Max Liebermann
Wer war Max Liebermann?
Max Liebermann (Berlin 20.7.1847–8.2.1935 Berlin) war ein Maler und Druckgrafiker des Naturalismus und des Impressionismus, der in Auseinanderetzung mit der Schule von Barbizon, der Haager Schule und den Alten Meistern Ende des 19. Jahrhunderts zu einem Realisten heranreifte. Während der 1890er Jahre wandte er sich, bei aller Skepsis der Farbzerteilung, der helleren und lockeren Malweise der Impressionisten zu und begründeten den Impressionismus in Deutschland. Berühmt wurde Max Liebermann für die „Sonnenflecken“, d.h. die Beobachtung von Sonnenlicht, das durch Lauben oder Bäume auf den Weg fällt und dabei Lichteffekte hinterlässt. Vom NS-Regime als Jude verfolgt, gilt Liebermann heute neben Max Slevogt und Lovis Corinth zum Dreigestirn des deutschen Impressionismus (→ Max Liebermann: Biografie).
„Das Unsichtbare sichtbar zu machen, das ist, was wir Kunst nennen. Ein Künstler, der darauf verzichtet, das Unsichtbare, das, was hinter der Erscheinung liegt – nennen wir es Seele, Gemüt, Leben – vermittelst seiner Darstellung der Wirklichkeit auszuwirken, ist kein Künstler. Aber der Künstler, der auf die Darstellung der Erscheinung verzichten wollte zugunsten einer stärkeren Auswirkung seines Empfindens, ist ein – Idiot. Denn wie soll das Übersinnliche ohne das Sinnliche begriffen werden?“ “1 (Max Liebermann, 1922)
Kindheit
Max Liebermann kam am 20. Juli 1847 als zweiter Sohn des jüdischen Textilunternehmers Louis Liebermann und seiner Ehefrau Philippine (geb. Haller) in der Burgerstraße 29 in Berlin zur Welt. Während seiner Kindheit steigen die Liebermann zu einer wohlhabenden Fabrikanten- und Kaufmannsfamilie auf. Max Liebermann war das zweite von insgesamt vier Kindern des Paares. 1851 kam sein Bruder Felix (1851–1925) zur Welt; zu ihm hatte Liebermann zeitlebens eine innige Beziehung. Im selben Jahr zog die Familie mit dem älteren Bruder Georg (1844–1926) und der erstgeborenen Schwester Anna (1843–1933) in die Behrendstraße um. Max Liebermann wurde preußisch sparsam und streng sowie „treu dem Glauben der Väter, in der jüdischen Religion“, so der 19-jährige Künstler, erzogen.
Max Liebermann besuchte eine humanistische Kleinkinderschule. Bereits als Neunjähriger begann Max Liebermann 1856 in seiner unmittelbaren Umgebung, zuhause, in der Schule und im Zoologischen Garten zu zeichnen. Ab 1857 besuchte er das Realgymnasium in der Dorotheenstraße und ab 1863 das Friedrich Werderschen Gymnasium. Zu Ostern 1866 bestand Max Liebermann das Abitur nur mit Mühe und – zum Leidwesen seines Vaters – mit einer 6 in Mathematik. Er schrieb sich an der Philosophischen Fakultät an der Friedrich-Wilhelm-Universität in Berlin für das Fach Chemie ein, ohne je eine Vorlesung zu besuchen. Im Januar 1868 wurde Liebermann wegen „Studienunfleiß“ exmatrikuliert.
Ausbildung
Im Jahr 1859 hatte Liebermanns Vater das prominent gelegene Haus am Pariser Platz Nr. 7, unmittelbar neben dem Brandenburger Tor, erworben. Die Mutter besuchte in Begleitung ihres Sohns das Atelier von Antoine Volkmar (1827–1867), der das Zeichentalent Liebermanns entdeckte.
Als der angesehen und erfolgreiche Berliner Marler Carl Steffeck (1818–1890) 1862 Zeichnungen des 15-jährigen Liebermann sah, riet dieser den Eltern des Jungen, dessen Talent zu fördern. Der Wunsch Max Liebermanns, Maler zu werden, stieß jedoch bei seinem Vater auf Unverständnis.
Zweimal pro Woche besuchte Max Liebermann den Zeichenunterricht bei Steffeck und Eduard Holbein (1807–1875). Er zeigte sich tief beeindruckt von den Reden Ferdinand Lassalles, der den „Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein“ 1863 mitbegründete. Aus diesem ging 1869 die „Sozialdemokratische Arbeiterpartei“ hervor. Im Alter berichtete der Maler, dass ihn die politischen Ideale Lassalles mehr beeindruckt hätten als Bismarck oder Wilhelm II.
Erste Porträts von seinem Bruder Felix und seinem Sprachlehrer Heinrich Joachimsohn entstanden 1865/66. In diesen Jahren begann Max Liebermann, Skizzenbücher mit Zeichnungen nach Werken von Tizian, Ingres und Adolph von Menzel zu füllen. Ab Frühjahr 1866 belegte Liebermann zwar das Fach Chemie, anstelle sich auf das Studium zu konzentrierten, widmete sich Max Liebermann der Malerei und führte für seinen Lehrer Steffeck weiter Malaufträge aus.
Zwischen November 1866 und 1868 setzte Max Liebermann seinen Wunsch, Maler zu werden, gegen den Willen seines Vaters durch. Er ging für zwei Jahre als Schüler und Mitarbeiter in das Atelier von Carl Steffeck. Dieser unterwies ihn im Zeichnen: vormittags nach dem lebenden Modell, nachmittags nach Gips und abends nach dem Akt. Im Atelier von Steffeck lernte Liebermann auch den Kunsthistoriker Wilhelm Bode kennen, der zum Aktstudium kam.
„Vormittags von neun bis ein Uhr wurde gearbeitet, nachmittags nach Gips gezeichnet, und abends von sechs bis acht Uhr war Aktsaal, wo neben uns angehenden Malern Architekten wie Kayser und von Großheim, Kunsthistoriker wie Wilhelm Bode die menschliche Figur studierten. Oft zeichnete Steffeck selbst mit, und es war eine Freude, zu sehen, mit welcher Leichtigkeit er das Modell hinunterfegte, fast ohne den Bleistift abzusetzen […] Er interessierte sich nur für die Arbeiten, in denen er etwas in der Natur Beobachtetes wiedergegeben fand. Routine und Schick waren ihm ein Greuel, ebenso wie sie damals auf den Akademien gelehrt wurde […] Richtig zeichnen lernen, das Übrige war ihm Hekuba. ,Zeichnet, was ihr seht‘, war seine einzige Lehre. Mit sonstiger Ästhetik behelligte er uns nicht, denn er wusste, dass alles Lernen in der Kunst in nichts anderem bestehen kann, als die Form zu finden, das Gesehene wiederzugeben […] Auf Klarheit und Richtigkeit war sein Streben in der Kunst gerichtet, wobei er leider, ohne es zu merken, in allzu große Nüchternheit und Trockenheit verfiel.“2 (Max Liebermann über den Unterricht bei Carl Steffeck)
Nachdem Max Lieberman Anfang 1868 wegen „Studienunfleiß“ exmatrikuliert worden war, gestattete ihm sein Vater ein Kunststudium in Weimar. Dennoch betrachtete Liebermanns Vater den Berufswunsch als familiäres Unglück.
Kunststudium in Weimar
Max Liebermann ging im Frühjahr 1868 an die Großherzoglich-Sächsischen Kunstschule in Weimar. Der wohnte gegenüber vom Gothehaus am Frauenplan. Zuerst besuchte er die Vorklasse bei Paul Thumann, danach die Malklasse von Ferdinand Pauwels (1830–1904). Pauwels war ein Vertreter der belgischen Historienmalerei, die in Deutschland sehr geschätzt wurde. Max Liebermann tat sich oft schwer mit den ihm gestellten Themen aus Geschichte und Mythologie. Seine Lehrer glaubte, er wäre nicht sonderlich begabt. Daher lebte Liebermann in Weimar sehr zurückgezogen und entdeckt in dieser Zeit die Klassiker der deutschen Literatur, allen voran Wolfgang von Goethe und Gemälde von Rembrandt van Rijn (1606–1669). Aus Perspektive des Vaters war sein Sohn eine gescheiterte Existenz. Sein älterer Bruder, so der Vater während einer schweren Typhuserkrankung, sollte sich nach seinem Ableben um Max kümmern.
Im Juli 1870 brach der Deutsch-Französische Krieg aus. Aufgrund eines schlecht verheilten Armbruchs blieb Max Liebermann vom Kriegsdienst verschont. Er beteiligte sich von August bis Oktober dennoch als freiwilliger Krankenpfleger des Johanniterordens an der Schlacht und Belagerung von Metz.
Als 1871 der junge Landschaftsmaler Theodor Hagen (1849–1919) als Lehrer an die Weimarer Kunstschule kam, hatte er kurz zuvor Erfahrungen in Barbizon gesammelt und konnte diese neuen Tendenzen der französischen Freiluftmalerei vermitteln. Max Liebermann schloss sich ihm an und begleitete Hagen zu Pfingsten 1871 nach Düsseldorf. Er fand Zutritt zum Atelier des ungarischen Malers Mihály Munkácsy (1844–1900) und sah dort das Gemälde „Die Charpiezupferinnen“, eine realistische Alltagsszene Wolle zupfender Frauen, dessen Realismus Liebermann stark beeindruckte. Erste Reise in die Niederlande: Amsterdam und Scheveningen. Im Spätherbst 1871 begann er, unter dem Eindruck des Erlebten, sein erstes große Bild – „Die Gänserupferinnen“ – zu malen. Als Munkáczy Weimar besuchte, lobte er Liebermanns Malerei.
Die Gänserupferinnen
Liebermann stellte im Mai 1872 „Die Gänserupferinnen“ in Hamburg und dann in Berlin aus. Die ungeschönte Wiedergabe der Wirklichkeit löste Aufruhr aus. Die Kritiker bezeichneten es als garstig, gewöhnlich und stumpf. Dennoch kauften es die Kunsthändler Bourgeois und Bock sofort für 1.000 Taler. Der Berliner Unternehmer Bethel Henry Strousberg erwarb das Bild. Rudolf Lepke, Berlins größter Kunsthändler, bot Max Liebermann in Weimar einen Vertrag für alle weiteren Bilder an.
Die Gemüseputzerinnen
Von Juli bis August 1872 hielt sich Max Liebermann zum ersten Mal länger in Holland auf, wo einige „frische Studien“ und Kopien nach Frans Hals entstanden.3 Der Maler wohnte zweitweise in einem kleinen Dorf zwischen Leiden und Katweijk. Dort malte er die „Korbflechter“. In Amsterdam entstanden Studien für die „Gemüseputzerinnen“. Zurück in Weimar führte Max Lieberman im Herbst 1872 das Bild „Die Gemüseputzerinnen“ aus. Es zeigt bereits die für Liebermann charakteristische, unpathetische Schlichtheit in der Darstellung des Menschen und seiner Arbeit. Er debütierte im September damit auf der Ausstellung der Königlichen Akademie der Künste in Berlin (1.9.–3.11.1872, Nr. 534). Adolph von Menzel sah das Gemälde und wollte den jungen Maler baldmöglichst kennenlernen. Der bekannte Münchner Kritiker Adolf Rosenberg hingegen war entsetzte über die „abschreckende Hässlichkeit in unverhülltester Abscheulichkeit“.
Seine Darstellungen der Weber, Bauern und Nezflickerinnen, die einfachen Szenen aus den Waisen- und Altmännerhäusern, Bürgerschule und dem Straßenalltag- ohne soziale Anklage - wurden wegen ihrer unpathetischen Schlichtheit von den Zeitgenoss:innen teils gerühmt, überwiegend jedoch genau deshalb abgelehnt. Seine Vorstellung des einfachen naturverbundenen Lebens fand Liebermann „in Holland, das ihm zum bleibenden Erlebnis wurde, verwirklich, weil [er] hier die Formen des Gemeinschaftslebens und der Naturverbundenheit fand, die in den Großstädten nicht mehr anzutreffen waren“4.
Vom Erlös des Bildes fuhr Max Liebermann 1873 über Straßburg nach Paris. Im Salon sah er erstmals Werke der Maler von Barbizon, Jean-François Millet (1814–1875) und François Daubigny (→ Charles-François Daubigny: Wegbereiter des Impressionismus), sowie von Gustave Courbet (1819–1877) und Thédule Ribot (1839–1916). Danach besuchte er die Weltausstellung in Wien, wo er den Historienmaler Hans Makart (1840–1884) kennenlernte.
Paris (1873–1878)
Ende des Jahres 1873 übersiedelte Max Liebermann nach Paris und mietete sich in der Rue Larochefoucault (Montmartre) ein Atelier. Im Winter 1875/76 bezog Liebermann ein neues Atelier in Paris: Boulevard de Clichy 75.
Die Pariser Jahre (1873–1878) bedeuteten für Max Liebermann eine Phase der Kämpfe und tiefer Depressionen. Der Versuch eines Bekannten, ihn in den Kreis um Edouard Manet einzuführen, scheiterte, da die französischen Maler alle Deutschen mieden. Liebermann besuchte die legendäre erste Ausstellung der Impressionisten im Atelier von Nadar nicht (→ Erste Impressionisten-Ausstellung 1874). Stattdessen entdeckte er im Louvre die niederländischen Meister des 17. Jahrhunderts und kopierte die „Bohèmienne“ von Frans Hals. Im Mai stellte Liebermann „Die Gänserupferinnen“ im Salon aus. Trotz der deutschfeindlichen Stimmung wurde Max Liebermanns Bild lobend hervorgehoben. In dieser Phase hatte Liebermann bereits sein Lebensthema, der Mensch bei der Arbeit, gefunden und in zumeist tonigem Kolorit (schwarz, gelbgrau, Weiß) realisiert.
Den Sommer 1874 verbrachte Liebermann in Barbizon, um in der Nähe des von ihm verehrten Jean-François Millet (1814–1875) zu arbeiten. Er lernte Millet zwar nicht persönlich kennen, aber dessen Bilder von der Arbeit des einfachen Menschen auf dem Land hinterließen einen nachhaltigen Eindruck. Angeregt durch Millet, begann der Berliner Maler in Barbizon „Die Kartoffelernte in Barbizon“, ein Motiv aus der Weimarer Zeit, zu malen. Er schuf auch weitere Studien arbeitender Menschen. Im Frühjahr 1875, kurz nach dem Tod von Millet (20.1.), hielt sich Max Liebermann erneut kurz in Barbizon auf.
Max Liebermann entdeckte Holland und seine Alten Meister
Den Sommer 1875 verbrachte er in Holland, das in den folgenden Jahren für die Motivsuche Liebermanns vorherrschend blieb. Er wohnte in Zandvoort im Haus eines Zimmermanns, wo er die beiden „Zimmermannwerkstätten“ malte. Im nahegelegenen Haarlem besuchte er fast täglich im Frans-Hals-Museum die Bilder des niederländischen Meisters (1580/85–1666). In Amsterdam malte er die „Kleinkinderschule“, die in der malerischen Behandlung das Studium der Werke Frans Hals‘ verrät.
Max Liebermann beendete das monumentale Werk der „Arbeiter im Rübenfeld“ (1876), das noch in der Tradition von Rembrandt und Munkácsy steht. Die in tonigen Farben ausgeführte Komposition wurde in Frankreich gut und in Deutschland schlecht aufgenommen. In seiner Heimat erhielt der Maler den Spottnamen „Apostel der Hässlichkeit“.
Im Sommer 1876 verlebte Liebermann einen längeren und entscheidenden Aufenthalt in Holland! Der Maler fand die Motive für einige seiner wichtigsten Bilder und kopierte nach Frans Hals in Haarlem: Figuren aus Schützenstücken und einige Frauenköpfe aus einem Regentenbild. Liebermann entdeckte das Bürgerwaisenhaus und war von den Trachten der Waisenmädchen fasziniert. Die Vorsteherin verbot jedoch anfangs das Malen im Waisenhaus. Liebermann traf den Radierer William Unger, den er aus Weimar kannte, und der ihn dem Inhaber der bekannten Amsterdamer Kunsthandlung Frans Buffa & Zoonen vorstellte. Da dieser Regent des katholischen Waisenhauses war, konnte er eine Erlaubnis zum Malen erwirken. Max Liebermann stellte seine Staffelei zur Überraschung seiner holländischen Kollegen mitten zwischen seinen Modellen auf und malte zahlreiche Freilichtstudien vom Innenhof und den Mädchen. Im katholischen Waisenhaus entstand auch eine Studie während der „Nähstunde“, die er im Winter 1876/77 zu einer lichterfüllten Komposition ausbaute. Zurück in Paris arbeitete Max Liebermann die „Nähschule – Arbeitssaal im Amsterdamer Waisenhaus“ in einer leicht veränderten Fassung aus. Liebermann nutzt eine deutlich impressionistischere Auffassung des Lichts.
Zudem lernte Liebermann den späteren Direktor der Amsterdamer Kunstakademie, August Allebé, kennen, mit dem er auf Motivsuche durch Amsterdam streifte, u. a. durch das Judenviertel und die Portugiesische Synagoge.
Einige seiner Hauptwerke zeigen Motive aus Amsterdam: „Freistunde im Amsterdamer Waisenhaus“ (1881/82) und „Der Papageienmann“ (1902) entstanden in Holland. „Der Papageienmann“ (1902, Folkwang Museum, Essen), eines von Liebermanns berühmtesten Bildern, ist weniger eine Tierstudie als ein Bild mit Lichtstimmung und Farbe. Im Hintergrund flaniert die Freizeitgesellschaft, während der titelgebende Papageienmann sich um seine drei farbenprächtigen Aras kümmert. Im Gegensatz zu den französischen Impressionisten löste Liebermann die Motive nicht in einzelne Farbtupfen auf, auch malt der nicht en plein air Stimmungsbilder, sondern sucht in Studien die aussagekräftigste Komposition.
Max Liebermann in München
Im Frühjahr 1878 fuhr Max Liebermann nach Berlin, wo er sich ein Bein brach und daher ein halbes Jahr bleiben musste. Zur Erholung reiste er nach Gastein, weiter nach Tirol und Venedig. Dort zeigte er sich von Carpaccio und Giovanni Bellini beeindruckt. In Venedig lernte er einige Münchner Maler kennen, darunter Franz von Lenbach (1836–1904), der ihn überredete, nach München zu kommen. Liebermann folgte seinem Rat und ließ sich im Dezember 1878 dort nieder. Der Berliner Maler sollte sechs Jahre dort bleiben.
Max Liebermann stellte im Herbst 1878 drei Bilder auf der Ausstellung der Akademie der Künste zu Berlin aus. Dort wurde sein Ruf als „Elendsmaler“ noch bekräftigt. Dennoch übersiedelte der Künstler im Dezember 1878 nach München, wo er ein Atelier in der Landwehrstraße mietete.
In München begann Liebermann das Gemälde „Der zwölfjährige Jesus im Tempel“, seinem ersten Bild mit christlichem Thema und sein erstes Historienbild. Er schickte „Der zwölfjährige Jesus im Tempel“ im folgenden Jahr, auf die „3. Internationale Kunstausstellung“ in München (Juli 1879), wo es aufgrund seiner vermeintlichen „Hässlichkeit“ einen Kunstskandal auslöste. Stein des Anstoßes war die Darstellung Jesu als „schmutziger Straßenjunge“. Die Jury hielt es für ein Meisterwerk (Franz von Lenbach, Friedrich von Kaulbach, Heinrich von Zügel), während es Prinzregent Luitpold bei der Eröffnung entfernen lassen wollte, und das bayerische Abgeordnetenhaus verurteilte das Bild als „gemein, niedrig und blasphemisch“. Die schmachvollen Urteile in der Kunstpresse lösten eine antijüdische Debatte aus. Wilhelm Leibl besuchte Max Liebermann in dessen Atelier, um ihm seine Bewunderung auszudrücken. Daraufhin folgte Liebermann Wilhelm Leibl im Sommer 1879 in das Dachauer Moos nach Etzenhausen. Dort versuchte er, die Stimmung von Sonnenflecken wiederzugeben.
Altmännerhaus: Durchbruch zum eigenen Stil
Die Bilder mit Amsterdamer Motiven begründeten den Ruhm Liebermanns in den folgenden Jahren. Im Frühsommer 1880 reiste Max Liebermann in das holländische Dorf Dongen (Provinz Brabant), wo er Studien für „Schusterwerkstatt“ und die „Stopfende Alte am Fenster“ machte. In Amsterdam traf er sich mit einem Freund im Rembrandthotel am Rembrandtplein. Durch ein Fenster am Flur entdeckte er den Garten des katholischen Altmännerhauses an der Nieuwe Heerengracht. Da sich Liebermann besonders für die Wiedergabe von Sonne und Licht interessierte, faszinierten ihn die unter einem Laubdach in der Sonne sitzenden alten Männer. Die Studien nutzte er im Münchner Atelier zur Vollendung des „Altmännerhauses“, in dem er erstmals Sonnenflecken als einfarbige, malerische Mittel nutzte. Damit hatte Max Liebermann seinen Stil gefunden.
Max Liebermann feierte 1881 seinen Durchbruch am Pariser Salon mit „Altmännerhaus in Amsterdam“ und „Stopfende Alte am Fenster“ (Mai). Er wurde mit einer ehrenvollen Erwähnung ausgezeichnet – als erster deutscher Künstler nach dem Krieg (!). Der niederländische Maler Jozef Israëls (1827–1911) bewunderte das Bild. Der Sammler Léon Maître kaufte beide Bilder. Dennoch fand dieser Erfolg in Deutschland keinen Widerhall.
Während der Sommermonate 1881 hielt sich Max Liebermann wieder in Dongen auf und malte vor dem Motiv die „Schusterwerkstatt“. Auf der 6. Ausstellung der Vereinigung Haager Maler, „Hollandsche Teekenmaatschappij“, sprach ihn Jozef Israëls auf das „Altmännerhaus“ an. Aus dieser Begegnung entwickelte sich eine lebenslange Freundschaft. Israëls wies Liebermann auf Rembrandt als bedeutendsten holländischen Meister des „Goldenen Zeitalters“ hin.
Max Liebermann malte im Garten im Herbst/Winter 1881 des Münchner Ateliers die „Freistunde im Amsterdamer Waisenhaus“. Mit „Freistunde im Amsterdamer Waisenhaus“ und „Schusterwerkstatt“ konnte Max Liebermann des Vorjahreserfolg am Salon de Paris wiederholen (Mai 1882). Der Sänger und Kunstsammler Jean Baptiste Faure kaufte beide Bilder für 5.000 Francs. Liebermann wurde zum Mitglied von „Cercle des XV“ in Paris ernannt (gegr. Von Jules Bastien-Lepage und Alfred Stevens). Anfang August reiste er auf Empfehlung on Jozef Israëls für drei Monate nach Holland, wo er im Dorf Zweelo (Drenthe) Quartier nahm. Er malte in einem Apfelbaumgarten vor der Natur das Bild „Die Bleiche“, ein Bekenntnis zur Freilichtmalerei.
Im Jahr 1883 stellte Max Liebermann sein berühmtes Bild „Die große Bleiche – Die Rasenbleiche“ im Salon aus (Mai). Diesmal blieb das Werk unverkauft. Mit der „Schusterwerkstatt“ gelang Max Liebermann endlich auch der Durchbruch in Deutschland (Nr. 1182). Auf der Ausstellung im Münchner Glaspalast erhielt er erstmals eine öffentliche Anerkennung für das Bild. Im Sommer 1883 malte Max Liebermann in München den „Münchner Biergarten“ (Garten des Augustinerkellers) und öffnete sich mit den kräftigen Farben stärker für den französischen Impressionismus mit der Farbteilung. Er präsentierte es im folgenden Jahr auf dem Salon in Paris. Das Bild wurde sein bisher größter Erfolg, während es in Deutschland kritisiert wurde.
Nach seiner Rückkehr nach München heiratete Max Liebermann am 14. September 1884 Martha Marckwald (1858–1943) aus einer alten jüdischen Familie in Berlin und die Schwester seiner Schwägerin. Am 19. August 1885 kam ihre Tochter Henriette Käthe, genannt Käthe, zur Welt (1885–1951). Die Hochzeitsreise führte das Paar über Braunschweig und Wiesbaden nach Holland. Besuch von Josef Israels und dessen Frau in Scheveningen. Die Maler reisten gemeinsam weiter nach Laren bei Hilversum (dem Barbizon Hollands), wo Anton Mauve lebte. Weiter ging es nach Delden und Oele (Overijssel). In Haarlem zeigte Max Liebermann seiner Frau die Gemälde von Frans Hals. Die Reise muss sehr produktiv gewesen sein. Viele Skizzen, Zeichnungen und Ölstudien verarbeitete der Maler später zu wichtigen Gemälden, darunter die „Netzflickerinnen“, der „Schweinemarkt in Haarlem“. Eine erste Ansicht der Jodenbreestraat im Judenviertel von Amsterdam entstand. Rückkehr nach Berlin, wo sie In den Zelten 11 eine Wohnung mieteten. Max Liebermann ließ sich im Garten ein Atelierhaus bauen. Später mietete er sich ein zweites in der Königin-August-Straße am Landwehrkanal.
Erste Erfolge in Berlin
Im Frühjahr 1885 stellte sich Max Liebermann mit „Am Backofen“ in der Galerie Gurlitt der Berliner Öffentlichkeit vor und wurde vernichtend kritisiert. Die Berliner Kunstszene war von akademischen Malern dominiert. Liebermann fühlte sich in der Hauptstadt künstlerisch isoliert. Dennoch wurde er auf Fürsprache von Anton von Werner in den von Carl Steffeck gegründeten Verein Bildender Künstler aufgenommen. Er verkehrte mit Max Klinger (1857–1920), Adolph von Menzel (1815–1905) und vielen anderen. Zudem wurde er in dieser Zeit mit dem Ehepaar Carl und Felicie Bernstein bekannt, das mit Charles Ephrussi verwandt war und eine großartige Impressionisten-Sammlung sein Eigen nannte.
Zur feierliche Eröffnung des neuen Ausstellungsgebäudes der Königlichen Akademie der Künste am Lehrter Bahnhof in Berlin (1886) präsentierte die „Internationale Jubiläumsausstellung“ 2.820 Exponate, darunter drei Werke von Max Liebermann: „Tischgebet“, „Studie zu den Amsterdamer Waisenmädchen“ und das „Altmännerhaus“. Das Publikum reagierte positiv auf das „Tischgebet“.
Die Flachsscheuer in Laren
Während seine Familie in Homburg die Sommerfrische verbrachte, reiste Max Liebermann im Sommer 1886 für sechs Wochen in die Malerkolonie nach Laren (Holland). Der Maler Jan Veth (1864–1925) machte ihn auf das Motiv der Flachsspinner aufmerksam. Liebermann malte zahlreiche Einzelstudien und fertigte Skizzen an, die er im Herbst zur ersten Fassung von „Die Flachsscheuer in Laren“ verarbeitete. Dieses Gemälde gilt als der Beginn des stimmungsvollen Naturalismus im Werk von Max Liebermann (→ Naturalismus 1875-1918). Als er es 1887 am Pariser Salon (Mai) vorstellte, feierte der Maler damit einen großen Erfolg. Emil Heilbutt (alias Herman Helferich) schrieb den ersten Aufsatz über Max Liebermann: „Studie über den Naturalismus und Max Liebermann“ (in: Kunst für Alle, 1887).
Auch wenn viele das Gemälde als „abstoßend“ empfanden, drehte sich doch die Stimmung zugunsten Liebermanns. Auf der „Internationalen Kunstausstellung“ in München erhielt Max Liebermann 1888 für „Die Flachsscheuer“ die Kleine Goldene Medaille. In der Akademie-Ausstellung in Berlin erhielt er für das Genrebild „Stille Arbeit“ von Kaiser Wilhelm II. die Kleine Goldene Medaille. Wilhelm Bode bezeichnete Max Liebermann in einem Artikel der „Kölnischen Zeitung“ als den Impulsgeber und Wegbereiter der neuen deutschen Kunst. Ihm gelang es, die „Flachsscheuer“ als Geschenk für die Nationalgalerie Berlin zu erhalten. Das Dresdner Kupferstichkabinett kaufte erstmals 16 Zeichnungen des Malers.
Netzflickerinnen
Den Sommer 1887 verbrachte Max Liebermann wieder in Zandvoort und Katwijk. Dort machte er Studien nach am Strand sitzenden, Netze flickenden Frauen. Im Winter 1887 begann er mit dem Bild „Netzflickerinnen“, das er aus Krankheitsgründen jedoch erst 1888/89 vollenden konnte. Die Galerie Gurlitt in Berlin stellte „Die Netzflickerinnen“ im Februar 1889 aus. Dass er den Erfolg nicht gepachtet hatte, musste der Künstler im folgenden Jahr zur Kenntnis nehmen, als seine „Frau mit Ziegen“ (1890) wieder kritisiert wurde. In Paris wurde Liebermann dennoch zum korrespondierenden Mitglied gewählt.
Im Frühjahr wurde Liebermann in die Internationale Jury der Pariser Weltausstellung gewählt. Obwohl sich das Deutsche Reich offiziell nicht an der Weltausstellung beteiligte, organisierte Liebermann mit Gotthardt Kuehl und einem weiteren Kollegen eine deutsche Abteilung. Die unabhängige deutsche Kunstabteilung wurde zur nationalen Debatte, dennoch gelang es Liebermann und Gotthardt Kuehl 40 Künstler für die Ausstellung zu gewinnen, darunter Menzel, Wilhelm Leibl (1844–1900) und Fritz von Uhde (1848–1911). Er selbst stellte sechs Bilder aus: „Altmännerhaus“, „Freistunde im Amsterdamer Waisenhaus“, „Flachsscheuer in Laren“ und „Netzflickerinnen“. Über Bode erfuhr Alfred Lichtwark von den „Netzflickerinnen“ und erwarb das Bild für 1.000 Mark für die Hamburger Kunsthalle. Liebermann erhielt eine Ehrenmedaille und wurde zum Ritter der französischen Ehrenlegion ernannt. Die preußische Regierung verbot Max Liebermann jedoch, die Auszeichnung anzunehmen (1896 gestattet).
Sommer 1889 Max Liebermann hielt sich erneut in Holland auf. Dort malte er im kommunalen Altersheim von Leiden das „Stevenstift in Leiden“.
Max Liebermann und Alfred Lichtwark
Alfred Lichtwark versuchte Max Liebermann 1890 für den Aufbau seiner „Sammlung von Bildern aus Hamburg“ zu gewinnen. Der Hamburger Museumsmann vermittelte den renommierten Liebermann seinen ersten offiziellen Porträtauftrag: Er malte den Hamburger Bürgermeister Carl Friedrich Petersen im Stil von Frans Hals. Vorstudien und Zeichnungen dafür entstanden im Frühjahr, das Porträt entstand im Berliner Atelier (Hamburger Kunsthalle), vollendet wurde es in Hamburg. Die Familie Petersen war – ob der ungeschönten und wenig repräsentativen Darstellung – entsetzt und verbot die öffentliche Präsentation.
Ausstellungserfolge und internationale Anerkennung
Der zunehmende Erfolg und die Anerkennung Liebermanns zeigte sich Anfang der 1890er Jahre deutlich: Der Münchner Kunstverein zeigte im Januar 1891 eine große Liebermann-Ausstellung. Im Mai des Jahres stellte er vier Gemälde auf der „Internationalen Ausstellung“ der Berliner Akademie aus. Im Sommer stellte er in der „III. Münchner Jahresausstellung“ die Gemälde „Frau mit Ziegen“ und „Schweinemarkt in Haarlem“ mit großem Erfolg vor. Der Berliner Maler erhielt die Große Goldene Medaille und „Frau mit Ziegen“ wurde für die Neue Pinakothek angekauft.
Im Jahr 1892 ernannte die Société Nationale des Beaux-Arts in Paris Liebermann zum Mitglied und die Hollandsche Teekenmaatschappij in Den Haag den Malern zum Ehrenmitglied.
Vereinigung der XI
Vielleicht war es das gestiegene Selbstbewusstsein, gepaart mit dem wachsenden 1892 Gründung der „Vereinigung der XI“ gemeinsam mit Walter Leistikow, um sich von der offiziellen akademischen Kunstrichtung in Berlin aber auch dem Kunstbetrieb abzugrenzen. Weitere Mitglieder neben Liebermann waren die Maler Franz Skrabina, Ludwig von Hofmann, Hans Herrmann, George Mosson, Friedrich Stahl, Jacob Alberts, Konrad Alexander Müller-Kurzwelly, Hugo Schnars-Alquist. Bis zur Gründung der Berliner Secession 1898 war Liebermann der führende Maler auf den Jahresausstellungen der „XI“. Deren erste Ausstellung fand ab 3. April 1892 in der Galerie Eduard Schulte statt. Max Liebermann präsentierte erstmals drei Porträts, darunter das Bildnis des Hamburger Bürgermeisters Petersen. In der Berliner Akademieausstellung zeigte er „Netzflickerinnen“ und die „Frau mit Ziegen“.
„Immer noch spukt in unseren Köpfen das berühmte Lessingsche Diktum vom Raffael, der, wenn er auch ohne Arme geboren, der größte Maler geworden wäre. Vielleicht der größte Dichter oder der größte Musiker, jedenfalls aber nicht der größte Maler. Denn die Malerei besteht nicht in der Erfindung von Gedanken, sondern in der Erfindung der sichtbaren Form für den Gedanken. […] Ich meine natürlich nicht eine bestehende Form, die zur Formel geworden ist, wie z. B. die Raffaelische Form, die zur akademischen verflacht ist, oder das Rembrandtsche clair-obscur, das unter seinen Nachahmern zur hohlen malerischen Phrase geworden ist, sondern ich spreche von der lebendigen Form, die jeder Künstler sich neu schafft. […] Was jeder Künstler an der Natur heraussieht, ist das Werk seiner Phantasie. […] Raffaels Phantasie war linear, sein Werk vollendet sich in der Linie […]. […] anders Rembrandt, dessen Phantasie sich in Licht und Schatten verkörpert. (…) man sehe seine Zeichnungen nach anderen Meistern, wie er z. B. aus dem »Grafen Castiglione« des Raffael durch Andeutung des Lichtes und des Schattens sofort einen echten Rembrandt macht.“5 (Max Liebermann, Die Phantasie in der Malerei, 1904)
Wannsee – Berlin
Nach der Erkrankung seiner Mutter im Mai 1892, übersiedelte Max Liebermann mit seiner Familie nach Wannsee. Im September, nachdem sie verstorben war, zog der Maler mit seiner Familie in das Haus des Vaters am Pariser Platz. Er tauschte mit Carl Bernstein dessen Porträt gegen ein Stillleben von Edouard Manet, womit er seine eigene Impressionisten-Sammlung begründete (→ Sammler, Mäzene und Kunsthändler in Berlin 1880–1933).
Eine Reise nach Italien im Jahr 1893 führte Liebermann nach Mailand, Pavia, Bergamo und Florenz. Wegen der Erkrankung seiner Tochter hielt er sich einige Wochen in Rosenheim auf, wo er „Biergarten in Brannenburg“ und die „Allee in Rosenheim“ malte. In diesen Gemälden zeigte Max Liebermann eine beginnende Auseinandersetzung mit dem französischen Impressionismus. Im Herbst kaufte der französische Staat den „Biergarten“ für das Palais Luxembourg, und die Berliner Nationalgalerie schickte die „Flachsscheuer“ zur Weltausstellung nach Chicago.
Im Mai 1894 starb Liebermanns Vaters, wodurch der Maler ein Millionenvermögen erbte. Die „Gänserupferinnen“ gelangten als ein Vermächtnis des Vaters in die Berliner Nationalgalerie. Auf der „III. Internationalen Kunstausstellung“ (6.3.–3.6.1894) im Wiener Künstlerhaus erhielt Max Liebermann die Große Goldene Medaille für „Frau mit Ziegen“.
Internationale Anerkennung
In der zweiten Hälfte der 1890er Jahre stieg Max Liebermann zu einem der berühmtesten und am häufigsten ausgezeichneten Künstler Europas auf.
Für die „I. Internationale Kunstausstellung“ der „Biennale von Venedig“ 1895 wurde er als Mitglied des deutschen Auswahlkomitees benannt. Im September erhielt er selbst dort den 1. Preis für das Pastellporträt von Gerhart Hauptmann (10.000 Lire), den er für notleidende Künstler stiftete. Liebermann schloss mit dem Berliner Kunsthändler Hermann Pächter einen Vertrag über den Verkauf seiner Werke. Liebermann wandte sich der Porträtmalerei zu und interessierte sich nun für das Motiv sich bewegender (nackter) Körper im Licht, wie „Badende Knaben“, oder das Licht-Schatten-Spiel, wie bei der „Allee in Overveen“.
Im Jahr 1896 wurde Liebermann neuerlich zum Ritter der Ehrenlegion ernannt, die er diesmal annehmen durfte. Er stellte im Salon Meissonier in Paris „Badende Knaben“ aus, das Edgar Degas bewunderte. Im Frühjahr oder Sommer reiste Max Liebermann mit Hugo von Tschudi (seit Februar 1896 Direktor der Berliner Nationalgalerie) nach Paris. Sie studierten in der Galerie Durand-Ruel Werke der Impressionisten. Tschudi erwarb den „Wintergarten“ von Manet, und Liebermann kaufte „Madame Manet im Garten von Bellevue“ (1880). Er besuchte Auguste Rodin und traf in London James McNeill Whistler, George Frederic Watts und John Mcallan Swan. Die Nationalgalerie erwarb 23 Zeichnungen von Liebermann.
Die Société Royal Belge des Aquarellistes ernannte Liebermann 1897 zum Ehrenmitglied. In der „Großen Berliner Kunstausstellung“ (ab 1.5.) wurde Max Liebermann mit 31 Bildern und einem Überblick über sein druckgrafisches wie auch zeichnerisches Werk geehrt. Der ersten Gesamtdarstellung seines bisherigen Werks folgte die offizielle Anerkennung, die auch als ein Triumph der modernen Richtung gefeiert wurde. Liebermann erhielt die Große Goldene Medaille und wurde zum Professor der Königlichen Akademie der Künste ernannt. Er übte nie ein Lehramt aus. Den Sommer 1897 verbrachte er in Laren, wo er Studien in Öl und Pastell für den „Schulgang in Laren“ malte.
Berliner Secession
Das Jahr 1898 – Gründungsjahr der „Berliner Secession“ – begann mit einer weiteren Anerkennung für Max Liebermann: Unter Zustimmung von Anton von Werner wurde er zum Mitglied der Königlichen Akademie der Künste berufen. Das Berliner Kupferstichkabinett erwarb erste Radierungen und eine Farblithografie. Der Künstler schlug gemeinsam mit Adolph von Menzel vor, Käthe Kollwitz für den Zyklus „Ein Weberaufstand“ (1897) die Goldmedaille zu verleihen. Kaiser Wilhelm II. lehnte diese Wahl aber ab. Zudem wurde Walter Leistikows Gemälde „Grunewaldsee“ durch die Jury der Großen Berliner Kunstausstellung abgelehnt. Daher gründete Max Liebermann mit Gleichgesinnten am 2. Mai 1898 die „Berliner Secession“. Zur selben Zeit wurde der Berliner auch zum korrespondierenden Mitglied der Vereinigung Bildender Künstler Österreichs ernannt.
Im Oktober 1898 eröffneten die Vettern Bruno und Paul Cassirer im Oktober ihre Galerie in der Parterrewohnung in der Viktoriastraße 35 – mit einer Ausstellung von Werken Max Liebermanns. Im Sommer davor besuchte er Giovanni Segantini in Maloja. Ebenfalls im Herbst veröffentlichte er in der Kunstzeitschrift „Pan“ einen Beitrag über Edgar Degas. Damit begann Liebermann sein kunstschriftstellerisches Werk.
1899 wurde Max Liebermann zum Präsidenten der „Berliner Secession“ gewählt (1899–1911); Bruno und Paul Cassirer wurden im März mit der Geschäftsführung des Vereins betraut. Die Vereinigung eröffnete den ersten „Deutschen Kunstausstellung der Berliner Secession“ in einem schnell errichteten Pavillon an der Ecke Kant- und Fasanenstraße (20.5.1899). Die Ausstellung war ein gesellschaftliches Ereignis und wurde im Feuilleton begeistert besprochen.
„Ich bin nicht so töricht, um nicht einzusehn, daß wir genug gesündigt haben gegen den heiligen Geist der Kunst, die weder naturalistisch noch idealistisch, sondern alles zusammen ist.“6 (Max Liebermann in einem Brief an Franz Servaes, 14.10.1900)
Werke des Impressionismus
Dünen, Strand und Meer – Badeleben in Noordwijk und Scheveningen
Im Jahr 1896 hatte Max Liebermann erstmals die Küste und das heranbrausende Meer als Bildmotiv entdeckt. Bis 1911 schuf er eine große Anzahl von Strandbildern in den mondänen Seebädern Scheveningen und Noordwijk. 1899 verbrachte er den Sommer in Zandvoort, wo er Studien für die „Badenden Knaben“ machte. Im Herbst konnte er nach jahrelangen Kämpfen mit den Behörden sein Dachatelier mit Glasaufbau beziehen. Im Winter führte Liebermann dort das Gemälde „Badende Knaben“ aus. Liebermann präsentierte „Badende Knaben“ auf der zweiten Ausstellung der „Berliner Secession“ (9.5.1900). Daneben stellten auch französische und belgische Künstler ihre Werke aus.
Im Sommer und im Herbst 1900 hielt sich Liebermann wieder in Holland auf, wo Studien für den „Rindermarkt“ in Leiden entstanden; die Ausführung erfolgte wieder im Herbst/Winter im Berliner Atelier. Am Strand von Scheveningen malte er erstmals Pferde in Bewegung. Licht, Luft und Bewegung wurden in dieser Phase zum eigentlichen Thema von Liebermanns Bildern. Im Zuge dessen änderte er seinen Stil und seine Atelierpraxis: Die Bilder entstanden nun meist vollständig im Freien. Vieles ist nur skizzenhaft angedeutet. Damit verschob er seinen Fokus vom Bildthema auf die Handschrift und die Art des Malens. Die vormals als Ölskizzen genutzten Werke konnten nun als selbständige Arbeiten angesehen werden. Neben dem Baden wandte sich der Maler dem bunten Treiben am Strand zu. Ab 1900 stellte er Reiter:innen und ab 1901 Tennisspielerinnen zu. Während seiner alljährlichen Aufenthalten in Scheveningen und Noordwijk schuf er über 40 Reiterbilder. Max Liebermann selbst war passionierter Reiter – und auch sein erster Lehrer, Carl Steffeck, war auf Pferdeporträts spezialisiert. Wie auch in den Bildern von Tennisspielenden kreisen auch die Darstellungen von Reitenden um Bewegung.
Landhaus in Hilversum (1901/02)
Den Sommer 1901 verbrachte Max Liebermann in Laren und Hilversum, wo er den Landsitz der Familie des niederländischen Kunsthistorikers Abraham Bredius malte. „Landhaus in Hilversum“ (Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie) ist das erste in einer langen Reihe von Gartenbildern – und eine Auseinandersetzung mit Edouard Manets „Landhaus in Rueil“ (1884) – sowohl kompositionell wie auch motivisch. Allerdings rückte Liebermann die Staffelei nicht so nahe ans Motiv und den Baumstamm stärker zur Seite, so dass das Haus in der Durchsicht weniger beschnitten wurde. Das Gemälde des Franzosen war schon vor 1900 in die Sammlung der Berliner Nationalgalerie gelangt, wo es Liebermann mit Sicherheit studieren konnte. Er selbst sammelte Manet und besaß 17 Gemälde von ihm, darunter das „Spargelbündel“ (Wallraf-Richartz-Museum, Köln).
In Auseinandersetzung mit dem „Vater“ des französischen Impressionismus gelang Max Liebermann zu einer neuen Leuchtkraft der Farbe. Diese hatte sich bereits in seiner „Allee in Overveen“ (1895) angedeutet. Doch nun steigerte er die Reinheit des Grün für Rasen und Blätter und gelangte so zu einer neuen Ausdrucksstärke seiner Kompositionen.
1905 reiste Liebermann zum ersten Mal nach Noordwijk, da ihm Scheveningen zu mondän und überfüllt wurde. Das Jahr 1908 führte den Maler nach Oberitalien (Frühjahr), und er machte Studien in der Schweiz, die 1908/09 im Berliner Atelier zu „Pferderennen in Cascina“ verarbeitet wurden. Den Sommer verbrachte er in Noordwijk, wo er die vornehme Gesellschaft am Strand malte. Bis zum Jahr 1913 reiste Max Liebermann jeden Sommer nach Noordwijk; kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs malte er dort noch „Strandterrasse Huis ter Duin“ und „Jäger mit Hunden“.
Die Papageienallee
Vermutlich im Anschluss daran machte Max Liebermann im Zoologischen Garten in Amsterdam erste Studien zum „Papageienmann“ und zur „Papageienallee“. Beide Bilder sind für Liebermanns Verhältnisse ausgesprochen bunt (noch während der 1880er und 1890er Jahre konnten ihm die Bilder nicht grau genug werden). Vermutlich wählte er gerade aus diesem Grund die beiden Motive.
Im Jahr 1903 war Max Liebermann mit vier Bildern in der Secessionsausstellung vertreten, darunter „Papageienmann“ und „Papageienallee“. Die Anfeindungen gegen Max Liebermann, die Secession und den von ihnen vertretenen Impressionismus nahmen zu. Bruno Cassirer schied aus der Galerie Cassirer aus und gründete die Zeitschrift „Kunst und Künstler“, um Max Liebermann zu unterstützen. Im Dezember gründeten die führenden Vertreter der sezessionistischen Gruppen Deutschlands den „Deutschen Künstlerbund“ in Weimar. Max Liebermann wurde in den Vorstand gewählt.
Hamburger Ansichten und Porträts
1902 lud Lichtwark Max Liebermann ein, nach Hamburg zu kommen, um für die „Sammlung von Bildern aus Hamburg“ zu arbeiten, was dieser von Juli bis August machte: „Altes Landhaus an der Elbchausee“ und „Terrasse im Restaurant Jacob in Nienstedten an der Elbe“. Im Hamburger Polo-Club in Jenisch-Park machte Liebermann Studien der „Polospieler“ auf der Wiese.
Im September reiste er gemeinsam mit seiner Familie nach Italien. Von den oberitalienischen Seen reisten sie nach Florenz und Rom. Dort beeindruckte ihn Diego Velázquez‘ Porträt von „Papst Innozenz X.“ tief. Die Uffizien bestellten ein Selbstporträt des Malers, das er im Winter begann.
In Hamburg malte Liebermann 1905 das Porträt des Intendanten des Hamburger Schauspielhauses, „Baron Alfred Berger“. Im Auftrag von Alfred Lichtwark entstanden zahlreiche Skizzen und Porträtstudien zum Gemälde „Der Hamburgische Professorenkonvent“, das er bis zum folgenden Jahr vollendete.
Das Porträt des Dichters „Richard Dehmel“ entstand 1909 auf Auftrag von Lichtwark (Juli). Vorbereitende Studien für das Gemälde „Abend am Uhlenhorster Fährhaus“ (1910) in Hamburg.
Amsterdamer Judengasse
Die Amsterdamer Judengasse zog Max Liebermann bereits 1876 während einer seiner ersten Hollandreisen und dann wieder in den frühen 1880er Jahren an. Doch erst zwischen 1905 und 1909 entstanden zahlreiche Bilder, Zeichnungen und Radierungen nach diesem Motiv.
Vorausgegangen waren die Veröffentlichung seines Textes „Phantasie in der Malerei“ in der „Neuen Rundschau“ (1904), um seine Kunst zu verteidigen. Kurz darauf trug der Maler einen Streit mit dem Kunsthistoriker Henry Thode aus, da letzterer den Impressionismus als „antideutsch“ brandmarkte.
Im August 1905 hielt sich Liebermann in Amsterdam auf, wo er das geschäftige Treiben in einer Seitenstraße der Jodenbreestraat malte. Bis 1909 kehrte er regelmäßig dorthin zurück. Offenbar fühlte er sich den dort Lebenden emotional und intellektuell verbunden. Während in Deutschland die Stimmen immer nationalistischer und antisemitischer wurden, wählte der Berliner ein pittoreskes Motiv, das wie aus der (mondänen) Zeit gefallen zu sein scheint. So stieß er auf Glaubensbrüder, die sich auch nicht gegen Geld abbilden lassen wollten, weshalb der an Naturstudien gewohnte Maler teure Wohnungen mieten musste, um eine besonders belebte Straßenecke in den Blick nehmen zu können. Er stellte das Markttreiben an der Ecke einer Seitenstraße/Jodenbreetstraat in verschiedenen Blickwinkeln in Hoch- und Querformat dar. Die Pinselschrift kann bereits als expressiv beschrieben werden, er verweigerte sich der karikierenden Darstellung von Typen und wählte einen stark lokalfarbigen Ansatz. Die Druckgrafiken vermitteln einen impressionistischen, flüchtigen Eindruck.
Ehrungen zum 60. und 65. Geburtstag
Kurz vor Vollendung seines 60. Geburtstags widmete Karl Scheffler Max Liebermann dessen erste Monografie (1906). Gustav Paulis Monografie „Max Liebermann. Des Meisters Gemälde“ folgte 1911.
1907 fand eine umfangreiche Ausstellung in der „Berliner Secession“ statt: Es waren 52 Gemälde, Studien, Zeichnungen aus dem gesamten Schaffen des Berliner Malers zu sehen. Weitere Ausstellungen in den Kunstvereinen von Frankfurt a. M. und Leipzig folgten.
Im Jahr 1912 beging seinen 65. Geburtstag Max Liebermann. Er wurde zum Mitglied der französischen Académie des Beaux-Arts gewählt (Frühjahr), erhielt die Ehrendoktorwürde der philosophischen Fakultät der Berliner Universität und von der holländischen Königin den Orden von Oranje-Nassau. Im Juni wurde Liebermann in den Senat der Berliner Akademie gewählt. Die Kunstakademien in Brüssel, Mailand, Stockholm und Wien ernannten ihn zum korrespondierenden Mitglied. Die Akademien in Dresden, München und Weimar machten Liebermann zum Ehrenmitglied.
Spannungen in der Berliner Secession
Im Juli 1908 hörte er in Noordwijk vom Tod Walter Leistikows, weshalb Liebermann nach Berlin fuhr, um die „Grabrede“ auf seinen Freund zu halten. Leistikow war der Vermittler zwischen den „Jungen“ – darunter Max Beckmann, Hans Purrmann, Emil Nolde, Wassily Kandinsky und Ernst Barlach – und den „Alten“ in der Berliner Secession; nach seinem Tod stiegen die Spannungen.
27 Einsendungen der jungen Maler des Expressionismus wurden 1910 von der Jury der „Berliner Secession“ unter Vorsitz von Max Liebermann zurückgewiesen. Unter der Führung von Max Pechstein verließen die „Jungen“ die Secession und gründeten die „Neue Secession“. Emil Nolde wurde wegen Kritik an Max Liebermann aus der Secession ausgeschlossen.
In der Generalversammlung der „Berliner Secession“ erklärte Max Liebermann, der sich im Vorjahr einer schweren Operation unterziehen musste, seinen Rücktritt (19.1.1911). Liebermann vollzog Ende des Jahres diesen Schritt. Auf Antrag des Radierers Hermann Struck wurde er zum Ehrenpräsidenten gewählt. Da Max Slevogt absagte, schlug Liebermann Lovis Corinth als seinen Nachfolger vor. Corinth wurde zum Präsidenten der „Berliner Secession“ gewählt.
1913 entflammten neuerlich Auseinandersetzungen innerhalb der „Berliner Secession“, woraufhin Max Liebermann im März die „Freie Secession“ gründete. Er wurde auch in dieser Künstlervereinigung zum Ehrenpräsidenten gewählt.
Max Liebermann am Wannsee
Max Liebermann kaufte 1909 eines der letzten freien Wassergrundstücke in der Großen Seestraße am Großen Wannsee und ließ sich darauf ein großzügiges Landhaus mit Atelier erbauen. Der Garten wurde auf den Rat von Alfred Lichtwark (1852–1914) straßenseitig als Blumen- und Gemüsegarten und seeseitig als Park mit Laubengang gestaltet (Gartenreformbewegung). Liebermanns besonderes Augenmerk galt dem Garten mit seinen Blumenterrassen in jährlich wechselnden Farben, heckengesäumten Rosenhöfen und Rondellen, die das späte Werk des Malers prägten. Kunstförderung, Gartengestaltung, Lebensreform und Kunstproduktion gehören in diesem Ensemble zusammen. Liebermann apostrophierte seinen Landsitz als „Ort der Muße und Freiheit“ – und formulierte damit ein Bedürfnis, das sich mit den Haltungen von Claude Monet aber auch Gustav Klimt vergleichen lässt (→ Der moderne Garten in der Malerei von Monet bis Matisse).
Am 26. Juli 1910 konnte der Maler gemeinsam mit seiner Frau Martha, der gemeinsamen Tochter Käthe und dem Dackel Michael einziehen. Bereits in diesem Sommer malte er im Haus am Wannsee die ersten zwei Ansichten des Gemüsegartens. Max Liebermann war kein gärtnernder Maler. Sein Anwesen wurde als Gesamtkunstwerk, d.h. in Abstimmung des Gartens auf das Wohnhaus, entworfen und realisiert. Im Sinne der Lebensreform verband Liebermanns Garten einen Blumen- mit einem Gemüsegarten, Kontemplation und Nahrungsmittelproduktion gingen Hand in Hand. Gerade Wege führen schnurstracks zum Wasser und am Ufer entlang, während die geometrischen Beete eine architektonische Ordnung der Natur suggerierten. Im Werk von Max Liebermann wurden Gartenbilder erst ab der Mitte des Ersten Weltkriegs quantitativ relevant.
Als Max Liebermann im Sommer 1914 wieder nach Noorwijk fahren wollte, brach der Erste Weltkrieg aus. Damit endeten seine regelmäßigen Hollandreisen, und das Sommerhaus am Wannsee wurde zum wichtigen Rückzugsort des Künstlers. Liebermanns Hinwendung zum Motiv des Gartens ging mit einer politischen Wandlung des Künstlers einher, am Ende derer sich der knapp 70-jährige Professor zunehmend ins Privatleben zurückzog.7 Zunehmend fand er dort seinen Freiraum vor der Kriegspropaganda, seinen Gegnern wie Kaiser Wilhelm II. oder auch der jüngeren Künstlergeneration der Expressionisten. Er malte dort rund 200 Gemälde nach den Motiven aus seinem eigenen Garten. Zusammen mit Ernst Barlach, Max Slevogt und Käthe Kollwitz u.v.m. illustrierte Liebermann Paul Cassirers Zeitschrift „Kriegszeit“ (bis Mai 1916). Erich Hanckes Monografie „Max Liebermann. Sein Leben und seine Werke“ erschien.
Der Kunstsalon Paul Cassirer präsentierte 1915 eine große Ausstellung der Zeichnungen Liebermanns, die anschließend in der Kunsthalle Bremen gezeigt wurde. Aufgrund der Kriegswirren war der Maler wieder gezwungen, den Sommer am Wannsee zu verbringen. Mit dem Gemälde „Die Gartenbank“ begann er im Folgejahr die Reihe der Wannseegärten, um sich während des Kriegs zu beschäftigen.
Die Akademie der Künste in Berlin zeigte aus Anlass von Liebermanns 70. Geburtstag die bisher größte Ausstellung seines Werks mit 191 Gemälden (1917). Er bekam den Roten Adlerorden dritter Klasse verliehen. Das Ende des Zweiten Weltkriegs erlebte Max Liebermann hautnah mit, als 1918 die Kämpfe der Novemberrevolution vor seinen Augen auf dem Pariser Platz stattfanden. Im Januar 1919 tobten dort Gefechte zwischen Spartakusgruppen und den Sozialdemokraten. Max Liebermann erlebte die Stadt als „jammervoll“.
Kulturpolitisch und künstlerisch aktiv in der Weimarer Republik
Am 1. November 1920 wurde Max Liebermann zum Präsidenten der Preußischen Akademie der Künste berufendie er bis 1932 zu einem der bedeutendsten Ausstellungsorte Berlins machte und u.a. Otto Dix‘ heftig angefeindetes Bild „Der Schützengraben“ ausstellte. Damit war der Maler (wieder) eine der prägendsten kulturpolitischen Persönlichkeiten der Weimarer Republik. Die Ausstellungen entwickelten sich unter seiner Ägide zu den wichtigsten kulturellen Veranstaltungen in Berlin.
Max Liebermann bemühte sich 1924 um die Aufnahme von Heinrich Zille in die Akademie. Er bat das Kölner Wallraf-Richartz-Museum um die Leihgabe „Der Schützengraben“ von Otto Dix für die Akademieausstellung. Die Monografie von Max Friedländer, Direktor des Berliner Kupferstichkabinetts, erschien.
Mit „Hundert Werke des Künstlers“ feierte die Preußische Akademie der Künste den 80. Geburtstag Max Liebermanns (1927). Das zeichnerische Werk und über 80 Pastelle waren in Ausstellungen in den Galerien Paul Cassirer und Bruno Cassirer sowie im Staatlichen Kupferstichkabinett Dresden zu sehen. Liebermann erhielt die Ehrenbürgerwürde der Stadt Berlin. Max Liebermann porträtierte den Reichspräsidenten von Hindenburg. Dieser verlieh ihm daraufhin den Orden Pour Le Mérite und den Adlerschild des Reiches.
Im Jahr 1932 erkrankte Max Liebermann schwer. Sein behandelnder Arzt war der berühmte Chirurg Prof. Ferdinand Sauerbruch, den er porträtierte. Liebermann kandidierte nicht mehr für das Amt des Präsidenten der Akademie und wurde zum Ehrenpräsidenten ernannt.
Liebermann im NS-Regime
Am 30. Januar 1933 wurde Adolf Hitler Reichskanzler. Max Liebermann beobachtete die feiernden 25.000 Uniformierten und kommentierte den Fackelzug mit: „Ich kann gar nicht so viel fressen, wie ich kotzen möchte.“ Am 7. Mai 1933 legte Max Liebermann die Ehrenpräsidentschaft zurück und trat aus der Akademie aus. Einzig Oskar Kokoschka stellte sich in einem öffentlichen Brief hinter den Berliner Maler. Im Juni wurde Liebermann Ehrenpräsident des neu gegründeten Kulturbundes Deutscher Juden.
Am 28. Februar 1934 bat er um Unterstützung für den jüdischen Jugendbund „Werkleute“ und deren Siedlung in Palästina. Im November erkrankte der Maler schwer.
Tod
Max Liebermann starb am 8. Februar 1935, abends gegen 7 Uhr in seinem Haus am Pariser Platz. Die Akademie lehnte jede öffentliche Ehrung ihres Altpräsidenten ab. Am 11. Februar wurde Liebermann in der Familiengruft auf dem jüdischen Friedhof an der Schönhauser Allee beigesetzt. Neben Familie und Freunde nahmen auch Künstlerkolleg:innen am Begräbnis teil: Bruno Cassirer (Verleger), Max Friedländer (Kunsthistoriker), Georg Kolbe (Bildhauer), Käthe Kollwitz, Hans Purrmann, Ferdinand Sauerbruch (Chirurg) und dessen Sohn. Es kamen keine Vertreter der Öffentlichkeit.
Bei der Beerdigung von Max Liebermann 1935 war Konrad von Kardorff neben Käthe Kollwitz einer von nur vier Künstlern, die dem Maler die letzte Ehre erwiesen. Von Kardorff wurde (nach Bernd Schmalhausen) auch zum Beistand von dessen Witwe Martha.
Zur ersten Wiederkehr des Todestags von Max Liebermann im Februar 1936 organisierten Erich Hancke, Franz Landsberger und Max Osborn im Jüdischen Museum in Berlin eine Gedächtnisausstellung für Max Liebermann. Es war nur Juden gestattet, die Schau zu sehen. Käthe Kollwitz setzte sich über das Verbot hinweg.
Im Herbst 1935 zog Martha Liebermann in eine Wohnung im Haus Graf-Spee-Straße 23. Sie wollte Berlin und das Grab ihres Mannes nicht verlassen, obwohl ihre Tochter mit deren Familie 1939 in die USA emigrierte. Nachdem ihr Besitz eingezogen worden war, bemühte sich Martha Liebermann noch 1941 um ein Ausreisevisum in die Schweiz, das sie 50.000 SF kostete. Obschon der Sammler Oskar Reinhart die Summer aufbringen wollte, ließ man Martha Liebermann nicht ausreisen. Bevor sie am 5. März 1943 zur Deportation abgeholt werden konnte, nahm sie eine Überdosis Veronal. Martha Liebermann starb am 10. März 1943.
Erst nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Liebermann rehabilitiert und gilt heute neben Max Slevogt und Lovis Corinth als bedeutendster Impressionist Deutschlands.
„Das Unsichtbare sichtbar zu machen, das ist, was wir Kunst nennen. Ein Künstler, der darauf verzichtet, das Unsichtbare, das, was hinter der Erscheinung liegt – nennen wir es Seele, Gemüt, Leben – vermittelst seiner Darstellung der Wirklichkeit auszuwirken, ist kein Künstler. Aber der Künstler, der auf die Darstellung der Erscheinung verzichten wollte zugunsten einer stärkeren Auswirkung seines Empfindens, ist ein – Idiot. Denn wie soll das Übersinnliche ohne das Sinnliche begriffen werden?“ (Max Liebermann, 1922)
Max Liebermanns Schriften, Atelier-Gespräche und Briefe
- Max Liebermann, Die Phantasie in der Malerei, in: Die neue Rundschau, Bd. XV, Nr. 3, Berlin, März 1904, S. 372–380.
- Max Liebermann, Gesammelte Schriften, Berlin 1922.
- Fried Stern, Max Liebermann - Gespräch im Atelier, in: Hannoversches Tageblatt, 20.07.1927.
- Max Liebermann, Siebzig Briefe, hrsg. von Franz Landsberger, Berlin 1937.
- Alfred Lichtwark, Briefe an Max Liebermann, hrsg. von Carl Schellenberg, Hamburg 1947.
- Max Liebermann, Die Phantasie in der Malerei, hrsg. von Ernst Volker Braun, Stuttgart 1994.
- Max Liebermann, Vision der Wirklichkeit. Ausgewählte Schriften und Reden, hrsg. von Günter Busch, Frankfurt 1993.
- Max Liebermann in seiner Zeit (Ausst.-Kat. Nationalgalerie Berlin; Haus der Kunst, München), München 1979.
Literatur über Max Liebermann
- Jenns Eric Howoldt, „Von allen Ländern lächelt jenes Eckchen der Erde mich an …“. Die Gartenbilder und ihr zeitgeschlichtlicher Hintergrund, in: Jenns Eric Howoldt, Uwe M. Schneede (Hg.), Im Garten von Max Liebermann (Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle, 11.6.–26.9.2004; Nationalgalerie Staatliche Museen zu Berlin, 12.10.2004–9.1.2005), Berlin 2004, S. 11–19.
- Max Liebermann. Poesie des einfachen Lebens, hg. v. C. Sylvia Weber (Ausst.-Kat. Kunsthalle Würth, Schwäbisch Hall, 13.9.2003–29.2.2004), Künzelsau 2003.
- Matthias Eberle, Max Liebermann. Werkverzeichnis der Gemälde und Ölstudien, Bd. 2: 1900-1935, München 1996.
- Matthias Eberle, Max Liebermann. Werkverzeichnis der Gemälde und Ölstudien, Bd. 1: 1865-1899, München 1995.
- Ernst Braun, Der Briefwechsel zwischen Max Lehrs und Max Liebermann, in: Jahrbuch der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden 21 (1989/1990), S. 81-106.
- Günter Busch, Max Liebermann. Maler, Zeichner, Graphiker, Frankfurt 1986.
- Max Friedländer, Max Liebermann, Berlin 1924.
- Gustav Pauli, Max Liebermann. Des Meisters Gemälde (Klassiker des Kunst, Bd. 19), Stuttgart/Leipzig 1911 (1. Auflage).
- Karl Scheffler, Max Liebermann, München/Leipzig o. J. (1906).
Beiträge zu Max Liebermann
- Zit. n. „Nichts trügt weniger als der Schein“. Max Liebermann der deutsche Impressionist (Ausst.-Kat. Kunsthalle Bremen, 16.12.1995–24.3.1996), München 1995, S. 250.
- Zit. n. Katharina Erling, Max Liebermann – Biographie, in: „Nichts trügt weniger als der Schein“. Max Liebermann der deutsche Impressionist (Ausst.-Kat. Kunsthalle Bremen, 16.12.1995–24.3.1996), München 1995, S. 239.
- Beate Elsen-Schwedler, Aus nächster Ferne. Max Liebermann und seine Suche nach der Poesie des einfachen Lebens, in: Max Liebermann. Poesie des einfachen Lebens, hg. v. C. Sylvia Weber (Ausst.-Kat. Kunsthalle Würth, Schwäbisch Hall, 13.9.2003–29.2.2004), Künzelsau 2003, S. 9-55, hier S. 9.
- Matthias Eberle, Max Liebermann zwischen Tradition und Opposition, in: Max Liebermann in seiner Zeit (Ausst.-Kat. Nationalgalerie Berlin; Haus der Kunst, München), München 1979, S. 11-12.
- Max Liebermann, Die Phantasie in der Malerei, in: Die neue Rundschau, Bd. XV, Nr. 3, Berlin, März 1904, S. 372–380.
- Zit. nach: Max Liebermann. Siebzig Briefe, hg. v. Franz Landsberger, Berlin 1937, S. 29.
- Jenns Eric Howoldt, „Von allen Ländern lächelt jenes Eckchen der Erde mich an …“. Die Gartenbilder und ihr zeitgeschlichtlicher Hintergrund, in: Jenns Eric Howoldt, Uwe M. Schneede (Hg.), Im Garten von Max Liebermann (Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle, 11.6.–26.9.2004; Nationalgalerie Staatliche Museen zu Berlin, 12.10.2004–9.1.2005), Berlin 2004, S. 11–19, hier S. 13.
- Zit. n. „Nichts trügt weniger als der Schein“. Max Liebermann der deutsche Impressionist (Ausst.-Kat. Kunsthalle Bremen, 16.12.1995–24.3.1996), München 1995, S. 250.
- Zit. n. Katharina Erling, Max Liebermann – Biographie, in: „Nichts trügt weniger als der Schein“. Max Liebermann der deutsche Impressionist (Ausst.-Kat. Kunsthalle Bremen, 16.12.1995–24.3.1996), München 1995, S. 239.
- Beate Elsen-Schwedler, Aus nächster Ferne. Max Liebermann und seine Suche nach der Poesie des einfachen Lebens, in: Max Liebermann. Poesie des einfachen Lebens, hg. v. C. Sylvia Weber (Ausst.-Kat. Kunsthalle Würth, Schwäbisch Hall, 13.9.2003–29.2.2004), Künzelsau 2003, S. 9-55, hier S. 9.
- Matthias Eberle, Max Liebermann zwischen Tradition und Opposition, in: Max Liebermann in seiner Zeit (Ausst.-Kat. Nationalgalerie Berlin; Haus der Kunst, München), München 1979, S. 11-12.
- Max Liebermann, Die Phantasie in der Malerei, in: Die neue Rundschau, Bd. XV, Nr. 3, Berlin, März 1904, S. 372–380.
- Zit. nach: Max Liebermann. Siebzig Briefe, hg. v. Franz Landsberger, Berlin 1937, S. 29.
- Jenns Eric Howoldt, „Von allen Ländern lächelt jenes Eckchen der Erde mich an …“. Die Gartenbilder und ihr zeitgeschlichtlicher Hintergrund, in: Jenns Eric Howoldt, Uwe M. Schneede (Hg.), Im Garten von Max Liebermann (Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle, 11.6.–26.9.2004; Nationalgalerie Staatliche Museen zu Berlin, 12.10.2004–9.1.2005), Berlin 2004, S. 11–19, hier S. 13.