderer Betonung Richard Gerstl. Bei der Auswahl der Ankäufe und der Ausstellungen war Heimo Kuchling im Auftrag Wotrubas maßgeblich beteiligt.

Gemeinsam mit Fritz Kamm reiste Wotruba 1955 nach Paris zu Louis Carré, um den Geschäftskontakt zu vertiefen. Es folgten regelmäßig weitere Parisreisen für die Galerie Würthle. Zu Beginn 1965 trat Wotruba als künstlerischer Leiter der Galerie Würthle zurück.

Reifes Werk

Im Jahr 1953 vollendete Wotruba die „Große liegende Figur“ (WV 161), ein Relief für die Otto Glöckel-Schule in Linz und ein Relief für die Städtische Wohnhausanlage an der Reinprechtsdorfer Straße in Wien. Er nahm am „Salon de Mai“ in Paris, an der „2. Biennale von Middelheim-Antwerpen“ und an den internationalen Plastikausstellungen in Hamburg und Varese teil. Wotruba wurde 1953 auch Mitglied vom Österreichischen Werkbund.

Ein bedeutendes Werk aus diesem Jahr ist auch der „Stehende Torso“ (1953–1954, WV 189), der sich aus zylindrischen Formen zusammensetzt und Wotrubas erste Säulenfigur ist. Aus drei einander zugeordneten, schlank emporstrebenden Schäften, die an die Stelle der bis dahin schwer lastenden Blöcke und Kuben traten, leitete diese Skulptur eine weitere tektonische Ausformung der menschlichen Gestalt ein: die Säulenfigur, die den Künstler in den folgen Jahren beschäftigte.

Späte Werke

1955 erhielt Wotruba den Auftrag, ein Kruzifix für die Pfarrkirche im Salzburger Parsch zu schaffen, das 1956 fertiggestellt und an der Giebelwand der Kirche angebracht wurde (WV 199). Im April begann eine große Wanderausstellung mit Werken Wotrubas, die vom Institute of Contemporary Art in Boston bis ins nächste Jahr durch acht Museen in den USA und Kanada reiste (April 1955–April 1956). Am 15. September heiratete Wotruba in Wien Lucy Vorel, die ehemalige Pflegerin seiner verstorbenen Frau Marian. Kurz darauf wurde ihm der Gustav-Klimt-Preis der Secession verliehen. 1956 entstanden die verschiedenen Fassungen der „Stehenden Figur“. Im Mai desselben Jahres erteilte ihm die Stadt Wien den Auftrag, eine Steinskulptur für die Wiener Stadthalle zu schaffen; die „Große stehende Figur“ wurde 1958 fertiggestellt und 1959 aufgestellt. Für den 1956 verstorbenen Josef Hoffman schuf Wotruba 1959 den Grabstein (WV 228).

Wotruba erhielt 1957 einen Auftrag für den Österreichischen Pavillon der Weltausstellung 1958 in Brüssel; es entstand das „Große Figurenrelief“ (WV 206). Im selben Frühjahr wurde eine Ausstellung mit Arbeiten Kokoschkas, Alfred Kubins und Wotrubas in Baden-Baden sowie in Pforzheim gezeigt. Wenig später eröffnete eine weitere Wanderausstellung in Stockholm mit Werken Wotrubas, Anton Romakos und Kubins. Auf der „IV. Biennale von São Paulo“ war der Künstler ebenfalls mit einer Sonderausstellung vertreten.

Wotruba unterzeichnete 1958 einen Kunsthandelsvertrag mit der Galerie Fine Arts Associates von Otto M. Gerson in New York. Damit erhielt die Galerie das alleinige Verkaufsrecht für seine Arbeiten. 1960 zeigte die Galerie ihre erste große Wotruba-Einzelausstellung. Mit dem „Torso II“ (WV 210) entstand 1958 Wotrubas erste Pfeilerfigur.

1960 entstand zwei „Große liegende Figuren“ (WV 230 und 233), in der Wotrubas plastische Vorstellungen von der Skulptur ersichtlich werden: In einer Verschmelzung von Kunst- und Naturform zeigt sich die Große Liegende als eine nach architektonischen Prinzipien gegliederte menschlich-körperhafte Landschaft.

Wotruba erhielt 1961 den Auftrag für ein Figurenreliefs für das neue Hörsaalgebäude der Philipps-Universität in Marburg, das zwischen 1963 und 1964 ausgeführt und 1965 eingeweiht wurde (WV 262). Im selben Jahr wurde er zum Mitglied des Österreichischen Kunstsenats ernannt.

Am 21. September 1962 wurde in Wien das Museum des 20. Jahrhunderts eröffnet und Werner Hofmann zu dessen Direktor ernannt. Die Errichtung eines solchen Museums war Wotruba wichtig, sodass er sich begeistert an der dortigen Ausstellung „Kunst von 1900 bis heute“ beteiligte. Im Folgejahr präsentierte das Haus die erste Einzelausstellung Wotrubas in Wien. Seine Bekanntschaft mit dem Philosophen und Musiker Theodor W. Adorno führte später zu einem Essay desselben über Wotruba.

Im Jahr 1964 erwarb die Stadt Duisburg die „Große liegende Figur“ von 1962/63 (WV 255) für das neue Wilhelm-Lehmbrrck-Museum. Wotruba reiste zur Eröffnung an. Der Bildhauer erhielt den Auftrag für ein Steinrelief im Empfangsraum des Verwaltungsgebäudes der Semperit AG in Salzburg (WV 265, heute: Neubau der Naturwiss. Fakultät der Universität Salzburg). Erste Gespräche der Vorstandsdirektorin der ÖMV, Margarete Ottilinger, über das Projekt, ein Kloster mit Kirche zu errichten. 1964 reihten sich zahlreiche Ausstellungen aneinander, darunter die „documenta III“ in Kassel und „The 1964 Pittsburgh International Exhibition of Contemporary Painting and Sculpture“ im Carnegie Institute des Museum of Fine Arts in Pittsburgh.

Die Jahre zwischen 1965 und 1975 waren von Wotrubas Engagement für die heute als „Wotrubakirche“ bekannte Anlage in Wien-Mauer bestimmt (siehe unten). Im Herbst 1965 stellte der Bildhauer in der Graphischen Sammlung Albertina in Wien Zeichnungen, Druckgrafiken und Ölgemälde aus.

Die „Große stehende Figur“ (1966, WV 277) entstand aus Carrara-Marmor. Wotruba erhielt den Auftrag zur künstlerischen Ausstattung sowie eine Figur für den Vorplatz der Kirche St. Michael in Luzern. Auch die Stadt Rotterdam wünschte sich eine Skulptur für einen öffentlichen Platz, nachdem er im März 1968 eine Ausstellung im Museum Boymans van Beuningen eröffnet hatte: „Große liegende Figur“ (1971, WV 311). Für die barocke Hofkirche von Bruchsal schuf er die künstlerische Ausstattung und ein Kruzifix (1969, WV 294 und 347). Der Musikverlag B. Schott’s Söhne ließ Wotruba ein Richard Wagner-Denkmal für die Stadt Mainz ausführen (Enthüllung 1970, WV 302).

Die darauffolgenden Jahre waren von großen internationalen Ausstellungsbeteiligungen und zwei herben Verlusten geprägt: seine Freunde Herbert Boeckl und Fritz Kamm (1967) verstarben. Von August bis Oktober 1969 zeigte das Hakone-Open-Air-Museum in Tokio die Ausstellung „The First International Exhibition of Modern Sculpture“, bei der Wotruba ebenfalls vertreten war. In seinen letzten Lebensjahren stand Wotruba ein Staatsatelier im Pratercottage zur Verfügung.

1971 beschäftigte sich Wotruba erneut mit dem Torso-Motiv (WV 320–324): es entstand der „Große Torso“ (WV 319), der nach seinem Tod auf seinem Ehrengrab im Zentralfriedhof in Wien aufgestellt wurde. Zu den letzten monumentalen Werken Wotrubas gehören „Große Skulptur“ (1972, WV 328) und „Große liegende Figur“ (1973, WV 335) aus Ruskitza-Marmor. 1974 entstand sein letztes monumentales Werk, die „Große Stehende“ (WB 338).

Arbeiten für die Bühne

Gustav Rudolf Sellner, Gastregisseur am Burgtheater in Wien, konnte Wotruba für die Bühnengestaltung des von ihm geplanten Antikenzyklus von Sophokles gewinnen. In den folgenden Jahren schuf der Bildhauer Zeichnungen, Entwürfe und Modelle für die Bühnenarchitektur, Kostüme und Masken der Sophokles-Dramen „König Ödipus“ (1960, WV 220–224), „Antigone“ (1961, WV 237–238), „Elektra“ (1963, WV 252 du 256). Weitere Arbeiten für das Theater umfassten „König Ödipus“ und „Ödipus auf Kolonos“ (1965, WV 272) für die Felsenreitschule in Salzburg, „König Ödipus“ (1966, WV 284) für das Theater des Herodes in Athen.

Im Mai 1960 unternahmen Wotruba und seine Frau zusammen mit dem Ehepaar Kamm eine Reise nach Griechenland. Sie bedeutete für Wotruba eine Vertiefung mit dem antiken Theater und diente ihm auch als Vorbereitung für die Bühnenarbeit zu „Antigone“ (WV 237–238).

Noch im Jahr 1966 entwarf Wotruba für Modelle der Bühnenaufbauten und die Kostüme für „Der Ring des Nibelungen“ von Richard Wagner (WV 289), der 1967/68 an der Deutschen Oper aufgeführt wurde.

Wotrubakirche

Im Jahr 1965 gründete Margarethe Ottilinger ein Kuratorium mit Vertretern der Kirche, der Landesbehörden und der österreichischen Wirtschaft, welches Fritz Wotruba den Auftrag für das Projekt eines Klosters mit Kirche für den Karmeliterorden in Steinbach bei Wien erteilte. Als das Vorhaben aufgrund vielfacher Widerstände scheiterte, erging 1971 vom selben Förderkreis ein Auftrag an Wotruba für den Entwurf der Kirche Zur Heiligsten Dreifaltigkeit in Wien-Mauer (WV 293 und 348). Bauplanung erfolgte durch Fritz Wotruba und den Architekten Fritz Gerhard Mayr. Die Kirche zur Heiligen Dreifaltigkeit wurde 1976 eingeweiht – ein Jahr nach dem Tod des Bildhauers – und ist heute allgemein als „Wotrubakirche“ bekannt.

Das scheinbare Chaos, das durch die Anordnung asymmetrischer Blöcke entsteht, sollte letztlich eine harmonische Einheit ergeben.

Auszeichnungen

  • Januar 1948: Preis der Stadt Wien
  • 1956: Großer Staatspreis der Republik Österreich
  • 1959: Medaille für den Grand Prix der Weltausstellung in Brüssel
  • 1966: Goldmedaille des italienischen Staatspräsidenten
  • 1967: Ehrenmedaille der Bundeshauptstadt Wien in Gold. Wotruba lehnte sie ab mit der Begründung, dass er ohne Auszeichnungen freier und unabhängiger bliebe.
  • 28.4.1971: Österreichisches Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst
  • Juni 1974: Pontifikatsmedaille von Papst Paul VI.

Tod

Fritz Wotruba starb am 28. August 1975 in Wien; er wurde in einem Ehrengrab auf dem Wiener Zentralfriedhof bestattet.

Die teilweise noch von Wotruba vorbereitete Ausstellung für die Rotonda di via Besana in Mailand wurde zur ersten großen posthumen Retrospektive seines Werkes.

1993 wurde die Fritz-Wotruba-Promenade in Wien nach ihm benannt.

Fritz Wotruba Privatstiftung und Fritz Wotruba Werknutzungsgesellschaft

Nach Fritz Wotrubas Tod richtete seine Witwe Lucy Wotruba im April 1980 das Fritz-Wotruba-Haus in Wien ein, das den künstlerischen Nachlass des Bildhauers enthält. Sie starb 1985, ein Jahr später wurde der Verein Freunde zur Erhaltung und Betreuung des künstlerischen Nachlasses von Fritz Wotruba gegründet. Der Verein war der Rechtsnachfolger Fritz Wotrubas und verwaltete das nachgelassene Werk des Künstlers; sein Präsident ist Wilfried Seipel (ab 29. März 1995).

Die Sammlung der Fritz Wotruba Privatstiftung umfasst rund 500 Skulpturen sowie etwa 2.500 Arbeiten auf Papier (Zeichnungen, Druckgrafiken), Korrespondenzen und die persönliche Bibliothek des Bildhauers.

Im Jahr 2007 übernahm die Fritz Wotruba Privatstiftung als Rechtsnachfolger des Vereins den Nachlass des Bildhauers: etwa 500 Arbeiten aus Stein, Bronze und Gips, 2500 Zeichnungen, 1500 druckgrafische Blätter und 14 Ölgemälde Wotrubas sowie Archiv und Bibliothek. 2008 wurde die Fritz Wotruba Werknutzungsgesellschaft gegründet.

Wotruba und das 21er Haus

Im Jahr 2011 wurde ein Wotruba-Museum im 21er Haus unter der Leitung des Belvederes in Wien eingerichtet. Das Projekt „Wotruba im 21er Haus“ soll als Wotruba-Forschungszentrum und als Plattform für moderne Plastik dienen und als ein Ort der künstlerischen Produktion, Rezeption und Reflexion für österreichische Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts dienen.

Die Fritz Wotruba Privatstiftung und die Fritz Wotruba Werknutzungsgesellschaft stellen dem Belvedere den künstlerischen Nachlass Fritz Wotrubas als Leihgabe für die Dauer von zwölf Jahren zur Verfügung. Das Museum präsentiert Werke Wotrubas im Rahmen von dauernden und temporären Ausstellungen im 21er Haus und stellt der Stiftung wie der Werknutzungsgesellschaft Lager-, Archiv- und Büroflächen zur Verfügung.

Das Haus war ursprünglich von Karl Schwanzer als Österreich-Pavillon für die Weltausstellung in Brüssel 1958 erbaut worden. Fritz Wotruba hatte den Auftrag für ein monumentales Figurenrelief erhalten, das vor dem Pavillon aufgestellt worden war, und damit den Grand Prix für Skulptur der Weltausstellung gewonnen. Die weitere Verwendung des Gebäudes als Museum des 20. Jahrhunderts ab 1962 erfüllte Wotrubas Forderung nach einem Museum für moderne Kunst in Wien. Architektonische Gestaltung, Adaptierung und Ausbau des 21er Hauses oblagen Adolf Krischanitz.

Wotruba und die Albertina

Die Albertina pflegte ebenso wie das Belvedere in Wien ein besonderes Verhältnis zu Fritz Wotruba. Der „Große liegende Jüngling“, die Sandsteinfigur von 1933, bildet einen besonderen Akzent auf Stiege der Bastei. Der Bankier und Kunstsammler Fritz Kamm schenkte diese Skulptur der Albertina.

Ausstellungen seines zeichnerischen und druckgrafischen Werks haben die Wertschätzung des Bildhauers durch die verschiedenen Direktoren der Albertina unterstrichen. Die Witwe des Künstlers und der Fritz Wotruba-Verein überließen den grafischen Nachlass der Albertina. Sie betrieb die Erfassung des gesamten druckgrafischen Werks, der verschiedenen Zustandsdrucke und der Auflagen. Der im Jahr 2003 erschienene Werkkatalog ein gilt als Standardwerk.

  1. Wotruba, Mein großes Wunder, 1977.
  2. Kerstin Jesse, Formkunst nach 1945? Gedanken zur Rezeption am Beispiel Fritz Wotrubas, in: KUBISMUS – KONSTRUKTIVISMUS – FORMKUNST, hg. v. Agnes Husslein-Arco und Alexander Klee (Ausst.-Kat. Belvedere, Wien, 10.3.-19.6.2016), wien 2016.
  3. Zit. n. Gabriele Stöger-Spevak, Alte Mythen – Neue Ansätze. 80 Jahre Fritz-Wotruba-Rezeption, in: Fritz Wotruba, S. 50.