Postimpressionismus | Pointillismus | Divisionismus
Was sind Postimpressionismus, Pointillismus und Divisionismus?
Für wenige Stile in der Kunst sind so viele Begriffe geprägt worden wie für den Postimpressionismus, also die Malerei nach dem Impressionismus: Camille Pissarro nannte ihn „wissenschaftlicher“ Impressionismus (im Gegensatz zum „romantischen“ Impressionismus). Georges Seurat (1859–1891) sprach von Divisionismus und fand auch den Begriff Chromoluminarismus (Farblichtmalerei) gut. Heute verbindet man mit seiner Punkt-Malerei den Terminus Pointillismus. Der Begriff Neoimpressionismus wurde vom Kunstkritiker Felix Fénéon kurz nach der letzten Impressionisten-Ausstellung 1886 erfunden, und von Paul Signac (1863–1935) theoretisch begründet und verbreitet.
Postimpressionismus scheint viele Strömungen zusammenzufassen, zu denen auch noch der Symbolismus von Gustave Moreau und Odilon Redon (1840–1916), der Synthetismus von Paul Gauguin (1848–1903), der Cloisonnismus der Schule von Pont-Aven und die Malerei der Nabis gehören. Jeder dieser Begriffe beschreibt nur einen von mehreren Aspekten der Malerei ab der Mitte der 1880er Jahre. Während Pointillismus auf den Farbauftrag in Punkten fokussiert, spielt Divisionismus auf die Farbzerlegung an.
Stilistische Neuerungen des Pointillismus
„Sie [die Gemälde] bestehen aus winzigen Farbtropfen, die nebeneinandergesetzt sind wie die Fäden eines feinen Wandteppichs. Die Wirkung des Ganzen beruht auf der vollkommenen Harmonie dieses Orchesters kleiner Farbflecke.“1 (Paul Adam, Soi, Paris 1886)
„Die optische Mischung an die Stelle der Mischung der Pigmente setzen, oder anders gesagt: Zerlegung der Farbtöne in ihre grundlegenden Elemente.“2 (Pissarro in einem Brief an Durand-Ruel, 1886)
Revolutionäre Punkte, wissenschaftliche Farbwahl – so könnte man die Errungenschaften des Pointillismus in aller Kürze zusammenfassen. An die Stelle der spontanen Reaktion auf eine Lichtstimmung traten Ordnung und Regelwerk. Entgegen der als subjektiv empfundenen Malweise der Impressionisten, sollten die Gemälde der Pointillisten bar jeder individuellen Handschrift aus reinen Farbflecken, bis zum Tod von Georges Seurat 1891 auch noch auch aus richtungs- und formlosen Punkten, aufgebaut werden. Die Punkte bzw. Striche gehen mit benachbarten Flecken eine gleichberechtigte Beziehung ein. Pointillistische Gemälde definierten Objekte und Körper nicht mehr durch Linien, sondern indem sie Farbpunkte nebeneinandersetzten. Dadurch wirken sie flach. Die Motive sind aus Flächen aufgebaut, die mit unzähligen Punkten gefüllt sind. Je nach Distanz der Betrachter zu den Bildern zerfallen diese in farbige, lichtdurchflutete Punktgemenge oder fügen sich zu nuancierten, vibrierenden Flächen. Nicht auf der Palette, sondern erst im Auge (vulgo Gehirn) des Betrachters mischen sich die zerlegten Farben zu beschreibenden Objektfarben. Hinter dieser Betonung der Maltechnik und der Farben steht die Überzeugung, dass Gemälde primär aus Farbwerten komponierte Objekte sind.
Pointillismus, Farbe und Harmonie
„Eine Farbe auf die Leinwand setzen, bedeutet nicht nur, den Teil der Leinwand kolorieren, auf den diese Farbe aufgetragen wird, sondern auch, den umgebenden Raum mit der Komplementärfarbe kolorieren.“3 (Michel-Eugène Chevreul)
Der Pointillismus hat seinen Ursprung in den Farbtheorien des Chemikers Michel-Eugène Chevreuls, der Kunsttheoretiker Charles Blanc (1813–1882) und David Sutter (1811–1880), sowie den Studien des amerikanischen Arztes Ogden Nicholas Roods (1831–1902). Chemiker und Ärzte hatten festgestellt, dass einander benachbarte Farbwerte sich gegenseitig beeinflussen. Zu den wichtigsten Erkenntnissen in Farbtheorie und Optik des späten 19. Jahrhunderts zählen: im Farbenkreis geordnete Spektralfarben, optische Farbmischung, Komplementärkontrast, Simultankontrast, ergänzt durch die psychologische Wirkung von Farben (Farbtemperatur) und Linien.
Eugène Chevreul (1786–1889) war ein französischer Chemiker, der in seinen Abhandlungen „Das Gesetz des Simultankontrasts der Farben“ (1839) und „Das Prinzipien von Harmonie und Kontrast der Farben und ihre Anwendung in den Künsten“ (1864) die Grundlagen für die impressionistische und postimpressionistische Malerei legte. Ausgangspunkt für seine Thesen ist die Ordnung der Farben im Farbenkreis. Vor Chevreul hatte sich bereits Eugène Delacroix intensiv mit der Farbwirkung beschäftigt und seine Erkenntnisse praktisch angewandt. Der Chemiker erforschte erstmals, wie sich benachbarte Farben gegenseitig beeinflussen. Vor allem die Entdeckung des Komplementärkontrasts – die Nachbarschaft von komplementären Farben (blau-orange/rot-grün/gelb-violett), die am Farbenkreis gegenüberliegen – veränderte die Malerei der Postimpressionisten.
„Kunst ist Harmonie. Harmonie ist die Analogie gegensätzlicher und ähnlicher Elemente, des Farbtones, der Farbe und der Linie, die entsprechend ihrer Dominante und dem Einfluss des Lichtes heitere, ruhige oder traurige Zusammenstellungen ergeben. Gegensätze sind: Für den Tonwert ein leuchtender heller gegenüber einem dunkleren. Für die Farbe die Komplementärfarben, d.h. ein gewisses Rot wird seiner Komplementärfarbe gegenübergestellt usw. (Rot-Grün, Orange-Blau, Gelb-Violett). Heiterkeit des Tonwertes ergibt sich durch eine leuchtende Dominante; Heiterkeit der Farbe durch eine warme Dominante; Heiterkeit der Linie durch aufwärts gerichtete Tendenz über der Horizontalen. Ruhe des Tonwertes ergibt sich durch das Gleichgewicht von Hell und Dunkel; Ruhe der Farbe durch das Gleichgewicht von Warm und Kalt; und Ruhe der Linie durch Horizontalen. Trauer der Tonwerte ergibt sich durch Überwiegen des Dunklen, Trauer der Farbe durch eine kalte Dominante und Trauer der Linie aus abwärts gerichteter Tendenz.
Nimmt man die Phänomene der Dauer des Lichteindrucks auf die Netzhaut als gegeben an, dann ergibt sich als Resultat eine Synthese. Das Ausdrucksmittel ist die optische Mischung der Ton- und Farbwerte (der Lokalfarbe und der Farbe des auffallenden Lichtes: Sonne, Petroleumlampe, Gaslampe usw.), d.h. des Lichtes und seiner Wirkung (Schatten) gemäß den Kontrastgesetzen der Abtönung einer Strahlung.
Der Rahmen ist der Harmonie der Tonwerte, Farben und Linien des Bildes entgegengesetzt.“4 (Paul Signac, 1890)
Der Durchbruch des Pointillismus auf der letzten Impressionisten-Ausstellung 1886
„Man suche sich die Natur, die dem eigenen Temperament entspricht […]. Man gehe nicht nach Regeln und Prinzipien vor, sondern male, was man sieht und fühlt […]. Man braucht nur einen Lehrmeister – die Natur; auf sie muss man sich immer berufen“ (Camille Pissarro)
Camille Pissarro, der sich selbst kurz dem Pointillismus verschrieben hatte, war für eine Öffnung der Ausstellung in Richtung aktueller Tendenzen in der jungen Malerei von Paris. Während die Impressionisten ohne „Regeln und Prinzipien“ und nur nach eigener Anschauung malten, entwickelte die folgende Generation der Pointillisten ein rigides System. Pissarro lud Georges Seurat (→ Georges Seurat, Erfinder des Pointillismus), Paul Signac, Paul Gauguin, Emile Schuffenecker (1851–1934) ein und engagierte sich auch für Odilon Redon sowie seinen eigenen Sohn Lucien Pissarro (1863–1944). Berthe Morisot (1841–1895) und ihr Mann Eugène Manet waren für die Organisation dieser letzten Gruppenschau verantwortlich. Die Impressionisten reagierten mit Vorbehalt auf die junge Avantgarde und verbannten die Werke von Pissarro und seiner neuen Freunde in einen gemeinsamen Raum der „Pointillisten“. Wie sehr sich das Konzept des Pointillismus von dem des Impressionismus unterschied, zeigt die eingangs zitierten Worte Pissarros. Gleichzeitig verzichteten Claude Monet, Pierre-Auguste Renoir, Alfred Sisley und Gustave Caillebotte auf eine Teilnahme an der Gruppenausstellung.
Georges Seurat präsentierte „Ein Sonntagnachmittag auf der Insel Grande Jatte“ (1884–1886) und Paul Signac „Die Putzmacherinnen, Rue du Caire“ (um 1885/86), was sie im Herbst bei den Unabhängigen wiederholten. Die Ausstellung beeindruckte Louis Anquetin (1861–1932), Vincent van Gogh (1853–1890) und Henri de Toulouse-Lautrec (1864–1901), die einander im Frühjahr im Atelier des Historienmalers Cormon (1845–1924) kennengelernt hatten.
Vom Pointillismus (Divisionismus) zum Postimpressionismus
Vor allem Georges Seurat war der Verfechter der Punkt-Manier, die er nach wissenschaftlichen Kriterien und äußert streng angewandt wissen wollte. Paul Signac, der sein Akademiestudium nach der Bekanntschaft mit Seurat aufgab, um sich autodidaktisch zu bilden, wurde anfangs vom Impressionismus geprägt. Im Winter 1884/85 wandte sich Signac dem Pointillismus zu, gab jedoch diese orthodoxe Haltung nach dem unvorhergesehen frühen Tod von Seurat 1891 auf. Paul Signac führte schlussendlich den Pointillismus in den Postimpressionismus über, wobei er selbst den Begriff Neoimpressionismus bevorzugte.
„Der Neoimpressionist malt keine Punkte, er zerlegt.“5
In seiner Schrift „D’Eugène Delacroix au néo-impressionnisme (Von Eugène Delacroix zum Neoimpressionismus)“ (1899) erklärte Signac, dass die Farben gleichwertig auf die Leinwand aufgebracht werden sollten und dort mittels optischer Mischung eine Harmonie der Kontraste ergeben. Seurat und Henri-Edmond Cross begannen in den 1890er Jahren damit, Ölfarben pastoser und in kurzen Strichen aufzutragen bzw. sich auch der Aquarellmalerei zuzuwenden. Die in horizontalen und vertikalen Lagen gegliederten Kompositionen kommen ohne Illusion von Raum, Körperlichkeit und Bewegung aus. Die Vereinfachung der Formen und der Farben führte zunehmend zu einer Abstraktion der Farbe von den Gegenständen. Mitunter gingen diese Maler dabei bis an den Rand der ungegenständlichen Malerei. Zumindest befreite der Postimpressionismus die Farbe vom Diktum der Abbildung bzw. Nachempfindung und eröffnete einen Weg in die Abstraktion, wie an der künstlerischen Entwicklung von Piet Mondrian (1872–1944) nachvollzogen werden kann.
Themen des Postimpressionismus
Wenn auch anfangs das Staunen über die Punkt überwog, so irritierten einige impressionistische Gemälde auch durch die Wahl der Sujets. Georges Seurat verließ die Boulevards von Paris zugunsten der kleinbürgerlichen und proletarischen Vororte. Seine vielfigurigen Kompositionen erstaunen bis heute durch die Bewegungslosigkeit der Typen, die strengen Profildarstellungen, die schablonenartigen Posen. Seurat ging es um das Festhalten des Unvergänglichen, aus einer Summe flüchtiger Eindrücke das Bleibende zu einer Synthese zu führen. Kein Lufthauch zieht durch diese Gemälde. Dies hatte auch zur Folge, dass die dargestellten Motive unbedeutend scheinen.
Ruhe, Harmonie, Idylle darzustellen, sind wohl die wichtigsten Ziele der Pointilisten und Postimpressionisten, in denen sich der idealistische Zug der Künstler offenbart. Dazu nutzten sie ähnliche Motive wie schon zuvor die Impressionistinnen und Impressionisten: die Zurückgezogenheit im eigenen Garten oder den eigenen vier Wänden, Landschaften (vor allem die Häfen von Frankreich und Küsten). Mit mystischen bzw. visionären Bildern (bei den Nabis vor allem Denis) kehrte auch die religiöse Malerei wieder zurück. Während in Frankreich die Suche nach der Idylle vorherrscht, lässt sich für Italien ein besonderes Interesse an der Darstellung sozialer Probleme konstatieren.
Divisionismus in Italien
Im Gegenzug zu ihren französischen Kollegen bevorzugten die italienischen Maler der Divisionismus Großformate bis hin zum Triptychon. Mit ihren sozialkritischen Gemälden stellten sie sich auch weiterhin in die Tradition der italienischen Malerei, da sie nicht auf Modellierung, Raumillusion und Bewegungsdarstellung verzichten wollten. Motive aus dem bürgerlichen, städtischen Leben waren genauso selten anzutreffen. Stattdessen beschäftigten sich die italienischen Divisionisten mit Bauernszenen, metaphysischen sowie symbolistischen Themen und setzten diese vielfach mit einem religiösen Unterton um.
Die ersten divisionistischen Gemälde entstanden Ende 1880er Jahre in Italien und wurden 1891 auf der ersten Triennale di Brera (1.5.-30.6.) ausgestellt. Auch wenn die Künstler die Werke der französischen Pointillisten kaum im Original studieren konnten, so kannten sie die den Gemälden zugrundeliegenden Theorien aus französischen und belgischen Kunstzeitschriften. Emilio Longonis Gemälde „Der Streikredner“ (1890/91) stellt den Streik in Mailand vom 1. Mai 1890, dem ersten internationalen Tag der Arbeit, dar. Innovative Technik und klassenkämpferische Thematik ließen das Werk schnell zu einem ästhetischen wie politischen Manifest werden.
Postimpressionismus / Divisionismus und die Anarchie
„Gerechtigkeit in der Soziologie, Harmonie in der Kunst: ein und dasselbe […] Ein anarchistischer Maler ist nicht einer, der anarchistische Bilder macht, sondern einer, der ohne sich um Geld zu kümmern, ohne Wunsch auf Bezahlung, mit ganzer Seele gegen die bürgerlichen und gesellschaftlichen Konventionen ankämpft, durch seinen persönlichen Beitrag… Wenn das Auge erzogen und gebildet ist, wird das Volk andere Dinge in den Bildern sehen als bloß den Inhalt. Wenn die von uns erträumte Gesellschaft endlich Wirklichkeit wird, wenn der Arbeiter, befreit von seinen Ausbeutern, die ihn unterjochen, Zeit hat nachzudenken und sich zu bilden, wird er all die verschiedenen Seiten des Kunstwerks schätzen lernen.“6 (Paul Signac, Impressionistes & révolutionnaires, in: La Révolte, 1895)
Die politische Einstellung der Künstler darf zumeist als linksgerichtet bis anarchistisch bezeichnet werden. Vor allem Paul Signac stellte seine Kunst in den Dienst der sozialen Erneuerung. Vor allem in seinem Gemälde „In der Zeit der Harmonie (Das Goldene Zeitalter liegt nicht in der Vergangenheit, es liegt in der Zukunft)“ (1893–1895, Öl auf Leinwand, 300 x 400 cm, Mairie de Montreuil) entwarf er eine positive Zukunftsvision. Das 1895 im Salon des Indépendants ausgestellte Werk zeigt ein irdisches Arkadien: Menschen friedlich vereint in einer sonnendurchfluteten Küstenlandschaft. Zur Jahrhundertwende löste die Utopie die Anarchie ab. Anstelle einer politischen Aufgabe für die Kunst, sahen Kritiker und Künstler verstärkt die Harmonie von Mensch und Natur als zu vermittelndes Thema. Sie tauschten offene Gesellschaftskritik gegen Landschaften und symbolistische, visionäre, idealistische Malerei. Auch wenn die Darstellungen der Natur ebenso als „organisch-sozialistische Realität“ gedeutet werden konnten, so hatte der Divisionismus 1905 seinen revolutionären Impetus aufgegeben.
Die Sammler des Pointillismus und des Postimpressionismus
Die Pointillisten wurden von Helene Kröller-Müller gemeinsam mit ihrem Ehemann Anton Kröller gefördert. Sie erwarb zwischen 1907 und 1922 nahezu 11.500 Kunstwerke.
Helene Kröller-Müller träumte von einem eigenenen „Museumshaus“, wo sie ihre Liebe zur modernen Kunst mit allen teilen konnte. Im Jahr 1938 öffnete das von Henry van de Velde geplante Kröller-Müller Museum seine Pforten. Der Skulpturengarten mit Werken von Auguste Rodin, Henry Moore und Barbara Hepworth u. a. versammelt seit 1961 mehr als 160 Skulpturen von wichtigen Bildhauern. In den 1970er Jahren wurde ein neuer Flügel des holländischen Architekten Wim Quist angebaut.
Hedy und Arthur Hahnloser-Bühler gehörten zu den wichtigsten Sammlern der Postimpressionisten in der Schweiz (→ Sammlung Hahnloser: Meisterwerke des Postimpressionismus). Ihre Villa Flora in Winterthur zählt auch heute noch zu den bedeutendsten Sammlungen der Nabis außerhalb von Frankreich.
Der Pointillismus / Postimpressionismus beeinflusste folgende Maler
- Henri Matisse (1869–1954)
- Albert Manguin (1874–1949)
- Piet Mondrian (1872–1944)
Künstler des Postimpressionismus / Pointillismus / Divisionismus in Frankreich
Georges Seurat (1859–1891)
Der früh verstorbene Georges Seurat brach nach dem Besuch der vierten Impressionisten-Ausstellung 1879 sein Studium im Atelier von Henri Lehmann (1878/79) ab, um sich autodidaktisch weiterzubilden. Gemeinsam mit Paul Signac und Camille Pissarro revolutionierte er den Impressionismus. Bekannt wurde Seurat, nachdem er „Ein Sonntagnachmittag auf der Île de la Grande Jatte“ (1884–1886) 1886 auf der Ausstellung der „Indépentants“ präsentierte. Es folgte auf die „Badenden von Asnières“ (1883/84), dem ersten pointillistischen Gemälde. Aufenthalte in der Normandie schlugen sich in Landschaftsgemälde nieder, die ruhige Seestücke, Häfen, Klippen in harmonischen Farbzusammenstellungen zeigen. Die in kleine Punkte zerteilte Malweise hätte Georges Seurat gerne Chromo-Luminarismus oder Divisionismus genannt. Seine Gegener bezeichneten die Werke hingegen als "Konfetti-Kunst". Mit „Les Poseuses (Die Modelle)“ (1887/88), „Parade de cirque (Zirkusparade)“ (1887/88), „Le Cahut“ (1890), „Junge Frau bei der Toilette“ (1890) sowie „Cirque (Zirkus)“ (1890/91, unvollendet) bewies er mehrfach, dass der von ihm erfundene Pointillismus sowohl auf Landschaften wie auf Figurenbilder angewandt werden konnte. Nach Seurats frühem Tod führte Paul Signac den Pointillismus (Auftrag der Farbe in Punkten) in den Post- oder Neoimpressionismus über.
Paul Signac (1863–1935)
Paul Signac entschied sich als Autodidakt dem Impressionismus anzuschließen. Die Bekanntschaft mit Georges Seurat machte ihn 1885/86 zum Pointillisten, da er seinem Freund, der gerade an seiner monumentalen Komposition „Ein Sonntagnachmittag auf der Île de la Grande Jatte“ (1884–1886) gearbeitet hatte, etwas Eigenständiges entgegensetzen wollte. Mit „Die Hutmacherinnen“, „Das Frühstück“ und „Sonntag“ schloss Signac zwar an typische Themen des Impressioismus an, erarbeitete die Oberflächen der Bilder jedoch aus unzähligen, kleinen Farbpunkten. In ihnen zerlegte er das Farbspektrum, das sich - aus gewisser Entfernung betrachtet - im Kopf zusammenfügt. Nach dem vorzeitigen Tod von Seurat 1891 wurde Paul Signac der Kopf der Bewegung und hielt deren Grundsätze in seiner Schrift „Von Eugène Delacroix bis zum Neo-Impressionismus“ (1899) fest. An die Stelle der gleichförmigen und richtungslosen Punkte traten nun mehr oder weniger lange Striche. In manchen späten Landschaften kann man sich an Mosaike erinnert fühlen. Das Flirren, das von den Küsten und Häfen ausgeht, aber auch die strahlenden Komplementärfarben machen die Bilder Signacs zu harmonischen, energiegeladenen Werken voller Atmosphäre. Neben der Ölmalerei übte sich Signac auch im Aquarell, das er mit großer Meisterschaft beherrschte.
Camille Pissarro (1830–1903)
Camille Pissarro war ein französischer Landschaftsmaler des Impressionismus. Pissarro zählt zu den produktivsten und bedeutendsten Impressionisten. Bis 1886 zeigte er im Rahmen der insgesamt acht Impressionisten-Ausstellungen über 170 Werke. Um 1879 freundet er sich mit Paul Gauguin an und um 1885 mit den Pointillisten Georges Seurat und Paul Signac (1863–1935), von denen er Anregungen für sein Schaffen erhielt. Gleichzeitig entfremdete Piassarros Offenheit dem Pointillismus gegenüber ihn von seinen alten Freunden.
Maximilien Luce (1858–1941)
Wenn auch Maximilien Luce nicht der orthodoxeste Pointillist oder Neoimpressionist war, so sind seine Bilder doch für die utopische Ausrichtung des Malstils symptomatisch. Die Punktmalerei beschränkte sich nicht nur auf die Erarbeitung von Farbkonzepten und Wahrnehmungsanalysen, sondern trug eine sozialistische Grundstimmung in sich. Wie ihr großes Vorbider Puvis de Chavannes huldigten viele Avantgardisten (vor allem die italienischen Divisionisten) der Anarchie und setzten die Revolution auf ihren Leinwänden mit politischen Verädnerungen gleich. Maximilien Luce widmete seine Werke dem Arbeiter, der in gemeinschaftlicher Arbeit für Wohlstand und Fortschritt verantwortlich ist. Wenn er in das Borinage reiste, um dort die Lebensbediungungen der Grubenarbeiter festzuhalten, schwingt in seinen Bildern nicht soziale Misere und Unterdrückung mit, sondern er heroisiert die Arbeiter und ihre Tätigkeit.
Henri-Edmond Cross (1856–1910)
Ab 1891 war Henri-Edmond Cross ein wichtiges Mitglied des Divisionismus und eine wichtige Stütze für Paul Signac. Er überzeugte Signac ab 1892 in Südfrankreich zu leben, um in der Küstenlandschaft, den Häfen, den Segelbooten und dem Meer Motive für Gemälde zu finden. Cross selbst nutzte den Pointillismus und eine arabeskenhafte Formgebung. Damit veerfächigte er die Motive und abstrahierte die Kompositionen. Auch in seinem Werk ist die Idylle omnipräsent - also in einer nahen Zukunft gedacht.
Charles Angrand (1854–1926)
Albert Dubois-Pillet (1846–1890)
Künstler des Pointillismus in Belgien
- Théo van Rysselberghe (1862–1926)
- Henry van de Velde (1863–1957)
Neoimpressionismus in Holland
Jan Toroop (1858–1928)
Jan Toorop setzte nicht nur 1892 die erste Ausstellung von Vincent van Gogh durch und gehört zu den Künstlern des Symbolismus und des Jugendstils, sondern nutzte auch den Pointillismus. Als Mitglied des belgischen Künstlervereins Les XX (Vingt) konnte er Werke von Georges Seurat und weiteren französischen Vertretern des Pointillismus im Original studieren. Toorop wandte die Maltechnik anschließend in seinen Gemälden an. Er vermittelte den Pointillismus (Neoimpressionismus) nach Amsterdam, wo Piet Mondrian von ihm beeinflusst wurde. Zwischen 1891 und 1894 entwickelte Toorop seinen persönlichen Stil, der von weich schwingenden Linien getragen wird. Als ein Hauptvertreter des holländischen Jugendstils wurde er auch für Gustav Klimt zum Ideengeber.
Künstler des italienischen Divisionismus
Vittore Grubicy De Dragon (1851–1920)
Emilio Longoni (1859–1932)
Angelo Morbelli (1853–1919)
Plinio Nomellini (1866–1943)
Giuseppe Pellizza da Volpedo (1868–1907)
Mit seinem Gemälde „Der vierte Stand (Il Quarto Stato)“ (1898–1901, Öl auf Leinwand, 293 x 545 cm, Mailand, Civica Galleria d’Arte Moderna) wollte er „Kunst um der Menschheit willen“ machen. Er prägte mit seinem gesellschaftskritischen Werk das Bild des Arbeiterstandes, der, geleitet von einer Art Familie, energisch der Sonne entgegenschreitet.
Gaetano Previati (1852–1920)
Giovanni Segantini (1858–1899)
Giovanni Sottocornola (1855–1917)
Literatur zum Pointillismus, Postimpressionismus und Divisionismus
- Heinz Widauer (Hg.), Seurat, Signac, Van Gogh. Wege des Pointillismus (Ausst.-Kat., Albertina, Wien), Wien 2016.
- Vivien Greene (Hg.), Arkadien & Anarchie. Divisionismus – Neoimpressionismus (Ausst.-Kat., Deutsche Guggenheim, Berlin; Solomon R. Guggenheim Museum, New York), Ostfildern 2007.
- John Cage, Color in Art, New York/London 2006.
- Andrea Dippel, Schnellkurs Impressionismus, Köln 2002.
- Peter H. Feist, Der Impressionismus in Frankreich, in: Ingo F. Walther (Hg.), Malerei des Impressionismus 1860–1920, Bd. 1, Köln 1992.
- Pierre Courthion, Georges Seurat, Köln 1991.
- Julius Meier-Graefe, Entwicklungsgeschichte der modernen Kunst (1924), Bd. II, München 1987.
- Paul Adam, Soi, Paris 1886.
Beiträge zu Postimpressionismus | Pointillismus | Divisionismus
- Zitiert nach http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k113280m
- Zitiert nach Peter H. Feist, Der Impressionismus in Frankreich, in: Ingo F. Walther (Hg.), Malerei des Impressionismus 1860–1920, Bd. 1, Köln 1992, S. 280.
- Zitiert nach Pierre Courthion, Georges Seurat, Köln 1991, S. 15.
- Zitiert nach: John Cage, Color in Art, New York/London 2006, S. 73.
- Zitiert nach Heinz Widauer, in: Heinz Widauer (Hg.), Signac, Seurat, van Gogh (Ausst.-Kat. Albertina, Wien), München 2016, S., 22.
- Zitiert nach Giovanna Gines, Divisionismus, Neoimpressionismus, Sozialismus, in: Arkadien und Anarchie, S. 29–40, hier S. 31.